Kapitel 12

Knatternd erklomm das Hovercraft die nächste Anhöhe und sauste dann in rasantem Tempo nach unten. Amjan hielt grinsend das Gesicht in den Wind und riss das Steuer gerade noch herum, ehe der Rumpf des Hovercrafts gegen einen Felsen schlug. Ser liebte die Erkundungsflüge über die Ebenen, viel mehr als den Papierkram im Büro.

Amjan hob das Fernglas und justierte es. Schon mit bloßen Augen konnte ser im Hitzeflirren über dem Horizont die mächtige Ruine der alten Abbaustation aufragen sehen, doch erst der Blick durchs Fernglas verschaffte sem Gewissheit. Piet hatte nicht gelogen, irgendetwas passierte dort.

Die hohe, mit Stacheldraht bekränzte Betonmauer schirmte unliebsame Blicke ab, trotzdem erkannte Amjan einige große Baukräne, die sich bewegten, und bereitstehende Transportschiffe. Ser steuerte das Hovercraft näher an die Mauer heran, bis ser die Kräne mit bloßem Auge sehen konnte. Jetzt vernahm ser auch den geschäftigen Lärm, der von der Abbaustelle herüberwehte. Das Rattern von Motoren, das Graben und Schürfen großer Baggerschaufeln, und Stimmen, die laut, aber schwer verständlich über die Mauer zu sem herüber hallten.

Amjan drosselte die Geschwindigkeit – und im selben Moment schlug etwas neben sem in den Boden. Ser erschrak so heftig, dass ser fast das Steuer herumgerissen hätte. Ein zweiter Einschlag, diesmal einen halben Meter links des Hovercrafts.

Amjan duckte sich hinter dem Steuerpult zusammen und griff hektisch an seren Com, das rot blinkte. »Mayday, Feuer sofort einstellen. Hier ist Lieutenant Amjan Naskar, Distriktaufsicht von Kalubs End. Over.«

»Uns egal, wer du bist«, schnarrte eine Stimme im Com. Amjan erkannte zwei Gestalten auf dem Wachturm, beide in Camouflagekleidung mit angelegten Waffen. Zwei Laserpunkte glitten über die Schutzkuppel des Hovercraft. »Du hast hier nichts zu suchen, Lieutenant. Verpiss dich. Over.«

»Negativ, das hier ist mein Verwaltungsbezirk«, beharrte Amjan. »Ich will die Kommandozentrale sprechen. Sofort. Over.«

»Einen Scheiß wirst du«, knurrte die Stimme. »Du verpisst dich jetzt von hier oder wir brennen dir ein paar Löcher in den Wanst. Kein Gesprächsbedarf mehr. Over and out.«

Amjan sog scharf die Luft ein. Ser ärgerte sich, dass ser ganz ohne Panzerung und nur mit leichter Bewaffnung aufgebrochen war, aber wer konnte denn mit einem solchen Militäraufgebot rechnen – irgendwo am Ende der Galaxis in einer stillgelegten Vicariummine, die seit Jahrzehnten leer stand?

»Negativ – ich will wissen, was hier vor sich geht«, wiederholte ser ruhig. »Sonst werde ich bei ALIS Meldung erstatten. Eine nicht-genehmigte militärische Aktion in meinem Verwaltungsbezirk werde ich nicht dulden. Over.«

Die beiden Gestalten auf der Mauer schienen einen Blick zu wechseln. Sie unterhielten sich leise, gestikulierten, dann griff sich der Linke an die Schläfe. Es knackte in Amjans Com, offenbar wechselten sie den Kanal. Amjan kroch Nervosität in die Glieder. Sicherheitshalber legte ser selbst die Hand auf seren Holster, obwohl ser wusste, dass die Waffe auf die weite Distanz und bei zwei Gegnern in Sicherheitspanzerung wenig Nutzen versprach. Und das Hovercraft war nicht mit Waffensystemen ausgestattet. Ser sollte einfach von hier verschwinden, Meldung machen und im Zweifel auf Verstärkung hoffen. Falls je eine käme.

