Kapitel 26

Cooper
Zum Glück hat Ava keinen Schaden von ihrem Sturz davongetragen. Aber um ganz sicher zu sein, lasse ich sie nicht mehr aus den Augen. Nicht an diesem Tag. Nicht am nächsten. Und auch Tage nach ihrem Sturz, habe ich noch nicht vergessen, wie mein Herz für eine Sekunde ausgesetzt hat, als Ava vom Pferd gefallen und mit dem Kopf im Dreck gelandet ist. Am liebsten hätte ich sie sofort ins Krankenhaus gebracht, aber diese Frau ist sturer als ein Esel. Wäre Steve nicht gewesen, der mich daran erinnert hat, dass ich bei ihm oder einem der anderen Männer nicht so reagiert hätte, hätte ich womöglich doch noch auf einen Besuch im Krankenhaus bestanden. Doch nachdem ich bemerkt habe, dass Ava außer einer Beule keine weiteren Verletzungen davongetragen hat, habe ich mich beruhigt. Und die Tage gingen allmählich in den immer gleichen Trott über. Noch vor Sonnenaufgang aufstehen, den ganzen Tag im Sattel und ein frühes Abendessen, bevor wir völlig geschafft in unsere Schlafsäcke kriechen.
Es ist später Nachmittag und wir sind nicht mehr allzu weit von der Station entfernt, weil wir einen verdammt guten Job gemacht haben. Zumindest denke ich das.
»Coop, wir haben ein Problem«, höre ich meinen Vater, der an diesem Nachmittag eine letzte Runde mit dem Chopper dreht, um sich einen Überblick über die aktuelle Lage zu verschaffen. »Etwa zehn Kilometer entfernt, habe ich ein paar Streuner entdeckt. Kannst du sie hertreiben?«
Schnell werfe ich einen Blick auf die Uhr. »Es wird bald dunkel.« Gespannt warte ich auf die Antwort meines Vaters, doch dann habe ich eine Idee. »Dad, ich reite mit Ava heute noch hoch, wir bleiben die Nacht über beim Vieh und treiben sie morgen in eure Richtung. So verlieren wir keine wertvolle Zeit.«
Ich weiß bereits jetzt, dass er zustimmen wird. »Geht klar, Coop«, kommt es kurz darauf auch schon knisternd durch das Funkgerät.
Kurz sehe ich über meinen Rücken zu Ava, die ungefähr dreißig Meter hinter mir reitet, und erst als ich weiß, dass bei ihr alles in Ordnung ist, schließe ich zu Steve auf.
Schnell erzähle ich ihm von der kleinen Außerplanmäßigkeit. »Soll ich mitkommen?«
Gott, alles nur das nicht. Sofort schüttele ich meinen Kopf, um abzulehnen. »Auf keinen Fall.«
Auf seinem Gesicht zeigt sich ein leichtes Grinsen. »Ach so ist das.«
Ich verdrehe meine Augen, weil ich weiß, in welche Richtung seine Gedanken wandern. Wir sind da leider gleichgepolt, was er aber nicht unbedingt wissen muss. »Wir sind hier auf einem Viehtrieb.«
»Oh, ich weiß genau, was heute noch getrieben wird«, singsangt er.
»Manchmal frage ich mich wirklich, wieso wir befreundet sind«, antworte ich ihm, muss aber kurz darauf bereits lachen. Scheiße, eigentlich sind wir genau deswegen miteinander befreundet.
Nachdem ich eines der Packpferde eingefangen habe, lenke ich Jolly Jumper zurück zu Ava. »Wir müssen noch mal nach Norden reiten. Jack hat mit dem Helikopter ein paar verirrte Rinder aufgestöbert.«
Wie ein waschechter Jackaroo wirft Ava zuerst einen Blick in den Himmel. »Ist es nicht etwas spät dafür?«
Ich zwinkere ihr zu. »Ja, das ist es.« Mit verheißungsvollem Tonfall füge ich hinzu: »Wir werden heute Nacht ein bisschen entfernt von den anderen campieren.«
Sofort leuchten Avas Augen auf und ihre Stimme nimmt einen anzüglichen Tonfall an. »Wirklich?«
Ich lasse meine Augenbrauen tanzen. »Oh ja.«
Ohne uns vom Rest der Männer zu verabschieden, brechen Ava und ich aus der Formation aus und reiten in die entgegengesetzte Richtung. Die Jungs schließen sofort die Lücken, sodass die Herde weiterläuft, ohne sich von Ava und mir aus der Ruhe bringen zu lassen.
