Es war Ende Januar, als die Reisekutsche des flüchtigen Königs von Böhmen, so schnell wie möglich durch die schlammige Straße stolpernd, in Wolfenbüttel einfuhr. Seit zwei Tagen fiel dünner, gleichmäßiger Regen, der den Schnee weggeschwemmt hatte, nur im Schutze weit übergreifender Dächer lagerte hier und da noch ein übriggebliebener, verschmutzter Haufen. Die leeren Gassen glichen Röhren oder Schläuchen, durch die Wasser lief; nur dass sie je länger, desto schmutziger wurden. Im Schlosse saß die Herzogin Anna Sophie am Fenster und sah ein paar großen alten Schweinen zu, die mit ihren Rüsseln in Dreck und Abfällen wühlten, und ihr unregelmäßiges, kluges Gesicht verzog sich zu einem schadenfrohen Lächeln, als die anfahrenden Pferde vor den grunzenden Bestien, die ihnen zwischen die Beine liefen, scheuten und dadurch den Wagen des Böhmenkönigs beinahe zu Falle brachten. Als die Schwester Georg Wilhelms, des nunmehrigen Kurfürsten von Brandenburg, der eine Schwester Friedrichs von der Pfalz zur Frau hatte, war sie mit diesem verschwägert, während ihr Mann ein Vetter der Elisabeth war, da sie beide von dänischen Prinzessinnen, Schwestern des Königs von Dänemark, abstammten. Auf diese nahen verwandtschaftlichen Beziehungen gründete Friedrich die Hoffnung auf Beistand und war sehr enttäuscht, den Herzog nicht daheim zu finden; denn er wusste, dass Friedrich Ulrich, der etwas schwachsinnig war, sich leicht beeinflussen ließ; zu seiner Schwägerin, der Herzogin, dagegen hatte er kein Zutrauen. Der Herzog komme erst in drei Tagen wieder, sagte sie, indem sie die schmutzigen Fußspuren betrachtete, die ihr Gast beim Eintreten hinterließ; wenn er ihn erwarten wolle, müsse er inzwischen mit ihr vorliebnehmen. Ob die Herzogin-Mutter auch nicht da sei? fragte Friedrich.
Nein, Gott sei Dank, die alte Scharteke traue sich nicht her, wenn sie allein da sei, antwortete Anna Sophie, sie möchte es ihr auch nicht raten. Sie langweile sich zwar toll und voll, das sei aber doch besser, als ein böses Luder um sich zu haben.
Ob sie denn so böse sei? fragte Friedrich neugierig. Das habe er nicht gewusst. Ihre Schwester, die verstorbene Königin von England, sei zwar ein grobes Vieh gewesen, habe ihre Tochter Elisabeth, seine Frau, misshandelt und sich öffentlich über ihren Mann, den König, lustig gemacht.
Sie werde gewusst haben, warum, sagte die Herzogin, kurz auflachend, der sei auch ein Trottel wie ihrer. Den habe jetzt seine eigene Mutter von der Regierung bringen wollen, um ihren Liebling, den Christian, in den sie vernarrt sei, ins Nest zu setzen. Da wären ihrem Mann endlich die Augen über seine Mutter aufgegangen, jetzt dürfe sie sich eine Zeit lang nicht in Wolfenbüttel blicken lassen.
Er habe in Berlin davon munkeln hören, es aber nicht glauben wollen, sagte Friedrich; ob denn Christian damit einverstanden gewesen sei?
Freilich, sagte die Herzogin, der spiele immer mit seiner Mutter unter einer Decke, solange es gegen seinen Bruder gehe. In Wolfenbüttel wäre er zwar doch nicht geblieben, da sei es ihm viel zu langweilig, ihm sei es nur um das Geld zu tun. Die Domherren von Halberstadt wären scharf, ließen ihn nicht nach Belieben stehlen und rauben, darum habe er immer Händel mit ihnen. Mit den hiesigen Räten habe er geglaubt sich besser zu verstehen, das sei auch eine Diebsbande; aber denen sei ein Trottel wie ihr Mann viel lieber, und Christian habe schimpflich abziehen müssen.
