7.

Auch die kai­ser­li­chen Räte wa­ren mit der Über­tra­gung der pfäl­zi­schen Kur auf den Her­zog von Bay­ern nicht ein­ver­stan­den, selbst die­je­ni­gen, die ein­sa­hen, dass der Kai­ser nicht mehr da­von kön­ne, hät­ten gern tem­po­ri­siert, bis eine ge­le­ge­ne­re Zeit käme. Al­lein der Her­zog dräng­te der­ma­ßen, dass nach­ge­ge­ben wer­den muss­te, und der Kai­ser mein­te, wor­auf man auch war­ten wol­le? Er habe kei­ne Fein­de mehr, Böh­men sei un­ter­wor­fen, das Reich be­ru­higt, und die Scheel­süch­ti­gen, die im­mer vor­han­den wä­ren, müs­se der Her­zog auf sich neh­men. Man wis­se ja, was es mit den Kriegs­dro­hun­gen der Fürs­ten auf sich habe, zwi­schen Bel­len und Bei­ßen sei der Weg lang. Mit der Emp­find­lich­keit des Kur­fürs­ten von Sach­sen war es im­mer­hin eine hei­ke­le Sa­che und vollends mit dem Kö­nig von Spa­ni­en, der sich hat­te ver­lau­ten las­sen, lie­ber wol­le er mit den Staa­ten Frie­den ma­chen als dem Her­zog von Bay­ern den Kur­hut las­sen; denn je mäch­ti­ger Bay­ern wür­de, de­sto ge­wis­ser wür­de es mit Frank­reich ge­mein­sa­me Sa­che ge­gen das Haus Ös­ter­reich ma­chen. Um die Er­zürn­ten zu be­schwich­ti­gen und die Sa­che ir­gend­wie zur Ef­fek­tu­ie­rung zu brin­gen, er­öff­ne­te der Kai­ser im No­vem­ber des Jah­res 1622 einen Reichs­tag in Re­gens­burg, auf wel­chem von den pro­tes­tan­ti­schen Fürs­ten nur Land­graf Lud­wig von Hes­sen-Darm­stadt per­sön­lich er­schi­en, wäh­rend die an­de­ren grol­lend da­heim blie­ben und sich nur durch Ge­sand­te ver­tre­ten lie­ßen. Den hef­tigs­ten Ein­spruch ge­gen die Über­tra­gung der Kur er­hob Wolf­gang Wil­helm von Neu­burg, in­dem, wenn Fried­rich V. sie ver­wirkt habe, er der nächst­be­rech­tig­te Erbe sei und den ge­setz­li­chen An­spruch dar­auf habe. Die­ser Pro­test fand gar kei­ne Berück­sich­ti­gung, weil die Kur ja nicht durch Aus­ster­ben ei­ner Li­nie er­le­digt, son­dern durch Fe­lo­nie ver­wirkt sei, und es wur­de über­dem be­dau­ert, dass Neu­burg sei­nem Schwie­ger­va­ter und Be­grün­der sei­nes Glücks, der ihn zum wah­ren Glau­ben zu­rück­ge­führt habe, nun so zu­wi­der sei, ja es wur­den Zwei­fel aus­ge­spro­chen, ob die Be­keh­rung voll­kom­men und auf­rich­tig in die­sem Fürs­ten durch­ge­grif­fen habe. In Wahr­heit wank­te Wolf­gang Wil­helm durch­aus nicht im Glau­ben, wie er denn in al­len sei­nen Län­dern ohne Gna­de re­for­miert hat­te; aber er hat­te längst an­ge­fan­gen, die bay­ri­sche Vor­mund­schaft un­wil­lig zu er­tra­gen, wes­we­gen er auch sei­ne Frau mied und, so viel es an­ging, auf Rei­sen war. In ih­rer Ge­sell­schaft war er schweig­sam, oder er nör­gel­te über ir­gen­det­was, bei Ti­sche über die Spei­sen, weil sie zu viel oder zu­we­nig ge­sal­zen wä­ren, oder über die Er­zie­hung sei­nes Soh­nes Phil­ipp Lud­wig oder über zu große und übel an­ge­wand­te Aus­ga­ben im Haus­halt. Wa­ren aber Gäs­te bei ihm oder war er gar zu Be­such an frem­den Hö­fen, wo er hoch­an­ge­se­hen war, so lief das Werk glatt wie frisch mit Öl ge­schmiert: dann wieg­te er sich in fürst­lich lä­cheln­der Über­le­gen­heit, ge­bär­de­te sich splen­did, ließ sich Ent­wür­fe zu neu­en Je­sui­ten­kir­chen vor­le­gen und be­stell­te Bil­der bei be­rühm­ten Ma­lern, die ihn spä­ter, wenn sie zu Hau­se ein­tra­fen und be­zahlt sein woll­ten, ver­drieß­lich mach­ten und zu neu­en Nör­ge­lei­en An­lass ga­ben.

