Nach Beendigung des Böhmischen Krieges begab sich Buquoy nach Wien, wo er im feierlichen Aufzuge dem Kaiser die dem Feinde abgenommenen Fahnen überreichte. Festlich auf seinem Sessel thronend und von prächtig ausgeputztem Hofstaat umgeben, harrte der Kaiser, als die Tür sich öffnete und zuerst Buquoy eintrat, schön gerüstet und mit gestickter Schärpe umwunden, hinter ihm vierundzwanzig stattliche und gleichfalls reich uniformierte Soldaten, von denen jeder eine der erbeuteten Fahnen trug; sie waren alle aus farbiger Seide mit Bildern und Emblemen bestickt. Auf ein Zeichen Buquoys, der nach tiefer Verbeugung an die Seite des Kaisers getreten war, setzten sich die Soldaten in Bewegung und gingen mehrmals, die Fahnen rhythmisch schwenkend, am Kaiser vorüber, um sie dann, auf ein abermaliges Zeichen des Feldherrn, mit einem langen Rauschen zu Füßen des Kaisers niederzulegen.
Buquoy hätte dies Schauspiel gern als den Schluss seiner Laufbahn in kaiserlichen Diensten betrachtet; denn er hatte noch immer keine rechte Lust weder zu dem Kriege noch zu den böhmischen Gütern, die ihm verliehen worden waren. Er sei nun fünfzig Jahre alt, sagte er zum Kaiser, habe es in seiner Jugend etwas hitzig getrieben, sodass er nun der Ruhe bedürftig sei. Der Kaiser und seine Räte entgegneten ihm, er sehe ja aus wie ein rüstiger Jüngling, würde den Kaiser durch seinen Abgang kränken und fast desperat machen, und der König von Spanien und die Infantin Isabella würden es gewiss nicht billigen, wenn er den Kaiser steckenlasse, bevor er seine Feinde gänzlich niedergeworfen habe. Buquoy seufzte, er laboriere noch an einer Wunde, bringe die Lust zum Kriegswesen nicht mehr so recht auf, sein Sinn stehe nach zu Hause, der Kaiser möchte ihn ziehen lassen. Dieser sprach seinem Feldmarschall zu, im Winter stockten allemal die Säfte, er kenne das auch, da helfe nur die Jagd, und im Frühling werde es besser; er könne durchaus seinen heroischen Arm nicht entbehren, wenn er aber die Ungarn noch zur Räson gebracht habe, wolle er ihn, sofern es nicht anders sein könne, entlassen.
Es blieb Buquoy nichts übrig, als den Feldzug gegen die Ungarn im Frühling zu eröffnen, was er denn auch, da er einmal daran war, mit gewohntem Ungestüm und Bravour tat. Nach einigen Monaten jedoch fiel er vor der Festung Neuhäusel bei Gelegenheit eines Ausfalls, den die Ungarn unternahmen. Der Markgraf von Gonzaga, der vergeblich versuchte, den von allen Seiten Umringten herauszuhauen, schrie ihm zu, er solle sich ergeben, worauf Buquoy unter seinem gestürzten Pferde hervor antwortete, solcher Canaille ergebe er sich nicht, und niedergestochen wurde. Sein Leichnam wurde nach Wien geführt und prächtig in der Franziskanerkirche beigesetzt; auf seinem Sarge lagen das Goldene Vlies, seine Handschuhe, sein mit vielen Edelsteinen besetzter Kommandostab, die vergoldeten Schlüssel der von ihm eroberten Städte und die rotseidene Fahne seines Regiments, auf welcher ein Bildnis des Gekreuzigten gestickt war, mit der Umschrift: ›Exurge Domine et judica causam tuam‹, das heißt: Stehe auf, Herr, und richte deine Sache.
Dieser Todesfall setzte das Kaiserhaus in große Bestürzung, umso mehr, als schon im vorigen Jahre auch Dampierre, gleichfalls in Ungarn, gefallen war, und es wurde immer wünschenswerter, Mansfeld zu gewinnen, der plötzlich, sich von der Unterpfalz wegwendend, das elsässische Hagenau erobert hatte und Ferdinands Bruder Leopold, den Erzherzog und Bischof von Straßburg, in seiner Festung Berg-Zabern bedrohte.
