16.

Ende Ok­to­ber zog Til­ly vor die Stadt Han­no­ver und for­der­te sie auf, kai­ser­li­che Be­sat­zung ein­zu­neh­men, die sie vor den her­an­rücken­den Dä­nen schüt­zen wür­de. So­gleich ver­sam­mel­ten sich die Rats­her­ren, un­ter de­nen ein ge­wis­ser Bork­mann, ein al­ter weiß­haa­ri­ger Mann, der an­ge­se­hens­te war, auf dem Stadt­hau­se und be­schlos­sen, dem Til­ly zu will­fah­ren, in­dem man dem Kai­ser Ge­hor­sam schul­dig und von dem Dä­nen­kö­nig nichts Gu­tes zu er­war­ten sei. In­des­sen war aber Her­zog Jo­hann Ernst von Wei­mar, der in dä­ni­schen Diens­ten stand, mit sei­nem Re­gi­ment vor die Stadt ge­rückt, er­zwang sich mit ei­ni­gen Ad­ju­tan­ten und Kom­missa­ren Ein­lass und kam selbst auf das Stadt­haus: er habe ge­hört, sag­te er, dass sie mit dem Kai­ser par­la­men­tier­ten; das kön­ne er nicht dul­den, ver­lan­ge viel­mehr, dass sie au­gen­blick­lich eine dä­ni­sche Gar­ni­son auf­näh­men. Die Rats­her­ren er­such­ten ihn, in ei­ner an­de­ren Stu­be die Ent­schei­dung zu er­war­ten; sie hät­ten nichts Feind­se­li­ges ge­gen den Dä­nen­kö­nig im Sin­ne, je­doch wür­den sie sich des of­fe­nen Un­ge­hor­sams ge­gen den Kai­ser schul­dig ma­chen, wenn sie sich mit ihm ein­lie­ßen, da er doch Krieg ge­gen den Kai­ser füh­re. Das sei nicht wahr, braus­te Jo­hann Ernst auf, Chris­ti­an IV. sei Di­rek­tor des nie­der­säch­si­schen Krei­ses, der sich ge­gen Mans­feld in De­fen­si­on ge­setzt habe, was Til­ly erst in Kai­sers Na­men vom Krei­se ver­langt habe und was er ihm nun mit üb­li­cher je­sui­ti­scher Zwei­zün­gig­keit vor­rücke und auf­mut­ze. Die Fra­ge sei, ob sie evan­ge­lisch oder ka­tho­lisch sein woll­ten, und er wis­se wohl, dass vie­le in der Stadt mit den Pa­pis­ten lieb­äu­gel­ten.

Wenn er etwa auf ihn zie­le, sag­te Bork­mann, so kön­ne er bei Gott schwö­ren, dass er sei­nem Glau­ben treu an­hän­ge. Es sei ihm aber nicht be­kannt, dass es sich um den Glau­ben hand­le; denn der­glei­chen For­de­run­gen sei­en noch nie an sie er­ho­ben wor­den, wie man auch von Aus­rot­tung der Re­li­gi­on nir­gend­wo ge­hört habe, wo­hin Til­ly ge­kom­men sei.

Als Til­ly von die­sem Streit hör­te, schick­te er einen Brief an den Rat des In­halts, wer spar­gie­re, dass er den lu­the­ri­schen Glau­ben aus­rot­ten wol­le, tue das aus List, um das blind­gläu­bi­ge Volk ge­gen den Kai­ser auf­zu­het­zen. Man möge sich er­kun­di­gen, ob er ir­gend­wo die Be­ken­ner der Augs­bur­gi­schen Kon­fes­si­on in ih­rem Got­tes­diens­te ge­stört oder ob er sie nicht viel­mehr ge­gen die oft ir­re­ge­lei­te­te und un­ver­stän­di­ge Sol­da­tes­ka ge­schützt habe. Er ver­si­che­re noch­mals, dass er einen je­den bei sei­nem Recht las­sen, ins­be­son­de­re geist­li­che Per­so­nen vor Ein­quar­tie­rung und Scha­den je­der Art be­hü­ten wer­de, da­mit der Dienst der Not­lei­den­den und Kran­ken, über­haupt al­ler de­rer, die des Tros­tes der Re­li­gi­on be­dürf­tig wä­ren, kei­ne Un­ter­bre­chung lei­de.