Im Fe­bru­ar fand die fei­er­li­che In­ve­sti­tur des Her­zogs von Bay­ern mit der Kur statt, wo­bei der­sel­be sich ernst und präch­tig zeig­te und ver­stoh­len be­ob­ach­te­te, wie sich die an­we­sen­den Fürs­ten ver­hiel­ten und dass der spa­ni­sche Ge­sand­te, um sei­nen Dis­gust und Pro­test öf­fent­lich be­merk­bar zu ma­chen, aus­ge­blie­ben war. Bei dem fei­er­li­chen Mah­le, das auf den Akt folg­te, hat­te Ma­xi­mi­li­an, als nun­meh­ri­ger Truch­seß des Rei­ches, dem Kai­ser die Schüs­sel zu prä­sen­tie­ren und stand steif und ein we­nig be­droh­lich hin­ter Fer­di­n­ands Stuh­le. »Vet­ter, lass das Ser­vier­tü­chel nicht fal­len!« flüs­ter­te die­ser ihm, heim­lich la­chend, zu; aber Ma­xi­mi­li­an kniff die Lip­pen zu­sam­men und tat, als ob er den Scherz über­hört hät­te.

Vom Er­b­lan­de des ver­trie­be­nen Kur­fürs­ten er­hielt Ma­xi­mi­li­an die Ober­pfalz, wo­ge­gen er sein Pfand Ober­ös­ter­reich dem Kai­ser zu­rück­zu­ge­ben ver­sprach. Auf die Un­ter­pfalz rech­ne­te Spa­ni­en gleich­sam als Er­satz für die ver­lo­re­nen nie­der­län­di­schen Staa­ten, und mit ein­zel­nen Tei­len wur­den ver­schie­de­ne Fürs­ten be­lohnt, die sich um die kai­ser­li­che Sa­che ver­dient ge­macht hat­ten; so er­hielt der Erz­bi­schof von Mainz die Berg­stra­ße, auf wel­che er alte Rech­te zu ha­ben be­haup­te­te. Die Ge­bie­te be­nach­bar­ter pfäl­zi­scher Gra­fen er­hielt Land­graf Lud­wig von Darm­stadt, über den sich auch sonst die Fül­le kai­ser­li­cher Gna­de er­goss. In dem Erb­schaftss­treit mit sei­nem Vet­ter Mo­ritz wur­de näm­lich zu sei­nen Guns­ten ent­schie­den, und zwar so, dass er nicht nur den strit­ti­gen Teil ganz, son­dern auch die Ein­nah­men er­hal­ten soll­te, wel­che wäh­rend der Jah­re, da Mo­ritz ihn in­ne­ge­habt hat­te, dar­aus ge­flos­sen wa­ren und die auf sieb­zehn Mil­lio­nen Gul­den be­rech­net wur­den.

Man sehe nun, sag­te Land­graf Lud­wig im Krei­se der be­freun­de­ten Fürs­ten, wie Ge­hor­sam und Ge­duld bei Gott wohl an­ge­se­hen sei und zu­letzt be­lohnt wer­de. Er freue sich, dass er wäh­rend sei­ner Ge­fan­gen­schaft aus dem bit­te­ren Lei­dens­kelche ge­trun­ken habe, ohne zu mur­ren, und nie an­ders ge­be­tet habe als mit dem Kö­nig Da­vid: ›Har­re auf den Herrn und hal­te sei­nen Weg, so wird er dich er­hö­hen, dass du das Land er­best.‹ Er tri­um­phie­re jetzt auch nicht über die ge­stürz­ten Fein­de, habe auch mit sei­nem Vet­ter Mo­ritz ein christ­li­ches Er­bar­men, der nun an Land und Leu­ten ver­kürzt und dazu in eine un­ab­seh­ba­re Schul­den­last ge­stürzt sei; aber er habe ihm oft gut­mü­tig vor­ge­stellt, er sol­le dem wi­der­recht­lich an­ge­maß­ten Be­sitz ent­sa­gen, Mo­ritz sei hals­star­rig ge­we­sen und habe nicht hö­ren wol­len, er sei selbst schuld.

