Ein dumpfes Geräusch riss Leyo aus dem Schlaf. Er blinzelte träge und drehte sich brummend auf die Seite. Es war schon hell im Zimmer, aber noch nicht unerträglich heiß. Amjan wollte ihn offensichtlich nur ärgern, so vehement, wie ser am Bett rüttelte.
»Leyo, verdammt, steh auf!«
»Hm?« Er erkannte vage Amjans Silhouette am anderen Ende des Zimmers. Ser war nicht einmal in der Nähe des Bettes. Und das hieß ...
Leyo schreckte hoch. Es war nicht das Bett, das wackelte. Alles wackelte. Draußen im Esszimmer zersplitterte etwas auf dem Boden, Bücher plumpsten aus den Regalen und beim Versuch, aufzustehen, hatte Leyo das Gefühl, als befände er sich auf einem Schiff mitten in einer Raumanomalie. Das Gleichgewicht zu halten war eine enorme Herausforderung. In Kalubs End hatte es noch nie Erdbeben gegeben. Und das hieß ...
Er warf Amjan einen Blick zu, ser war bleich wie Papier. »Hast du den Knall gehört? Es ist passiert. Das war eine verdammte Methan-Explosion.«
Leyo kaute auf seiner Unterlippe, seine Brust zog sich zusammen. Nein, kein Grund zur Panik. In wenigen Minuten war mit Sicherheit alles vorbei. Er lehnte sich gegen die Wand, atmete tief durch und taumelte zum Fenster, um einen Blick nach draußen zu werfen. Der Anblick war gespenstisch. Die Steppe war in ein bedrohliches Orange getaucht und über allem lag eine dichte Wolke aus Staub und Sand. Nur vage konnte er die Umrisse des Gigantenfriedhofs in der Ferne erkennen. Gestank nach faulen Eiern, Rauch und Asche drang durch die Fugen ins Innere.
Noch einmal bebte die Erde, so heftig, dass Leyo Angst hatte, ihre Hütte würde über ihren Köpfen zusammenbrechen – bis es schließlich vorbei war. Leyo wagte kaum, zu atmen, auch Amjan stand einen Moment lang da wie erstarrt. Dann riss die Feuerglocke sie beide aus ihrer Lethargie.
»Ich seh’ mir das an.« Amjan schlüpfte in Windeseile in sere Kleider. »Wir müssen alle zusammentrommeln, das ganze Dorf. Wir treffen uns vor dem Saloon, bring alle mit, die du findest.«
Leyo nickte und griff mit fahrigen Fingern nach Hose und Shirt. »Mach ich. Sei bloß vorsichtig.«
»Ja, du auch.« Ein flüchtiger Kuss, dann trennten sich ihre Wege.
Der Wohnraum ihrer Hütte glich einem Schlachtfeld. Gläser und Dosen waren aus dem Regal gefallen und hatten Löcher in die morschen Dielen geschlagen, Geschirr war zerbrochen – darunter Liskas Lieblingstasse – und die Haustür hing schief in den Angeln. Das Fundament der Hütte musste an einer Stelle eingesackt sein.
Scheiße.
Leyo riss ohne Vorwarnung die Tür zum Gästezimmer auf. »Trish?«
Das Zimmer war leer, das Bett zerwühlt, ihre Sachen weg. Verdammt, sie war bereits mit Sami zum Friedhof aufgebrochen. Hoffentlich waren sie nicht weit gekommen! Leyo fluchte stumm, zog sich eine Jacke über und zögerte dann kurz. Sollte er ...? Nun, Vorsicht war besser als Nachsicht. Er rannte zu einer der Kommoden im Schlafzimmer, riss sie auf und fand die Schachtel mit der schweren Pistole, die er vor Jahren in Kasdan für seine Schmuggel-Deals gekauft hatte, und einige Packungen Munition. Er schob die Patronen ins Magazin, steckte die Knarre gesichert in seinen Gürtel und rannte nach draußen.
Hitze, Gestank und Staub schlugen ihm entgegen, die Luft war so dick, dass er instinktiv sein Hemd über Mund und Nase zog. In der Ferne glaubte Leyo eine dichte, schwarze Rauchsäule in den Himmel steigen zu sehen. Etwa da, wo die Mine liegen musste. Ihm wurde flau bei dem Gedanken. Amjan hatte recht gehabt. Und jetzt saßen sie verdammt tief in der Scheiße.