Nachdem wir außer Sichtweite sind, zügele ich das Tempo und lasse mein Pferd Schritt gehen. Ava tut es mir gleich und streckt mir die Hand entgegen. Es fühlt sich beinahe kitschig an, Händchen haltend, Seite an Seite durchs Outback zu reiten.
»Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass mir mein Po jemals so wehtun könnte«, lässt Ava mich nach einer Weile wissen.
»Warte mal, bis ich ihn dir mal versohlen werde«, scherze ich.
»Stehst du auf so etwas?«
Ich zucke mit den Schultern. »Nicht auf den krassen Scheiß. Aber ein- oder zwei Klapse auf den Hintern, dem kann ich während dem Sex schon etwas abgewinnen.«
»Gut«, ist alles, was sie dazu sagt.
Mit gerunzelter Stirn sehe ich sie an.
»War das jetzt deine Art mir zu sagen, dass du auch darauf stehst?«, möchte ich von ihr wissen.
»Vielleicht.« Sie grinst, gibt ihrem Pferd die Sporen und reitet wieder los.
»Du kannst nicht so ein Gespräch anleiern und dann einfach verschwinden«, rufe ich ihr hinterher.
Laut lachend dreht sie sich zu mir um. Ihre Haare flattern im Wind und es wundert mich, dass sie ihren Hut nicht verliert. Ihre Wangen sind leicht gerötet, da die Sonne unbarmherzig auf uns herab scheint, und sie sieht so … glücklich aus. Ich versuche, mir jedes Detail einzuprägen, weil ich diesen Tag – Nein! – diese Woche niemals vergessen will.
Was ist bloß für ein romantischer Idiot aus mir geworden?
Ich komme den ganzen Ritt über nicht mehr aus dieser rührseligen Stimmung. Selbst als wir das Nachtlager aufgeschlagen haben, wird es nicht besser. Sogar beim Essen ziehe ich Ava zwischen meine Beine, um ihr näher zu sein. Verdammt, ich füttere sie sogar, weil ich unter akutem Ava-Entzug leide.
Hat das alles nur mit ihrem Sturz zu tun?
Nachdem wir die spärliche Abendhygiene – mehr als ein bisschen Wasser über den Kopf und mit Seife schrubben ist hier nicht drin – hinter uns gebracht haben, ziehe ich sie zurück ans Feuer. Eigentlich dachte ich, ich würde sofort über sie herfallen, sobald wir allein sind, doch ich bin in ganz anderer Stimmung. Avas Haare sind zu einem Dutt hochgebunden und so habe ich unbeschränkten Zugang zu ihrem Hals, an dem ich auch sofort zu knabbern beginne. Obwohl es immer noch warm ist, bemerke ich, wie eine Gänsehaut über Avas Rücken hinaufkriecht.
»Gefällt dir das?«, flüstere ich in ihr Ohr.
Außer einem Nicken bekomme ich keine Antwort. Meine Hände wandern in ihre Haare, um den Haarknoten zu lösen. Vermutlich stelle ich mich etwas ungeschickt an, aber sie beschwert sich nicht bei mir. Ich lasse meine Finger durch die roten Locken gleiten, bevor meine Hände weiter über ihren gesamten Körper wandern. Mit Händen und Lippen berühre ich jeden einzelnen Zentimeter, den ich erreichen kann. Bis es irgendwann einfach nicht mehr genug ist. »Dreh dich zu mir um«, bitte ich Ava.
Sofort kommt sie meiner Aufforderung nach, doch nach wenigen Sekunden klettert sie auf meinen Schoß. Ich küsse mich über ihr Schlüsselbein nach oben, über ihren Hals weiter, bis ich irgendwann ihre Lippen erreiche und sie mit meinen verschließe. Vermutlich habe ich noch nie eine Frau so zärtlich geküsst. Federleicht lecke ich mit meiner Zunge über ihre Unterlippe, und sie öffnet bereitwillig ihren Mund. Langsam und neckend sucht meine Zunge ihre. Unser Kuss beginnt gemächlich, doch gewinnt immer mehr an Intensität, je länger wir so eng aneinandergepresst dasitzen.
Als ich es nicht mehr aushalte, durch mehrere Schichten Kleidung von ihr getrennt zu sein, dränge ich Ava von meinem Schoß und lege sie vor mir auf den staubigen Boden. Ich sauge ihren Anblick regelrecht in mich auf.