Die Gestalten auf der Mauer fixierend, wartete ser und sondierte jede ihrer Bewegungen. Schließlich richtete sich die linke Person auf, nickte ihrem Kameraden zu und beide gingen synchron in Deckung. In dem Moment ließ Amjan sich unter die Sitze fallen.

Keine Sekunde zu spät. Die Laser durchsiebten den Rumpf des Hovercaft, die Kuppel über dem Cockpit bebte, hielt aber stand. Verdammte Scheiße.

Die ersten Risse zogen sich durch die Kuppel. Nicht mehr lange, und sie würde bersten. Weitere Laser brannten sich in den Kunststoff, Amjan sprang auf, legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas. Das Hovercraft jaulte auf, schwarzer Qualm drang aus dem Motor und mit einem hohlen Stottern erlosch das Luftkissen. Das Hovercraft sackte ab, knallte auf einen Felsen und kippte zur Seite. Amjan verlor den Halt, taumelte gegen die Kuppel und kauerte sich hinter den Sitz. Eine weitere Salve hämmerte auf das Fahrzeug ein, der Kunststoff splitterte.

Mit der Rechten packte Amjan sere Pistole, mit der Linken tastete ser nach dem Türöffner. Da! Ser drückte den Knopf und spürte im selben Moment scharfen Schmerz seren Arm hinunterjagen. Mit einem Aufschrei zog ser die Hand zurück, doch sem fehlte die Zeit, die Verletzung zu begutachten. Die Kuppel schob sich beiseite, die Salve verstummte und Amjan hechtete nach draußen. Ser rollte sich ab, prallte aber trotzdem gegen einen Felsen und keuchte auf. Hastig ging ser in Deckung und richtete die Waffe in Richtung der Mercs, ohne zunächst abzudrücken. Sie hatten aufgehört, zu schießen, und unterhielten sich gedämpft, ehe sie ihren Posten verließen. Vermutlich kamen sie raus, um nach sem zu suchen.

Amjan atmete tief durch. Ser durfte jetzt nicht die Nerven verlieren, obwohl ser bereits die Panik spürte, die sich wie eine Kralle um sere Lungen legte. Ser musste hier weg, doch zwischen der Mine und der Zivilisation lagen mehrere Stunden Fußmarsch. Die Mercs hatten mit Sicherheit Hovercrafts oder -bikes, um sem zu folgen und sen aufzuspüren. Ser brauchte ein gutes Versteck, und ser musste aufpassen, keine Spuren zu hinterlassen. Verdammt, wäre ser doch niemals hierher gekommen!

Amjan rappelte sich auf und rannte im Zickzack zwischen den Felsen hindurch, immer wieder Deckung suchend. Schon nach wenigen hundert Metern brannte sere Lunge und ser verfluchte seine schlechte Form. Vor Jahren hätte ser selbst bei diesen Temperaturen problemlos einen Dauerlauf hinter sich gebracht, jetzt war schon ein Sprint harte Arbeit. Der Sand knirschte in den Scharnieren serer Prothese. Billiges Mistding. Liska war zwar gut darin, die Mechanik immer wieder in Stand zu setzen, aber ALIS machte keinen Finger krumm, um sem ein besseres Modell zu besorgen. Nein, deswegen würde ser ganz sicher nicht in dieser Einöde draufgehen!

Ser mobilisierte sere Reserven, rannte weiter und fand schließlich zwischen einigen Sträuchern und Kakteen ein mageres Versteck. Keuchend kauerte Amjan sich zusammen und zog den Kopf ein. Verdammt, sere Hand tat dort, wo der Laser sen gestreift hatte, höllisch weh. Als hätte ser sie in glühende Kohlen gehalten.

In der Ferne ertönte das Surren eines Hovercrafts, das langsam in sere Richtung steuerte. Das Verdeck war offen und Amjan erkannte drei Gestalten, alle in Camouflage gekleidet und bewaffnet. Eine von ihnen hielt sich ein Fernglas an die Augen. Ein Infrarot-Gerät. Scheiße.

Amjan kramte in serem Gedächtnis hektisch nach der Einsatzvorschrift für diesen Fall. Im Boden eingraben oder im Kadaver eines Tiers verstecken. Alles keine praktikable Lösung. Ser musste hoffen, dass die Mercs nicht in sere Richtung blickten. Wenn doch, dann war er am Arsch. Gegen ein Hovercraft konnte ser nicht anrennen. Alles, was sem blieb, war die Konfrontation – und eins gegen drei, das ging niemals gut aus.

