Auch die kaiserlichen Räte waren mit der Übertragung der pfälzischen Kur auf den Herzog von Bayern nicht einverstanden, selbst diejenigen, die einsahen, dass der Kaiser nicht mehr davon könne, hätten gern temporisiert, bis eine gelegenere Zeit käme. Allein der Herzog drängte dermaßen, dass nachgegeben werden musste, und der Kaiser meinte, worauf man auch warten wolle? Er habe keine Feinde mehr, Böhmen sei unterworfen, das Reich beruhigt, und die Scheelsüchtigen, die immer vorhanden wären, müsse der Herzog auf sich nehmen. Man wisse ja, was es mit den Kriegsdrohungen der Fürsten auf sich habe, zwischen Bellen und Beißen sei der Weg lang. Mit der Empfindlichkeit des Kurfürsten von Sachsen war es immerhin eine heikele Sache und vollends mit dem König von Spanien, der sich hatte verlauten lassen, lieber wolle er mit den Staaten Frieden machen als dem Herzog von Bayern den Kurhut lassen; denn je mächtiger Bayern würde, desto gewisser würde es mit Frankreich gemeinsame Sache gegen das Haus Österreich machen. Um die Erzürnten zu beschwichtigen und die Sache irgendwie zur Effektuierung zu bringen, eröffnete der Kaiser im November des Jahres 1622 einen Reichstag in Regensburg, auf welchem von den protestantischen Fürsten nur Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt persönlich erschien, während die anderen grollend daheim blieben und sich nur durch Gesandte vertreten ließen. Den heftigsten Einspruch gegen die Übertragung der Kur erhob Wolfgang Wilhelm von Neuburg, indem, wenn Friedrich V. sie verwirkt habe, er der nächstberechtigte Erbe sei und den gesetzlichen Anspruch darauf habe. Dieser Protest fand gar keine Berücksichtigung, weil die Kur ja nicht durch Aussterben einer Linie erledigt, sondern durch Felonie verwirkt sei, und es wurde überdem bedauert, dass Neuburg seinem Schwiegervater und Begründer seines Glücks, der ihn zum wahren Glauben zurückgeführt habe, nun so zuwider sei, ja es wurden Zweifel ausgesprochen, ob die Bekehrung vollkommen und aufrichtig in diesem Fürsten durchgegriffen habe. In Wahrheit wankte Wolfgang Wilhelm durchaus nicht im Glauben, wie er denn in allen seinen Ländern ohne Gnade reformiert hatte; aber er hatte längst angefangen, die bayrische Vormundschaft unwillig zu ertragen, weswegen er auch seine Frau mied und, so viel es anging, auf Reisen war. In ihrer Gesellschaft war er schweigsam, oder er nörgelte über irgendetwas, bei Tische über die Speisen, weil sie zu viel oder zuwenig gesalzen wären, oder über die Erziehung seines Sohnes Philipp Ludwig oder über zu große und übel angewandte Ausgaben im Haushalt. Waren aber Gäste bei ihm oder war er gar zu Besuch an fremden Höfen, wo er hochangesehen war, so lief das Werk glatt wie frisch mit Öl geschmiert: dann wiegte er sich in fürstlich lächelnder Überlegenheit, gebärdete sich splendid, ließ sich Entwürfe zu neuen Jesuitenkirchen vorlegen und bestellte Bilder bei berühmten Malern, die ihn später, wenn sie zu Hause eintrafen und bezahlt sein wollten, verdrießlich machten und zu neuen Nörgeleien Anlass gaben.
Im Februar fand die feierliche Investitur des Herzogs von Bayern mit der Kur statt, wobei derselbe sich ernst und prächtig zeigte und verstohlen beobachtete, wie sich die anwesenden Fürsten verhielten und dass der spanische Gesandte, um seinen Disgust und Protest öffentlich bemerkbar zu machen, ausgeblieben war. Bei dem feierlichen Mahle, das auf den Akt folgte, hatte Maximilian, als nunmehriger Truchseß des Reiches, dem Kaiser die Schüssel zu präsentieren und stand steif und ein wenig bedrohlich hinter Ferdinands Stuhle. »Vetter, lass das Serviertüchel nicht fallen!« flüsterte dieser ihm, heimlich lachend, zu; aber Maximilian kniff die Lippen zusammen und tat, als ob er den Scherz überhört hätte.
