21.

Ei­ni­ge mär­ki­sche Her­ren von Adel ka­men zum Kur­fürs­ten von Bran­den­burg und klag­ten, sie könn­ten die Fel­der nicht mehr be­stel­len, weil die Bau­ern ih­nen da­von­ge­lau­fen wä­ren. Die Amt­leu­te mel­de­ten, in Len­zen stän­den fünf­zehn Häu­ser leer, in Nau­en sei es auch nicht bes­ser, an an­de­ren Or­ten fän­den sich höchs­tens fünf Acker­pfer­de und zehn Leu­te, die ar­bei­ten könn­ten; die üb­ri­gen hät­ten sich teils an­wer­ben las­sen, teils ge­flüch­tet und hiel­ten sich Gott weiß wo ver­bor­gen. Es kön­ne nicht so wei­ter­ge­hen.

»Ja, jetzt kommt ihr und be­klagt euch«, sag­te Ge­org Wil­helm. Die Bau­ern wä­ren schon da­ge­blie­ben, wenn sie sie nicht so bes­tia­lisch trak­tiert hät­ten. Ei­ner von ih­nen hät­te vor ein paar Jah­ren einen Bau­ern an einen glü­hen­den Ofen ge­bun­den und einen He­ring da­zu­ge­stellt, wenn er Durst be­käme, weil der Bau­er ihm sein Gut, das er frei und zu Recht be­ses­sen hät­te, nicht hät­te ab­tre­ten wol­len. Da­mals hät­ten sie nicht auf ihn, den Kur­fürs­ten, hö­ren wol­len, jetzt sol­le er die Schuld tra­gen.

Die Bau­ern wä­ren hier­zu­lan­de nicht so dreist da­von­ge­lau­fen, ant­wor­te­ten die Her­ren, das hät­te sie erst der Krieg ge­lehrt. Sie hät­ten zum Krie­ge kei­ne Ur­sa­che ge­ge­ben. Der Kur­fürst sol­le doch den Kai­ser kon­ten­tie­ren, dass die frem­den Sol­da­ten aus dem Lan­de kämen. Heu­te hät­ten sie Mans­fel­der, mor­gen die Dä­nen und die Wal­len­stei­ni­schen auf dem Hal­se und hät­ten doch mit den Hän­deln nichts zu schaf­fen. Lie­ber woll­ten sie sich noch of­fen auf des Kai­sers Sei­te stel­len, sie wä­ren kai­ser­lich und der Kur­fürst hof­fent­lich auch, so wüss­ten sie we­nigs­tens, warum ih­nen das Fell über die Ohren ge­zo­gen wür­de.

Von of­fe­nem An­schluss an den Kai­ser woll­te der Kur­fürst je­doch so we­nig et­was wis­sen wie von of­fe­nem Wi­der­stan­de. Ge­gen sei­nen Kanz­ler Adam von Schwar­zen­berg, den Sohn je­nes be­rühm­ten kai­ser­li­chen Ge­ne­rals Adolf von Schwar­zen­berg, der im Jah­re 1600 im Tür­ken­krie­ge ge­fal­len war, be­klag­te sich der Kur­fürst über sei­ne Stän­de, die ihre Schul­dig­keit ge­gen ihn nicht tä­ten und doch in al­len Lei­den die Verant­wor­tung auf ihn wür­fen. Ein schlech­ter Edel­mann habe es bes­ser als er; nicht ein­mal das Jagd­hünd­lein hät­ten sie ihm ge­gönnt, das er sich neu­lich ge­kauft habe, und hät­ten we­gen des Prei­ses genör­gelt, den er da­für hät­te zah­len müs­sen.