Ser kauerte sich noch weiter hinter den Felsen und hoffte, dass der sem genug Deckung bieten würde. Ser spitzte die Ohren. Das Surren des Hovercrafts entfernte sich. Ob ser es wagen konnte ...? Vorsichtig lugte Amjan über den Stein hinweg und erkannte, dass die Mercs das Wrack seres Hovercrafts durchsuchten und nach Spuren Ausschau hielten. Ser musste Distanz gewinnen, und zwar schnell und leise. Wachsam schälte ser sich aus serem Versteck und rannte los. Vor sem lag eine weite, schier endlose Ebene – wie verdammt nochmal sollte ser die überbrücken, ohne erschossen zu werden? Würden sie sen vielleicht in Ruhe lassen, sobald ser außer Sicht war? Amjan hoffte es.

Ser legte einen weiteren Sprint hin, schlug einen Haken und kroch dann hinter einen Strauch. Die Mercs waren nicht mehr zu sehen, ser hörte auch keine Geräusche vom Hovercraft. Weiter? Oder noch warten?

Weiter!

Amjan sprintete los. Haken schlagend nutzte ser jede Deckung, manövrierte sich Stück für Stück weg von der Mine. Sere Lungen ächzten, sere Muskeln brannten, doch die Energie peitschte sen auf.

Wenn du zurückbleibst, bist du tot, wiederholte ser die Worte wie ein Mantra. Wenn du zurückbleibst, bist du tot.

Ser fühlte sich gerade auf widerliche Weise an seren letzten Einsatz bei ALIS erinnert, an die Schüsse, die Ausweglosigkeit ihrer Situation, die brutalen Schmerzen in serem Bein ... Ser schüttelte die Bilder ab. Lange her. Vorbei. Ans Hier und jetzt denken. An Liska. An Leyo. An ihr Baby. Nicht aufgeben.

Da erklang die erste Salve hinter sem. Unter den Laserstrahlen zerbarst ein Steinblock, ein Kaktus wurde in zwei geschossen. Sie hatten sen entdeckt! Das Hovercraft löste sich aus einer Staubwolke, schoss in Amjans Richtung. Ser war am Arsch! Egal, lieber um seren Leben kämpfen als aufgeben.

Amjan sprang auf und trat die Flucht an, zog den Kopf ein und schützte ihn mit den Armen. Sie holten auf. Ser warf einen Blick über die Schulter. Zwei Mercs legten an, ser spürte den roten Lasermarkierer regelrecht im Rücken. Die Erdspalte neben sem ... Wie tief war sie?

Egal. In einer Kurzschlussreaktion ließ ser sich fallen, rollte sich ab und fiel. Ser stürzte auf den Rücken und japste nach Luft, ein Stechen fuhr durch sere Brust. Verdammter Dreck. Der Staub legte sich und Amjan blinzelte. Ser war nicht tief gefallen, rund drei Meter über sem war die Öffnung.

Steh auf, instruierte ser sich. Weg hier. Die knallen dich ab, sobald sie hier sind.

Ser zog sich auf die Beine und kroch auf allen vieren vorwärts. Der Spalt war so schmal, dass Amjan kaum hindurchpasste, und ser verfluchte seinen massigen Körper. Hinter sem ertönten Schüsse, Splitter platzten von den Wänden ab. Amjan krabbelte weiter. Der Spalt wurde so eng, dass ser den Bauch einziehen musste. Über sem waren Schritte zu hören. Scheiße, das wurde knapp! Da, vor sem war ein Durchbruch. Amjan zwängte sich hinein, hatte kurz Angst, stecken zu bleiben, doch im nächsten Moment stolperte ser in die Freiheit. Erleichtert wischte ser sich Schweiß und Staub von der Stirn und sah sich um.