In der Ferne ertönten Schreie, die sich mit der Feuerglocke mischten, irgendwo fiel ein Schuss. Am Dorfrand entdeckte Leyo eine Ansammlung von Leuten, die sich panisch anschrien und wild gestikulierten. Er erkannte Piet, einen der Farmer, und Landra, die Mutter von Samis Freund Tiru. Ohne Vorwarnung unterbrach er ihr hitziges Streitgespräch. »He, haltet gefälligst die Klappe. Amjan will, dass wir uns vorm Saloon treffen. Alle. So schnell wie möglich.«
»Stimmt es, was er sagt?«, fragte Tirus Mutter und deutete auf Piet. »Gibt es einen Angriff? Sind das die verdammten Skorpione?«
»Nein«, widersprach Leyo bestimmt. »Wir werden nicht angegriffen. Aber die Lage ist trotzdem ernst. Trommelt alle zusammen, die ihr finden könnt, okay? Vor Rubhas Saloon.« Als ihn immer noch mehrere Augenpaare irritiert anglotzten, scheuchte er sie mit Nachdruck weg. »Na los, geht schon, beeilt euch, verdammt!«
Endlich setzte sich das Grüppchen in Bewegung. Noch ein Schuss, aber weit entfernt. Beim Gedanken an Amjan zog sich Leyos Magen zusammen. Nein, ser kam klar, bestimmt, niemand würde sem etwas tun.
Immer mehr Menschen wagten sich nach draußen auf die Hauptstraße und Leyo schickte alle, die er sah, hinüber zum Saloon. Er dachte an Sami und Trish. Sollte er sie suchen gehen? Waren sie noch beim Friedhof? Scheiße, wenn sie irgendwo zwischen den Trümmern herumgeklettert waren, als das Erdbeben losging, dann ...
Die Panik drohte ihn für einen Moment zu überrollen, seine Brust wurde eng, immer enger. Er hielt inne, stützte die Hände auf die Oberschenkel und wartete, bis sein Körper aufhörte zu zittern.
Eins nach dem anderen, instruierte er sich. Erst zum Saloon. Dann Sami finden. Unbedingt Sami finden.
Angespannt setzte er seinen Weg fort. Mehrere Dutzend Menschen hatten sich bereits vor dem Saloon versammelt, als Leyo dort eintraf. Er kletterte auf einen niedrigen Mauerabschnitt neben Rubhas Versorgungsschuppen und hielt Ausschau nach Sami. Er sah ihn nicht. Ebenso wenig Arifa, Baref oder ihre Kleine. Wieder begann sein Herz wild zu pochen. Nein, keine Panik. In ihrem schicken Landhaus hatten sie bestimmt einen Bunker für solche Fälle. Aber Sami ... Wo verflucht noch mal war Sami? Und wo waren Liskas Eltern?
Ins Gewirr aus Stimmen mischte sich schrille Panik, anklagendes Gebrüll, Wut und Frust. Einige Anwesende hatten Verletzungen vom Beben, Beulen an der Stirn oder aufgeschürfte Knie von einem Sturz. Manche trugen noch ihren Pyjama, vor allem die Kinder.
Ein Schuss krachte und brachte die Menge zum Schweigen. Rubha ließ ihre Schrotflinte sinken, mit der sie in die Luft geschossen hatte, und nickte Amjan neben ihr zu. »Du bist dran, Sheriff.«
Amjan räusperte sich und sah sich in der Runde um. Seren Miene war sorgenvoll und das versetzte Leyo einen weiteren Stich. Amjan war wie ein Fels, unerschütterlich und pragmatisch. Wenn ser sich sorgte, war es übel. »Leute, ich weiß, die Situation ist ernst und ihr habt alle Angst. Aber wir müssen Ruhe bewahren. Hat jemand gesehen, was passiert ist? Vor dem Beben? Habt ihr Informationen über die Lage?«
Einige Anwesende meldeten sich.
»Es hat gebrannt«, sagte Tessey, eine zierliche Isane mit großen, schwarzen Augen, glatter graubrauner Haut und kantigem Gesicht, die mit ihrer Partnerin die Apotheke im Ort betrieb. »Unser Baby wurde wach, also hab’ ich es ein bisschen herumgetragen und aus dem Fenster geschaut. Da drüben.« Sie deutete in Richtung der Rauchsäule, die auch Leyo gesehen hatte. »Es war weit weg, aber es hat schlimm ausgesehen. Und dann ... dann kam dieser Knall. Und die Erde hat gebebt.«
»Das war die Mine«, warf Jovar ein. Er hatte seinerseits eine abgesägte Schrotflinte über der Schulter und wirkte grimmig, zu allem entschlossen. »Die Schweine haben die Mine hochgejagt.«
»Welche Schweine?«, fragte Leyo.