In­zwi­schen hat­te Jo­hann Ernst auch nicht ge­fei­ert, son­dern sich auf der Stra­ße ge­zeigt und in den Zünf­ten an­sa­gen las­sen, wie der Rat und die Her­ren, die auf ih­ren Geld­sä­cken sit­zen, sie ver­ra­ten und die Je­sui­ten und Spa­nier in die Stadt lo­cken woll­ten. Sie soll­ten sich zu ihm hal­ten, er sei ein deut­scher Fürst, der für die Frei­heit und den Glau­ben le­ben und ster­ben wol­le; wenn sie ihm folg­ten, wür­den sie ei­nes gu­ten Ge­wis­sens auf Er­den und der ewi­gen Se­lig­keit im Him­mel ge­wiss sein. Da­rauf gab es einen sol­chen Kra­wall in den Stra­ßen, dass ei­nem Teil der Rats­her­ren ban­ge wur­de; auch mein­ten sie, es kön­ne doch wahr sein, dass Til­ly sie ins Garn lo­cken wol­le, wie es nun ein­mal je­sui­ti­sche Art sei, und dass sie am Ende das Tro­ja­ni­sche Pferd in ihre Mau­ern zö­gen. Man wis­se ja, wie es in Böh­men ge­gan­gen sei.

Böh­men und Ös­ter­reich sei­en die Er­b­lan­de des Kai­sers, da kön­ne der Kai­ser nach Be­lie­ben schal­ten, sag­te Bork­mann, in reichs­fürst­li­chen Lan­den müs­se er die be­ste­hen­den Frei­hei­ten re­spek­tie­ren. Ach, sie soll­ten ihm doch glau­ben und sich nicht mit den Dä­nen ein­las­sen, dar­aus wür­de un­end­li­ches Blut­ver­gie­ßen und zu­letzt der Un­ter­gang al­ler her­vor­ge­hen.

Wäh­rend noch so hin und her ge­han­delt wur­de, dran­gen meh­re­re dä­ni­sche Fähn­lein mit Hil­fe der Bür­ger in die Stadt und quar­tier­ten sich ein, ohne dass der Rat es zu hin­dern ver­mocht hät­te.

