3.

Nach Been­di­gung des Böh­mi­schen Krie­ges be­gab sich Bu­quoy nach Wien, wo er im fei­er­li­chen Auf­zu­ge dem Kai­ser die dem Fein­de ab­ge­nom­me­nen Fah­nen über­reich­te. Fest­lich auf sei­nem Ses­sel thro­nend und von präch­tig aus­ge­putz­tem Hof­staat um­ge­ben, harr­te der Kai­ser, als die Tür sich öff­ne­te und zu­erst Bu­quoy ein­trat, schön ge­rüs­tet und mit ge­stick­ter Schär­pe um­wun­den, hin­ter ihm vier­und­zwan­zig statt­li­che und gleich­falls reich uni­for­mier­te Sol­da­ten, von de­nen je­der eine der er­beu­te­ten Fah­nen trug; sie wa­ren alle aus far­bi­ger Sei­de mit Bil­dern und Em­ble­men be­stickt. Auf ein Zei­chen Bu­quoys, der nach tiefer Ver­beu­gung an die Sei­te des Kai­sers ge­tre­ten war, setz­ten sich die Sol­da­ten in Be­we­gung und gin­gen mehr­mals, die Fah­nen rhyth­misch schwen­kend, am Kai­ser vor­über, um sie dann, auf ein aber­ma­li­ges Zei­chen des Feld­herrn, mit ei­nem lan­gen Rau­schen zu Fü­ßen des Kai­sers nie­der­zu­le­gen.

Bu­quoy hät­te dies Schau­spiel gern als den Schluss sei­ner Lauf­bahn in kai­ser­li­chen Diens­ten be­trach­tet; denn er hat­te noch im­mer kei­ne rech­te Lust we­der zu dem Krie­ge noch zu den böh­mi­schen Gü­tern, die ihm ver­lie­hen wor­den wa­ren. Er sei nun fünf­zig Jah­re alt, sag­te er zum Kai­ser, habe es in sei­ner Ju­gend et­was hit­zig ge­trie­ben, so­dass er nun der Ruhe be­dürf­tig sei. Der Kai­ser und sei­ne Räte ent­geg­ne­ten ihm, er sehe ja aus wie ein rüs­ti­ger Jüng­ling, wür­de den Kai­ser durch sei­nen Ab­gang krän­ken und fast de­spe­rat ma­chen, und der Kö­nig von Spa­ni­en und die In­fan­tin Isa­bel­la wür­den es ge­wiss nicht bil­li­gen, wenn er den Kai­ser ste­cken­las­se, be­vor er sei­ne Fein­de gänz­lich nie­der­ge­wor­fen habe. Bu­quoy seufz­te, er la­bo­rie­re noch an ei­ner Wun­de, brin­ge die Lust zum Kriegs­we­sen nicht mehr so recht auf, sein Sinn ste­he nach zu Hau­se, der Kai­ser möch­te ihn zie­hen las­sen. Die­ser sprach sei­nem Feld­mar­schall zu, im Win­ter stock­ten al­le­mal die Säf­te, er ken­ne das auch, da hel­fe nur die Jagd, und im Früh­ling wer­de es bes­ser; er kön­ne durch­aus sei­nen he­ro­i­schen Arm nicht ent­beh­ren, wenn er aber die Un­garn noch zur Rä­son ge­bracht habe, wol­le er ihn, so­fern es nicht an­ders sein kön­ne, ent­las­sen.