»Die Skorpione natürlich«, knurrte Jovar und einige Umstehende, darunter Piet, gaben ihm murrend recht. »Die wollen uns ausräuchern!«
»Das ist Unsinn«, widersprach Amjan. »Was hätten sie davon?«
»Die verbreiten Panik, das ist alles! Die wollen uns unter Kontrolle bringen, uns Angst einjagen, damit wir vor denen kuschen!«
Amjan schüttelte den Kopf. »Habt ihr Beweise dafür, Jovar? Ich glaube nicht, dass –«
»Bist du bescheuert, Sheriff? Wieso brauchen wir Beweise?« Er hob seine Abgesägte. »Wir bringen die ganze Drecksbande um, dann ist endlich Ruhe!« Zustimmendes Gebrüll ertönte aus mehreren Mündern und Leyo merkte, wie Amjan unruhig wurde.
»Einen Scheiß wirst du«, erwiderte ser brüsk. »Wir haben gerade andere Sorgen. Wenn die Mine in Flammen steht, war das Beben wahrscheinlich die Folge einer Methan-Explosion. Es könnte weitere Blowouts geben, sofern wir das Feuer nicht unter Kontrolle kriegen. Und dann fliegt uns bald alles hier um die Ohren.« Ser seufzte tief, als ser sah, wie einige Anwesende panisch die Augen aufrissen und ihre Kinder ängstlich an sich zogen. »Es tut mir leid, euch das sagen zu müssen, aber ich will euch nicht belügen. Wir müssen Kalubs End evakuieren, so schnell wie möglich, bevor es noch schlimmer wird.«
Plötzlich herrschte Stille. Leyo las Fassungslosigkeit in den Gesichtern, Angst, aber auch Zweifel.
»Das kann nicht dein Ernst sein«, brach es schließlich aus einer der Umstehenden heraus. Es war Lorika, eine der Sexarbeiterinnen aus dem Bordell an der Hauptstraße. »Hier ist weit und breit nichts! Wo sollen wir hin?«
»Wir sammeln uns hier«, antwortete Amjan, jetzt wieder ruhig und gefasst, ganz in serer Rolle als Sheriff. »Bringt alle Transporter, Hovercrafts und Fahrzeuge mit, die ihr findet, tankt sie vorher voll, wenn ihr könnt. Nehmt nichts mit außer Wasser und Vorräten. Ich weiß, das ist hart. Aber wir brauchen den Platz, damit wir alle von hier wegschaffen können.« Seren Blick flackerte zu Jovar, der jetzt von einigen Leuten mit Waffen umringt war. »Damit das klar ist: Das ist keine Bitte – das ist ein Befehl. Und ich erwarte, dass ihr ihn befolgt. Ich will kein Blutvergießen, wir müssen alle zusammenhalten. Es geht hier, im wahrsten Sinne des Wortes, um Leben und Tod.« Ser atmete tief durch und sah sich in der Runde um. »Ich weiß, dass euch das Angst macht. Mir auch. Vielleicht passiert nichts Schlimmes mehr und wir können heute Abend alle wieder in unsere Häuser zurück. Aber ich will vorbereitet sein, falls es anders kommt.«
»Er hat recht«, bekräftigte Rubha, die mit ihrer Reibeisenstimme und der Schrotflinte über der Schulter eine gehörige Portion Autorität ausstrahlte. »Tut, was er sagt. Die Regierung interessiert sich vielleicht einen Scheiß für uns, aber wir passen aufeinander auf.«
Zustimmendes Murmeln antwortete ihr, nur Jovar und seine Fans wirkten noch immer ungehalten. »Na schön«, lenkte er schließlich ein. »Was du sagst, Sheriff.«
Amjan lächelte dünn. »Ich wusste, ich kann auf euch zählen. Wir treffen uns in einer Stunde hier und ...«
Ser hielt inne. Das Summen eines Hovercrafts ertönte in der Ferne und wurde rasch lauter. Kaum kam das Fahrzeug in Reichweite, geriet Bewegung in die Menge. Leute schoben ihre Kinder beiseite, Messer wurden gezogen und Knarren entsichert. Auch Leyo straffte sich. Das Hovercraft war offen und mit zahlreichen Schädeln – vermutlich nur Attrappen – sowie einem nachgebildeten Skorpionschwanz aus Metall verziert. Flankiert wurde das Gefährt von mehreren Leuten auf Hoverbikes.