Jo­hann Ernst hoff­te Til­ly auch aus dem Schlos­se Ka­len­berg, das er be­setzt hat­te, zu ver­trei­ben und plan­te zu die­sem Zwe­cke einen nächt­li­chen Über­fall, der je­doch in­fol­ge un­glück­li­cher Zu­fäl­le nicht zur rich­ti­gen Aus­füh­rung kam. Um die ein­sa­me Wind­müh­le bei Seel­ze pfiff die herbst­li­che Mit­ter­nacht, als Her­zog Fried­rich von Al­ten­burg, nach­dem er meh­re­re Stun­den lang auf das Kom­man­do zum An­griff ge­war­tet hat­te, heim­zu­ge­hen be­schloss. Die Leu­te soll­ten sich wie­der in ihre Quar­tie­re be­ge­ben, be­fahl er, auch er wol­le sich schla­fen le­gen. Müde und voll ver­drieß­li­cher Ge­dan­ken ritt er nach Seel­ze, wo er wohn­te, zu­rück. Wa­rum war aus dem An­griff nichts ge­wor­den, hat­te er die Trup­pen um­sonst er­mü­den müs­sen? Er dach­te, dass es Jo­hann Ernst doch wohl an der ge­hö­ri­gen Um­sicht feh­le; oder hat­te Oben­tra­ut, sein un­mit­tel­ba­rer Vor­ge­setz­ter, der Ge­ne­ral­leut­nant der Ka­val­le­rie, schuld? Oben­tra­ut war im­mer zu rasch und zu si­cher; er reiz­te ihn, Her­zog Fried­rich, durch sei­ne be­stän­di­ge Mun­ter­keit. Frei­lich wuss­te er nichts von den Qua­len, die ihn, seit er leb­te, ver­folg­ten. Häss­li­che schwar­ze Bil­der tauch­ten vor ihm auf; er dach­te an sei­ne Mut­ter, eine Prin­zes­sin von Pfalz-Neu­burg, die, an Me­lan­cho­lie er­krankt, in Zu­rück­ge­zo­gen­heit leb­te, nach der er als ver­las­se­nes Kind so oft ver­langt hat­te und de­ren ge­spann­ter Blick und schwe­res Seuf­zen ihn ängs­tig­ten und schreck­ten, wenn er bei ihr war; an die Jah­re, die er am Hofe von Dres­den in Ge­sell­schaft sei­ner Vet­tern von Wei­mar ver­lebt hat­te, die ihm vor­war­fen, er su­che sich die Zu­nei­gung des ver­hass­ten Oheims, Jo­hann Ge­orgs, zu er­schmei­cheln. Dann dach­te er an sei­nen Bru­der, den re­gie­ren­den Her­zog, der es gut hat­te und hei­ra­ten konn­te und der ihn nicht ein­mal mit ge­nü­gend Geld ver­sorg­te; dann an die ge­häs­si­gen, ver­leum­de­ri­schen An­kla­gen, de­ren Ziel­schei­be er war. Kürz­lich wäh­rend ei­nes Strei­tes, der beim Ban­kett ent­stan­den war, hat­te ihn der Hof­mar­schall von Rant­zau einen Wort­brü­chi­gen ge­schol­ten, weil er bei der Ent­las­sung aus ös­ter­rei­chi­scher Ge­fan­gen­schaft ge­schwo­ren habe, nie mehr das Schwert ge­gen den Kai­ser zu füh­ren, und es nun doch tue. Oben­tra­ut hat­te durch sei­ne Da­zwi­schen­kunft den Zwei­kampf ver­hin­dert, den Her­zog Fried­rich aber doch nicht auf­ge­ge­ben hat­te; denn konn­te er sei­ne Ehre krän­ken las­sen, ohne sich zu rä­chen? Ab­ge­se­hen da­von, dass der Eid er­zwun­gen zu nen­nen war, kämpf­te er ja nicht ge­gen den Kai­ser, son­dern hat­te Dienst beim Kö­nig von Dä­ne­mark an­ge­nom­men, der mit Be­wil­li­gung des Kai­sers Obers­ter des nie­der­säch­si­schen Krei­ses ge­wor­den und jetzt von dem li­gis­ti­schen Ge­ne­ral Til­ly an­ge­grif­fen wor­den war. Wie konn­te ein dä­ni­scher Ad­li­ger sich er­küh­nen, ehr­ver­let­zen­de Re­den ge­gen einen deut­schen Reichs­fürs­ten zu füh­ren, und wie konn­te Oben­tra­ut einen deut­schen Reichs­fürs­ten hin­dern wol­len, dass er einen Ehrab­schnei­der stra­fe? Sei­ne Un­ge­duld, das Blut des Be­lei­di­gers zu ver­gie­ßen, würg­te an sei­nem Her­zen, als ob er er­sti­cken müs­se. War es der Böse, der ihm die düs­te­ren Ge­dan­ken ein­blies, vor de­nen ihm selbst grau­te? Es war ihm, als rit­te der Sa­tan hin­ter ihm her über die Stop­pel­fel­der, von ei­nem schwar­zen Man­tel ums­aust, der die Welt ver­dun­kel­te, und grif­fe mit zi­schen­der Kral­le nach ihm. Als er sich ent­setzt um­wen­de­te, sah er sei­nen Stall­meis­ter, der, bei Na­men ge­ru­fen, auf­fuhr und la­chend sag­te, er sei im Rei­ten ein­ge­schla­fen.