Es blieb Bu­quoy nichts üb­rig, als den Feld­zug ge­gen die Un­garn im Früh­ling zu er­öff­nen, was er denn auch, da er ein­mal dar­an war, mit ge­wohn­tem Un­ge­stüm und Bra­vour tat. Nach ei­ni­gen Mo­na­ten je­doch fiel er vor der Fes­tung Neu­häu­sel bei Ge­le­gen­heit ei­nes Aus­falls, den die Un­garn un­ter­nah­men. Der Mark­graf von Gon­za­ga, der ver­geb­lich ver­such­te, den von al­len Sei­ten Um­ring­ten her­aus­zu­hau­en, schrie ihm zu, er sol­le sich er­ge­ben, wor­auf Bu­quoy un­ter sei­nem ge­stürz­ten Pfer­de her­vor ant­wor­te­te, sol­cher Ca­nail­le er­ge­be er sich nicht, und nie­der­ge­sto­chen wur­de. Sein Leich­nam wur­de nach Wien ge­führt und präch­tig in der Fran­zis­ka­ner­kir­che bei­ge­setzt; auf sei­nem Sar­ge la­gen das Gol­de­ne Vlies, sei­ne Hand­schu­he, sein mit vie­len Edel­stei­nen be­setz­ter Kom­man­do­stab, die ver­gol­de­ten Schlüs­sel der von ihm er­ober­ten Städ­te und die rot­sei­de­ne Fah­ne sei­nes Re­gi­ments, auf wel­cher ein Bild­nis des Ge­kreu­zig­ten ge­stickt war, mit der Um­schrift: ›E­xur­ge Do­mi­ne et ju­di­ca cau­sam tuam‹, das heißt: Ste­he auf, Herr, und rich­te dei­ne Sa­che.

Die­ser To­des­fall setz­te das Kaiser­haus in große Be­stür­zung, umso mehr, als schon im vo­ri­gen Jah­re auch Dam­pi­er­re, gleich­falls in Un­garn, ge­fal­len war, und es wur­de im­mer wün­schens­wer­ter, Mans­feld zu ge­win­nen, der plötz­lich, sich von der Un­ter­pfalz weg­wen­dend, das el­säs­si­sche Ha­genau er­obert hat­te und Fer­di­n­ands Bru­der Leo­pold, den Erz­her­zog und Bi­schof von Straß­burg, in sei­ner Fes­tung Berg-Za­bern be­droh­te.

Leo­pold, der sich oh­ne­hin stets zu­rück­ge­setzt fühl­te und zum Zorn neig­te, war ent­rüs­tet, dass ihm we­der von spa­ni­scher noch von ös­ter­rei­chi­scher Sei­te Hil­fe kam, und sag­te bit­ter, man schei­ne ver­ges­sen zu ha­ben, dass er ein Erz­her­zog sei. Die Statt­hal­te­rin von Bel­gi­en, Isa­bel­la, über­nahm es dies­mal, mit Mans­feld an­zu­knüp­fen, und das Ge­schäft wur­de ge­führt durch einen Ju­gend­freund Mans­felds, na­mens von Rol­lin­gen, dem Mans­feld fol­gen­de Ant­wort gab: er habe im vo­ri­gen Jah­re die Ver­hand­lun­gen ab­ge­bro­chen, weil er zum Her­zog Ma­xi­mi­li­an kein Ver­trau­en habe fas­sen kön­nen. Sei­ne An­häng­lich­keit an das Haus Ös­ter­reich sei un­ver­min­dert, na­ment­lich an die In­fan­tin Isa­bel­la, die ihm in sei­ner Ju­gend so vie­le Pro­ben ih­rer Huld ge­ge­ben habe und der zu­künf­tig zu die­nen er sich glück­lich schät­zen wer­de. Da die Fürs­tin mit Freu­den dar­auf ein­ging und ihn auf­for­der­te, Vor­schlä­ge zu ma­chen, ließ er sich ver­neh­men, er wol­le vor al­len Din­gen das von ihm er­ober­te Ha­genau als Fürs­ten­tum be­hal­ten und dazu mit dem Fürs­ten­ti­tel be­gabt wer­den, fer­ner Am­nes­tie für alle sei­ne Un­ter­ge­be­nen, Auf­he­bung der Acht und au­ßer den schon frü­her ver­spro­che­nen 200.000 Reichs­ta­lern noch 100.000 Gold­kro­nen. Ob­wohl die­se An­sprü­che der Statt­hal­te­rin hoch ge­grif­fen zu sein schie­nen, so er­klär­te sie sich doch zu al­lem be­reit, und es herrsch­te große Freu­de an den Hö­fen von Brüs­sel, Wien und Prag, dass der ver­stock­te Feind end­lich ver­söhnt sei.

