Nun Herzog Christian der Jüngere sich wiederum offen gegen den Kaiser erklärte, war es bei der Kinderlosigkeit und Ehestörung des regierenden Herzogs Friedrich Ulrich vorauszusehen, dass der Kaiser das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel auf die Cellische Linie übertragen werde, wenn dieselbe sich gehorsam erwiese; deshalb ließ sich Herzog Christian von Celle nicht mit dem König von Dänemark ein und trat sein jüngerer Bruder Georg nach kurzem Schwanken aus dänischem Dienst in den kaiserlichen. Als Wallenstein im Oktober nach Göttingen kam, schickte ihm Herzog Christian den Landdrosten von Hodenberg entgegen mit der Weisung, den allmächtigen Feldherrn durch höfliche und demütige Bezeigungen gnädig zu disponieren. Wallenstein, der eben im Garten des Bürgermeisters bei Tafel saß und speiste, empfing Hodenberg freundlich, lud ihn ein, mitzuessen, und ließ sich plaudernd über seine Verhältnisse und Pläne aus. Er habe jetzt ein so schönes Heer beisammen, sagte er, desgleichen er noch nicht gesehen habe. Es seien fast alles erprobte Leute, die er aus seinem Eigenen mit Kleidung und Waffen vorzüglich ausgestattet habe. Ein großer Teil sei aus dänischem Dienst zu ihm übergegangen, auch böhmische und österreichische Auswanderer wären viele darunter, evangelischen Glaubens, denn nach der Religion frage er nicht, nur nach der Bravour und dass man sich in alles schicken könne. Gut leben, Beute machen, sich ein Weib halten, raufen und spielen, das wolle doch ein jeder, ob er die Messe höre oder das Lutherlied singe. Man sehe daraus, dass die Evangelischen wegen der Religion nichts zu fürchten hätten; er wolle nur Gehorsam gegen den Kaiser. Man solle den Soldaten gutes Quartier geben und sie keinen Mangel leiden lassen, so werde man über nichts zu klagen haben.
Als das Essen eingenommen war, lud Wallenstein seinen Gast ein, mit ihm nach der Masch zu reiten, da könne er das Heer vorüberziehen sehen. Dumpfes Murmeln und summendes Getöse kündigte es an, bevor es noch sichtbar war; von den Obstbäumen, mit denen die Straße auf beiden Seiten bepflanzt war, starrte nur zuweilen ein Zweig durch den Staub, der dick darum her stand.
Nachdem sie etwa eine Stunde lang, während welcher Zeit Wallenstein die Regimenter nannte und erklärte, zugesehen hatten, sagte Hodenberg tief aufseufzend, das sei, wie wenn eine ganze Stadt sich in Bewegung setze. Das müssten schon Frankfurt und Nürnberg miteinander sein, sagte Wallenstein lachend, sonst lange es nicht. »Ihr habt hierzulande den Adler noch nicht gesehen, dies ist einer von den Blitzen, die er in seinen Klauen hält.« Es sei ihnen doch eigentlich nicht bewusst, wandte Hodenberg vorsichtig ein, wodurch sie solches Gewitter auf sich gezogen hätten. Nun, entgegnete Wallenstein, jedenfalls hänge es von ihnen ab, ob es vorübergehe oder sich entladen werde.
Noch des Abends, als er im Bette lag, sauste Hodenberg das Summen des marschierenden Heeres in den Ohren, wie wenn er etwa das Meer an die Küste branden hörte. Ein seltsamer Bericht fiel ihm ein, den er einmal gelesen hatte, von einem riesigen Wurm, der Meilen mit seinem Bauche bedecke, der aber, wenn man näher zusehe, aus unzählbaren winzigen Würmern bestehe. Einem solchen Massenwurm gleichend, wälzte sich dies Heer durch die schaudernden Länder, mit zahllosen vorgestreckten Köpfen, aus denen lüsterne Zungen hervortasteten und kahle, grausame Augen die bebenden Geschöpfe festbannten, die das Scheusal verschlingen wollte. Schlaflos warf er sich hin und her, bedenkend, wie das böse Tier sich sättigen und wo es bleiben sollte. Durch eine Straße nach der anderen würde es kriechen, alle Saaten mit seinem Geifer überziehen und endlich das ganze deutsche Reich verschlemmen und erwürgen.