Was denn Christian vorhabe? fragte Friedrich, wozu er so viel Geld brauche? Nun, sagte die Herzogin boshaft, das werde er, Friedrich, wohl am besten wissen. Christian wolle ein Kriegsheld sein, habe sich ja schon vor zwei Jahren von den Böhmen wollen anwerben lassen, es sei aber nichts geworden, sie hätten wohl Wind bekommen, was für ein Käseritter das sei, er verstehe ja nichts vom Kriegswesen. Letzthin habe er Sold von den Generalstaaten genommen, sei auch mit unten in der Pfalz gewesen, aber unverrichteter Sache wiedergekommen. Wenn sie seine Mutter wäre, würde sie ihn gehörig aushauen und dann in die Ecke stellen. Weil er als Knabe von Vater und Mutter nicht ordentlich mit der Rute gestrichen worden sei, hole er sich jetzt seine Schläge draußen, werde wohl einmal genug bekommen.
Sie hatte sich erhitzt, und ihre Augen funkelten feindselig, umso mehr, als sie bemerkte, dass es Friedrich belustigte. Seine Mutter habe doch Geld genug, sagte er; warum sie ihn eigentlich nach Wolfenbüttel habe rufen wollen?
Damit der lieben Justiz aufgeholfen werde, sagte die Herzogin höhnisch, als ob es in Halberstadt anders zugehe als in Wolfenbüttel. Sie gäben eben alle schlechtes Geld aus und leerten hernach den Leuten die vollen Taschen unter dem Vorwande, dass es verbotene Münze sei. Der wahre Grund sei, dass sie in ihn vernarrt sei und gedacht habe, er werde als regierender Herzog vom Kriegswesen lassen. Sie wollte ihn bei sich im Lande behalten und beten lassen, darum rücke sie kein Geld heraus. Er solle nur nicht etwa glauben, wendete sie sich mit schadenfrohem Lachen zu Friedrich, dass er etwas von ihr verlange, sie halte es mit dem Kaiser wie ihr verstorbener Mann.
Gott sei’s geklagt, sagte Friedrich, seit er im Unglück sei, wolle alles kaiserlich sein, Unglück und Armut gelte nicht als vornehm. Der Herzog habe sich doch früher so redlich gegen ihn erklärt, habe von der spanischen Tyrannei nichts wissen wollen, er habe ihn für einen guten protestantischen deutschen Fürsten gehalten.
Nun, sagte die Herzogin spitz, wenn er nur diejenigen für rechte deutsche Fürsten halten wolle, die sich zu ihm gegen den Kaiser schlügen, so sehe es windig im Reiche aus. Friedrich solle sich nicht so viel einbilden; der Satan habe ihn geritten, dass er sich mit den lausigen Böhmen eingelassen habe, nun liege er im Dreck. Sollten sich andere dazustellen, dass sie auch noch einen Schmutzkübel über den Kopf bekämen? Der Denkzettel bekomme ihm wohl, er solle sich wieder sauber machen, dann werde man es ihm nicht nachtragen.
Die Herzogin unterhielt ein Liebesverhältnis mit dem Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, der damals unter dem Kaiser diente, und vertrat deshalb mit besonderem Nachdruck diese Partei. Ihr Bruder, der Kurfürst von Brandenburg, fuhr sie fort, habe ihn auch weitergeschickt und habe recht gehabt. Ob er etwa geglaubt habe, ihr Mann sei ein Simson oder Herkules? Ihr Mann gehöre zu den Hunden, die jedem nachliefen, der ihnen den Wurstzipfel zeige. Im vorigen Jahre wären die kaiserlichen Gesandten bei ihm gewesen und hätten ihm nicht einmal lange zusprechen müssen. Friedrich werde sehen, wie gut er sein Sprüchlein von der Reichstreue und dem lieben Frieden aufsagen könne. Sie freue sich nur wegen der großmäuligen Pfaffen, die immer dreinreden wollten.
In der Tat begrüßte zwar Friedrich Ulrich seinen flüchtigen Vetter freundlich, fing aber sogleich von der notwendigen Neutralität zu sprechen an und dass Friedrich darauf sehen müsse, seinen Frieden mit dem Kaiser zu machen. Der Kaiser habe eine Gesandtschaft an ihn abgelassen, vornehme und ehrbare Leute, die hätten auf Ehrenwort versichert, dass es in der böhmischen Sache nicht um die Religion gehe, es sei nur Krawall und Rebellion gewesen, wie es dort unten im Schwange sei und woran des Kaisers allzu große Klemenz schuld sei, die die Leute übermütig mache. Nachdem es so sei, hätte sich Friedrich in eine so verfängliche Sache nicht einlassen sollen; warum er es eigentlich auch getan hätte? Er habe oft darüber nachgedacht, könne es aber durchaus nicht begreifen. Die Pfalz ernähre ihn doch fürstlich und reichlich, der Teufel müsste seinen Schwanz darin gehabt haben, anders könne er es sich nicht einbilden, oder er hätte schlechte Räte. Er solle nun förmlich auf Böhmen verzichten und froh sein, dass er so davonkomme, die Hussiten schienen ja gefährlicher zu sein als Spanier und Türken.
