4.

An ei­nem hei­ßen Som­mer­ta­ge nä­her­ten sich die Spit­zen des Mans­fel­di­schen Hee­res ei­nem Dor­fe an der Stra­ße nach Berg-Za­bern, wo die mü­den und durs­ti­gen Sol­da­ten eine Er­fri­schung zu fin­den hoff­ten. Wie sie aber an den ers­ten Häu­sern an­poch­ten, zeig­te es sich, dass sie leer wa­ren, eben­so die fol­gen­den, und es wur­de klar, dass die Be­woh­ner sich mit ih­rer bes­ten Habe da­von­ge­macht hat­ten. Zu­rück­ge­blie­ben wa­ren ein Blöd­sin­ni­ger und zwei Kin­der, die bei der Kir­che sa­ßen und sich da­mit un­ter­hiel­ten, einen al­ten ge­sprun­ge­nen Tie­gel mit Sand und Stei­nen zu fül­len und wie­der aus­zu­schüt­ten. Der Blöd­sin­ni­ge grins­te die Sol­da­ten freund­lich an, wie wenn sie alte Be­kann­te wä­ren, die er er­war­tet hät­te; von den bei­den Mäd­chen sag­te die äl­te­re, die ein zu kur­z­es Bein hat­te und hin­k­te, als sich alle auf die Wa­gen ge­drängt hät­ten, um zu ent­flie­hen, hät­te sie kei­nen Platz be­kom­men und zu­rück­blei­ben müs­sen, denn weit lau­fen kön­ne sie nicht, und die klei­ne Schwes­ter hät­te sie nicht ver­las­sen wol­len. Auf die Fra­ge der Sol­da­ten, wo et­was zu es­sen und zu trin­ken sei, nick­te der Blöd­sin­ni­ge stolz und glück­lich und führ­te sie zu ei­ner dick­stäm­mi­gen, vie­läs­ti­gen Lin­de, die in der Mit­te ei­nes Plat­zes stand. Um sie her­um lief eine höl­zer­ne Bank, un­ter wel­cher ein klei­nes Wein­fass und ein großer Laib Brot la­gen, dort von den Ent­flo­he­nen ge­bor­gen oder ver­ges­sen oder viel­leicht für den Blöd­sin­ni­gen zu­rück­ge­las­sen. Die Sol­da­ten ju­bel­ten, schlu­gen das Fass auf, aßen und tran­ken und teil­ten auch den Kin­dern und dem Blöd­sin­ni­gen mit, die neu­gie­rig zu­sa­hen. In­zwi­schen wa­ren mehr Sol­da­ten her­an­ge­kom­men, die auch zu es­sen ver­lang­ten und den Blöd­sin­ni­gen dräng­ten, er sol­le zei­gen, wo noch mehr ver­steckt sei. An­fäng­lich schüt­tel­te er den Kopf, als er aber die dro­hen­den Ge­sich­ter sah, rieb er sich die Stirn, sah sich be­trübt um und zeig­te plötz­lich, als sei ihm ein glück­li­cher Ein­fall ge­kom­men, auf das Gast­haus, das eine blan­ke Son­ne aus Mes­sing be­zeich­ne­te. Lär­mend durch­such­ten sie alle Zim­mer und auch den Wirts­gar­ten, der von nied­ri­gen Birn­bäu­men be­schat­tet wur­de, ohne aber ir­gen­det­was zu ent­de­cken. Der Blöd­sin­ni­ge, an den sie sich fra­gend und dro­hend wen­de­ten, schüt­tel­te rat­los den Kopf und schi­en ver­ges­sen zu ha­ben, wes­halb sie her­ge­kom­men wa­ren, wor­über sie end­lich wü­tend wur­den und mit Ge­weh­ren auf ihn los­schlu­gen, und als er laut und durch­drin­gend wie ein ge­sto­che­nes Schwein zu schrei­en an­fing, tö­te­ten sie ihn vollends. Nun fie­len die Bli­cke ei­ni­ger auf die bei­den klei­nen Mäd­chen, die mit­ge­lau­fen wa­ren und sprach­los er­schro­cken dem blu­ti­gen Schau­spiel zu­sa­hen, und von grau­sa­mer Lust er­grif­fen, zo­gen sie sie in das Haus, um sie zu miss­brau­chen. Ein Leut­nant, der jetzt in den Wirts­gar­ten kam, schalt die Sol­da­ten, dass sie sich auf­ge­hal­ten hät­ten, an­statt den Flie­hen­den nach­zu­set­zen und ih­nen die mit­ge­führ­ten Vor­rä­te ab­zu­neh­men, und ein Trupp Rei­ter wur­de so­fort zu die­sem Zweck aus­ge­sen­det. Mans­feld und Fried­rich, die nun zu Pfer­de ein­tra­fen, stie­ßen im Gast­hau­se, wo sie eine Wei­le ras­ten woll­ten, auf die halb ent­klei­de­ten Lei­chen der bei­den Kin­der; die klei­ne Brust der Jüngs­ten at­me­te noch schwach. Pfui, sag­te Fried­rich, das sei ekel­haft, da kön­ne er nicht blei­ben. Man sol­le eine sol­che Bes­tie, die der­glei­chen ver­übe, nach­drück­lich be­stra­fen. Mans­feld zuck­te die Ach­seln und sag­te, der wür­de sich aus dem Stau­be ge­macht ha­ben. Es hät­te sie wohl wild ge­macht, dass sie das Nest leer ge­fun­den hät­ten. Die Vö­gel in die­ser Ge­gend hät­ten ihn jetzt ken­nen­ge­lernt und wä­ren schlau und vor­sich­tig ge­wor­den. Wie sie aus dem Hau­se tra­ten, mel­de­te ein Un­ter­of­fi­zier, ein Sol­dat, der aus dem Dor­fe ge­bür­tig sei, gebe an, die Bau­ern hät­ten, so wie er sie ken­ne, das bare Geld nicht mit­ge­nom­men, son­dern we­nigs­tens zum Teil in der Kir­che un­ter ei­nem lo­cke­ren Stein ver­gra­ben. Fer­ner wis­se er eine hal­be Stun­de ent­fernt einen rei­chen Bau­ern­hof, des­sen Be­sit­zer nicht ge­flo­hen sein wer­de, weil er ab­seits lie­ge und sich im Ge­hölz ver­steckt glau­be, da wer­de man Nah­rungs­mit­tel im Über­fluss fin­den. Der Kö­nig gab Be­fehl, in der Kir­che nach­zu­su­chen, und es wur­de wirk­lich Geld ge­fun­den, wel­ches nach Vor­schrift un­ter das Heer ver­teilt wur­de, in der Art, dass der An­ge­ber das Dop­pel­te der Ge­bühr er­hielt.