Was zum Henker war das hier? Der Spalt hatte ausgesehen, als stamme er von einem Erdbeben, doch die Gänge vor sem sahen künstlich angelegt aus. Die Wände waren glatt behauen, aber krude, alt, gestützt von hölzernen Pfeilern. Vielleicht ein alter Teil der Mine? Zum Glück verbreiterte sich der Stollen, sodass Amjan beinahe aufrecht stehen konnte. Ser horchte. Keine Schüsse mehr. Ob sie sem folgen würden? Wenn, dann war ser jetzt in der besseren Position. In dem schmalen Gang konnten die Mercs ihre Übermacht nicht ausspielen, vermutlich passten sie in ihrer Sicherheitspanzerung mit Bewaffnung gar nicht durch den Spalt.

Amjan marschierte trotzdem weiter. Staub und Erde verschluckten bald das Tageslicht, sodass ser seine Taschenlampe vom Gürtel fingerte und einschaltete. Der Lichtkegel brach sich in Myriaden von Staubpartikeln. Rohre und Stahlträger ragten aus den Wänden, alt und verrostet, und am anderen Ende erkannte Amjan die Überreste eines Aufzugsschachts, der weiter in die Tiefe führte. Tatsächlich, ein alter Teil der Vicariummine. Amjan musste lächeln. Das war ein Traum für jeden verwegenen Abenteurer – schade, dass Leyo nicht hier war.

Keine Zeit für Späße, instruierte ser sich. Du kannst nicht umkehren, die werden auf dich warten. Also finde einen anderen Ausgang.

Ser atmete tief durch und tastete sich langsam vorwärts, den Gang entlang. Im Vorbeigehen warf ser einen Blick in den Schacht und erschauderte. Finsternis gähnte sem entgegen und ein widerlicher Gestank nach faulen Eiern stieg sem in die Nase. Ein Durchgang führte in einen weiteren Stollen, der sich dort teilte. In der Ferne vernahm Amjan Schüsse, dumpf, aber bedrohlich. Was war da oben los?

Egal, dachte Amjan. Du solltest dich lieber nicht einmischen.

Ser presste die Lippen zusammen. Was jetzt? Rechts? Links? Sere Lampe tastete die beiden Gänge hinunter, erfasste aber nicht als Staub und Dreck.

Links, dachte Amjan intuitiv. Ser zog sein Messer und ritzte einen Pfeil in die Wand, dann ging ser den Gang hinunter. Sere Brust zog sich zusammen, die Dunkelheit wurde immer dichter, verschluckte sen beinahe. Die Taschenlampe war eine kümmerliche Waffe dagegen. Und ... wie lange hielten die Batterien?

Es war so still hier. Amjans Schritte waren das einzige Geräusch weit und breit. Obwohl – nein. Da war noch etwas. Ser spitzte die Ohren. Ein leises Brodeln, wie von Wasser. War das möglich? Unterirdische Quellen? Schwer vorstellbar hier auf Ranun. Und dieser Gestank ... Schlimmer als jedes Karfaun.

Der Geruch wurde stärker, je tiefer Amjan in den Gang vordrang. Gleichzeitig wurde die Luft immer dünner und heißer. Was zum Henker war das? Ser bog um eine Ecke. Der Gang vor sem war eindeutig eingestürzt, ein Loch klaffte im Boden und daraus verbreitete sich ein unstetes, rotes Glühen. Amjan kam vorsichtig näher. Hitze brannte auf serem Gesicht, Schweiß trat sem in die Augen und der Anblick raubte sem schier den Atem.

Heilige Scheiße.

Tief unten, dort, wo das Loch im Boden endete, wogten dicke Ströme aus Magma. Ein Meer aus glühendem Gestein, tödlich, wunderschön und schrecklich. Einzelne Funken stoben in die Höhe und Amjan musste den Blick abwenden, um nicht von Hitze und Glut geblendet zu werden.

Ser blinzelte fassungslos und rieb sich die brennenden Augen. Vage erinnerte ser sich daran, dass es auf Ranun einmal vulkanische Aktivitäten gegeben hatte, lange bevor die Föderation dem Planeten mit Terraforming zu Leibe gerückt war. Seitdem galten die Vulkane als endgültig erloschen. Das hier sah gänzlich anders aus. Ein unterirdischer Vulkanschlot so nahe an der Vicariummine, in der sich plötzlich wieder Truppen tummelten – das gefiel sem gar nicht. Ser musste der ALIS-Zentrale Bescheid sagen, so bald wie möglich, und am besten auch der Gouverneurin.