Der alte Schweik­hard, der et­was ein­ge­fal­len war und zu­wei­len wäh­rend der Ver­hand­lun­gen ein­sch­lief, nick­te und sag­te, er wür­de die Berg­stra­ße, ob­wohl sie von Rechts we­gen sein sei, gern fah­ren las­sen, wenn er da­mit al­len Ha­der, Krieg und Un­treue, die im Rei­che vor­ge­fal­len sei­en, un­ge­sche­hen ma­chen könn­te. Die gute alte Zeit sei vor­über, die neue ge­fal­le ihm nicht mehr; er kön­ne nicht be­grei­fen, warum sich Ka­tho­li­ken und Pro­tes­tan­ten nicht mit­ein­an­der ver­tra­gen soll­ten, wenn sie nur alle deutsch, treu und red­lich von Her­zen wä­ren.

Ja, sag­te der Land­graf Lud­wig, so habe er auch ge­dacht; er wol­le im Glau­ben sei­ner Vä­ter ver­har­ren, aber er ver­eh­re die ka­tho­li­sche Kir­che, wel­che die Mut­ter­kir­che sei, und wür­de sie schon des­halb ver­eh­ren, weil sein Kai­ser ihr an­ge­hö­re. Et­was an­de­res sei es mit den Kal­vi­nern, die­sen gehe Treue und Glau­ben ab, was sich auch dar­in zei­ge, dass sie alle die from­men alt­deut­schen Sit­ten ver­ach­te­ten und sich der fran­zö­si­schen so­ge­nann­ten Höf­lich­keit be­flei­ßig­ten, die lei­der Gleis­ne­rei und Gott­lo­sig­keit be­deu­te. Die Kal­vi­ner er­kenn­ten kei­ne Ob­rig­keit an, we­der die himm­li­sche noch die ir­di­sche, rühm­ten und trotz­ten mit Ge­lehr­sam­keit und ei­ge­nem Wis­sen, das, als mensch­lich, doch al­le­mal Blend­werk sei. Des­we­gen sei auch die Rit­ter­schaft von Hes­sen-Kas­sel un­eins mit sei­nem Vet­ter, dem Land­gra­fen Mo­ritz, hal­te fest am Kai­ser und wol­le sich nicht auf die Irr­we­ge ih­res Fürs­ten füh­ren las­sen.

Die­se bei­den Fürs­ten wur­den vom Kai­ser da­für ge­won­nen, den Kur­fürs­ten von Sach­sen mit der bay­ri­schen Kur zu ver­söh­nen, und es wur­de zu die­sem Zweck eine Zu­sam­men­kunft in Schleu­sin­gen ver­ein­bart, an wel­cher auch der Kur­fürst von Köln, Ma­xi­mi­lians Bru­der Fer­di­nand, teil­nahm. An­fäng­lich ließ Jo­hann Ge­org sei­ner Emp­find­lich­keit und Ent­rüs­tung frei­en Lauf: Wo­hin das füh­ren sol­le, sag­te er, wenn der Kai­ser die Kur­fürs­ten des Rei­ches ohne vor­ge­schrie­be­ne For­ma­li­tät ab­set­zen und wie Kohl­köp­fe aus­rau­fen kön­ne? Es müs­se doch ein Un­ter­schied zwi­schen Kur- und an­de­ren Fürs­ten sein! Ja, das wäre das Fun­da­ment des Rei­ches, ein Un­ter­schied zwi­schen Kur- und an­de­ren Fürs­ten müs­se sein. Oh­ne­hin wol­le jetzt je­des Gräf­lein ein Fürst sein, und je­der Fürst schie­le nach dem Kur­hu­te, dem müs­se ge­steu­ert wer­den. Auf dem Re­gens­bur­ger Tage habe der Kai­ser den Eg­gen­berg, der sonst ein gu­ter Mann sei, zum Reichs­fürs­ten ge­macht, und so ei­ner wol­le dann bei den Reichs­ta­gen auf der Fürs­ten­bank sit­zen. Das be­lie­be den gu­ten ur­al­ten Fürs­ten­häu­sern bil­li­ger­wei­se nicht, und eben­so­we­nig möge er neu­mo­di­sche Kur­fürs­ten­müt­zen ne­ben sich lei­den.