Kaum minder als die Evangelischen bedrückte das Herannahen der Wallensteinischen Heeresmassen Tilly. Die Begegnung mit dem kaiserlichen Feldherrn, die wegen der Quartiere stattfinden musste, stand ihm so schwer bevor, dass er sich krank fühlte. Er wollte dem jüngeren Manne gegenüber, der nicht halb so viel Feldzüge und Siege hinter sich hatte wie er, seinen Vorrang behaupten und wusste doch voraus, dass Wallenstein sich für den Höheren ansehe. Mit welchen Mitteln sollte er sich Anerkennung verschaffen? Herzog Maximilian hatte ihn angewiesen, behutsam gegen Wallenstein zu sein und Ärgernisse zu vermeiden. Wallenstein steifte sich auf seinen Herzogtitel, sein Geld und seine Güter, die vom Kaiser empfangenen Gnaden; was hatte er, Tilly, dem entgegenzusetzen? Bei mehr Verdienst war er doch viel weniger ausgezeichnet; denn was nützte ihm der Grafentitel ohne Güter, um die er bis jetzt vergebens angehalten hatte?
Im Dorfe Lauenstein unter einer großen Linde, deren Blätter schon gelb wurden, war ein Platz für die beiden Feldherren hergerichtet. Tilly achtete sorgsam darauf, Wallenstein keinen Schritt mehr entgegenzugehen als dieser ihm, und wartete auf des anderen Anrede, um ihn nicht etwa höflicher zu begrüßen. Hager, gerade aufgerichtet, in schwarzer Kleidung, die nur durch eine scharlachrote Feder am Hute belebt war, kam Wallenstein über den sonnigen Platz geschritten und ließ seine still in der Tiefe kochenden Augen über den viel kleineren Tilly hinschweifen wie über eine belanglose Kleinigkeit. Seine Worte indessen waren überaus verbindlich, und er unterließ nicht, die Ehrfurcht zu betonen, die er dem Älteren darbringe. Die Quartiere betreffend, sagte er, im Hinblick auf die Geschäfte und Aufgaben, die er vorhabe, müsse er sein Heer hauptsächlich in die Stifter Halberstadt, Halle und Magdeburg einlagern; für Tilly kämen Hessen, die Wetterau, das Braunschweigische in Betracht. Nun waren diese Gebiete bereits so ausgesogen, dass Tilly nicht wusste, wie er sich länger darin erhalten sollte, und er hatte sich fest vorgenommen, sich nicht mit dem Schlechteren abspeisen zu lassen; aber in dem Augenblick, wo es darauf ankam, fand er die Wendung nicht, sich Wallenstein zu widersetzen. Das Gemüt voll Bitterkeit, ritt er von der Zusammenkunft zurück; nicht einmal etwaige Unterstützung im Falle einer Schlacht hatte ihm Wallenstein versprochen, da er dem weit ausgebreiteten dänischen Heere gegenüber sich nicht schwächen dürfe.
So zogen denn Schlick und Collalto in Halberstadt und Halle ein, zum Schrecken der Domherren, die geglaubt hatten, durch ihre Anhänglichkeit an den Kaiser dies Schicksal von sich abwenden zu können. Die Gegend bei Dessau, wo sich die Mulde in die Elbe ergießt, erschien Wallenstein geeignet, sich zu verschanzen. Während des Winters führten seine Soldaten diese Arbeit unter seinen Augen aus, bis das Land in eine Festung verwandelt war.
Da würde Mansfeld nicht wagen, ihn anzugreifen, sagte Wallenstein eines Tages zufrieden zu Aldringen.
