Einige märkische Herren von Adel kamen zum Kurfürsten von Brandenburg und klagten, sie könnten die Felder nicht mehr bestellen, weil die Bauern ihnen davongelaufen wären. Die Amtleute meldeten, in Lenzen ständen fünfzehn Häuser leer, in Nauen sei es auch nicht besser, an anderen Orten fänden sich höchstens fünf Ackerpferde und zehn Leute, die arbeiten könnten; die übrigen hätten sich teils anwerben lassen, teils geflüchtet und hielten sich Gott weiß wo verborgen. Es könne nicht so weitergehen.
»Ja, jetzt kommt ihr und beklagt euch«, sagte Georg Wilhelm. Die Bauern wären schon dageblieben, wenn sie sie nicht so bestialisch traktiert hätten. Einer von ihnen hätte vor ein paar Jahren einen Bauern an einen glühenden Ofen gebunden und einen Hering dazugestellt, wenn er Durst bekäme, weil der Bauer ihm sein Gut, das er frei und zu Recht besessen hätte, nicht hätte abtreten wollen. Damals hätten sie nicht auf ihn, den Kurfürsten, hören wollen, jetzt solle er die Schuld tragen.
Die Bauern wären hierzulande nicht so dreist davongelaufen, antworteten die Herren, das hätte sie erst der Krieg gelehrt. Sie hätten zum Kriege keine Ursache gegeben. Der Kurfürst solle doch den Kaiser kontentieren, dass die fremden Soldaten aus dem Lande kämen. Heute hätten sie Mansfelder, morgen die Dänen und die Wallensteinischen auf dem Halse und hätten doch mit den Händeln nichts zu schaffen. Lieber wollten sie sich noch offen auf des Kaisers Seite stellen, sie wären kaiserlich und der Kurfürst hoffentlich auch, so wüssten sie wenigstens, warum ihnen das Fell über die Ohren gezogen würde.
Von offenem Anschluss an den Kaiser wollte der Kurfürst jedoch so wenig etwas wissen wie von offenem Widerstande. Gegen seinen Kanzler Adam von Schwarzenberg, den Sohn jenes berühmten kaiserlichen Generals Adolf von Schwarzenberg, der im Jahre 1600 im Türkenkriege gefallen war, beklagte sich der Kurfürst über seine Stände, die ihre Schuldigkeit gegen ihn nicht täten und doch in allen Leiden die Verantwortung auf ihn würfen. Ein schlechter Edelmann habe es besser als er; nicht einmal das Jagdhündlein hätten sie ihm gegönnt, das er sich neulich gekauft habe, und hätten wegen des Preises genörgelt, den er dafür hätte zahlen müssen.
Der Preis sei freilich ein wenig hoch gewesen, meinte Schwarzenberg, zumal bei den schlechten Zeiten; es wäre besser gewesen, wenn der Kurfürst sich nicht eben auf dies kostbare Hündlein gesteift hätte und überhaupt ein wenig haushälterisch sein wollte. Die Stände wollten den Beutel gar nicht mehr auftun, weil sie meinten, es gehe doch nicht auf den gemeinen Nutzen, sondern für des Kurfürsten Pläsier und Extravaganzen.
Der Kurfürst weinte beinahe über diese Vorwürfe: er glaube nicht, dass jemals ein Fürst wegen eines Hündleins so viel habe erdulden müssen. Wenn er sich nicht hie und da auf menschliche Art erholen könnte, möchte er lieber abdanken als sich den vielen Widerwärtigkeiten und Gefährlichkeiten unterziehen. Von Schwarzenberg hätte er sich am wenigsten solcher Vorhalte versehen, da er doch Schwarzenbergs wegen so viel ausstehen müsse.
Nicht alle Räte des Kurfürsten waren mit der kaiserlichen Politik, die Schwarzenberg, seiner Herkunft entsprechend, verfolgte, einverstanden, vielmehr unterhielten einige heimliche Verbindungen mit Schweden und drangen in ihren Herrn, sich der antiösterreichischen Liga beizugesellen.
Im Sommer 1626 kam die Nachricht nach Berlin, Gustav Adolf sei an der preußischen Küste gelandet und habe sich der Stadt Pillau bemächtigt und wolle sie in seiner Gewalt behalten. Gegen Schwarzenberg jammerte Georg Wilhelm über die schwedische Heirat, wie oft er sie schon habe beklagen müssen. Seine Mutter habe gewarnt, aber sein Vater und seine verliebte Schwester hätten den Ausschlag gegeben. Nun sitze er zwischen der Schere, wenn sie zuklappe, gehe es mitten durch seinen Leib.