Friedrich wurde mit jeder Stunde, die er sich in Wolfenbüttel aufhielt, niedergeschlagener; er hatte nicht für möglich gehalten, dass man ihn so verlassen könne, und wusste sich nicht hineinzufinden. Wohin er kam, sagte man ihm, sein reicher, mächtiger Schwiegervater sei der nächste, etwas für ihn zu tun, wenn der sich weigere, müsste wohl etwas Unrichtiges an der Sache sein. Es war ihm unleidlich, die guten Lehren und klugen Reden anhören zu müssen, wie töricht er gehandelt und dass er sich sein Unglück selbst zuzuschreiben hätte, und er fühlte eine brennende Ungeduld, wieder in eine gebührende Stellung zu kommen, wo er anerkannt und gefeiert würde. Doch hörte er mit gefälliger Miene zu und versprach dem Herzog, dass er auf Böhmen verzichten wolle, woran ihm nichts liege; aber dem Kaiser sei es darum gar nicht zu tun, sondern er reiße seine Erblande an sich, auf die er doch keinerlei recht habe.
Das könne er sich doch nicht denken, dass der Kaiser sich an der Pfalz vergreifen werde, sagte Friedrich Ulrich; sowie Friedrich sich gehorsam erweise, werde alles ins reine kommen.
Inzwischen habe Spinola schon die ganze Unterpfalz eingenommen, sagte Friedrich, und die Spanier pflegten nicht loszulassen, was sie einmal in den Zähnen hätten.
Ja, die Spanier könne er auch nicht leiden, sagte Friedrich Ulrich; aber das sei gewiss nur provisorisch.
Ob denn die Acht schon verhängt sei? fragte die Herzogin lächelnd.
Es scheine nicht mehr weit davon zu sein, sagte Friedrich; aber das habe ja nichts auf sich. Das sei gar keine rechtmäßige Acht, die könne der Kaiser ohne die Kurfürsten nicht über ihn verhängen.
Es sei aber doch eine kitzlige, sehr kitzlige Sache, sagte Friedrich Ulrich ängstlich; wenn er nur nicht auch noch in so etwas hineinpatsche. Sein Bruder Christian sei gar zu waghalsig, unversehens werde er den Kopf in der Schlinge haben.
Nun, sagte Friedrich beschwichtigend, das gäbe dem Kaiser noch kein Recht gegen ihn, und Christian sei sein jüngerer Bruder, den werde er doch regieren können.
Ach Gott, klagte Friedrich Ulrich, er habe doch auch ein Gewissen und sei lutherisch, und seine Pfaffen hielten ihm vor, der Kaiser wolle ganz Deutschland mitsamt dem niedersächsischen Kreis dem römischen Antichrist in den Rachen jagen, auch alle norddeutschen Stifter an sich ziehen, und wenn das wahr wäre, könne er doch nicht ruhig zusehen. Und was Christian anbelange, so könne er einmal nicht ruhig sitzen, der von Marenholz sei schuld daran; seine Mutter habe es auch gesagt, Christian sei als Kind gut und fromm gewesen, habe ihm immer den schuldigen Respekt bewiesen, aber der von Marenholz reize ihn zu allem Bösen, habe sogar einen Advokaten bei sich und werde Christian gewiss zuletzt noch dem Teufel verpfänden.
Wer ihn dem Teufel verpfändet habe, sagte die Herzogin hämisch, sei seine Mutter, indem sie ihn so gottlos verhätschelt habe. Es mache einem fast Bauchweh, das abgöttische Wesen der beiden mit anzusehen, die Früchte davon schmeckten dann freilich sauer und bitter.