Wie ein Raubtier krabbele ich über sie und löse den Knopf ihrer Jeans. Als ich sie ihr ausziehe, hilft sie mir, indem sie ihr Becken anhebt. Ich ziehe ihr gemeinsam ihre Stiefel und die Hose aus. Das schwarze Höschen und ihre helle Haut stehen im krassen Gegensatz zu der roten Wüste.
Nichts in meinem Leben war heißer als das hier. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten und küsse mich ihre Beine entlang immer weiter nach oben, bis ich den schwarzen Stoff erreiche. Ich fahre mit meiner Zunge den Bund nach, was Ava ein erregtes Keuchen entlockt und ich öffne meine Hose, um mir etwas Erleichterung zu verschaffen.
Ich schiebe mich Avas Körper entlang weiter nach oben, da ich sie wieder küssen will. Küssen muss. Ich bekomme nicht genug von den warmen weichen Lippen. Ava greift nach meinem Hintern, um mich näher an sich zu pressen. Unruhig bewegt sie sich unter mir und wir reiben uns aneinander wie Teenager.
Mit einer Hand stütze ich mich über ihrem Kopf ab, die andere lasse ich in ihr Höschen gleiten. Oh. Mein. Gott. Sie ist so bereit für mich. Mein Finger gleitet in sie hinein und immer wieder stoße ich in sie, während Ava jeder meiner Bewegungen entgegenkommt.
Ich ziehe meine Hand zurück, meine Boxershorts nach unten und schiebe ihr Höschen beiseite. Mein Körper zittert, als ich mich an ihrem Eingang positioniere.
»Fuck«, fluche ich laut, als mir klar wird, dass ich nichts dabeihabe, um uns zu schützen. »Wir haben kein Kondom«, bringe ich schwach hervor.
»Ich verhüte. Und nach der Trennung von Benjamin habe ich mich testen lassen«, sagt Ava und unterbreitet mir damit ein verdammt unmoralisches Angebot.
Fest beiße ich die Zähne aufeinander, doch dann entziehe ich mich ihrer Hand und rolle von ihr herunter. »Ava, glaub mir, ich würde nichts lieber tun, als jetzt und hier mit dir zu schlafen, aber es geht nicht. Ich habe zwar immer ein Kondom benutzt, aber ich will nichts riskieren.« Manchmal ist es verflucht hart, das Richtige zu tun.
Ich lege mir meine Hand über die Augen und sauge Luft in meine Lungen. Mein Gehirn ist immer noch vor Lust benebelt, als Ava sich über mich lehnt und mich dazu zwingt, sie anzusehen. »Willst du mich jetzt echt hängen lassen?«, fragt sie, nimmt meine Hand und führt sie weiter nach unten. »Wir können auch so Spaß haben«, prophezeit sie mir.
Ziemlich sicher wird sie recht behalten.

Vierzig Grad. Ein trockenes Flussbett. Und mehr als zweitausend Rinder. Mitten darin Ava, die das Vieh immer weiter in Richtung Station treibt.
Mein Blick klebt an ihr. Steve sieht im Gegensatz zu Ava müde und abgekämpft aus, was auch kein Wunder nach fast sieben Tagen im Outback ist. Allerdings habe ich das Gefühl, dass Ava von Tag zu Tag, den wir hier draußen verbracht haben, mehr aufgeblüht ist. Mein Dad, der heute ebenfalls mit seinem Pferd unterwegs ist, schließt zu mir auf. »Es ist herrlich Ava dabei zu beobachten.« Mit seinem Kopf deutet er in ihre Richtung.
»Es ist …« atemberaubend. So kann ich den Satz auf keinen Fall beenden.
»Charlie hast du nie so verliebt angesehen.«
Hektisch drehe ich meinen Kopf zu Dad. Wohl kaum eine angemessene Reaktion. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn schockiert anstarre. »Ach …«, sage ich so locker wie möglich. »Findest du?«
Er stößt ein belustigtes Schnauben aus. »Coop, man müsste blind sein, um nicht zu sehen, wie sehr du dich zu Ava hingezogen fühlst.«
Ich zucke nur mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Coop, ich sehe auch, wie sie dich ansieht«, redet er weiter auf mich ein. Mit gerunzelter Stirn drehe ich mich zu ihm um.