Ob er denn den Mansfeld nicht schlagen wolle? fragte Aldringen erstaunt. Wozu? sagte Wallenstein. Man solle das Blut der Soldaten nicht unnötig vergießen. Wegen Mansfeld sei es vollends überflüssig, etwas aufs Spiel zu setzen, der sei nur ein Räuberhauptmann, und man hätte ihm schon zu viel Beachtung geschenkt. Aber Kurbrandenburg jammere über die Verwüstung durch Mansfeld, entgegnete Aldringen, und werde vielleicht durch sein Drangsalieren noch ganz auf die dänische Seite gezogen. Auch wollten sie in Wien einmal einen realen Erfolg sehen.
Für den schließlichen Erfolg sorge er, sagte Wallenstein kurz, die Mittel zu wählen sei seine Sache.
Aldringen wagte nichts zu erwidern und ergoss seinen Groll in Briefen an Collalto und an andere Herren des Kriegsrates, mit denen er Verbindungen hatte. Man vergeude die Zeit hier, schrieb er, ohne zu wissen, wozu. Was für verborgene Pläne der General eigentlich habe, wisse keiner. Er könne nicht einsehen, welcher Nutzen dem Kaiser damit geschehe, dass man stilliege und sich hinter sichere Schanzen verstecke. Die Stände, die dem Kaiser ergeben gewesen wären, murrten jetzt, dass sie, anstatt Hilfe zu finden, nun noch das kaiserliche Heer zu dem Mansfeldischen dazu ernähren müssten, also doppelt geplagt wären und wie der Frosch von zwei Enten zugleich verschluckt würden.
Mansfeld hatte sich im Laufe der letzten Jahre zuweilen so unwohl befunden, dass er zu Bett liegen und im Wagen hatte fahren müssen. Das machte ihn ungeduldig, und es wurmte ihn, dass er es nie so bequem hatte wie Wallenstein, der, niedrigerer Geburt als er, stattlich wie ein König mit einer wandernden Hofburg einherzog und überall Huldigung und Tribut einheimste. Wenn er sich zur Versöhnung mit dem Kaiser hätte entschließen können, dachte er, so würde er jetzt diese pomphafte Rolle agieren und das gaffende Publikum erschüttern; denn was tat Wallenstein anderes, als was er, Mansfeld, ihm vorgemacht hatte? Wenn er die Mühsale, Bitternisse und vielen Schmählichkeiten seines Lebens bedachte, so ergrimmte er gegen den prahlerischen Buhlen des Glückes und entbrannte danach, ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen und den Siegesweg zu verlegen. Dann würde er gern sterben, dachte er, gern als ein Bettler von der schmutzigen Szene abtreten, wenn er zuvor dies Blendwerk, dies aufgeblasene Nichts über den Haufen stechen könnte. Verglich er seine Truppen mit denen Wallensteins, die dieser mit seinem böhmischen Blutgeld ausgerüstet und in fetten, gehorsamen Quartieren gepflegt hatte, so hätte es mehr als Wagnis, Wahnsinn geschienen, ihn zum Zweikampf herauszufordern, wenn er viel aufs Spiel zu setzen gehabt hätte; aber seines Bleibens war ohnehin in diesen Gegenden nicht mehr, und die Not zwang ihn, sich durch einen Hauptschlag einen Ausweg zu bahnen. Außerdem ahnte er nicht, wie gut und weithin befestigt Wallensteins Stellung bei der Brücke war, vor allen Dingen aber schob er die Schuld an dem unglücklichen Ausgange der Schlacht Fuchs von Bimbach zu, der ihn im Stiche gelassen hatte. Auf Mansfelds Botschaft, er solle ihm zu Hilfe eilen, antwortete nämlich Fuchs, Mansfeld habe nicht gesagt, wie viel Hilfstruppen er haben wolle, über welcher Verzögerung dann die Katastrophe hereinbrach.