Sie wa­ren in­zwi­schen beim Quar­tier an­ge­kom­men, und nach­dem sich Fried­rich von sei­nem Stall­meis­ter die Stie­fel hat­te aus­zie­hen las­sen, warf er sich in den Klei­dern aufs Bett und schlief au­gen­blick­lich ein. Kaum eine Vier­tel­stun­de spä­ter kam ein Eil­bo­te von den Vor­pos­ten mit der Nach­richt, die Til­ly­schen stän­den bei Pat­ten­sen, es tue höchs­te Eile not. Fried­rich schick­te Bot­schaft an Oben­tra­ut und Jo­hann Ernst; in ei­nem Au­gen­blick hat­te er sei­ne Stie­fel an­ge­zo­gen, Alarm wur­de ge­bla­sen, der Bo­den beb­te vom Ga­lopp der flie­gen­den Rei­ter. Wie schwar­ze Wol­ken vor dem Stur­me jag­ten sie über die Hei­de; Fried­rich fühl­te kei­ne Mü­dig­keit noch Trau­rig­keit mehr, es war ihm plötz­lich über­aus wohl zu­mu­te. Mit dem ers­ten An­griff warf die Rei­te­rei das Til­ly­sche Re­gi­ment zu­rück; aber wie es ge­sam­melt wie­der vor­rück­te, wur­de Fried­rich durch eine Ku­gel im Un­ter­leib ver­wun­det. Er emp­fand einen Schmerz; aber der Schmerz so­wie al­les, was er wahr­nahm, schi­en weit von ihm fort zu sein. Er sah sei­nen Stall­meis­ter, der ihn auf dem Pfer­de stütz­te, ein schwar­zes Was­ser und eine Brücke, die mit höl­zer­nen Fin­gern zu win­ken schi­en, und frem­de Rei­ter, die frag­ten, wer er sei und ob er sich er­ge­ben wol­le. Wie er sich be­müh­te, mit dem Kop­fe zu ni­cken, sah er, dass ei­ner der Rei­ter sich plötz­lich vor­beug­te, um ihm ins Ge­sicht zu se­hen, und dass er, in­dem er rief: »Es ist der mein­ei­di­ge Al­ten­bur­ger!«, den Arm hob und die Pis­to­le ge­gen sei­ne Brust rich­te­te. Der Stall­meis­ter ver­such­te sei­nen Herrn zu de­cken, konn­te ihn aber nur auf­fan­gen, wie er tot vom Pfer­de stürz­te. In­zwi­schen war Oben­tra­ut mit sei­ner Rei­te­rei er­schie­nen und hat­te den Feind noch ein­mal ge­wor­fen; aber auch er wur­de schwer ver­wun­det und starb, von Til­ly auf dem Schlacht­fel­de ge­fun­den, in des­sen Kut­sche.

Sich Han­no­vers zu be­mäch­ti­gen, glück­te Til­ly doch nicht. Da er sah, wie die Re­gie­run­gen fast über­all dem Kai­ser und dem Frie­den ge­neigt wa­ren und wie der Feind das im pro­tes­tan­ti­schen Vol­ke ge­gen die Ka­tho­li­ken herr­schen­de Miss­trau­en aus­nütz­te, ließ er Ma­ni­fes­te auf­set­zen, dass das Ge­re­de von An­schlä­gen des Kai­sers ge­gen Li­ber­tät und Glau­ben ganz und gar nich­tig und viel­mehr ein lis­ti­ger An­schlag der Re­bel­len und Aus­län­der sei, die sich in das ehe­dem so stol­ze und ge­fürch­te­te Reich ein­drän­gen und dar­in rau­ben und plün­dern woll­ten. Was das für eine Li­ber­tät sei, die das Reich un­ter frem­des Joch brin­ge? Den Glau­ben be­tref­fend, so soll­ten sie sich doch um­se­hen, ob sie in Städ­ten oder Dör­fern, durch die er ge­kom­men sei, einen ein­zi­gen Geist­li­chen fin­den möch­ten, den er von sei­nem Amte ge­drängt oder an der Pre­digt oder sons­ti­gen Aus­übung sei­ner Pf­licht ge­hin­dert hät­te.

Der­glei­chen Ma­ni­fes­te, die auch in der Stadt Braun­schweig und in Wol­fen­büt­tel ver­brei­tet wur­den, mach­ten der Her­zo­gin Eli­sa­beth schwe­re Ge­dan­ken, zu­mal täg­lich Kla­gen von den Amt­leu­ten ein­lie­fen über das schreck­li­che Hau­sen der Trup­pen ih­res Bru­ders und ih­res Soh­nes. Sie ließ den Kanz­ler Eltz kom­men, der frü­her in pfäl­zi­schen Diens­ten ge­stan­den hat­te, und sag­te ihm, sie wol­le durch­aus wis­sen, ob der Krieg ein Re­li­gi­ons­krieg sei oder nicht; denn um der Re­li­gi­on wil­len müs­se man frei­lich Trüb­sal lei­den, gehe es aber nicht um die Re­li­gi­on, so müs­se dem Blut­ver­gie­ßen und Land­ver­der­ben ein Ende ge­macht wer­den.