Es war im April, wo ein lau­er Früh­ling be­gann, das pfäl­zi­sche Land lieb­lich an­zu­hau­chen, als Herr von Rol­lin­gen ei­ner Ein­la­dung Mans­felds folg­te, da­mit der Ver­trag durch sei­ne Un­ter­schrift fer­tig­ge­stellt wür­de. Er fand den Gra­fen in be­son­ders ge­sprä­chi­ger und an­ge­reg­ter Lau­ne, die er selbst durch einen be­vor­ste­hen­den wer­ten Be­such er­klär­te. Als die Tür auf­ging, er­blick­te der stau­nen­de Rol­lin­gen die freund­li­che Er­schei­nung des Kur­fürs­ten oder Böh­men­kö­nigs Fried­rich, des­sen ganz kürz­lich er­folg­te An­kunft ihm ver­bor­gen ge­blie­ben war. Fried­rich reich­te ihm die Hand und sag­te la­chend, das sei also der­je­ni­ge, der ihm sei­nen treues­ten Die­ner habe ab­spens­tig ma­chen wol­len; wor­auf Rol­lin­gen, den Schre­cken und Be­schä­mung lähm­te, kei­ne pas­sen­de Ant­wort ein­fal­len woll­te. Bei Ta­fel herrsch­te, von Rol­lin­gen ab­ge­se­hen, lau­te Fröh­lich­keit. Fried­rich er­zähl­te von sei­nen Rei­se­er­leb­nis­sen und wie er in Frank­reich der Ge­fahr, er­kannt und ge­fan­gen zu wer­den, sehr nahe ge­we­sen sei. »Ich hat­te mir ge­schmei­chelt«, sag­te er, »dass die Bil­der, die von mir im Um­lau­fe sind, mich nur un­voll­kom­men wie­der­gä­ben; al­lein sie müs­sen mich doch leid­lich ge­trof­fen ha­ben, da man mich trotz der Ver­klei­dung er­kann­te und ob­wohl ich so gut Fran­zö­sisch spre­che wie ir­gend­ein Par­la­ments­rat in Pa­ris.« In Deutsch­land schei­ne er we­ni­ger gut be­kannt zu sein; denn in ei­nem Wirts­hau­se an der Gren­ze habe er mit Deut­schen an ei­nem Ti­sche ge­ses­sen, die sich, ohne sei­ne An­we­sen­heit zu ah­nen, so­gar über ihn un­ter­hal­ten und un­ter an­de­rem Rei­me vor­ge­tra­gen hät­ten, die ihm etwa so im Ge­dächt­nis ge­blie­ben wä­ren:


Der Pfäl­zer Frit­ze
Stand an der Spit­ze,
Der bay­ri­sche Schüt­ze
Warf ihn vom Sit­ze,
Ach Gott! in die Pfüt­ze,
Und nahm ihm die Müt­ze.
Kal­vi­ni­scher Frit­ze,
Bar­haupt bei der Hit­ze!

Er lach­te ver­gnügt, in­dem er sie vor­trug, ver­sprach je­dem eine Dublo­ne, der einen Vers dazu mach­te, und wäh­rend die an­de­ren sich ver­geb­lich be­san­nen, rief er lus­tig:


Was ist ihm denn nütz
Die pfäl­zi­sche Mütz
Ohne pfäl­zi­schen Witz
Und kal­vi­ni­sche Blitz!

In fran­zö­si­scher Spra­che, setz­te er hin­zu, hät­te er rich­ti­ge­re und wohl­klin­gen­de­re Ver­se ma­chen kön­nen; aber für sein gro­bes al­tes Deutsch schie­nen sie ihm ar­tig ge­nug zu sein.