Trotz des vollständigen Sieges, den Wallenstein über Mansfeld davongetragen hatte, herrschte Unzufriedenheit in seinem Hauptquartier; denn in dem pomphaften Berichte, den er nach Wien sandte, war Aldringens nur beiläufig gedacht, der sich allein den Erfolg zuschrieb und in zornige Empörung über die hämische Unterdrückung seines Verdienstes geriet. Er schrieb an seine Gönner im Kriegsrate, wie er in großer Sorge um das Kriegswesen stehe; dass sich Wallenstein durchaus nicht mit Mansfeld habe schlagen wollen und von ihm, Aldringen, dazu gezwungen worden sei, dass er die herrliche Viktoria, die ihm gewissermaßen von anderen in den Schoß geworfen worden sei, nicht ausgenützt und trotz aller seiner, Aldringens, Vorschläge dem Mansfeld Zeit gelassen habe, sein flüchtiges Heer wieder zu sammeln und zu neuen verderblichen Impresen Mut zu fassen. Es habe fast das Ansehen, als ob Wallenstein dem Mansfeld mehr Gutes gönne als dem Kaiser; was aus einem solchen Verhältnis entspringen könne, sei leicht zu ermessen.
Ein paar Wochen waren nach der Schlacht vergangen, als Wallenstein, durch einen Brief seines Schwiegervaters vor den heimlichen Korrespondenzen und Umtrieben seines Quartiermeisters gewarnt, Aldringen zu sich beschied. Mit unbehaglichen Empfindungen trat dieser den Gang an und konnte sein Erschrecken kaum verhehlen, als er Wallenstein aufrecht neben seinem Schreibtisch stehen und schwarze Zornblicke auf ihn werfen sah.
»Ich habe Dinge über Ihn vernommen«, sagte der General drohend, »deren ich mir von Ihm nicht vermutend war. Ich habe Ihm Vertrauen erwiesen und Ihn als treuen Diener behandelt, als welchen Er sich mir bekannt und mit schönen Worten angepriesen hat. Wie kommt es, dass Er mit meinen Feinden und solchen, die es nicht redlich mit mir meinen, in heimlicher Korrespondenz steht? Was hat Er den Spionen und Jesuiten in Wien hinter meinem Rücken über mein Tun und Lassen zu kommunizieren?«
Während dieser Anrede gab sich Aldringen Mühe, den durchdringenden Blick des Generals auszuhalten und eine trotzige, stolze Miene anzunehmen. Seine blauen Augen schwankten ein wenig, und sein Gesicht war dunkel gerötet, als er in gereiztem Tone hervorstieß, darauf könne er nichts antworten, als dass er ein Soldat von Ehre sei; was solle er sonst zu solchen unerwarteten Beschuldigungen sagen? Wenn Wallenstein ihn für keinen Kavalier halte, so solle er es ihm geradeheraus erklären. Womit er das verdient habe? Mehr könne er als Soldat von Ehre seinem General nicht antworten.
Wallensteins Blick, den Aldringen noch eine Weile festhielt, wurde allmählich freundlicher, und er sagte mit gelinder Stimme: »Wenn es so ist, entschuldige Er mich«, indem er seinem Untergebenen die Hand reichte. Es mangele bei Hofe nie an Verleumdern, setzte er hinzu, deren Geschäft und Zeitvertreib es sei, die Guten gegeneinander aufzuhetzen. Aldringen ergriff die dargebotene Hand zögernd und entfernte sich unzufrieden, obwohl er über die wider Verhoffen schnelle und glückliche Auflösung der Gefahr aufatmete.
Grollend erzählte er Schlick, was vorgefallen war: es gebe keinen wunderlicheren Menschen als Wallenstein, sagte er, er selbst tue, was ihm beliebe, ohne sich um des Kaisers Willen und Wohl zu kümmern, aber er schreie Verrat, wenn man nur einen Brief schriebe, ohne ihn um seine Einwilligung oder seinen Beifall zu fragen. Er, Aldringen, meine es aufrichtig mit dem Kaiser, und das verleihe ihm ein ruhiges Gewissen. Übrigens könne sich Wallenstein in seinem versponnenen Hochmute doch nichts anderes vorstellen, als dass sie alle seine ergebenen Diener seien und sich keines eigenen Urteils unterständen, gerade als habe nur er Verstand und die anderen wären blökendes Vieh, das ihm nachschwänzelte.