Leopold, der sich ohnehin stets zurückgesetzt fühlte und zum Zorn neigte, war entrüstet, dass ihm weder von spanischer noch von österreichischer Seite Hilfe kam, und sagte bitter, man scheine vergessen zu haben, dass er ein Erzherzog sei. Die Statthalterin von Belgien, Isabella, übernahm es diesmal, mit Mansfeld anzuknüpfen, und das Geschäft wurde geführt durch einen Jugendfreund Mansfelds, namens von Rollingen, dem Mansfeld folgende Antwort gab: er habe im vorigen Jahre die Verhandlungen abgebrochen, weil er zum Herzog Maximilian kein Vertrauen habe fassen können. Seine Anhänglichkeit an das Haus Österreich sei unvermindert, namentlich an die Infantin Isabella, die ihm in seiner Jugend so viele Proben ihrer Huld gegeben habe und der zukünftig zu dienen er sich glücklich schätzen werde. Da die Fürstin mit Freuden darauf einging und ihn aufforderte, Vorschläge zu machen, ließ er sich vernehmen, er wolle vor allen Dingen das von ihm eroberte Hagenau als Fürstentum behalten und dazu mit dem Fürstentitel begabt werden, ferner Amnestie für alle seine Untergebenen, Aufhebung der Acht und außer den schon früher versprochenen 200.000 Reichstalern noch 100.000 Goldkronen. Obwohl diese Ansprüche der Statthalterin hoch gegriffen zu sein schienen, so erklärte sie sich doch zu allem bereit, und es herrschte große Freude an den Höfen von Brüssel, Wien und Prag, dass der verstockte Feind endlich versöhnt sei.
Es war im April, wo ein lauer Frühling begann, das pfälzische Land lieblich anzuhauchen, als Herr von Rollingen einer Einladung Mansfelds folgte, damit der Vertrag durch seine Unterschrift fertiggestellt würde. Er fand den Grafen in besonders gesprächiger und angeregter Laune, die er selbst durch einen bevorstehenden werten Besuch erklärte. Als die Tür aufging, erblickte der staunende Rollingen die freundliche Erscheinung des Kurfürsten oder Böhmenkönigs Friedrich, dessen ganz kürzlich erfolgte Ankunft ihm verborgen geblieben war. Friedrich reichte ihm die Hand und sagte lachend, das sei also derjenige, der ihm seinen treuesten Diener habe abspenstig machen wollen; worauf Rollingen, den Schrecken und Beschämung lähmte, keine passende Antwort einfallen wollte. Bei Tafel herrschte, von Rollingen abgesehen, laute Fröhlichkeit. Friedrich erzählte von seinen Reiseerlebnissen und wie er in Frankreich der Gefahr, erkannt und gefangen zu werden, sehr nahe gewesen sei. »Ich hatte mir geschmeichelt«, sagte er, »dass die Bilder, die von mir im Umlaufe sind, mich nur unvollkommen wiedergäben; allein sie müssen mich doch leidlich getroffen haben, da man mich trotz der Verkleidung erkannte und obwohl ich so gut Französisch spreche wie irgendein Parlamentsrat in Paris.« In Deutschland scheine er weniger gut bekannt zu sein; denn in einem Wirtshause an der Grenze habe er mit Deutschen an einem Tische gesessen, die sich, ohne seine Anwesenheit zu ahnen, sogar über ihn unterhalten und unter anderem Reime vorgetragen hätten, die ihm etwa so im Gedächtnis geblieben wären:
Der Pfälzer Fritze
Stand an der Spitze,
Der bayrische Schütze
Warf ihn vom Sitze,
Ach Gott! in die Pfütze,
Und nahm ihm die Mütze.
Kalvinischer Fritze,
Barhaupt bei der Hitze!
Er lachte vergnügt, indem er sie vortrug, versprach jedem eine Dublone, der einen Vers dazu machte, und während die anderen sich vergeblich besannen, rief er lustig:
Was ist ihm denn nütz
Die pfälzische Mütz
Ohne pfälzischen Witz
Und kalvinische Blitz!
In französischer Sprache, setzte er hinzu, hätte er richtigere und wohlklingendere Verse machen können; aber für sein grobes altes Deutsch schienen sie ihm artig genug zu sein.