Bald nach der An­kunft Fried­richs ge­lang es Mans­feld, Til­ly eine Nie­der­la­ge bei­zu­brin­gen, und er mel­de­te dem Kö­ni­ge, der dem Ge­fech­te zu­ge­se­hen hat­te, zu­gleich mit der Sie­ges­nach­richt, sei­ne, Fried­richs, An­we­sen­heit habe das Heer an­ge­feu­ert und die Fein­de ge­schreckt. Fried­rich er­klär­te sich fröh­lich be­reit, in die­ser Wei­se sein Land zu­rück­zu­er­obern, und wirk­lich schie­nen die Aus­sich­ten sich zu klä­ren; nicht nur nä­her­ten sich die Scha­ren des Bi­schofs von Hal­ber­stadt, son­dern auch der Mark­graf von Ba­den rück­te nach lan­gem Zö­gern mit ei­ner vor­züg­li­chen Ar­mee und ei­ner treff­lich ver­bes­ser­ten Ar­til­le­rie ins Feld, so­dass man mein­te, dem li­gis­ti­schen Hee­re eine über­wäl­ti­gen­de Trup­pen­macht ent­ge­gen­set­zen zu kön­nen. Be­vor sich aber die ver­schie­de­nen Feld­her­ren ge­ei­nigt hat­ten, schlug Til­ly den Mark­gra­fen von Ba­den bei Pforz­heim und bot, nach­dem er Mans­feld durch eine ge­schick­te Schein­be­we­gung nach Mann­heim ge­lockt hat­te, dem sich Frank­furt nä­hern­den Chris­ti­an von Hal­ber­stadt eine Schlacht an. Die­sem rie­ten sei­ne Of­fi­zie­re, sich mit dem weit über­le­ge­nen Fein­de nicht ein­zu­las­sen, und er hät­te auch Zeit ge­habt, sei­ne Trup­pen über die Main­brücke zu­rück­zu­zie­hen; aber er ver­warf ihre Mah­nun­gen mit Ent­rüs­tung: es sei nicht Rit­ter­sit­te, ei­nem her­aus­for­dern­den Fein­de aus­zu­wei­chen, er wol­le lie­ber un­ter­ge­hen, als dass je­mand das recht ha­ben soll­te, ihn Feig­ling zu schel­ten.

Von jen­seit des Mai­nes sa­hen die Fi­scher und Bau­ern zu, wie die Scha­ren Chris­tians sich hit­zig ge­gen die li­gis­ti­schen Re­gi­men­ter war­fen, die in schwe­ren, in Vier­e­cke ge­ord­ne­ten Mas­sen vor­rück­ten, von ih­nen wie von eher­nen Schil­den ab­prall­ten, meh­re­re Male mit ver­zwei­fel­tem Mute wie­der da­ge­gen an­stürm­ten und end­lich von den un­auf­halt­sam sich vor­wärts­wäl­zen­den Ko­lon­nen zer­malmt, auf­ge­löst und in die Flucht ge­schla­gen wur­den. Die ers­ten, die sich zu­rück­zo­gen, ka­men in leid­li­cher Ord­nung über die Brücke, je mehr Flie­hen­de sich aber zu­dräng­ten, de­sto has­ti­ger scho­ben sie sich, so­dass vie­le von der Brücke ins Was­ser stürz­ten, wäh­rend an­de­re, die eine Furt durch den Main such­ten, vom Flus­se weg­ge­ris­sen wur­den. Als die un­ter­ge­hen­de Son­ne ro­sen­rot in den Wei­den­ge­bü­schen ver­schmolz, zwi­schen de­nen der Main sanft hin­floss, ka­men nur noch Nach­züg­ler, und auf die­se war­fen sich die Fi­scher, die sich bis da­hin ver­bor­gen ge­hal­ten hat­ten, hie­ben mit Knüt­teln auf sie ein und schlu­gen sie nie­der oder stie­ßen sie ins Was­ser. Die Er­schöpf­ten und Ver­wirr­ten wuss­ten sich die­ser Män­ner, die aus den Bü­schen mit ge­fletsch­ten Zäh­nen und rol­len­den Au­gen wie Wöl­fe auf sie spran­gen, nicht zu er­weh­ren, zu­mal es be­reits däm­mer­te, und lie­fen zum Teil vor Ent­set­zen selbst in den Fluss; woll­ten sie sich dann wie­der ans Ufer ret­ten, war­fen ih­nen die Bau­ern Stei­ne auf die Köp­fe und rie­fen ih­nen zu: »Hört auf zu qua­ken, ihr Frösche!« oder »Sauft nur Was­ser statt Blut, ihr Mord­bren­ner!« Die Nacht hin­durch zo­gen die Fi­scher mit Stan­gen die Lei­chen ans Ufer, leer­ten ihre Ta­schen, ent­klei­de­ten sie oder schnit­ten die Knöp­fe und den Be­satz von den Rö­cken und lie­ßen sie weiter­schwim­men; schie­nen es an­ge­se­he­ne Leu­te zu sein, so be­hiel­ten sie sie wohl zu­rück, für den Fall, dass die An­ge­hö­ri­gen ein Lö­se­geld für den ent­seel­ten Kör­per aus­bie­ten soll­ten.