Vom Erblande des vertriebenen Kurfürsten erhielt Maximilian die Oberpfalz, wogegen er sein Pfand Oberösterreich dem Kaiser zurückzugeben versprach. Auf die Unterpfalz rechnete Spanien gleichsam als Ersatz für die verlorenen niederländischen Staaten, und mit einzelnen Teilen wurden verschiedene Fürsten belohnt, die sich um die kaiserliche Sache verdient gemacht hatten; so erhielt der Erzbischof von Mainz die Bergstraße, auf welche er alte Rechte zu haben behauptete. Die Gebiete benachbarter pfälzischer Grafen erhielt Landgraf Ludwig von Darmstadt, über den sich auch sonst die Fülle kaiserlicher Gnade ergoss. In dem Erbschaftsstreit mit seinem Vetter Moritz wurde nämlich zu seinen Gunsten entschieden, und zwar so, dass er nicht nur den strittigen Teil ganz, sondern auch die Einnahmen erhalten sollte, welche während der Jahre, da Moritz ihn innegehabt hatte, daraus geflossen waren und die auf siebzehn Millionen Gulden berechnet wurden.
Man sehe nun, sagte Landgraf Ludwig im Kreise der befreundeten Fürsten, wie Gehorsam und Geduld bei Gott wohl angesehen sei und zuletzt belohnt werde. Er freue sich, dass er während seiner Gefangenschaft aus dem bitteren Leidenskelche getrunken habe, ohne zu murren, und nie anders gebetet habe als mit dem König David: ›Harre auf den Herrn und halte seinen Weg, so wird er dich erhöhen, dass du das Land erbest.‹ Er triumphiere jetzt auch nicht über die gestürzten Feinde, habe auch mit seinem Vetter Moritz ein christliches Erbarmen, der nun an Land und Leuten verkürzt und dazu in eine unabsehbare Schuldenlast gestürzt sei; aber er habe ihm oft gutmütig vorgestellt, er solle dem widerrechtlich angemaßten Besitz entsagen, Moritz sei halsstarrig gewesen und habe nicht hören wollen, er sei selbst schuld.
Der alte Schweikhard, der etwas eingefallen war und zuweilen während der Verhandlungen einschlief, nickte und sagte, er würde die Bergstraße, obwohl sie von Rechts wegen sein sei, gern fahren lassen, wenn er damit allen Hader, Krieg und Untreue, die im Reiche vorgefallen seien, ungeschehen machen könnte. Die gute alte Zeit sei vorüber, die neue gefalle ihm nicht mehr; er könne nicht begreifen, warum sich Katholiken und Protestanten nicht miteinander vertragen sollten, wenn sie nur alle deutsch, treu und redlich von Herzen wären.
Ja, sagte der Landgraf Ludwig, so habe er auch gedacht; er wolle im Glauben seiner Väter verharren, aber er verehre die katholische Kirche, welche die Mutterkirche sei, und würde sie schon deshalb verehren, weil sein Kaiser ihr angehöre. Etwas anderes sei es mit den Kalvinern, diesen gehe Treue und Glauben ab, was sich auch darin zeige, dass sie alle die frommen altdeutschen Sitten verachteten und sich der französischen sogenannten Höflichkeit befleißigten, die leider Gleisnerei und Gottlosigkeit bedeute. Die Kalviner erkennten keine Obrigkeit an, weder die himmlische noch die irdische, rühmten und trotzten mit Gelehrsamkeit und eigenem Wissen, das, als menschlich, doch allemal Blendwerk sei. Deswegen sei auch die Ritterschaft von Hessen-Kassel uneins mit seinem Vetter, dem Landgrafen Moritz, halte fest am Kaiser und wolle sich nicht auf die Irrwege ihres Fürsten führen lassen.
Diese beiden Fürsten wurden vom Kaiser dafür gewonnen, den Kurfürsten von Sachsen mit der bayrischen Kur zu versöhnen, und es wurde zu diesem Zweck eine Zusammenkunft in Schleusingen vereinbart, an welcher auch der Kurfürst von Köln, Maximilians Bruder Ferdinand, teilnahm. Anfänglich ließ Johann Georg seiner Empfindlichkeit und Entrüstung freien Lauf: Wohin das führen solle, sagte er, wenn der Kaiser die Kurfürsten des Reiches ohne vorgeschriebene Formalität absetzen und wie Kohlköpfe ausraufen könne? Es müsse doch ein Unterschied zwischen Kur- und anderen Fürsten sein! Ja, das wäre das Fundament des Reiches, ein Unterschied zwischen Kur- und anderen Fürsten müsse sein. Ohnehin wolle jetzt jedes Gräflein ein Fürst sein, und jeder Fürst schiele nach dem Kurhute, dem müsse gesteuert werden. Auf dem Regensburger Tage habe der Kaiser den Eggenberg, der sonst ein guter Mann sei, zum Reichsfürsten gemacht, und so einer wolle dann bei den Reichstagen auf der Fürstenbank sitzen. Das beliebe den guten uralten Fürstenhäusern billigerweise nicht, und ebensowenig möge er neumodische Kurfürstenmützen neben sich leiden.