Fried­rich war ver­drieß­lich und zeig­te sich un­lus­tig zur Fort­set­zung des Krie­ges. Er sei des zweck­lo­sen Um­her­zie­hens müde, sag­te er, und seh­ne sich nach Weib und Kind, hier sei jetzt doch nichts aus­zu­rich­ten. Ohne Geld frei­lich nicht, sag­te Mans­feld; das Land sei rings­her­um aus­ge­mer­gelt und gebe nichts mehr her. Der Land­graf von Hes­sen-Darm­stadt, sag­te Fried­rich, habe ihm sein Wort ge­ge­ben, sich beim Kai­ser für ihn zu ver­wen­den; viel­leicht kom­me es zu ei­nem gu­ten Frie­den oder Waf­fen­still­stand. Mit Ge­walt kom­me man jetzt nicht wei­ter, zu­mal da sei­ne Un­ter­ta­nen sich so fei­ge und wet­ter­wen­disch zeig­ten. Auf den pfäf­fi­schen Darm­städ­ter wür­de er nicht bau­en, sag­te Mans­feld; Fried­rich soll­te se­hen, wie er sei­nen Schwie­ger­va­ter, den Kö­nig von Eng­land, oder sei­nen Oheim, den Kö­nig von Dä­ne­mark, auf die Bei­ne bräch­te. Er, Mans­feld, kön­ne sein Heer nach Frank­reich hin­über­füh­ren, wo es Nah­rung ge­nug fin­den wer­de; er habe Ver­bin­dung so­wohl mit dem Kö­nig von Frank­reich wie mit dem Her­zog von Bouil­lon und den Hu­ge­not­ten. Fried­rich är­ger­te sich, weil er be­merk­te, wie ver­ächt­lich Mans­feld ihn zu­wei­len in Blick und Ton be­han­del­te, denn er fand, dass der län­der­lo­se Ba­stard am we­nigs­ten das Recht dazu habe. Nach ei­ni­gen Ver­hand­lun­gen wa­ren es bei­de zu­frie­den, sich zu tren­nen, Fried­rich, um sich zu­nächst wie­der zu sei­ner Fa­mi­lie zu be­ge­ben, Mans­feld, um an­ders­wo, sei es bei den Ge­ne­ral­staa­ten, bei Frank­reich oder bei der Statt­hal­te­rin und dem Kai­ser, eine Be­stal­lung zu su­chen; frei­lich war die Lage au­gen­blick­lich nicht so, dass er beim Kai­ser oder bei Spa­ni­en einen gu­ten Preis zu er­zie­len hof­fen konn­te.