Mit den Über­bleib­seln sei­nes ge­schla­ge­nen Hee­res zog Chris­ti­an dem Kur­fürs­ten und Mans­feld zu, de­nen un­ter­des­sen ein statt­li­cher Fang ge­glückt war; sie wa­ren näm­lich in Darm­stadt ein­ge­drun­gen und hat­ten den Land­gra­fen Lud­wig, als er im Be­grif­fe war zu flie­hen, ge­fan­gen­ge­nom­men, um ihn für sei­ne kai­ser­freund­li­che Hal­tung zu be­stra­fen und ihn bei et­wai­gen Frie­den­strak­ta­ten zu ver­wer­ten. Land­graf Lud­wig, ein schlau­er, vor­sich­ti­ger, be­hag­li­cher Mann, war et­was nie­der­ge­schla­gen, hielt aber sei­ne fürst­li­che Wür­de auf­recht und ließ sich mit leid­lich gu­ter Mie­ne die Lecker­bis­sen schme­cken, die Fried­rich als ein Ka­va­lier sei­nem Ge­fan­ge­nen vor­setz­te. Chris­ti­an von Braun­schweig mach­te sich bei Ti­sche ein Ver­gnü­gen dar­aus, den Land­gra­fen durch Er­zäh­lun­gen von sei­nen Kriegs­aben­teu­ern und ver­üb­ten Ge­walt­ta­ten zu un­ter­hal­ten, umso mehr, als der Land­graf, der ihn seit sei­ner Kind­heit kann­te, ihn noch vor kur­z­em vä­ter­lich zur Um­kehr ge­mahnt hat­te, da er sich sonst selbst das schreck­li­che Ende der Gott­lo­sen be­rei­ten wer­de.

Er er­zähl­te von sei­nen Er­fol­gen in West­fa­len, von sei­nem Ein­zu­ge in Pa­der­born, wo die Evan­ge­li­schen ihn mit Hal­le­lu­ja emp­fan­gen hat­ten, als sei er der Hei­land und kom­me auf ei­nem Ese­lein ge­rit­ten. Da habe er treff­li­che Män­ner ken­nen­ge­lernt, die Söh­ne des von den Ka­tho­li­ken hin­ge­schlach­te­ten Bür­ger­meis­ters Li­bo­ri­us Weich­ard; die hät­ten als Kin­der zu­se­hen müs­sen, wie ih­rem Va­ter, auf einen Tisch ge­bun­den, das Herz aus dem le­ben­di­gen Lei­be ge­ris­sen wor­den sei, weil er recht­mä­ßi­ger­wei­se die Frei­heit und den Glau­ben der Stadt ge­gen den Bi­schof ver­tei­digt habe. Sie hät­ten zu ihm ge­sagt, wo sie auch wä­ren und was sie auch tä­ten, so rö­chen sie das teu­re Blut, das da­mals ver­gos­sen wor­den sei, und sie wür­den es sich Gut und Le­ben kos­ten las­sen, wenn sie es rä­chen könn­ten. Sie hät­ten ihm auch ge­wie­sen, wo in Kir­chen, Klös­tern, je­sui­ti­schen Uni­ver­si­tä­ten Geld und Gel­des­wert zu fin­den sei, und wenn er sie er­mäch­tigt hät­te und es mög­lich ge­we­sen sei, so hät­ten sie ganz Pa­der­born von der Erde weg­ge­schabt, wie die Quack­sal­ber mit dem Ra­sier­mes­ser die lei­di­gen War­zen von den Fü­ßen schnit­ten. Er habe sich aber mil­de be­wie­sen als ein Got­tes­mann, der er ja sei, habe nie­man­den am Le­ben ge­straft, wie die bei­den Je­sui­ten be­stä­ti­gen könn­ten, die er mit­ge­nom­men habe, da­mit sie sei­ne wah­re, bi­schöf­li­che Tu­gend vor al­ler Welt be­zeu­gen könn­ten. Sie müss­ten zwar dann und wann et­was Un­ge­wohn­tes mit an­se­hen, so hät­ten ein­mal Sol­da­ten ein Mäd­chen et­was zu un­ge­stüm ge­braucht, so­dass es halb­tot in ei­ner Scheu­ne ge­le­gen habe; als er da­zu­ge­kom­men sei, da habe er sei­nen Brand­le­gern be­foh­len, die Scheu­ne an­zu­zün­den, da­mit die Dir­ne lie­ber stracks gen Him­mel fah­re, an­statt als ein Schand­fleck und Är­ger­nis ihr Le­ben jäm­mer­lich fort­zu­fris­ten, und die Ba­ra­cke habe denn auch, bis man drei zäh­len kön­ne, in Flam­men ge­stan­den, so gut ver­stän­den die­se Leu­te ihr Hand­werk. Der­glei­chen möge from­men Vä­tern fremd vor­kom­men; aber es sei Kriegs­brauch, und er habe ja die Un­ge­rech­tig­keit nicht an­ge­stif­tet, durch die der Krieg ent­brannt sei.