Langsam wandte ser sich ab, die Hitze und der Gestank waren unerträglich, und ging zur Abzweigung zurück. Konnte ser riskieren, zur Erdspalte zurückzukehren und festzustellen, ob die Söldner noch dort waren? Vielleicht hatten sie sere Spur verloren und suchten nun anderswo.

Behutsam trat ser den Rückweg an und schaltete die Taschenlampe aus. Nichts war zu hören. Keine Schüsse mehr, kein Hovercraft. Amjan wartete noch eine Weile, horchte, hielt den Atem an. Es blieb ruhig. Gut, nächster Schritt. Ser zwängte sich durch den Riss und rappelte sich auf. Die Spalte war tief genug, dass ser aufrecht stehen konnte, ohne etwas von sich preiszugeben, aber zu tief, um sich einfach über den Rand zu ziehen. Selbst wenn ser sich streckte, erreichten sere Fingerspitzen die Kante nicht.

Etwas weiter fand ser eine stabile Trittmöglichkeit auf einem Felsen und stemmte sich nach oben. Die Ebene war leer. Ser erkannte Abdrücke im Sand, die das Hovercraft hinterlassen hatte, aber von den Mercs fehlte jede Spur. Amjan sah sich misstrauisch um. Wieso hatten die Mercs die Verfolgung aufgegeben, statt sem in den Schacht zu folgen? Warum hatte ser einen Schusswechsel gehört? Wer hatte auf wen geschossen und weswegen?

Amjan knirschte mit den Zähnen. Wenn ser jetzt aus dem Spalt kletterte, saß ser für einige Sekunden schutzlos auf dem Präsentierteller, ehe ser es in Deckung schaffte. Falls irgendwo ein Scharfschützengewehr auf sen gerichtet war, würde sen das binnen Augenblicken mit Blei spicken. Sollte ser lieber noch warten? Bis zum Abend vielleicht?

Bringt nichts, dachte ser. Im Zweifel haben die einen längeren Atem als du.

Ser holte tief Luft, spannte die Muskeln an und zog sich aus der Spalte. Sere verletzte Hand schickte eine beißende Schmerzwelle bis hinauf in sere Schulter, doch Amjan ignorierte sie. Ser rollte sich über den Rand, sprang sofort auf und hechtete hinter einen Felsen in Deckung. Nichts. Keine Schüsse. Die Mercs waren tatsächlich fort?

Amjan wagte auszuatmen und lockerte sere verspannten Muskeln. Ser verharrte eine Weile in seinem Versteck, dann begann ser sich vorsichtig umzusehen. Am Boden waren zahlreiche Spuren, vor allem Fußabdrücke. Weit mehr als von ein paar Mercs. An einem Felsen klebte Blut und in einem Strauch etwas abseits erkannte Amjan eine Leiche in Camouflagekleidung, von Kugeln zersiebt. Echte Kugeln, kein Laser. Wer hatte die Leute angegriffen? Und warum?

Plötzlich vernahm Amjan Schritte hinter sich. Ein Schatten löste sich zwischen den Felsen und kam in sere Richtung. Ser ging in Deckung, hob die Pistole, bereit, abzudrücken.

»Tag, Sheriff. Bisschen undankbar, wenn man bedenkt, dass wir dir gerade den Arsch gerettet haben.«

Amjan blinzelte. »Shefta?«

Breitbeinig trat die Bandenführerin auf ihn zu und grinste. Ihre Lederjacke wies einige Brandspuren auf und zwei blutige Corpsabzeichen baumelten als Trophäen um ihren Hals. »Deine Retterin in der Not. Hättest du dir auch nicht träumen lassen, was?«

Amjan schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Was treibt ihr hier?«

Shefta gab ein Zeichen und einige ihrer Leute tauchten zwischen den Felsen auf. »Wir machen den Fatzkes da drin«, sie deutete in Richtung Mine, »ein bisschen Feuer unterm Arsch. Sehen das gar nicht gern, wenn sich bewaffnete Bastarde in unserem Revier rumtreiben.«