Auch habe es ihn sehr ver­wun­dert und ge­kränkt, wie der Kai­ser in Böh­men mit sei­nen lu­the­ri­schen Glau­bens­ge­nos­sen ver­fah­re, nicht an­ders, als ob sie Kal­vi­ner wä­ren. Da wür­den ja die­je­ni­gen recht be­hal­ten, die vor­her ge­schri­en hät­ten, der Kai­ser ma­che kei­nen Un­ter­schied zwi­schen den Ket­zern und be­die­ne sich nur zu­erst der Luthe­ri­schen ge­gen die Kal­vi­ner, weil sie das Schwert führ­ten und er de­nen ihre Bi­bel her­nach leicht aus der Hand win­den kön­ne.

Das mit dem Eg­gen­berg woll­ten Mainz und Darm­stadt auch nicht ap­pro­bie­ren; da­ge­gen er­in­ner­ten sie den Kur­fürs­ten dar­an, dass die Grö­ße sei­nes Hau­ses die Frucht der An­häng­lich­keit sei­ner Vor­fah­ren an den Kai­ser sei, in­dem Kai­ser Karl V. dem Er­nes­ti­ner Jo­hann Fried­rich we­gen sei­ner Re­bel­li­on die Kur ge­nom­men und auf sei­nen Vor­fah­ren Mo­ritz über­tra­gen habe; so sol­le er doch an dem alt­ge­hei­lig­ten Grund­satz fest­hal­ten und nicht von der he­ro­i­schen Bahn ab­wei­chen, auf wel­cher er erst kürz­lich wie­der die Lau­sitz da­von­ge­tra­gen habe. Über die recht­li­che Fra­ge der pfäl­zi­schen Kur kön­ne ja auf künf­ti­gen Reichs­ta­gen ent­schie­den wer­den, da sie dem Her­zog Ma­xi­mi­li­an nur auf sei­ne Le­bens­dau­er über­tra­gen sei.

Die­sen Grün­den zeig­te sich Jo­hann Ge­org zu­gäng­lich, umso mehr, als der Kai­ser ihm kürz­lich den Ti­tel Durch­laucht zu füh­ren er­laubt hat­te, und die Tage konn­ten nach bald er­le­dig­tem Ge­schäft gänz­lich der Jagd ge­wid­met wer­den, die in Schleu­sin­gen vor­treff­lich war und durch hei­te­res Wet­ter be­güns­tigt wur­de. Nur der Erz­bi­schof von Köln nahm nicht so leb­haft an der Fröh­lich­keit teil, son­dern litt an Me­lan­cho­lie, hat­te auch vor ei­ni­ger Zeit ein Ge­lüb­de ge­tan, das Ja­gen, als ei­nem geist­li­chen Fürs­ten nicht ge­zie­mend, auf­zu­ge­ben, und pfleg­te erst bei der Ta­fel nach häu­fi­gem Zu­trin­ken ge­sel­lig zu wer­den. Ein­mal, als die Her­ren ihn zur Jagd über­re­det hat­ten, stie­ßen sie, er­hitzt und durs­tig, auf ein al­tes Weib, das am Wege saß und Pflau­men ver­kauf­te. Erz­bi­schof Fer­di­nand, dem das rei­fe Obst ver­lo­ckend ins Auge stach, ließ durch einen sei­ner Leib­knap­pen da­von ein­kau­fen, wor­auf er sie so­gleich ver­zehr­te. Als sie wie­der zu Hau­se wa­ren, klag­te er über hef­ti­ges Bauch­grim­men und dass er von der Obst­händ­le­rin ver­hext sei; es sei ihm gleich auf­ge­fal­len, wie sie ihn so selt­sam über­zwerch an­ge­se­hen und et­was ge­mur­melt habe, auch hät­ten ihm die Pflau­men beim Es­sen wi­der­stan­den, ob­wohl er es an­de­rer­seits nicht hät­te un­ter­las­sen kön­nen. Die an­de­ren Fürs­ten trös­te­ten ihn, es sei­en wohl et­was viel Pflau­men ge­we­sen, auch habe er nun Bier dar­auf ge­trun­ken, was nicht al­le­mal be­kömm­lich sei, es kön­ne die Krank­heit auch na­tür­li­chen Ur­sprung ha­ben und nach flei­ßi­gem Pur­gie­ren oder auch sonst wie­der ver­ge­hen.