Als Friedrich seine Reise nach den Niederlanden fortgesetzt hatte, erschien am Wolfenbüttler Hofe Christian Wilhelm, der Administrator von Magdeburg, Vetter der Herzogin und Schwager des Herzogs, mit dessen Schwester er verheiratet war, in Sorgen, ob etwa Friedrich Ulrich sich auf die Seite des flüchtigen Böhmenkönigs habe ziehen lassen. Der Pfälzer, sagte er, soll seine Suppe allein ausessen; er, Christian Wilhelm, halte den Kaiser für den wahren Hort des Reiches, und der Teufel solle ihn holen, wenn er je vom Kaiser abfiele. Der Hoë in Dresden habe kürzlich schön gepredigt, dass die Fürsten um den Kaiser stehen sollten wie die Erzengel vor dem Thron Gottes, die Tränen wären ihm darüber aus den Augen gelaufen, und er habe sich daraus abgezogen, dass der Pfälzer dem Luzifer zu vergleichen sei und billigerweise in den Abgrund fahre. Er hoffe nur, Christian von Halberstadt, des Herzogs Bruder, werde sich beizeiten von seinen rebellischen Umtrieben abwenden lassen, dass er den Herzog nicht noch mit ins Verderben reiße.
Friedrich Ulrich war erschrocken und gerührt, als er seines Schwagers Augen in feuchter Begeisterung glänzen sah; aber seine Frau sagte trocken, ihr komme es so vor, als sei Christians Treiben Christian Wilhelm nicht einmal so unlieb, denn er habe ja längst ein Auge auf das Bistum Halberstadt und meine vielleicht, er könne es erschnappen, wenn Christian es verwirke.
Der Administrator errötete und sagte, er hätte nie gedacht, dass verwandte Häuser eine solche Meinung von ihm hegten. Ja, damals, als der Bischofsstuhl erledigt gewesen sei, habe er sich darum beworben, weil es sich so gut zum Bistum Magdeburg geschickt hätte, und er glaube sagen zu dürfen, dass er tauglicher dafür gewesen wäre als der Hansdampf und Strudelkopf Christian. Er sei aber freundvetterlich zurückgetreten, als Christians Mutter das Bistum für ihren Sohn ersteigert hätte; der Schaden sei ja auch für das Bistum größer als für ihn gewesen. Ob sie sich nicht denken könnten, dass das Turnieren mit den präpotenten Domherren und einer geschwollenen Stadt mehr eine Tragödia als eine Komödia für einen Fürsten sei?
Darum sei ihm wohl ein gewisses mächtiges Kurfürstentum lieber, sagte die Herzogin, ihn dreist anlächelnd. In Berlin bei ihrem Bruder gehe die Rede, der Kaiser habe ihm Brandenburg samt dem Kurhut versprochen für den Fall, dass der Kurfürst abtrünnig werde und sich die Acht auf den Hals ziehe.
Nein, das gehe zu weit, rief der Administrator, womit er so etwas von verwandten Häusern verdient habe! Ob er seinem Vetter, dem Kurfürsten, seine Treue und Liebe nicht hundertfach bezeugt habe! Wenn einige von des Kaisers Dienern aus allzu ungestümer Ergebenheit gegen das Reichsoberhaupt ihm solche Anträge gemacht hätten, so sei das nicht seine Schuld, er sei nicht darauf eingegangen, habe sie nicht einmal verstehen wollen. Das sei der Lohn seiner Redlichkeit, schluchzte er, er gehe von Hof zu Hof, um alle zur Treue gegen den Kaiser zu ermuntern; aber die Lästerzungen könnten nicht ruhen, er sehe nun wohl, dass man Falschheit und Hinterlist gebrauchen müsse, um wohl angesehen zu sein.
Ja, sagte Friedrich Ulrich, das sei doch auch ein wunderliches Gerede, er verstehe gar nichts davon, man könne doch Fürstentümer nicht verhandeln und ausbieten wie alte Hüte. Christian Wilhelm solle nur die Augen trocknen, er halte ihn für einen frommen, unschuldigen Fürsten, der es gewiss nicht böse gemeint habe. Er solle doch nun auch seinem Bruder Christian das Gewissen rühren, damit er der kaiserlichen Majestät seine Pflicht erweise.
An den sei schon genug herangeschwatzt, sagte die Herzogin. Besser wäre es, die Generalstaaten ordentlich aufs Maul zu schlagen; denn ein Pfeifen von den Banditen mache ihn besser tanzen als eine Predigt von ehrlichen Leuten.