In ei­nem förm­li­chen Ma­ni­fest entließ Fried­rich den Gra­fen Mans­feld und den Her­zog Chris­ti­an nebst ih­ren Of­fi­zie­ren und der ge­sam­ten Sol­da­tes­ka, da er die Mit­tel nicht habe, sie zu er­hal­ten, und gab ih­nen die Be­fug­nis, sich an­ders­wo einen Dienst zu su­chen.

Nach­dem sich die bei­den Söld­ner­füh­rer eine Zeit lang un­ter er­geb­nis­lo­sen Ver­hand­lun­gen in Loth­rin­gen auf­ge­hal­ten und das dor­ti­ge Land ver­wüs­tet hat­ten, tra­ten sie in den Dienst der hol­län­di­schen Staa­ten, schlu­gen sich, den spa­ni­schen Feld­herrn Cor­do­va in blu­ti­gem Kamp­fe zu­rück­wer­fend, nach Ber­gen-op-Zoom durch und hal­fen die von Spi­no­la be­la­ger­te Stadt ent­set­zen.

Es hat­te näm­lich nach zwölf­jäh­ri­gem Waf­fen­still­stan­de der Krieg zwi­schen Spa­ni­en und Hol­land wie­der be­gon­nen, ob­wohl den Spa­ni­ern, da es ih­nen an Geld man­gel­te, der Frie­de lie­ber ge­we­sen wäre; aber es schi­en ih­nen nicht eh­ren­voll, nach­zu­ge­ben, und sie for­der­ten die Hol­län­der auf, sich wie­der un­ter ihre Bot­mä­ßig­keit zu be­ge­ben, da­mit dem ge­gen­sei­ti­gen Ein­ver­ständ­nis nichts mehr im Wege ste­he. Die Hol­län­der ant­wor­te­ten, sie fän­den dies An­sin­nen be­frem­dend, da sie längst von al­len Staa­ten und Po­ten­ta­ten als freie Re­pu­blik trak­tiert wür­den, und die Feind­se­lig­kei­ten nah­men zu großer Ge­nug­tu­ung der Kriegs­par­tei, an de­ren Spit­ze Mo­ritz von Ora­ni­en stand, ih­ren An­fang.