Bald nach der Ankunft Friedrichs gelang es Mansfeld, Tilly eine Niederlage beizubringen, und er meldete dem Könige, der dem Gefechte zugesehen hatte, zugleich mit der Siegesnachricht, seine, Friedrichs, Anwesenheit habe das Heer angefeuert und die Feinde geschreckt. Friedrich erklärte sich fröhlich bereit, in dieser Weise sein Land zurückzuerobern, und wirklich schienen die Aussichten sich zu klären; nicht nur näherten sich die Scharen des Bischofs von Halberstadt, sondern auch der Markgraf von Baden rückte nach langem Zögern mit einer vorzüglichen Armee und einer trefflich verbesserten Artillerie ins Feld, sodass man meinte, dem ligistischen Heere eine überwältigende Truppenmacht entgegensetzen zu können. Bevor sich aber die verschiedenen Feldherren geeinigt hatten, schlug Tilly den Markgrafen von Baden bei Pforzheim und bot, nachdem er Mansfeld durch eine geschickte Scheinbewegung nach Mannheim gelockt hatte, dem sich Frankfurt nähernden Christian von Halberstadt eine Schlacht an. Diesem rieten seine Offiziere, sich mit dem weit überlegenen Feinde nicht einzulassen, und er hätte auch Zeit gehabt, seine Truppen über die Mainbrücke zurückzuziehen; aber er verwarf ihre Mahnungen mit Entrüstung: es sei nicht Rittersitte, einem herausfordernden Feinde auszuweichen, er wolle lieber untergehen, als dass jemand das recht haben sollte, ihn Feigling zu schelten.
Von jenseit des Maines sahen die Fischer und Bauern zu, wie die Scharen Christians sich hitzig gegen die ligistischen Regimenter warfen, die in schweren, in Vierecke geordneten Massen vorrückten, von ihnen wie von ehernen Schilden abprallten, mehrere Male mit verzweifeltem Mute wieder dagegen anstürmten und endlich von den unaufhaltsam sich vorwärtswälzenden Kolonnen zermalmt, aufgelöst und in die Flucht geschlagen wurden. Die ersten, die sich zurückzogen, kamen in leidlicher Ordnung über die Brücke, je mehr Fliehende sich aber zudrängten, desto hastiger schoben sie sich, sodass viele von der Brücke ins Wasser stürzten, während andere, die eine Furt durch den Main suchten, vom Flusse weggerissen wurden. Als die untergehende Sonne rosenrot in den Weidengebüschen verschmolz, zwischen denen der Main sanft hinfloss, kamen nur noch Nachzügler, und auf diese warfen sich die Fischer, die sich bis dahin verborgen gehalten hatten, hieben mit Knütteln auf sie ein und schlugen sie nieder oder stießen sie ins Wasser. Die Erschöpften und Verwirrten wussten sich dieser Männer, die aus den Büschen mit gefletschten Zähnen und rollenden Augen wie Wölfe auf sie sprangen, nicht zu erwehren, zumal es bereits dämmerte, und liefen zum Teil vor Entsetzen selbst in den Fluss; wollten sie sich dann wieder ans Ufer retten, warfen ihnen die Bauern Steine auf die Köpfe und riefen ihnen zu: »Hört auf zu quaken, ihr Frösche!« oder »Sauft nur Wasser statt Blut, ihr Mordbrenner!« Die Nacht hindurch zogen die Fischer mit Stangen die Leichen ans Ufer, leerten ihre Taschen, entkleideten sie oder schnitten die Knöpfe und den Besatz von den Röcken und ließen sie weiterschwimmen; schienen es angesehene Leute zu sein, so behielten sie sie wohl zurück, für den Fall, dass die Angehörigen ein Lösegeld für den entseelten Körper ausbieten sollten.
Mit den Überbleibseln seines geschlagenen Heeres zog Christian dem Kurfürsten und Mansfeld zu, denen unterdessen ein stattlicher Fang geglückt war; sie waren nämlich in Darmstadt eingedrungen und hatten den Landgrafen Ludwig, als er im Begriffe war zu fliehen, gefangengenommen, um ihn für seine kaiserfreundliche Haltung zu bestrafen und ihn bei etwaigen Friedenstraktaten zu verwerten. Landgraf Ludwig, ein schlauer, vorsichtiger, behaglicher Mann, war etwas niedergeschlagen, hielt aber seine fürstliche Würde aufrecht und ließ sich mit leidlich guter Miene die Leckerbissen schmecken, die Friedrich als ein Kavalier seinem Gefangenen vorsetzte. Christian von Braunschweig machte sich bei Tische ein Vergnügen daraus, den Landgrafen durch Erzählungen von seinen Kriegsabenteuern und verübten Gewalttaten zu unterhalten, umso mehr, als der Landgraf, der ihn seit seiner Kindheit kannte, ihn noch vor kurzem väterlich zur Umkehr gemahnt hatte, da er sich sonst selbst das schreckliche Ende der Gottlosen bereiten werde.