Das sei doch kei­ne Fra­ge, ant­wor­te­te Eltz la­chend, dass es ein Re­li­gi­ons­krieg sei. Die Her­zo­gin sol­le doch ein­mal nach­den­ken, wie er an­ge­fan­gen habe. Wür­den Eng­land und die Staa­ten es sich sonst so viel Geld kos­ten las­sen, und wür­de ihr kö­nig­li­cher Bru­der sein Reich ver­las­sen und sein Le­ben wa­gen? Die heuch­le­ri­schen Wor­te des bö­sen und falschen Til­ly hät­ten sie ir­re­ge­macht; jetzt frei­lich hän­ge er den Schafs­pelz um, man soll­te ihn aber nur ein­mal her­ein­las­sen in den Stall, so wür­de er schon die schar­fen Wolfs­zäh­ne zei­gen.

Doch habe er sein Wort ge­ge­ben, die Waf­fen nie­der­zu­le­gen, so­wie Dä­ne­mark ent­waff­ne, sag­te Eli­sa­beth, und ihr Bru­der habe frü­her selbst ge­sagt, Fried­rich von der Pfalz hät­te sich der Böh­men nicht an­neh­men sol­len und sei ein un­ge­hor­sa­mer Va­sall. Er wür­de sei­nen Va­sal­len an­ders heim­leuch­ten, wenn sie sich so ge­gen ihn her­vor­wa­gen woll­ten.

Das möge wohl sein, sag­te Eltz, aber die pfäl­zi­sche Sa­che ge­hö­re gar nicht da­her, in­dem der Kai­ser sich ih­rer nur als Vor­wand ge­brau­che, um den gan­zen Nor­den in Ser­vi­tut zu brin­gen und dem Papst aus­zu­lie­fern.

Die­se Mei­nungs­äu­ße­rung be­frie­dig­te Eli­sa­beth nicht ganz; denn sie sag­te sich, dass sie viel­leicht we­ni­ger aus der Über­zeu­gung und dem Ge­wis­sen stam­me als aus dem Geld­beu­tel des Kanz­lers, den ihr Bru­der, der Kö­nig von Dä­ne­mark, ge­füllt habe. Des­halb for­der­te sie ein Gut­ach­ten von der braun­schwei­gi­schen Geist­lich­keit, ob der Krieg für einen Re­li­gi­ons­krieg zu ach­ten sei, und er­hielt von dem Kon­sis­to­ri­um auf vie­len Sei­ten eine Ant­wort, wel­che sich etwa fol­gen­der­ma­ßen ent­wi­ckel­te: Ob­wohl es an­er­kannt und füg­lich un­be­streit­bar sei, dass dem Kai­ser je­der Reichs­stand Ge­hor­sam schul­de, so wer­de doch hof­fent­lich nie­mand zwei­feln, dass über dem Kai­ser Gott ste­he, dem man zu­vör­derst ge­hor­chen müs­se. Nun sei ja frei­lich nicht zu leug­nen, dass die Reichs­stän­de Ver­bin­dun­gen mit aus­län­di­schen Po­ten­ta­ten nicht ein­ge­hen wie auch, dass sie sich ei­nes Äch­ters nicht an­neh­men dürf­ten, ob­wohl die frü­he­ren Ver­trä­ge, das un­ge­wohn­te und un­bil­li­ge Ver­fah­ren des Kai­sers und dass der Kö­nig von Dä­ne­mark als ein Reichs­glied zu ach­ten, in Be­tracht ge­zo­gen wer­den müs­se. Dazu sei es auch an dem, dass der Kai­ser sich mit Spa­ni­en und dem Papst ver­schwo­ren hät­te, die Ket­zer aus­zu­rot­ten, wie es denn zum pa­pis­ti­schen Aber­glau­ben über­haupt ge­hö­re, dass man den Ket­zern das Wort zu hal­ten nicht schul­dig sei. In­fol­ge­des­sen kön­ne man auch den Pa­pis­ten und dem Til­ly ins­be­son­de­re die Be­teue­rung, es sol­le der evan­ge­li­sche Glau­be nicht an­ge­tas­tet wer­den, nicht glau­ben, wenn auch Graf Til­ly als ein Pri­vat­mann ehr­bar und tu­gend­haft sei und es ehr­lich mei­ne; es wer­de doch die so­ge­nann­te ra­tio sta­tus, zu deutsch Staats­ver­nunft, dem Treu und Glau­ben vor­an­ge­setzt wer­den. In­wie­fern da­bei aber eine neue Re­gel sol­le ein­ge­führt oder nur das alte sys­te­ma Cu­jus re­gio ejus re­li­gio sol­le be­ob­ach­tet wer­den, das woll­ten sie an sei­nen Ort ge­stellt las­sen.