Mit diesen Worten hatte die Herzogin ein ergiebiges Fach im Bewusstsein ihres Mannes berührt, und er brach in laute Klagen über die Generalstaaten und die Hansestädte aus, die an allem Unglück auf Erden schuld und gottverfluchte Rebellen und Schweizer wären, sich gegen die Fürsten verschworen hätten und sie auch gewiss allesamt umbringen würden, wenn Gott sie nicht beschützte. Das habe sein hochseliger Vater auch gesagt, es habe ihn aber niemand hören wollen, und sie würden es noch bereuen. Es sei jedermann bekannt, was für uralte, unzweifelhafte Rechte er an die Stadt Braunschweig habe, und er würde die Widerspenstige leicht bezwungen haben, wenn die Generalstaaten und die Hansestädte ihr nicht zuhielten. Er müsse sich nur wundern, dass Gott so lange Geduld mit solchen Frevlern habe und sie nicht längst wie Sodom und Gomorrha mit Schwefel begossen und von der Erde vertilgt habe.
Ja, sagte Christian Wilhelm gedankenvoll, sein Schwager habe recht, es gehe je länger, je mehr gräulich auf Erden zu, und was für Gründe Gott habe, so lange mit der Strafe zuzuwarten, könne er sich auch nicht einbilden. Er sei jetzt am sächsischen Hofe gewesen, da habe er eine seltsame und fast unglaubliche Geschichte gehört, die sich in Frankreich zugetragen habe. Da sei nämlich ein Mann aufgetreten, der habe sich ungescheut als ein Atheist vorgestellt, indem er öffentlich gelehrt habe, es gebe keinen Gott, die Welt bestehe aus sich selbst, und was man von einem solchen seit Jahrhunderten gepredigt habe, sei nichts als Fantasmagorie und Aberglauben.
Die Herzogin, welche auf eine verliebte oder blutige Hofgeschichte gespannt gewesen war, zuckte die Achseln und sagte, das komme davon her, dass man dem Pöbel zu viel Freiheit lasse, außerdem hätte man den Narren ja leicht aus der Bibel heimschicken können.
Das sei auch geschehen, sagte Christian Wilhelm; bevor er verbrannt worden sei, hätten ihn die gesamte Geistlichkeit und hohe Fakultäten ausgefragt und ihm vorgehalten, die Wahrheit leuchte doch so schön aus jedem Würmlein und Blättlein hervor, auch der Ungelernte müsse ja einsehen, dass die Regelmäßigkeit der wechselnden Jahreszeiten, das richtige Aufziehen der Sterne, die vernünftige Anordnung der Eingeweide im tierischen und gar menschlichen Körper und mehr dergleichen nicht von ungefähr kommen könne; wer denn nach seiner Meinung das alles gemacht habe? Darauf habe der Elende geantwortet: »Regina Natura«, welches aber auch sein letztes Wort gewesen sei, indem man nicht länger gezögert habe, ihm die gottlose Zunge mit einem glühenden Zänglein auszureißen, damit dergleichen ärgerlichen Blasphemien ein- für allemal der Ausgang verstopft werde.
Regina Natura? wiederholte Friedrich Ulrich, indem er den Erzähler erschrocken und ratlos ansah, ob es denn eine Person dieses Namens gebe?
Gott bewahre, sagte Christian Wilhelm, es sei damit schlechtweg die Natur gemeint, der doch nur Heiden oder Gottesleugner einen Platz neben Gott einräumen könnten, welcher allein und unvergleichlich regiere. Da könne man ebensowohl katholisch sein und die Mutter Maria und die Heiligen anbeten, die nach Ansicht der abergläubischen Papisten denselben Rang wie Gott einnähmen.
Friedrich Ulrich schüttelte den Kopf und sagte, er könne es sich durchaus nicht reimen, was für unverständige und böse Leute es gebe; es müsse wohl eine Sündflut im Anzuge sein, wovon man ja auch schon allerlei Anzeichen habe.
»Dabei möchtest du wohl den Noah spielen«, sagte die Herzogin mit einem spöttischen Lachen, in welches die beiden Herren einstimmten. Wenn er aber hernach die Erde wieder bevölkern wolle, müsse er ein wenig besser arbeiten, sagte Christian Wilhelm, auf des Herzogs Kinderlosigkeit anspielend, mit einem halb schadenfrohen, halb lüsternen Seitenblick gegen die Herzogin. Diese schwieg und lächelte rätselhaft, während sie dachte, wie willkommen ihr eine Sündflut sein würde, die ihren Mann, vielmehr den schwachen Dummkopf, der diesen Titel führte, mitsamt seiner Mutter verschlänge und ihr die Freiheit gäbe, sich einmal durch und durch am Leben zu sättigen.