Allerdings, sagte Schwarzenberg, zwischen dem Schweden und einem Vasallen des Königs von Polen könne keine Freundschaft bestehen. Wolle der Kurfürst Preußen behalten, so müsse er Schweden einmal einen Ernst zeigen.
Einen Ernst zeigen? rief Georg Wilhelm. Über seinen Ernst würde Gustav Adolf lachen. Der verstehe keinen Ernst, der nicht das Schwert führe, und so weit könne er es doch nicht treiben.
Er hätte ja den Kaiser und Polen hinter sich, beharrte Schwarzenberg.
Ob er sich um der Polen willen in einen Krieg mit seinem eigenen Schwager verwickeln solle? klagte der Kurfürst nun. Etwas so Barbarisches könne der Kaiser nicht von ihm verlangen. Dem Schweden möchte es schon lieb sein, wenn er einen Vorwand bekäme, sich in sein Land einzudrängen; aber er wolle ihm nicht den Willen tun. Nein, er wolle sich die Neutralität von niemandem aus der Hand winden lassen. Er wolle seine Ruhe behalten, sie möchten lärmen und zerren; wenn er still bliebe, würden sie es endlich müde werden und abziehen.
In Pillau gebot indessen Gustav Adolf, fröhlich, weil der kühne Streich ihm geglückt war, und ungeduldig, ihn auszunützen; denn der kleine Platz, so willkommen er ihm war, genügte seinen Plänen nicht. Da er sich an das feste und mächtige Danzig, das mit guten Worten nicht zu gewinnen war, mit Gewalt nicht wagen mochte, warf er seinen Blick auf Königsberg, das, als eine untertänige Landstadt, sich seinem Willen, wie er meinte, eher fügen würde. Freundlich empfing er die Abgeordneten der Stadt, die sich auf seinen Befehl nach Pillau begeben hatten und vor ihn traten. Sie wüssten, so etwa sprach er zu ihnen, dass er mit dem König von Polen im Kriege liege, der ihm sein Reich streitig machen wolle. Gott habe ihm bisher den Sieg verliehen und werde ihm auch ferner beistehen. Nun müsse er aber, um sich besser wehren zu können, einen Fuß auf der Küste haben, deshalb habe er sich Pillau nehmen müssen. Feinde in seinem Rücken könne er nicht dulden; darum habe er sie rufen lassen, um zu wissen, ob er sie für Freunde oder Feinde halten solle.
Der eine der Abgeordneten nahm das Wort und bat, der König möge sie nicht für Feinde halten, was sie bei Gott nicht sein wollten.
Also, sagte Gustav Adolf, sollten sie ihm Gehorsam geloben und sich einverstanden erklären, dass er eine Besatzung in ihre Stadt lege.
Darüber könnten sie nicht entscheiden, sagte der Abgeordnete, sondern müssten ihren Herrn befragen.
»Euer Herr will ich sein«, sagte Gustav Adolf lachend. Sie wären eine freie Stadt und könnten ihr Haupt wählen, sollten nicht zweifeln, dass er sie gegen jedermann verteidigen könne.
Sie wären nicht frei, entschuldigte sich der Abgeordnete; sie dürften ihre Tore keinem fremden Monarchen und Kriegsvolk öffnen.
Gustav Adolfs Gesicht rötete sich ein wenig, und er begann hastiger und eindringlicher zu sprechen. Sie hätten ihm ja gesagt, dass sie seine Feinde nicht sein wollten. Dann dürften sie auch seinem Feinde keinen Vorschub leisten. Er mute ihnen gewiss nichts Unrechtes zu.
Die Abgeordneten wiederholten, sie müssten sich an die Verträge halten, die zwischen dem König von Polen und dem Kurfürsten von Brandenburg, ihrem Herrn, beständen, sonst machten sie sich des Hochverrats schuldig.
»Vor den Waffen gelten keine Verträge«, sagte Gustav Adolf heftig. Sie müssten sich erklären, ob sie für oder wider ihn sein wollten. Er habe bis jetzt als ein Freund und Beschützer zu ihnen gesprochen, er habe aber auch andere Pfeile im Köcher.