Dies Gut­ach­ten stell­te Eli­sa­beths Zwei­fel nicht so klar, wie sie ge­wünscht hät­te; aber ihre ur­sprüng­li­che Ab­nei­gung ge­gen den Krieg wur­de wie­der leb­haf­ter, und sie setz­te ihre gan­ze Hoff­nung auf den Frie­dens­kon­gress, der den Win­ter über in Braun­schweig tag­te. Die Teil­neh­mer des­sel­ben wünsch­ten ein­mü­tig den Frie­den, nur ver­lang­ten die nie­der­säch­si­schen Stän­de und der Kö­nig von Dä­ne­mark, dass be­treffs der nord­deut­schen Stif­ter al­les beim al­ten blei­be, Til­ly und Wal­len­stein, dass der Kö­nig von Dä­ne­mark zu­erst ent­waff­nen sol­le.

Die braun­schwei­gi­sche Geist­lich­keit hat­te da­mals noch einen selt­sa­men Vor­fall zu be­gut­ach­ten, näm­lich eine Vi­si­on, wel­che Kö­nig Chris­ti­an IV. ge­habt ha­ben woll­te. Der­sel­be woll­te, wäh­rend er des Mor­gens früh auf blo­ßen Kni­en be­te­te, den Er­lö­ser er­blickt ha­ben, blu­tig und übel zu­ge­rich­tet, und die Wor­te ver­nom­men ha­ben, er sei Je­sus Chris­tus und wer­de jetzt zum zwei­ten Male ge­kreu­zigt; Chris­ti­an sol­le un­be­sorgt sein, er, Chris­tus, wer­de ihn nicht ver­las­sen. Dem Kö­ni­ge hat­te sich die Er­schei­nung so deut­lich ein­ge­prägt, dass er sie aus dem Ge­dächt­nis auf­mal­te, was in­des­sen das Kon­sis­to­ri­um nicht güns­ti­ger da­für stimm­te. Es sei ja fest­ge­stellt, mein­ten sie, dass Gott zu die­ser Zeit auf­ge­hört habe, sich den Men­schen un­mit­tel­bar zu of­fen­ba­ren, und dass Ge­sich­te, Pro­phe­zei­un­gen und der­glei­chen für Ein­blä­se­rei des Sa­t­ans zu hal­ten wä­ren. Kön­ne man nun auch bei ei­nem mäch­ti­gen Po­ten­ta­ten so ver­fäng­li­che Kon­klu­sio­nen nicht zie­hen, so müs­se man viel­mehr ver­mu­ten, wie ja auch sonst schon viel­fach be­klagt wor­den sei, dass der herr­li­che Ver­stand des Kö­nigs durch den er­lit­te­nen Sturz noch et­was er­schüt­tert sei, für sei­ne gänz­li­che Wie­der­her­stel­lung be­ten und die ge­hab­te Vi­si­on oder Aus­ge­burt mit Schwei­gen über­zie­hen, in­zwi­schen ab­war­tend, wie sich an­de­re hohe Fa­kul­tä­ten dar­über ver­neh­men lie­ßen.