Na­tür­li­che Schmer­zen sei­en es ge­wiss nicht, klag­te der Erz­bi­schof, viel­mehr wüh­le und rei­ße es in sei­nem Lei­be, als ob Schlan­gen und Wür­mer dar­in wä­ren, die sich um­ein­an­der dreh­ten und mit sei­nem Ein­ge­wei­de ver­wi­ckel­ten. Er habe sich auch gleich ge­dacht, dass ihm et­was zu­sto­ßen wür­de, weil er mor­gens beim An­klei­den das Amu­lett ver­ges­sen habe, das er im­mer an sich tra­ge und das gut ge­gen Be­he­xung sei und ge­wis­se ara­bi­sche Zei­chen an sich habe. Wenn die Hexe ge­fan­gen und ver­brannt wer­den könn­te, wür­de es viel­leicht bes­ser mit ihm wer­den.

Der Kur­fürst von Sach­sen sag­te, er habe ge­wiss einen großen Ab­scheu ge­gen die He­xen und stra­fe sie nach Recht und Ge­setz, wo er sie an­tref­fe; aber hier­her­um gebe es kei­ne mehr, des­sen kön­ne er ge­wiss sein, und so drein­fah­ren kön­ne man auch nicht, man müs­se we­nigs­tens erst zu­se­hen, ob sonst et­was ge­gen die Alte vor­lie­ge.

Lan­ge fra­gen müs­se man da nicht, sag­te Fer­di­nand, dem es mitt­ler­wei­le ein we­nig bes­ser ge­wor­den war. Frei­wil­lig be­kenn­ten sich die Zau­be­rer und He­xen ih­rer scheuß­li­chen Fre­vel nicht schul­dig, es müs­se durch die Fol­ter er­mit­telt wer­den, er habe dar­in Er­fah­rung. Das Köl­ni­sche sei so voll He­xen, dass er die Schei­ter­hau­fen gar nicht aus­ge­hen las­sen kön­ne, so ar­bei­te er seit bald zehn Jah­ren un­er­müd­lich, und doch sei das Land noch nicht ge­säu­bert.

So schlimm sei es im Main­zi­schen nicht, sag­te Schweik­hard; ob das Übel im Köl­ni­schen viel­leicht eine Stra­fe Got­tes sei, weil der hoch­se­li­ge Kur­fürst Ernst, Fer­di­n­ands Oheim, in sei­ner Ju­gend der Schwar­zen Kunst er­ge­ben ge­we­sen sei, wie man we­nigs­tens ge­mun­kelt habe?