Shefta sprang vom Hovercraft und marschierte als Erste durch die entstandene Gasse zwischen den Anwesenden. Sie und die sechs Skorpione in ihrer Begleitung waren allesamt von Staub und Sand bedeckt, einige hatten schlampige Verbände um die Arme gewickelt und ihr Fahrzeug war stark beschädigt. Auch die Bikes sahen übel aus.
Jovar hob die Schrotflinte und legte an. »Einen Schritt näher und ich blas dir deine hässliche Visage weg.«
Shefta ignorierte ihn und humpelte stattdessen auf Amjan zu. Ihre Kleider waren angesengt und sie stanken nach Schwefel und verbrannter Haut. »Sag dem schießwütigen Dummkopf, er soll seine Waffe runternehmen.«
»Wen nennst du hier einen Dummkopf, du –«
»Es reicht.« Amjan trat einen Schritt nach vorne und damit unmittelbar zwischen Jovar und Shefta. Beklemmung zog Leyos Kehle zusammen. Jovar würde nicht abdrücken, doch zu sehen, wie jemand eine Waffe auf den Kopf eines Menschen richtete, den er liebte, war schwer zu ertragen. »Ihr könnt eure Streitigkeiten später wieder aufnehmen, jetzt gibt es Wichtigeres. Jovar, Waffe runter.«
Zähneknirschend gehorchte er und Amjan wandte sich Shefta zu. »Was wollt ihr hier?«
»Haben Neuigkeiten für dich, Sheriff, aber ich fürchte, die werden dir nicht gefallen.«
Amjan verschränkte die Arme vor der Brust. »Raus damit.«
»Wir kommen von Westen, aus unserem Lager, dort brennt die gesamte Steppe. Alles, was noch an Feldern und Pflanzen existiert, steht in Flammen. In einer Stunde hat das Feuer vermutlich Cardie erreicht und spätestens in drei Stunden ist es hier.«
Amjan nickte mit zusammengepressten Lippen.
»Wenn es noch mal so eine Explosion gibt wie heute Morgen, dann haben wir wahrscheinlich weniger Zeit. Ephi hat aus der Ferne gesehen, wie einer der kleinen Hügel in der Nähe der Mine einfach aufgeplatzt ist wie eine beschissene Eiterbeule. Da ist nur noch ein Krater übrig und eine Menge Erdspalten, die sich durch die halbe Steppe ziehen.«
Leyo schluckte. Was Shefta da beschrieb, war das Worst-Case-Szenario. Je mehr unterirdische Methanblasen explodierten, desto instabiler wurden die oberen Gesteinsschichten und irgendwann würden sie einfach weggerissen. Dann gab es nur noch Feuer und Gas.
Südlich von Kalubs End lag der Gigantenfriedhof, der faktisch unpassierbar war, und im Westen erstreckten sich endlose Salzwüsten. Selbst mit einer stattlichen Menge an Wasser und Vorräten – die sie nicht transportieren konnten – würden sie nie lebend am anderen Ende ankommen. Es gab nur die Straße nach Cardie, und die war, wenn man Shefta glaubte, mittlerweile unpassierbar.
Auch Amjan war kreidebleich geworden. »Das heißt, wir ... sitzen hier fest?«
»Wenn du nicht heldenhaft mit ’nem Hovercraft durch Flammenwände und Krater fahren willst – ja.«
»Lügnerin!«, brüllte Jovar. »Du willst doch nur Panik verbreiten, damit wir dir und deiner Bande dreckiger Kojoten noch mehr Ruq in den Rachen werfen. Aber nicht mit mir, du –«
»Hör auf, Jovar«, unterbrach ihn Amjan hitzig. »Das hier ist ernst, verflucht noch mal.«
»Du kuschelst doch schon lange mit diesen Bastarden«, rief Piet, der Jovar nun zur Seite sprang. »Wieso sollten wir auf dich hören? Wir jagen diese Arschlöcher von unserem Land, dann können sie in der Steppe verrecken. Hätten wir schon lange tun sollen.«
»Ach?« Shefta hob einen Mundwinkel. »Wir haben Hovercrafts. Und wir haben Bikes. Was habt ihr? Einen beschissenen Karfaun-Karren? Wenn du abkratzen willst, Bro, dann kannst du das haben. Aber vielleicht hängen ein paar Leute hier noch an ihrem Leben.« Sie wandte sich Amjan zu und trat sem breitbeinig gegenüber. Sie fixierten einander wie bei einem Duell und Leyo legte sicherheitshalber die Hand an die Waffe, um im schlimmsten Fall zu intervenieren. Er traute Shefta nicht weiter, als ein Karfaun spucken konnte.