Er erzählte von seinen Erfolgen in Westfalen, von seinem Einzuge in Paderborn, wo die Evangelischen ihn mit Halleluja empfangen hatten, als sei er der Heiland und komme auf einem Eselein geritten. Da habe er treffliche Männer kennengelernt, die Söhne des von den Katholiken hingeschlachteten Bürgermeisters Liborius Weichard; die hätten als Kinder zusehen müssen, wie ihrem Vater, auf einen Tisch gebunden, das Herz aus dem lebendigen Leibe gerissen worden sei, weil er rechtmäßigerweise die Freiheit und den Glauben der Stadt gegen den Bischof verteidigt habe. Sie hätten zu ihm gesagt, wo sie auch wären und was sie auch täten, so röchen sie das teure Blut, das damals vergossen worden sei, und sie würden es sich Gut und Leben kosten lassen, wenn sie es rächen könnten. Sie hätten ihm auch gewiesen, wo in Kirchen, Klöstern, jesuitischen Universitäten Geld und Geldeswert zu finden sei, und wenn er sie ermächtigt hätte und es möglich gewesen sei, so hätten sie ganz Paderborn von der Erde weggeschabt, wie die Quacksalber mit dem Rasiermesser die leidigen Warzen von den Füßen schnitten. Er habe sich aber milde bewiesen als ein Gottesmann, der er ja sei, habe niemanden am Leben gestraft, wie die beiden Jesuiten bestätigen könnten, die er mitgenommen habe, damit sie seine wahre, bischöfliche Tugend vor aller Welt bezeugen könnten. Sie müssten zwar dann und wann etwas Ungewohntes mit ansehen, so hätten einmal Soldaten ein Mädchen etwas zu ungestüm gebraucht, sodass es halbtot in einer Scheune gelegen habe; als er dazugekommen sei, da habe er seinen Brandlegern befohlen, die Scheune anzuzünden, damit die Dirne lieber stracks gen Himmel fahre, anstatt als ein Schandfleck und Ärgernis ihr Leben jämmerlich fortzufristen, und die Baracke habe denn auch, bis man drei zählen könne, in Flammen gestanden, so gut verständen diese Leute ihr Handwerk. Dergleichen möge frommen Vätern fremd vorkommen; aber es sei Kriegsbrauch, und er habe ja die Ungerechtigkeit nicht angestiftet, durch die der Krieg entbrannt sei.
Die beiden Jesuiten, die mit an der Tafel sitzen mussten, blickten steif auf die Teller und sagten, sie entsännen sich eines solchen Vorfalls nicht, sie für ihre Personen hätten vom Herzog stets eine rücksichtsvolle Behandlung erfahren, wofür sie ihm dankbar wären.
Nun, sagte der Herzog, diese katholischen Geistlichen ließen ihm Gerechtigkeit widerfahren, wohingegen seine Halberstädter Domherren immer wider ihn bellten. Sie nennten ihn Räuber, Dieb und Rehabeam, machten ihm vor der ganzen ehrbaren Welt eine schändliche Reputation, weil sie, geizig und habgierig, seine Soldaten nicht in Quartier nehmen noch sonst zum Kriegswesen kontribuieren wollten. Da wunderten sie sich denn, wenn er sich das Geld anderswie zu beschaffen suchte. Sie gäben allen Unterschlupf und Vorschub, die von seinen Räten beraubt zu sein vorgäben, während seine Räte, als seine treuen Diener, nur unrichtig gemünztes Geld konfiszierten, wobei sie sich freilich wohl einmal irren und vergreifen könnten. Er habe aber ein gutes Mittel, seinen Justiz liebenden Domherren das Maul zu stopfen, indem er von Zeit zu Zeit verordne, sie sollten ihre Konkubinen und Huren abtun. Dann schwiegen sie wieder still, ihre Weiber schickten sie freilich doch nicht heim, ließen sich lieber vom Pöbel auf der Straße ausspotten und nachschimpfen. Und doch gebe er ihnen als der Bischof ein schönes Beispiel, lebe fast als ein Heiliger, sodass er seinen Durst nur lösche, wenn es die Natur durchaus verlange.
Kurfürst Friedrich belustigte sich sehr an solchen Gesprächen, wenn ihm auch die Verehrung des schönen jungen Herzogs für seine Frau, Christians Base, nur zum Teil angenehm war. Elisabeth hatte unleugbar ein gewisses Wohlgefallen an ihm und seinem exorbitanten Wesen, wie es auch Friedrich anzog; denn es war nicht recht dahinterzukommen, ob er ein ritterlicher Held oder ein gottloser Spötter war, der sich über alle Welt lustig machte, oder ob er nur in Erstaunen setzen und bewundert sein wollte. Gerade diese Undeutlichkeit oder Vieldeutigkeit machte Friedrich Vergnügen, und solange Christian bei ihm im Kriege und nicht bei seiner Frau im Haag war, konnte er sich unbesorgt an ihm erfreuen.