»Wie sieht sie mich an?«
»So als wärst du der Mittelpunkt ihres Universums.«
Ich mache eine wegwerfende Handbewegung. »Nur so lange, bis sie wieder von hier verschwindet. Danach vergisst sie mich ganz schnell wieder.«
»Sie muss aber nicht gehen.«
»Natürlich muss sie das«, antworte ich schroffer als geplant. »Sie hat noch nie auf eigenen Beinen gestanden und sollte endlich anfangen, ihr Leben zu leben, anstatt sich wieder an das irgendeines Kerls anzupassen.«
»Du bist nicht irgendjemand, Cooper.« Oh, oh. Mein voller Name, dieses muss Gespräch ernst sein. »Sie passt hierher.« Seine Stimme wird eindringlicher. »Und siehst du denn nicht, wie gut ihr das Outback tut?«
»Verdammt, ich will aber nicht, dass sie wegen der Landschaft hierbleibt, sondern wegen mir.«
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht sieht er mich an. »Ich nehme an, zwischen euch läuft es nicht nur rein platonisch ab?«
Ertappt nehme ich einen schnellen Atemzug. Wieso schafft er es auch, dass ich mich mit sechsundzwanzig Jahren fühle, als wäre ich wieder fünf und hätte etwas Schlimmes angestellt?
Leider macht es keinen Sinn, etwas abzustreiten. »Nein, nicht zu hundert Prozent.« Eher gegen null. Ich lege den Kopf in den Nacken und schaue hinauf in den Himmel. »Weiß es Renée auch bereits?«
»Nein. Wobei ich nicht verstehe, wie sie nur so blind sein kann.« Im Normalfall redet Dad nicht besonders viel, aber dadurch, dass er alle beobachtet, entgeht ihm auch nichts. Renée ist offensichtlich das genaue Gegenteil von ihm. »Vor allem sieht sie schon in Steve ihren zukünftigen Schwiegersohn«, sagt er mit einem schadenfrohen Lachen.
»Gott, ich habe so etwas befürchtet«, murre ich.
»Na ja, Steve ist ja auch ein richtiger Schwiegermutterliebling.« Er ist alles, aber sicher nicht das. Allerdings haut er ja den Großteil seiner dummen Bemerkungen nur in meiner Nähe raus.
»Und ich nicht?«
»Nein, dafür bist du viel zu oft schlecht drauf und versteckst dich in deinem Büro.«
»Na danke«, brumme ich. »Trotzdem will Ava lieber mich als ihn.« Großartig, jetzt klinge ich auch noch wie ein eingeschnappter Fünfjähriger.
Das scheint auch meinem Dad aufzufallen, denn er lacht laut auf. »Scheiße, dich hat es ja echt erwischt.«
»Es hat mich überhaupt nicht erwischt«, widerspreche ich ihm, obwohl ich selbst weiß, dass die Sache zwischen Ava und mir bei Weitem nicht so locker ist, wie ich es gerne hätte. »Aber, nur so rein interessehalber: Findest du es nicht irgendwie komisch, weil ja Renée und du …«, unbestimmt wedele ich mit meiner Hand herum, »und dann Ava und ich …« Scheiße, ich bin doch sonst nicht um Worte verlegen.
»Ich habe kein Problem damit.« Das genügt mir. Vorerst.
Stumm gebe ich meinem Pferd die Sporen und presche voraus. Dieses Gespräch hat lang genug gedauert. Verdammt, dieser ganze Viehtrieb hat lang genug gedauert.
Ich reite als Erster vorneweg zur Station zurück und sämtliche Last fällt von meinen Schultern, nachdem wir nach mehreren Tagen im Sattel das Gatter passieren.
Am liebsten würde ich mich sofort ins Bett legen, aber zuerst müssen wir die Herde noch einsperren, außerdem brauchen die Tiere Wasser und wir müssen unbedingt die Bullen vom Rest der Herde trennen.
Das wird ein langer Abend. Und eine noch längere Nacht. In den nächsten Stunden markiere ich die Tiere, während Dad und der Rest der Männer sie in verschiedene Pferche aufteilen. Das hat allerhöchste Priorität.
Als Steve die letzten Rinder wegbringt, taumele ich in den Stall, um noch ein letztes Mal nach den Pferden zu sehen. Ich tätschle Jolly Jumper und sage: »Gut gemacht, mein Großer.«
Danach lasse ich mich müde auf einen Heuballen sinken. Erschöpft lehne ich mich zurück, automatisch lege ich einen Arm über meine Augen. Nur zwei Sekunden die Augen schließen. Danach stehe ich bestimmt wieder auf.