»Strenggenommen ist das mein Revier«, erwiderte Amjan brüsk. »Und hier ballert niemand einfach so rum, klar?«

»Ach, auf einmal?« Shefta grinste. »Hätten wir uns lieber verkrümeln und zusehen sollen, wie die Mercs dich mit ihren Lasern flambieren? Kein Thema, Sheriff, wenn du so erpicht darauf bist, den Löffel abzugeben ...«

Amjan nuschelte in seren Bart. »Verschwinden wir von hier. Die könnten zurückkommen.«

»Wohl kaum«, erwiderte Shefta, setzte sich aber in Bewegung. »Wir kennen deren Taktik. Die schicken nur kleine Aufklärungstrupps raus und sobald sie in ein Scharmützel kommen, ziehen sie sich feige hinter ihren Stacheldraht zurück.«

»Was machen die da drin überhaupt?«, fragte Amjan. »Die Mine ist doch dicht.«

»Schon eine Weile nicht mehr«, antwortete Shefta. »Haben vor einigen Monaten angefangen, hier rumzuwerkeln, und schießen auf alles, was sich der Mine nähert. Keine Ahnung, was die da treiben. Angeblich wurde ’ne neue Ader entdeckt.«

»Hm«, murmelte Amjan tonlos. Es gefiel sem gar nicht, jetzt in Sheftas Schuld zu stehen. Ser verabscheute sie und ihre Bande von Haudraufs und Schlagetods, die sich bereitwillig an den Schwächsten vergriffen. »Gibt’s jemanden, der mehr darüber weiß?«

Shefta zog die Mundwinkel hoch, was ihrem asymmetrischen Gesicht ein besonders skurriles Aussehen verlieh. »Kann sein. Kostet aber ’ne Kleinigkeit.«

»Wie viel?«

»Mindestens vier Flaschen guten Whisky. Du hast doch Connections oder nicht? Bist ja immerhin Offizier oder so ein Scheiß.«

»Distriktaufsicht«, korrigierte Amjan. »Das ist quasi gar nichts.«

»Mir egal. Vier Flaschen guter Whisky, letztes und einziges Angebot.«

»Vergiss es. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob die Infos was taugen.«

»Gut, dann zwei Flaschen vorher – ich muss schließlich den Kontakt herstellen – und zwei danach. Fair, oder, Sheriff?«

Amjan knirschte mit den Zähnen. Ser hatte wirklich keine Lust, mit dieser dreckigen Schlägerbande Geschäfte zu machen, aber gerade hatte Shefta sen in der Hand. Außerdem konnte ser allein gegen ihre zwei Dutzend Skorpione sowieso nichts ausrichten.

»Schön, sagen wir sechs Flaschen, dafür lasst ihr Piet und seine Frau in Ruhe, klar?«

Shefta gluckste. »Wieso? Haben denen doch nur ein bisschen Angst gemacht, stimmt’s, Leute?«

»Mir egal, lasst ihn in Ruhe. Ihr habt ihm genug Kohle abgepresst.«

»Meinetwegen.« Shefta seufzte theatralisch. »Wenn’s dir so wichtig ist ...«

»Allerdings. Was ist jetzt mit eurer Kontaktperson?«

»Ich treff dich morgen Abend in Rubhas Saloon, dann bringst du den Whisky mit und ich geb dir eine Adresse. Abgemacht?« Shefta hielt sem ihre Hand entgegen und Amjan ergriff sie zögerlich.

»Abgemacht. Und ihr lasst Piet und seine Frau –«

»Scheiße ja, ich hab’s kapiert. Mach dir nicht ins Hemd, Sheriff. Was ist, kommst du mit? Ist ein weiter Weg bis Kalubs End und wir haben Hoverbikes.«

»Nicht nötig«, brummte Amjan. Ser hatte keine Lust, dass sen die Leute von Kalubs End Seite an Seite mit Shefta und ihrer Gang sahen. »Ich gehe zu Fuß.«

»Ehrlich?« Shefta grunzte. »Na gut, wie du meinst. Dann bis morgen Abend.«