Schlick war ganz und gar der Meinung Aldringens; er habe es kürzlich Wallenstein auch gezeigt, dass er ein freier deutscher Offizier und Edelmann sei, als er sich gegen seinen Willen vor dem Schloss Alten aufgehalten und Wallenstein ihn deswegen zur Rede gestellt habe. Man zieht doch ins Feld, um einmal eine Aktion mitzumachen; stilliegen könne man auch zu Hause. Was er aber am wenigsten ertragen könne, sei, dass Wallenstein ihn per Er traktiere. Das bringe sein Blut in Wallung; man glaube sich in der Türkei zu befinden; aber vielleicht würde sich nicht einmal der türkische Sultan so viel herausnehmen.
Höchst wunderbar sei es doch auch, bemerkte Collalto, wie der General sich so ganz ohne Weiber behelfe. Wie viel man auch aufmerke, sei doch nie etwas von Liebessachen bei ihm im Werke.
Seine Frau lasse er auch nie ins Lager kommen, sagte Schlick; er habe nichts als Geschäfte im Sinne.
Nun ja, meinte Aldringen, andere Leute hätten auch genug auf den Schultern; aber deswegen habe man doch sein Herz und seine irdische Natur.
Gott sei Dank ja, seufzte Collalto; da liege ja eigentlich Sinn und Zweck des Lebens. Wie man es denn in diesem Barbarenlande aushalten sollte ohne Frauen! Sie müssten einem hier den blauen Himmel, die rote Sonne, die goldenen Früchte und Reis und Makkaroni dazu ersetzen. Aber Gott habe sie auch danach gemacht. Ach, diese Blonden hätten ja ein verstohlenes Feuer und eine wilde Süßigkeit, dagegen sei die prasselnde Feuerwerkspassion der welschen Weiber einigermaßen monoton.
Schlick war nicht der Meinung; ihm hätten, sagte er, die Ungarinnen am besten gefallen. Die hätten ein so angenehmes, wohlriechendes Fleisch, wären überhaupt wie eine lecker hergerichtete Speise, die Würze steige einem gleich in die Nase, man lange zu und schwelge in Delizien. Übrigens sei das lange her, er sei jetzt verheiratet, habe Kinder und lasse sich an der Familie genügen.
»Ja, so seid ihr Böhmen«, sagte Collalto, »wir sind als Jäger geboren, und die Tauben, die einem gebraten ins Maul fliegen, schmecken uns nicht.« Aber was den General betreffe, so kümmere er sich auch um die Familie nicht viel. Er komme ihm zuweilen so unheimlich vor, als sei er nicht aus Menschenfleisch gemacht. Wenn einer nicht lache, nicht weine, nicht zeche und nicht küsse, so sei er ein Heiliger oder ein Teufel. Aber ein Heiliger könne Friedland nicht wohl sein, weil er so viel fluche.
»Ach«, sagte Aldringen, »der ließe den Papst hängen, wenn er ihn ärgerte.«
Collalto, der sein Quartier in Halberstadt hatte, überhäufte Aldringen stets mit Aufträgen; er brauchte Silber auf die Tafel, gute Weine, Konfekt und Südfrüchte, wie sie in diesen Gegenden nicht aufzutreiben waren; aber Aldringen beschaffte alles und versicherte Collalto dabei, dass es ihn glücklich mache, für ihn arbeiten zu dürfen. Um seine vielen Bedürfnisse einigermaßen bestreiten zu können, eignete sich Collalto einmal eine Ladung Eisen an, die der Stadt Aschersleben abgedrängt war und die Wallenstein für sich behalten wollte, worüber es zu einer scharfen Auseinandersetzung kam. Während Wallenstein mit Collalto sonst freundschaftlich, ja rücksichtsvoll umging, ließ er ihn bei dieser Gelegenheit hart an, was Collalto so empörte, dass er nach Wien aufbrach, um Klage zu führen und sich eine andere Stellung auszuwirken.
Er stamme von den langobardischen Königen ab, sagte er zu Aldringen, und stehe keinem Fürsten im Reich nach, könne sich unmöglich von einem böhmischen Edelmann, wie Wallenstein sei, als Spitzbuben traktieren lassen. Er sei auch Ritter vom Goldenen Vlies, und eigentlich wäre Wallensteins Stelle ihm zugekommen; Wallenstein hätte alle Ursache, sich bescheiden und erkenntlich gegen ihn zu erweisen.
