18.

Im No­vem­ber zo­gen Harz­bau­ern über den Rücken des Bruch­ber­ges nach El­bin­ge­ro­de. Es wa­ren Män­ner und Frau­en, mit Sä­cken be­la­den, in de­nen sie ihre Habe mit sich führ­ten; dazu tru­gen die Frau­en die klei­ne­ren Kin­der auf dem Rücken. Ob­wohl es erst vier Uhr war, fiel die Däm­me­rung ein; der Wind blies kalt und feucht um die ver­krüp­pel­ten Tan­nen und pfiff mit wei­nen­der Stim­me um die auf­ein­an­der­ge­ball­ten Gra­nit­blö­cke, von de­nen lan­ges Gras her­un­ter­schwank­te und Hei­de­ge­strüpp zot­ti­ge Tat­zen aus­streck­te. Durch das Sau­sen hin­durch ver­nah­men die schnell schrei­ten­den Bau­ern Pfer­de­ge­trap­pel; sie horch­ten und flüs­ter­ten, es schie­nen ih­rer vie­le zu sein, sie könn­ten es nicht mit ih­nen auf­neh­men, wor­auf sie sich eilends hin­ter Tan­nen und Stei­nen ver­bar­gen. In dem Au­gen­blick, als die Rei­ter, die nur zu dritt wa­ren, auf dem Wege er­schie­nen, bra­chen die Bau­ern laut­los her­vor, grif­fen den Pfer­den in die Zü­gel, ris­sen die Rei­ter her­un­ter und schlu­gen sie mit schwe­ren, nä­gel­be­schla­ge­nen Keu­len tot. Alle hat­ten Geld bei sich, tru­gen Rin­ge an den Fin­gern und wa­ren über­haupt reich ge­klei­det; zwei wa­ren im Man­nes­al­ter, ei­ner noch un­bär­tig. Nach­dem sie al­les, was ih­nen wert­voll schi­en, in die Sä­cke ge­packt und sich auch der Waf­fen der Er­schla­ge­nen be­mäch­tigt hat­ten, über­leg­ten sie, ob sie die Lei­chen lie­gen­las­sen oder ver­ber­gen soll­ten, ent­schlos­sen sich zu letz­te­rem und schlepp­ten sie hin­ter einen Gra­nit­fel­sen un­weit des We­ges. Die er­schreck­ten Pfer­de wa­ren quer über den Berg hin­ge­rast und in der neb­li­gen Däm­me­rung ver­schwun­den. Als die Bau­ern nach ei­ner Stun­de an eine Glas­hüt­te ka­men, von der Licht aus­ging, klopf­ten sie dort an und ba­ten um Was­ser, das ih­nen ge­reicht wur­de. Der Werk­meis­ter be­trach­te­te sie miss­trau­isch und frag­te, wo­hin sie so spät woll­ten. Ob sie zu den Til­ly­schen ge­hör­ten?

Dann hät­ten sie wohl an­ders an­ge­pocht, sag­ten die Bau­ern höh­nisch. Sie wä­ren von Claus­thal, das hät­ten die Sol­da­ten ge­plün­dert und ab­ge­brannt. Sie zö­gen mit Sack und Pack nach El­bin­ge­ro­de hin­über.

Claus­thal sei ja­wohl von Til­ly ab­ge­brannt, sag­te der Werk­meis­ter; es kämen seit­dem vie­le Bau­ern über den Berg, die sich zu­sam­men­rot­ten woll­ten.

Ob Sol­da­ten in die­ser Ge­gend streif­ten? frag­ten die Bau­ern.

Seit etwa zwei Ta­gen hät­ten sich kei­ne ge­zeigt, er­wi­der­te der Werk­meis­ter; aber bald wür­de es et­was ge­ben. Sie müss­ten Tag und Nacht Glas­ku­geln für Her­zog Chris­ti­an gie­ßen, denn der hät­te ge­sagt, dem Til­ly und sei­nen Sol­da­ten kön­ne man mit ge­mei­nen Blei­ku­geln nicht bei­kom­men, weil sie ge­fro­ren und dem Teu­fel ver­schrie­ben wä­ren; Zau­ber kön­ne nur durch Zau­ber ge­bro­chen wer­den. Die Bau­ern horch­ten auf und ba­ten den Werk­meis­ter, ih­nen ei­ni­ge da­von zu ge­ben, sie woll­ten mit sil­ber­nen Knöp­fen da­für zah­len. Wo­her sie die hät­ten? frag­te der Werk­meis­ter. Von ei­nem to­ten Rei­ter, sag­ten die Bau­ern und lach­ten. Was sie denn mit den Ku­geln woll­ten? frag­te je­ner wie­der; sie hät­ten ja kei­ne Ge­weh­re. Ja­wohl, die hät­ten sie, ant­wor­te­ten die Bau­ern und zeig­ten die Läu­fe der ge­raub­ten, die aus ih­ren Sä­cken vor­stan­den. Der Werk­meis­ter, der sich fürch­te­te, gab ih­nen ei­ni­ge Glas­ku­geln und bat sie, ihn nicht zu ver­ra­ten, da es her­zog­li­ches Ei­gen­tum wäre. Sie ver­spra­chen es, in­dem sie die Ku­geln in die Ta­sche steck­ten; er hin­ge­gen sol­le nicht sa­gen, dass sie hier vor­über­ge­gan­gen wä­ren, wenn man ih­nen nach­frag­te. Es kom­me jetzt oh­ne­hin kei­ner mehr, sag­te er, und wozu er sie auch ver­ra­ten soll­te? Sie hät­ten ihm ja nichts zu­lei­de ge­tan. Nein, aber sie könn­ten wie­der­kom­men und es nach­ho­len, sag­ten sie; sie hät­ten von den Sol­da­ten ge­lernt, wie man eins, zwei, drei ein Haus in Brand ste­cke. Da­mit zo­gen sie schnel­len Schrit­tes wei­ter, Schwei­gend und von Zeit zu Zeit in die un­ru­hi­ge Nacht hin­aus­hor­chend.