Gleich­zei­tig be­stieg der jun­ge Phil­ipp IV. den spa­ni­schen Thron, nach­dem sein Va­ter, der schwäch­li­che Phil­ipp III., einst das Lip­per­li, vor­zei­tig ge­stor­ben war. Die letz­ten Jah­re die­ses Kö­nigs wa­ren durch einen kirch­li­chen Streit be­wegt, der von der Fra­ge über die sünd­li­che oder fle­cken­lo­se Emp­fäng­nis der Jung­frau Ma­ria her­rühr­te. Die Spa­nier näm­lich, die der Mut­ter Got­tes jede mög­li­che Ehre zu­wen­den woll­ten, er­hitz­ten sich für ihre un­be­fleck­te Emp­fäng­nis und ras­ten ge­gen ihre Geg­ner, wel­ches na­ment­lich die Do­mi­ni­ka­ner wa­ren, die sag­ten, die El­tern der Ma­ria wä­ren nur ge­mei­ne Men­schen ge­we­sen, wie sie denn die Ma­ria an­ders als im Fleisch hät­ten zeu­gen sol­len? Au­ßer­dem sei die Jung­frau Ma­ria nach al­len vor­lie­gen­den Zeug­nis­sen ge­stor­ben, es hei­ße aber, der Tod sei der Sün­den Sold, also müs­se sie wohl in Sün­den emp­fan­gen sein. Da­mit die­se ver­leum­de­ri­schen Re­den auf­hör­ten, be­stürm­te Kö­nig Phil­ipp den Papst, die Leh­re der Af­fir­man­ten, wie sich die­je­ni­gen nann­ten, die die hei­li­ge Jung­frau in Sün­den emp­fan­gen sein las­sen woll­ten, zu ver­dam­men, wo­mit er den­sel­ben in nicht ge­rin­ge Ver­le­gen­heit setz­te. Er such­te sich erst durch Aus­flüch­te zu hel­fen, da der spa­ni­sche Ge­sand­te ihm aber kei­ne Ruhe gab, er­ließ er ein De­kret, die Leh­re der Af­fir­man­ten sol­le bei Stra­fe der Ex­kom­mu­ni­ka­ti­on we­der in Kir­chen noch Uni­ver­si­tä­ten ge­lehrt wer­den, es soll­ten aber die­je­ni­gen Af­fir­man­ten hier­von aus­ge­nom­men sein, de­nen der Papst es spe­zia­li­ter ge­stat­te, denn er wol­le die Leh­re kei­nes­wegs ver­dam­men oder ver­wer­fen, wie sie die­sel­be denn auch pri­va­tim leh­ren dürf­ten, wenn sie sich nur är­ger­li­cher Sti­chel­re­den ent­hiel­ten.

Im ers­ten Tau­mel des Tri­um­phes zün­de­ten die Spa­nier, be­son­ders in der Stadt Se­vil­la, wel­che als un­ter dem be­son­de­ren Schut­ze der Jung­frau Ma­ria ste­hend be­trach­tet wur­de, Freu­den­feu­er an; bei nä­he­rer Be­trach­tung des De­kre­tes aber, das über­all an­ge­schla­gen wur­de, er­kann­te man, dass die Sa­che ei­gent­lich blieb, wie sie zu­vor ge­we­sen war, was sich Kö­nig und Volk sehr zu Ge­mü­te zo­gen. Es er­schi­en aber­mals ein Ge­sand­ter in die­ser Sa­che in Rom, den aber der Papst scharf ab­lau­fen ließ; sein ge­lieb­tes­ter Sohn, der Kö­nig von Spa­ni­en, sol­le sich ein­mal zur Ruhe be­ge­ben, er habe das Mög­li­che für ihn ge­tan, dar­an müs­se er sich ge­nü­gen las­sen. In die­sem Sta­di­um be­fand sich die An­ge­le­gen­heit, als der Kö­nig und der Papst nach­ein­an­der star­ben, ih­ren Nach­fol­gern die end­li­che Lö­sung über­las­send.

Kurz nach dem Tode des Kö­nigs starb auch sei­ne Wit­we Mar­ga­re­te, die Schwes­ter Kai­ser Fer­di­n­ands, an ei­ner selt­sa­men, ra­schen Krank­heit, die ver­gif­te­tem Räu­cher­werk und ei­nem Günst­ling ih­res ver­stor­be­nen Man­nes zu­ge­schrie­ben wur­de. Sie sei über­haupt, hieß es, da sie die Spa­nier nicht hät­te lei­den mö­gen und ihre Ab­nei­gung all­zu sehr habe mer­ken las­sen, bei den Spa­ni­ern sehr un­be­liebt ge­we­sen.