Ja, seufz­te Fer­di­nand, und die Jagd habe er all­zu sehr ge­liebt, wie er ja selbst lei­der Got­tes sich auch wie­der von sei­nem Ge­lüb­de hät­te ab­brin­gen las­sen. Aber er, Mainz, kön­ne doch füg­lich nicht be­strei­ten, dass er dem Las­ter auch an­hange, und er fürch­te, die Her­ren sei­en in der Sa­che mit den He­xen zu sorg­los, weil sie ihre Ge­fähr­lich­keit un­ter­schätz­ten. So habe in Köln kürz­lich eine Hexe un­ter der Fol­ter be­kannt, dass die He­xen und Zau­be­rer sich auch in der Kir­che mit­ten un­ter der from­men Ge­mein­de auf­hal­ten könn­ten, wenn sie nur ge­wis­se Vor­sichts­maß­re­geln be­ob­ach­te­ten, und dass He­xen den Platz, wo sol­che ge­ses­sen hät­ten, an ei­nem ge­wis­sen schwe­fe­lich­ten Ge­ruch her­aus­ken­nen könn­ten, der aber nur ih­nen spür­bar sei. Da­rauf­hin hät­ten die Rich­ter sie in die Dom­kir­che ge­führt, da­mit sie alle Plät­ze, die die­sen Ge­ruch von sich gä­ben, be­zeich­ne und man so den Un­hol­den auf die Spur kom­me und einen großen Fang ma­che; da habe sie denn sei­nen ei­ge­nen Platz an­ge­mel­det und habe sich, da­vor­ste­hend, die Nase zu­ge­hal­ten, als ob sie einen un­er­träg­li­chen Ge­ruch ver­spü­re, auch ge­ru­fen: »Wei­ter, wei­ter! denn hier ist es vor Ge­stank nicht aus­zu­hal­ten!« Sie sei dann ge­schwind und in al­ler Heim­lich­keit ju­sti­fi­ziert wor­den, man sehe aber dar­aus die Bos­heit und Ge­fähr­lich­keit die­ser Ge­schöp­fe und wie not­wen­dig es sei, mit äu­ßers­ter Schär­fe ge­gen sie vor­zu­ge­hen. Frei­lich, mein­te er trau­rig, habe es auch die He­xen­brut auf ihn be­son­ders ab­ge­se­hen, weil er sie ver­fol­ge und sie aus­zu­rot­ten be­schlos­sen habe, und es sei wohl mög­lich, dass sie ihm doch noch ein­mal et­was an­wisch­ten, wie er jetzt wie­der er­fah­ren habe; aber des­we­gen wol­le er doch den Kampf nicht auf­ge­ben.

Am letz­ten Tage sa­ßen Kur­fürst Schweik­hard und der Land­graf zu­sam­men auf dem An­stand un­ter ei­ner Föh­re1 und ei­ner Bir­ke, die dicht an­ein­an­der ge­wach­sen wa­ren, um ein paar Hir­sche zu er­war­ten, die vor­über­kom­men soll­ten, als es dem Kur­fürs­ten plötz­lich schwin­del­te, so­dass er sich ei­ni­ge Mi­nu­ten an des Land­gra­fen Schul­ter leh­nen muss­te, bis er wie­der zu sich kam. Er sah be­trübt in die bläu­li­che Luft, in der gol­de­ne Blät­ter wie Schmet­ter­lin­ge auf und nie­der schweb­ten, über das ro­sen­ro­te Hei­de­kraut hin zu dem still­flam­men­den Wald­sau­me und sag­te: »Ach, wie wohl ist es uns Men­schen un­ter Got­tes Him­mels­licht! Ich habe es nun ein­und­sieb­zig Jah­re dank­bar ge­schaut, und es mag wohl bald die Abend­stun­de nä­her kom­men, wo ich in das dunkle Bett hin­un­ter­stei­gen muss.« Nicht doch, sag­te der Land­graf, die­ser An­fall sei nur eine Fol­ge des vie­len Ze­chens, das sie hier ge­pflo­gen hät­ten und das Schweik­hard in sei­nem Al­ter nicht mehr so gut ver­tra­gen kön­ne. Ja, sag­te Schweik­hard ge­trös­tet, das lei­di­ge über­mä­ßi­ge Sau­fen sei die Ur­sa­che, und es sei gut, dass es ein Ende habe. Sonst sei er, Gott sei Dank, noch rüs­tig und habe auch ein gu­tes Ge­wis­sen, so­weit ein ar­mer Sün­der vor Gott es ha­ben kön­ne. Das sei wohl ge­spro­chen, sag­te der Land­graf, des­sen vol­les Ge­sicht von be­hag­li­chem Le­bens­feu­er blink­te, sie woll­ten, wenn ihr Stünd­lein ge­kom­men sei, als from­me Chris­ten im Gra­be einen ru­hi­gen Schlaf hal­ten, bis Gott sie zur fröh­li­chen Au­fer­ste­hung her­aus­bla­sen las­se.


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