»Hör zu, Sheriff, wir stehen auf unterschiedlichen Seiten, aber du bist ein vernünftiger Mensch. Wir haben keinen Bock, hier draufzugehen, und wir haben Benzin und Fahrzeuge. Garantier’ mir und meinen Leuten Sicherheit, dann helfen wir euch.«
»Das kann nicht dein verdammter Ernst sein, Sheriff!« Piet funkelte Amjan wütend an. »Du weißt, was diese Schweine uns angetan haben! Was sie mir und meiner Familie angetan haben – und den anderen auch!«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte Amjan brüsk. »Aber es geht hier um Menschenleben, Piet, nicht um offene Rechnungen. Die können wir begleichen, wenn wir aus der Katastrophe lebend rausgekommen sind. Aber fürs Erste müssen wir zusammenhalten. Ob uns das passt oder nicht.«
»Er hat recht.« Kariko, eine weitere Farmerin, legte Piet besänftigend eine Hand auf die Schulter. »Denk an Kaprina und die Kinder. Wir müssen hier weg.«
Piet und Jovar wechselten einen missmutigen Blick, doch schließlich ließ Jovar seine Waffe sinken. »Na schön. Wir tun, was du sagst, Sheriff. Aber wenn diese Schweine auch nur ein krummes Ding versuchen –«
»Dann wirst du mir Bescheid sagen«, ergänzte Amjan. »Kein wildes Rumgeballere, klar? Die Zeit läuft uns davon, also erspar mir das hier.«
Jovar rümpfte die Nase, doch er schwieg. Leyo atmete verhalten auf. Das hier dauerte zu lange, er musste nach den anderen sehen, nach Sami, Trish, Arifa und Liskas Eltern!
»Also, folgender Plan.« Amjan hob die Stimme und die Umstehenden verstummten. »Wir schaffen alle Leute aus Kalubs End rauf auf den Roten Felsen. Wir müssen so weit wie möglich nach oben, da haben wir vielleicht eine Chance, das alles zu überstehen.«
»Ich ... will ja nicht kleinlich sein, Sheriff«, warf Rubha ein, »aber wir haben nicht unendlich Vorräte. Wenn sich das Feuer ausbreitet oder falls es noch weitere Explosionen gibt, dann –«
»Ich weiß.« Amjan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ser wirkte so erschöpft, dass Leyo sen am liebsten in den Arm genommen hätte. »Wir müssen hoffen, dass jemand das Beben und das Feuer bemerkt hat und uns Verstärkung schickt.«
»Kannst du nicht Hilfe rufen?«, fragte Kariko. »Du bist doch bei ALIS. Die müssen uns jemanden schicken.«
»Mein Funk ist kaputt«, brummte Amjan und warf Shefta einen scharfen Blick zu. »Ich kann keine Hilfe anfordern. Wir müssen auf das Beste hoffen. Also.« Amjan klatschte in die Hände. »Verlieren wir keine Zeit. Wir treffen uns in einer Stunde hier, mit allen Fahrzeugen, die zur Verfügung stehen. Ich weiß, es sieht nicht gut aus, aber wir kriegen das hin. Ich vertraue auf euch.«
Die Menge zerstreute sich hastig und Leyo ergriff die Gelegenheit, Amjan zur Seite zu ziehen. »Hör zu, ich kann nicht mit dir kommen. Ich hab Mam und Paps nirgends gesehen und –«
»Die sind in Sicherheit«, unterbrach Amjan begütigend. »Sie sind gestern nach Kasdan aufgebrochen. Ich hab sie weggeschickt.«
Leyo atmete erleichtert auf. »Immerhin. Trotzdem muss ich los, ich muss Sami und Trish finden.«
Amjan sog scharf die Luft ein. »Scheiße. Sie wollten –«
»Zum Friedhof, ja. Keine Sorge, ich finde sie, wir sehen uns in einer Stunde.« Er gab Amjan noch einen hastigen Kuss, dann wandte er sich von sem ab. »He, Shefta!«
Die Bandenführerin blieb stehen. »Was?«
»Kannst du mir dein Bike leihen? Zwei von den Kids sind heute Morgen zum Gigantenfriedhof aufgebrochen, ich muss sie suchen gehen.«
»Wir brauchen die Bikes, Bro. Für Heldenmoves haben wir jetzt keine Zeit.«
»Es geht um meinen Sohn, verdammt!« Leyo fixierte sie eindringlich. »Hast du Kinder?«
Shefta nickte.
»Dann sag mir ins Gesicht, dass du sie einfach da draußen zurücklassen würdest.«
Shefta knirschte mit den Zähnen. »Na schön. Komm mit, du kannst meins haben.«