Nach einer Pause, während welcher die Abgeordneten verlegen und unschlüssig vor sich hin geblickt hatten, nahm wieder einer von ihnen das Wort und sagte, der König möchte sich einmal vorstellen, es käme ein fremder Potentat nach Schweden und verlange von einer schwedischen Stadt, sie solle ihn mit seinem Heer einlassen und ihm huldigen; was er sagen würde, wenn sie sich überreden ließen?
»Es kommt auf die Notwendigkeit an«, sagte Gustav Adolf. Man müsse jeden Fall für sich betrachten, denn es seien nie zwei einander gleich. Er müsse sich gegen einen böswilligen Feind, der ihm die Krone vom Haupte reißen wolle, verteidigen. Ob er sein Reich aufs Spiel setzen solle, um ihre wurmstichigen Verträge zu schonen? Sein armes Volk harre, dass er ihm den Frieden bringe; er müsse sehen, wie er dazu gelange, und er habe ihnen sein königliches Wort gegeben, dass er nichts Unrechtes von ihnen verlangen wolle.
Dies sagte der König mit heiterer Miene und nachdrücklichem Tone; aber die Stimmung war ihm ein wenig verrückt worden. Er äußerte sich enttäuscht gegen Oxenstierna, dass er nicht so vorankomme, wie er gehofft habe, es scheine fast, als müsse er gegen die widerspenstigen Preußen Gewalt gebrauchen. Davon riet ihm Oxenstierna ab, es könne ihm ein schlechtes Ansehen geben, er tue besser, eine Gelegenheit abzuwarten. Georg Wilhelm schwanke hin und her wie ein Kahn auf bewegter Flut, man müsse den Augenblick erpassen, wo er auf die schwedische Seite neige.
Von Schwarzenberg überredet, machte sich Georg Wilhelm mit einem Heer nach Pillau auf, damit der König von Polen sehe, dass er sich nicht in verräterischem Einverständnis mit seinem Schwager befinde. Es kam jedoch nicht zu einer kriegerischen Aktion, vielmehr versprach der Kurfürst dem Könige bei einer Zusammenkunft, ihm nicht in den Weg zu treten. Gustav Adolf fragte lachend, ob er die Fabel gelesen habe, dass es nicht gut sei, sich zwischen zwei kämpfende Löwen zu stellen? Er solle ruhig zuschauen und sich nicht einmischen, dann werde ihm nichts zuleide geschehen.
Nach der Dessauer Schlacht, sagte der Kurfürst, habe er ja den König eifrig gebeten, zu kommen und ihm Hilfe zu bringen. Damals würde er sich ihm offen angeschlossen haben, aber Gustav Adolf sei allzu sehr in den polnischen Krieg verbissen gewesen. Inzwischen habe sich für ihn alles geändert, der Däne sei geschlagen, Mansfeld samt dem Weimaraner unten in der Türkei gestorben und verdorben, der Kaiser mächtig. Er könne nicht den Kaiser und den König von Polen zugleich gegen sich aufbringen.
Wie er nur so unfürstlich reden möge, sagte Gustav Adolf zu seinem Schwager; es sei nicht rühmlich für ihn, des katholischen Polen Diener zu sein. Auch sei er Mannes genug, ihn zu schützen, nur müsse er, Gustav Adolf, sich wiederum auf ihn verlassen können.
Georg Wilhelm hatte sich inzwischen durch einige Gläser Bier einen Mut angetrunken und begann freier zu reden: Diese Abhängigkeit sei allerdings lästig, aber es sei ja nur eine Formsache, einreden lasse er sich von dem Polen nicht. Wo sein Herz sei, könne Gustav Adolf wohl denken. Gustav Adolf solle doch nicht vergessen, dass sein Fürwort ihm seinerzeit die Schwester verschafft hätte. Er wolle so gern mit jedermann in Frieden leben, und gerade er müsse in dieser bösen Zeit leben, wo es sei, als hätten alle ein Tollkraut gefressen, dass sie übereinander herfallen müssten. Hätte er doch in der guten alten Zeit gelebt, wo man in Ruhe seine Hasen gejagt und seine Kanne getrunken hätte.
Das wollten sie wohl noch miteinander tun, sagte Gustav Adolf lachend. Er schösse wohl zwischenhinein auch einmal einen Hasen.