Auch in Donauwörth, wo es inzwischen still und öde geworden war, hatten zu jedermanns Erstaunen schon im Februar Primeln, Krokus und Veilchen geblüht, und die Kinder hatten an Sonntagen Kränze gewunden und Ringelreihen getanzt; aber in den ersten Maitagen blies ein Wind aus Norden und tötete die verfrühte Lenzfreude, die dann ein dichter Schneefall begrub. Erregte dies schon Verwunderung und Bekümmernis, so entstand vollends Schrecken, als die Saaten durch Hagelschlag vernichtet und die Erntehoffnungen für dies Jahr zerstört wurden. Von den Betroffenen wurden Zweifel geäußert, ob ein solcher Witterungslauf natürlich sein könne, und ein bestimmter Argwohn, den Schaden durch Zauberei herbeigeführt zu haben, begann sich gegen eine wohlhabende Witwe zu richten, die zurückgezogen lebte und trotz aller Bekehrungsversuche dem Luthertum treu geblieben war. Mehrere Leute, die in der dem Hagelfall voraufgehenden Woche spät aus dem Wirtshause gekommen waren, besannen sich darauf, dass sie im Mondschein einen schwarzen Ziegenbock von verdächtigem Aussehen um das einsame Haus der Frau hatten herumspringen sehen; auch wurde es für gefährliche Anzeichen gehalten, dass sie abseits von den anderen lebte, wenig sprach und dass ihr Acker merklich von dem Hagelwetter verschont geblieben war. Demgegenüber half ihr Leugnen nichts, und sie wurde als Hexe verbrannt, nicht ohne dass die Jesuiten sich Mühe gaben, sie vorher zur katholischen Kirche zu bekehren. Auch behaupteten dann einige, die dem Scheiterhaufen zunächst gestanden hatten, sie habe noch aus dem Rauch herausgeschrien, sie schwöre ihre Ketzerei ab und sterbe im wahren Glauben, wohingegen andere gehört haben wollten, dass sie ihren Herrn, den Satan, um Beistand angerufen habe.
Nach dem Tode dieser Witwe gab es nur noch fünf Evangelische in Donauwörth, nämlich den Schmied Ulrich Hindenach und seine Tochter und drei arme alte Frauen, die in einem Pfrundhause lebten. Diese drei zu bekehren, nahm ein bayrischer Jesuitenpater auf sich, besuchte sie und erzählte ihnen, wie dem Heiland wegen ihres Irrglaubens und ihrer Verstocktheit seine Wunden schmerzten, und lud sie ein, wenn sie sich unterweisen lassen wollten, zu ihm zu kommen; er werde ihnen statt des im Pfrundhause üblichen Haferbreis ein wohlschmeckendes Feigenmüslein vorsetzen. Eine von ihnen folgte der Einladung, kam auch munter und erbaut zurück und rühmte das Feigenmüslein, wie süß und bekömmlich es sei, ganz anders als der steife Haferbrei, den man nicht wohl ohne Widerwillen Tag für Tag fressen könne. Indessen hörte sie allmählich damit auf, da die anderen nichts darauf entgegneten, und wurde überhaupt schweigsam und traurig. An den Sonntagen, wenn die beiden Evangelischen, die keinen Gottesdienst besuchen durften, in einer Postille eine Predigt Doktor Luthers lasen, saß die Alte, die nun keinen Teil mehr daran hatte, allein in einem Winkel, bewegte die Lippen, und aus ihren kleinen matten Augen schlich zuweilen eine Träne.
Der Statthalter Dandorf, der sich vorgenommen hatte, bis zum Jahre 1627 dem Herzoge nach München zu melden, dass kein Evangelischer mehr in Donauwörth sei, geriet in unbezähmbare Wut gegen die paar Ketzer, die ihm das Ziel verrücken wollten. Er hatte für den Fall des Gelingens eine Wallfahrt gelobt, und da er auf Wallfahrten überhaupt erpicht war, konnte er den Gedanken, sie verschieben zu müssen, nicht ertragen. Es könne keine Ordnung bestehen, schnaubte er, wenn sich Untertanen absondern und eine widersetzliche Religion haben wollten, auch sehe man daraus, dass so viele lutherische Weiber als Hexen verbrannt wären, wohin der Irrglauben führe, nämlich zum Teufel. Da nun aber der Herzog befohlen hatte, es solle kein unmittelbarer Zwang zur Bekehrung angewendet werden, und die erlaubten Mittel bei dem Schmied Ulrich Hindenach nicht verfangen hatten, sein Tun und Treiben auch keinen Anlass bot, ihn ernstlich zu behelligen, so wusste der Statthalter nicht recht, wie er ihm beikommen sollte. Nun traf es sich, dass Hindenach krank wurde und sein Testament machen wollte, um seiner einzigen Tochter, was er besaß, zu verschreiben; denn er sah voraus, dass sein Bruder, der sich bekehrt hatte, seine Verlassenschaft an sich zu ziehen versuchen und dabei die Unterstützung des neuen katholischen Rats finden würde. Wie ihm nun bedeutet wurde, dass ein Evangelischer kein gültiges Testament machen könne, wurde ihm das Herz schwer, indem er sich das künftige Schicksal seiner Tochter, wenn er gestorben sein würde, vorstellte. Sie war ein blühendes Mädchen von fünfundzwanzig Jahren mit schwarzem Haar und schwarzbraunen Augen; das Weiße ihrer Augen hatte einen bläulichen Schimmer, und es waren ein paar dicke schwarze Tupfen darin, und wenn sie lachte, war ihr ganzes dunkles Gesicht in lauter Glanz und Schelmerei getaucht. Wie sollte sie, obwohl sie stark, keusch und fleißig war, als Evangelische in Donauwörth einen Mann bekommen, und wer sollte sie in den Verfolgungen und Drangsalen stützen, denen sie nach seinem Tode mehr als je ausgesetzt sein würde? Diese Sorge quälte ihn dermaßen, dass er den Jesuiten, die ihn während seiner Krankheit besuchten und ihm mit Drohungen und Verheißungen zusetzten, nachgab und sich samt seiner Tochter bekehrte. Sie war zwar anfangs nicht einverstanden gewesen, tröstete sich aber rasch mit dem Gedanken, dass sie nun nicht mehr so abgesondert von der übrigen Jugend sei und bessere Aussicht habe, sich zu verheiraten.