Aldringen weinte fast vor Betrübnis; er könne es zwar Collalto nicht verdenken, dass er fortgehe, sagte er, ein Herr von Collaltos hoher Extraktion könne sich Wallensteins Enormitäten nicht gefallen lassen; aber für ihn sei der Verlust unleidlich. Wie viel lieber würde er seinen Dienst versehen, wenn Collalto das Oberhaupt wäre, der durch Geburt und Bildung ganz anders dafür qualifiziert sei und ehrliche Kavaliere nicht so grob und tyrannisch behandeln würde.
Collalto dankte Aldringen für seine Freundschaft und versicherte, wenn er je in der Lage sei, wolle er es ihm vergelten. Der Kaiser wisse nicht, was alles beim Heere vorgehe, vielleicht werde es bald eine große Änderung geben.
Indessen wagte der Kaiser nicht, Collalto gegen Wallenstein in Schutz zu nehmen, sondern empfing ihn unfreundlich, und er musste sich zur Versöhnung mit dem Herzog bequemen. Auch Aldringen verschluckte seine rebellischen Gelüste und ließ sich von seinen zahlreichen vornehmen Gönnern in Prag und Wien immer wieder zu einstweiligem stillschweigendem Ertragen etwaiger Wallensteinischer Härten und Launen bereden.
Zu den Vertrauten und Gönnern Aldringens gehörte auch der Abt des Prämonstratenserklosters Strahow bei Prag, Kaspar von Questenberg, der die Anwesenheit des Wallensteinischen Heeres im nördlichen Deutschland zur Erfüllung eines Lieblingswunsches benützen wollte. Aldringen sei jetzt in der Lage, schrieb er ihm, eine rühmliche Tat auszuführen und zugleich ihn, Questenberg, zu einem glücklichen, ja seligen Menschen zu machen. Der Dom Unserer Lieben Frauen in Magdeburg berge nämlich die Gebeine des heiligen Norbert, des Erzvaters der schneeweißen Prämonstratenser, eines hochberühmten Wundertäters und Märtyrers, die nun gewissermaßen bei den Heiden in jämmerlicher Gefangenschaft lägen. Schon zu Kaiser Rudolfs Zeiten sei ihm, sicherlich eine Eingebung des Himmels, der Wunsch aufgestiegen, diese gefangenen Gebeine zu erlösen und sie der Verehrung der Gläubigen zuzuführen. Einem christlichen Helden wie Aldringen werde es gewiss nicht schwerfallen, das Kapitel zur gutwilligen Herausgabe der köstlichen Reliquie zu bewegen oder sich mit anderen geeigneten Mitteln in ihren Besitz zu setzen, wofür er seines und der ganzen Christenheit Dankes wie auch eines ewigen Lohnes bei Gott gewiss sein könne.
Aldringen machte sich dienstfertig daran, das Anliegen des einflussreichen Abtes zu erfüllen; aber das Kapitel, an das er sich wandte, wollte nicht ohne weiteres darauf eingehen. Die Domherren wollten sich allerdings dem Kaiser und dem Abte gern gefällig erweisen, allein sie fürchteten, es möchte anderen seltsam vorkommen, wenn sie die Kirche eines solchen Schatzes beraubten. Wenn die Evangelischen auch die Heiligen und ihre Gebeine nicht anbeteten, so schätzten sie sie doch als Antiquität und Rarität, ja beim Volke ginge es sogar nicht ohne Aberglauben ab; die Nürnberger bewahrten auch die Heilige Lanze, hielten sie wohlverschlossen und ließen sie unter großen Kautelen heraus, um sie vornehmen Reisenden zu zeigen. Vor allen Dingen würden sie sich dadurch den Markgrafen Christian Wilhelm auf den Hals ziehen, mit dem sie ohnehin im Streit lägen, nachdem sie ihn kürzlich abgesetzt hätten.
Aldringen entgegnete, sie sollten sich doch nicht auf Christian Wilhelm berufen, er gehöre zu des Kaisers erklärten Feinden, und sie wären wohl zu verständig, um mit dem Friedensbrecher gemeine Sache zu machen.