Die bei­den Je­sui­ten, die mit an der Ta­fel sit­zen muss­ten, blick­ten steif auf die Tel­ler und sag­ten, sie ent­sän­nen sich ei­nes sol­chen Vor­falls nicht, sie für ihre Per­so­nen hät­ten vom Her­zog stets eine rück­sichts­vol­le Be­hand­lung er­fah­ren, wo­für sie ihm dank­bar wä­ren.

Nun, sag­te der Her­zog, die­se ka­tho­li­schen Geist­li­chen lie­ßen ihm Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­ren, wo­hin­ge­gen sei­ne Hal­ber­städ­ter Dom­her­ren im­mer wi­der ihn bell­ten. Sie nenn­ten ihn Räu­ber, Dieb und Re­ha­be­am, mach­ten ihm vor der gan­zen ehr­ba­ren Welt eine schänd­li­che Re­pu­ta­ti­on, weil sie, gei­zig und hab­gie­rig, sei­ne Sol­da­ten nicht in Quar­tier neh­men noch sonst zum Kriegs­we­sen kon­tri­bu­ie­ren woll­ten. Da wun­der­ten sie sich denn, wenn er sich das Geld an­ders­wie zu be­schaf­fen such­te. Sie gä­ben al­len Un­ter­schlupf und Vor­schub, die von sei­nen Rä­ten be­raubt zu sein vor­gä­ben, wäh­rend sei­ne Räte, als sei­ne treu­en Die­ner, nur un­rich­tig ge­münz­tes Geld kon­fis­zier­ten, wo­bei sie sich frei­lich wohl ein­mal ir­ren und ver­grei­fen könn­ten. Er habe aber ein gu­tes Mit­tel, sei­nen Jus­tiz lie­ben­den Dom­her­ren das Maul zu stop­fen, in­dem er von Zeit zu Zeit ver­ord­ne, sie soll­ten ihre Kon­ku­bi­nen und Hu­ren ab­tun. Dann schwie­gen sie wie­der still, ihre Wei­ber schick­ten sie frei­lich doch nicht heim, lie­ßen sich lie­ber vom Pö­bel auf der Stra­ße aus­spot­ten und nach­schimp­fen. Und doch gebe er ih­nen als der Bi­schof ein schö­nes Bei­spiel, lebe fast als ein Hei­li­ger, so­dass er sei­nen Durst nur lö­sche, wenn es die Na­tur durch­aus ver­lan­ge.

Kur­fürst Fried­rich be­lus­tig­te sich sehr an sol­chen Ge­sprä­chen, wenn ihm auch die Ver­eh­rung des schö­nen jun­gen Her­zogs für sei­ne Frau, Chris­tians Base, nur zum Teil an­ge­nehm war. Eli­sa­beth hat­te un­leug­bar ein ge­wis­ses Wohl­ge­fal­len an ihm und sei­nem ex­or­bi­tan­ten We­sen, wie es auch Fried­rich an­zog; denn es war nicht recht da­hin­ter­zu­kom­men, ob er ein rit­ter­li­cher Held oder ein gott­lo­ser Spöt­ter war, der sich über alle Welt lus­tig mach­te, oder ob er nur in Er­stau­nen set­zen und be­wun­dert sein woll­te. Gera­de die­se Un­deut­lich­keit oder Viel­deu­tig­keit mach­te Fried­rich Ver­gnü­gen, und so­lan­ge Chris­ti­an bei ihm im Krie­ge und nicht bei sei­ner Frau im Haag war, konn­te er sich un­be­sorgt an ihm er­freu­en.