Hindenach dagegen, obwohl er sich von seiner Krankheit wieder erholte, verlor den Schlaf und verfiel bei der Arbeit in so tiefe Gedanken, dass er nichts mehr vor sich brachte. Als er das erste Mal dem katholischen Gottesdienst beiwohnte, die geputzten Priester hin und her springen, knicksen und sich bekreuzigen sah, das Klingeln, Psalmodieren und lateinische Singen hörte, kam es ihm vor, als sei er auf einem der Berge, wo die teuflischen Tänze abgehalten werden sollten; er glaubte, wohin er blickte, höhnisches Grinsen und schadenfrohe Fratzen zu sehen und fühlte sich so übel, dass er kaum das Ende abzuwarten vermochte. Als sie wieder zu Hause waren und seine Tochter in die Küche ging, um das Mittagessen zu rüsten, stieg er, um allein zu sein, auf den Speicher und setzte sich müde auf eine alte Kiste. Durch eine halbgeöffnete Dachluke sah er ein Stück des Weges, der sich zwischen Obstbäumen durch Felder aus der Stadt hinaus nach dem Dorfe schlängelte, wohin er sonst, vor ein paar Jahren, noch mit seiner seitdem verstorbenen Frau, gegangen war, um dem innerhalb der Tore verbotenen lutherischen Gottesdienst beizuwohnen. Der Weg lief so eilig und fröhlich seinem Ziele zu wie einst; wie war es gekommen, dass er ihn nicht mehr gehen konnte? Wie auf einen Traum besann er sich auf die Zeit vor der bayrischen Okkupation, wo er ein Mitglied des Rats gewesen war, wo sein Wort in der Stadt viel gegolten und sein Haus in Freuden und Ehren gestanden hatte. Seitdem hatte er viel Unglück gelitten: war aus dem Rat gestoßen, hatte die alte Kundschaft verloren, war um geringfügige Dinge oder unter Vorwänden gerügt und in Geldstrafe oder Haft genommen worden; aber er hatte doch seinen Kopf hoch getragen und sich Gottes getröstet, welcher es wissen musste, dass er noch der alte Ulrich Hindenach ohne Falsch war. Der Tod seiner Frau, die den vielen Gram nicht verwinden konnte, hatte ihn hart mitgenommen, er fing an zu vereinsamen und einzusehen, dass Gott hienieden sein treues Volk nicht erhalten wollte. Trotzdem war er nicht so elend gewesen wie jetzt, als er noch vor vier Wochen, die Hand seiner Tochter in der seinigen, in der Sonntagmorgenfrühe nach dem Dorfe hinausgewandert war. Er konnte sich nicht besinnen, wie der jämmerliche Wechsel über ihn gekommen war, da er doch früher viel mehr Drangsale um des Glaubens willen ausgestanden hatte als gerade jetzt. Auf einmal hatte er wegen des Testamentes nachgegeben, obschon sich doch vielleicht noch ein anderer Ausweg gefunden hätte, ohne dass er sein einziges Kind dem Antichristen ausgeliefert hätte. Er stützte müde den Kopf in die Hand und schloss die Augen; als er plötzlich das fröhliche Singen seiner Tochter hörte, die unten mit den Tiegeln hantierte, stieg eine schreckliche Angst in ihm auf und schnürte seine Brust zusammen. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn sie ihn rufen würde, zu Tisch zu kommen. Schnell stand er auf, kramte in der Kiste, auf der er gesessen hatte und in der allerlei Hausrat verwahrt wurde, bis er einen starken Strick fand, befestigte ihn mit vor Hast zitternden Händen an einem Balken und erhängte sich.