Auch habe es ihn sehr verwundert und gekränkt, wie der Kaiser in Böhmen mit seinen lutherischen Glaubensgenossen verfahre, nicht anders, als ob sie Kalviner wären. Da würden ja diejenigen recht behalten, die vorher geschrien hätten, der Kaiser mache keinen Unterschied zwischen den Ketzern und bediene sich nur zuerst der Lutherischen gegen die Kalviner, weil sie das Schwert führten und er denen ihre Bibel hernach leicht aus der Hand winden könne.
Das mit dem Eggenberg wollten Mainz und Darmstadt auch nicht approbieren; dagegen erinnerten sie den Kurfürsten daran, dass die Größe seines Hauses die Frucht der Anhänglichkeit seiner Vorfahren an den Kaiser sei, indem Kaiser Karl V. dem Ernestiner Johann Friedrich wegen seiner Rebellion die Kur genommen und auf seinen Vorfahren Moritz übertragen habe; so solle er doch an dem altgeheiligten Grundsatz festhalten und nicht von der heroischen Bahn abweichen, auf welcher er erst kürzlich wieder die Lausitz davongetragen habe. Über die rechtliche Frage der pfälzischen Kur könne ja auf künftigen Reichstagen entschieden werden, da sie dem Herzog Maximilian nur auf seine Lebensdauer übertragen sei.
Diesen Gründen zeigte sich Johann Georg zugänglich, umso mehr, als der Kaiser ihm kürzlich den Titel Durchlaucht zu führen erlaubt hatte, und die Tage konnten nach bald erledigtem Geschäft gänzlich der Jagd gewidmet werden, die in Schleusingen vortrefflich war und durch heiteres Wetter begünstigt wurde. Nur der Erzbischof von Köln nahm nicht so lebhaft an der Fröhlichkeit teil, sondern litt an Melancholie, hatte auch vor einiger Zeit ein Gelübde getan, das Jagen, als einem geistlichen Fürsten nicht geziemend, aufzugeben, und pflegte erst bei der Tafel nach häufigem Zutrinken gesellig zu werden. Einmal, als die Herren ihn zur Jagd überredet hatten, stießen sie, erhitzt und durstig, auf ein altes Weib, das am Wege saß und Pflaumen verkaufte. Erzbischof Ferdinand, dem das reife Obst verlockend ins Auge stach, ließ durch einen seiner Leibknappen davon einkaufen, worauf er sie sogleich verzehrte. Als sie wieder zu Hause waren, klagte er über heftiges Bauchgrimmen und dass er von der Obsthändlerin verhext sei; es sei ihm gleich aufgefallen, wie sie ihn so seltsam überzwerch angesehen und etwas gemurmelt habe, auch hätten ihm die Pflaumen beim Essen widerstanden, obwohl er es andererseits nicht hätte unterlassen können. Die anderen Fürsten trösteten ihn, es seien wohl etwas viel Pflaumen gewesen, auch habe er nun Bier darauf getrunken, was nicht allemal bekömmlich sei, es könne die Krankheit auch natürlichen Ursprung haben und nach fleißigem Purgieren oder auch sonst wieder vergehen.
Natürliche Schmerzen seien es gewiss nicht, klagte der Erzbischof, vielmehr wühle und reiße es in seinem Leibe, als ob Schlangen und Würmer darin wären, die sich umeinander drehten und mit seinem Eingeweide verwickelten. Er habe sich auch gleich gedacht, dass ihm etwas zustoßen würde, weil er morgens beim Ankleiden das Amulett vergessen habe, das er immer an sich trage und das gut gegen Behexung sei und gewisse arabische Zeichen an sich habe. Wenn die Hexe gefangen und verbrannt werden könnte, würde es vielleicht besser mit ihm werden.
Der Kurfürst von Sachsen sagte, er habe gewiss einen großen Abscheu gegen die Hexen und strafe sie nach Recht und Gesetz, wo er sie antreffe; aber hierherum gebe es keine mehr, dessen könne er gewiss sein, und so dreinfahren könne man auch nicht, man müsse wenigstens erst zusehen, ob sonst etwas gegen die Alte vorliege.