Sie erwiderten, es wäre ja allgemein bekannt, in was für Widerwärtigkeiten sie mit ihm begriffen wären; aber der König von Dänemark habe die Reliquien auch verlangt und könne es sich als Beleidigung anrechnen, wenn sie dem Gegenteil damit gefällig wären. Indessen einige Domherren nahmen Aldringen auf die Seite und sagten ihm, es solle ihnen recht und lieb sein, wenn die Gebeine nach Prag kämen, und sie wollten gern das Ihre dazutun, wenn Aldringen dafür ihrer beim Kaiser gedenken, sie auch in den jetzigen Kriegsläuften, wenn nötig, patronisieren wolle. Sie möchten zwar nicht öffentlich einen falschen Schein auf sich ziehen; wenn aber Aldringen das Bewusste mit List durch ein paar vertraute und anstellige Leute wegnehmen lassen wolle, so würden sie ihm Stunde und Gelegenheit dazu bezeichnen. Wären die Gebeine dann erst einmal in Prag, so würden sie nicht leicht zurückgeholt werden, und sie entgingen gehässigem Argwohn.
Auf diesen Bericht reiste Questenberg hocherfreut nach Magdeburg, um das langersehnte Kleinod im Triumph einzuholen. Er wollte es sich durchaus nicht nehmen lassen, die Ergreifung der Gebeine selbst anzuführen, und begab sich nach getroffener Verabredung mit Aldringen und einigen Bewaffneten in den Kreuzgang des Domes, von wo aus sie zu der Kapelle vordringen wollten, in der die Reliquie verwahrt war. Nun hatte aber Christian Wilhelm von diesen geheimen Praktiken Wind bekommen und, um den Raub zu verhindern, einen Haufen Soldaten im Kreuzgange versteckt und mit scharfen Befehlen versehen, und eben als die Äbtischen sich bei spärlichem Laternenlichte schleichend dem in die Kirche führenden Portale näherten, brachen jene mit lautem Geschrei: »Feuer! Diebe! Mord!« hervor und drangen mit gezogenen Schwertern auf sie ein. Der Abt hängte sich mit beiden Armen an Aldringen und zog ihn mit durch die Angst gesteigerten Kräften rückwärts nach dem Ausgange, sodass diesem, der anfänglich zu kämpfen und sich durchzuhauen geneigt war, schließlich nichts übrigblieb, als den Abt in die Kutsche zu setzen, die zur Entführung der Gebeine bereit stand, und so geschwind wie möglich mit ihm davonzufahren.
Die verunglückte Sache nahm eine günstige Wendung durch den Rat der Stadt Magdeburg, der sich umso lieber dem Kaiser willfährig erzeigte, wenn es auf Kosten und zum Trotze Christian Wilhelms geschehen konnte. Nach einigen Verhandlungen erklärten die Herren Aldringen, sie wollten ihm mit den Norbertischen Gebeinen aus besonderer Liebe und Hochschätzung zu Willen sein. Das bewaffnete Gesindel des Administrators wollten sie als ein neutraler Stand in ihrem Gebiet nicht dulden, nächtliches Rumoren und Zusammenlaufen gebührend abstellen und ihm die Reliquie in aller Stille ausliefern, ohne die Rachsucht vermeintlicher Bischöfe und die üble Nachrede böser Mäuler zu fürchten. Durch diese Aussicht hoffte Aldringen den betrübten Abt wieder aufzurichten; allein derselbe war bereits abgereist, und Aldringen musste ihm nachsetzen, um ihm die tröstliche Botschaft beibringen zu können. Seine Person wollte Questenberg zwar den Anfeindungen und Gewalttaten, deren man sich in Magdeburg gegen ihn unterstanden hatte, nicht wieder aussetzen, zumal er geistlichen Standes und nicht dazu bestimmt sei, doch vertraute er Aldringen das hohe Geschäft rückhaltlos an, der denn auch bald hernach die erkämpfte Beute unter zuverlässiger Eskorte nach Prag abgehn lassen konnte.