Nachdem der hartnäckige Schmied sich bekehrt hatte, waren nur noch die beiden steinalten Pfründnerinnen in Donauwörth lutherisch; aber diese zählte der Statthalter nicht und trat also mit großem Aufwand seine Wallfahrt an.
Schwere Folgen hatte die verkehrte Witterung des Jahres 1624 auch in Bamberg und Würzburg, wo die Bischöfe ohnehin mit ungewöhnlicher Schärfe gegen das Hexenwesen vorgingen. Johann Georg II. Fuchs von Dornheim, Bischof von Bamberg, gewöhnte sich so daran, dass das eingezogene Vermögen der justifizierten Hexen und Zauberer in seine Kasse floss, dass es ihm schien, wenn der Strom einmal spärlicher tropfte, als werde der Lauf der Gerechtigkeit aufgehalten und stecke irgendwo eine gröbliche Pflichtverletzung, und er bedrohte die Richter ernstlich, sie sollten sich nicht damit begnügen, hie und da einen faulen Fleck auszuschneiden, sondern dem Übel bis auf den Grund nachgehen, damit sich die Pest nicht weitervererben könne. Demgemäß ließen die Richter allen Verdächtigen durch den Henker peinlich zusetzen, bis sie eine leidliche Anzahl anderer angaben, die auch bei den Hexentänzen gewesen wären, von denen jeder wieder anzeigen musste, sodass es keine Lücken in den Prozessen gab. So kam es, dass auch mehrere Bürgermeister von Bamberg der Hexerei angeklagt wurden, unter ihnen der Bürgermeister Junius, ein stattlicher, stolzer Mann von fünfundfünfzig Jahren, der bis dahin bei jedermann angesehen und auch beliebt gewesen war. Dieser verstummte vor Schreck und Staunen, als ihm in der Gerichtsstube ein altes Weib vorgestellt wurde, die er nicht kannte und die gleichwohl behauptete, ihn vor einigen Wochen auf dem Kaulberge beim Satansfest gesehen, mit ihm getanzt und gesehen zu haben, wie er dem hinkenden Bockteufel die Reverenz gemacht und zum Zeichen des Gehorsams den Schwanz geküsst habe. Als er seine Sprache wiedergefunden hatte, schrie er das Weib an, er kenne sie ja nicht, wie solle er denn mit ihr getanzt haben? Er müsste ja toll und voll sein, wenn er mit einer solchen Vettel auf den Tanz ginge, noch dazu bei Nacht auf dem Kaulberge. Wenn es auch wahr sein möchte, dass der Teufel mit den Hexen dort Tanz hielte, obwohl es ihm absonderlich vorkäme, so könne er doch schwören, dass er niemals etwas davon gewusst, geschweige denn dabeigewesen wäre. Sie solle die abscheuliche Lüge, die Gott an ihr strafen werde, zurücknehmen.
Das alte Weib kicherte höhnisch, sie könne nichts anderes sagen, als was sie gesagt habe, er solle nur ein Weilchen warten, dann werde er auch wissen, wie es bei den Teufelstänzen zuginge. Ja, sagte der Richter, wenn er nicht flugs bekenne, solle der Henker ihm helfen, sich zu besinnen. Während der Bürgermeister sich voller Entrüstung verwahrte, dass dies kein rechtliches Gericht sei und dass kein Christenmensch mehr seines Lebens sicher sei, wenn man auf das vereinzelte Zeugnis einer bösen alten Hexe verurteilt werden könne, bemächtigte sich der Henker seiner, er wurde entkleidet, aufgereckt, und die Glieder wurden ihm auseinandergerissen. Da er die Schmerzen nicht lange aushielt, bekannte er, was ihm vorgesagt wurde, und bezeichnete auch mehrere angesehene Bürger, darunter seinen eigenen Schwager, als solche, die sich gleichfalls dem Teufel ergeben hätten.
Als er allein unter fürchterlichen Schmerzen sich auf das, was geschehen war, besann, dachte er an seine Frau, die etwa ein halbes Jahr vor ihm als Hexe verbrannt worden war, dass sie sicherlich ebensowenig wie er vom Teufel gewusst habe und dass er dazumal nicht hätte stillschweigen sollen, als sie flehentlich schrie und ihre Unschuld beteuerte. Dann dachte er an seine beiden Töchter, die er kürzlich an einem und demselben Tage vermählt hatte, eine mit einem irdischen, die andere mit dem himmlischen Bräutigam im Kloster zum heiligen Kreuz an der Stadtmauer von Bamberg, und dass sie ihn nun für einen gottlosen, verlorenen Mann halten würden. Es gelang ihm, bevor er sterben musste, einen langen Brief an sie aufzusetzen, in dem er ihnen Lebewohl sagte und schilderte, wie es zuginge und wie die falschen Zeugnisse ihm ausgepresst wären.
Da die Zahl der Zauberer und Hexen sich so trefflich vermehrte, schritt der Bischof dazu, eigens zu ihrem Gebrauch ein neues Gefängnis zu bauen, welches Trudenhaus genannt und mit nicht geringen Kosten nahe bei der Mauer am Keßlertürlein errichtet wurde.