Lange fragen müsse man da nicht, sagte Ferdinand, dem es mittlerweile ein wenig besser geworden war. Freiwillig bekennten sich die Zauberer und Hexen ihrer scheußlichen Frevel nicht schuldig, es müsse durch die Folter ermittelt werden, er habe darin Erfahrung. Das Kölnische sei so voll Hexen, dass er die Scheiterhaufen gar nicht ausgehen lassen könne, so arbeite er seit bald zehn Jahren unermüdlich, und doch sei das Land noch nicht gesäubert.
So schlimm sei es im Mainzischen nicht, sagte Schweikhard; ob das Übel im Kölnischen vielleicht eine Strafe Gottes sei, weil der hochselige Kurfürst Ernst, Ferdinands Oheim, in seiner Jugend der Schwarzen Kunst ergeben gewesen sei, wie man wenigstens gemunkelt habe?
Ja, seufzte Ferdinand, und die Jagd habe er allzu sehr geliebt, wie er ja selbst leider Gottes sich auch wieder von seinem Gelübde hätte abbringen lassen. Aber er, Mainz, könne doch füglich nicht bestreiten, dass er dem Laster auch anhange, und er fürchte, die Herren seien in der Sache mit den Hexen zu sorglos, weil sie ihre Gefährlichkeit unterschätzten. So habe in Köln kürzlich eine Hexe unter der Folter bekannt, dass die Hexen und Zauberer sich auch in der Kirche mitten unter der frommen Gemeinde aufhalten könnten, wenn sie nur gewisse Vorsichtsmaßregeln beobachteten, und dass Hexen den Platz, wo solche gesessen hätten, an einem gewissen schwefelichten Geruch herauskennen könnten, der aber nur ihnen spürbar sei. Daraufhin hätten die Richter sie in die Domkirche geführt, damit sie alle Plätze, die diesen Geruch von sich gäben, bezeichne und man so den Unholden auf die Spur komme und einen großen Fang mache; da habe sie denn seinen eigenen Platz angemeldet und habe sich, davorstehend, die Nase zugehalten, als ob sie einen unerträglichen Geruch verspüre, auch gerufen: »Weiter, weiter! denn hier ist es vor Gestank nicht auszuhalten!« Sie sei dann geschwind und in aller Heimlichkeit justifiziert worden, man sehe aber daraus die Bosheit und Gefährlichkeit dieser Geschöpfe und wie notwendig es sei, mit äußerster Schärfe gegen sie vorzugehen. Freilich, meinte er traurig, habe es auch die Hexenbrut auf ihn besonders abgesehen, weil er sie verfolge und sie auszurotten beschlossen habe, und es sei wohl möglich, dass sie ihm doch noch einmal etwas anwischten, wie er jetzt wieder erfahren habe; aber deswegen wolle er doch den Kampf nicht aufgeben.
Am letzten Tage saßen Kurfürst Schweikhard und der Landgraf zusammen auf dem Anstand unter einer Föhre1 und einer Birke, die dicht aneinander gewachsen waren, um ein paar Hirsche zu erwarten, die vorüberkommen sollten, als es dem Kurfürsten plötzlich schwindelte, sodass er sich einige Minuten an des Landgrafen Schulter lehnen musste, bis er wieder zu sich kam. Er sah betrübt in die bläuliche Luft, in der goldene Blätter wie Schmetterlinge auf und nieder schwebten, über das rosenrote Heidekraut hin zu dem stillflammenden Waldsaume und sagte: »Ach, wie wohl ist es uns Menschen unter Gottes Himmelslicht! Ich habe es nun einundsiebzig Jahre dankbar geschaut, und es mag wohl bald die Abendstunde näher kommen, wo ich in das dunkle Bett hinuntersteigen muss.« Nicht doch, sagte der Landgraf, dieser Anfall sei nur eine Folge des vielen Zechens, das sie hier gepflogen hätten und das Schweikhard in seinem Alter nicht mehr so gut vertragen könne. Ja, sagte Schweikhard getröstet, das leidige übermäßige Saufen sei die Ursache, und es sei gut, dass es ein Ende habe. Sonst sei er, Gott sei Dank, noch rüstig und habe auch ein gutes Gewissen, soweit ein armer Sünder vor Gott es haben könne. Das sei wohl gesprochen, sagte der Landgraf, dessen volles Gesicht von behaglichem Lebensfeuer blinkte, sie wollten, wenn ihr Stündlein gekommen sei, als fromme Christen im Grabe einen ruhigen Schlaf halten, bis Gott sie zur fröhlichen Auferstehung herausblasen lasse.
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