Der Preis sei frei­lich ein we­nig hoch ge­we­sen, mein­te Schwar­zen­berg, zu­mal bei den schlech­ten Zei­ten; es wäre bes­ser ge­we­sen, wenn der Kur­fürst sich nicht eben auf dies kost­ba­re Hünd­lein ge­steift hät­te und über­haupt ein we­nig haus­häl­te­risch sein woll­te. Die Stän­de woll­ten den Beu­tel gar nicht mehr auf­tun, weil sie mein­ten, es gehe doch nicht auf den ge­mei­nen Nut­zen, son­dern für des Kur­fürs­ten Plä­sier und Ex­tra­va­gan­zen.

Der Kur­fürst wein­te bei­na­he über die­se Vor­wür­fe: er glau­be nicht, dass je­mals ein Fürst we­gen ei­nes Hünd­leins so viel habe er­dul­den müs­sen. Wenn er sich nicht hie und da auf mensch­li­che Art er­ho­len könn­te, möch­te er lie­ber ab­dan­ken als sich den vie­len Wi­der­wär­tig­kei­ten und Ge­fähr­lich­kei­ten un­ter­zie­hen. Von Schwar­zen­berg hät­te er sich am we­nigs­ten sol­cher Vor­hal­te ver­se­hen, da er doch Schwar­zen­bergs we­gen so viel aus­ste­hen müs­se.

Nicht alle Räte des Kur­fürs­ten wa­ren mit der kai­ser­li­chen Po­li­tik, die Schwar­zen­berg, sei­ner Her­kunft ent­spre­chend, ver­folg­te, ein­ver­stan­den, viel­mehr un­ter­hiel­ten ei­ni­ge heim­li­che Ver­bin­dun­gen mit Schwe­den und dran­gen in ih­ren Herrn, sich der an­ti­ös­ter­rei­chi­schen Liga bei­zu­ge­sel­len.

Im Som­mer 1626 kam die Nach­richt nach Ber­lin, Gu­stav Adolf sei an der preu­ßi­schen Küs­te ge­lan­det und habe sich der Stadt Pil­lau be­mäch­tigt und wol­le sie in sei­ner Ge­walt be­hal­ten. Ge­gen Schwar­zen­berg jam­mer­te Ge­org Wil­helm über die schwe­di­sche Hei­rat, wie oft er sie schon habe be­kla­gen müs­sen. Sei­ne Mut­ter habe ge­warnt, aber sein Va­ter und sei­ne ver­lieb­te Schwes­ter hät­ten den Aus­schlag ge­ge­ben. Nun sit­ze er zwi­schen der Sche­re, wenn sie zu­klap­pe, gehe es mit­ten durch sei­nen Leib.

Al­ler­dings, sag­te Schwar­zen­berg, zwi­schen dem Schwe­den und ei­nem Va­sal­len des Kö­nigs von Po­len kön­ne kei­ne Freund­schaft be­ste­hen. Wol­le der Kur­fürst Preu­ßen be­hal­ten, so müs­se er Schwe­den ein­mal einen Ernst zei­gen.

Ei­nen Ernst zei­gen? rief Ge­org Wil­helm. Über sei­nen Ernst wür­de Gu­stav Adolf la­chen. Der ver­ste­he kei­nen Ernst, der nicht das Schwert füh­re, und so weit kön­ne er es doch nicht trei­ben.

Er hät­te ja den Kai­ser und Po­len hin­ter sich, be­harr­te Schwar­zen­berg.

Ob er sich um der Po­len wil­len in einen Krieg mit sei­nem ei­ge­nen Schwa­ger ver­wi­ckeln sol­le? klag­te der Kur­fürst nun. Et­was so Bar­ba­ri­sches kön­ne der Kai­ser nicht von ihm ver­lan­gen. Dem Schwe­den möch­te es schon lieb sein, wenn er einen Vor­wand be­käme, sich in sein Land ein­zu­drän­gen; aber er wol­le ihm nicht den Wil­len tun. Nein, er wol­le sich die Neu­tra­li­tät von nie­man­dem aus der Hand win­den las­sen. Er wol­le sei­ne Ruhe be­hal­ten, sie möch­ten lär­men und zer­ren; wenn er still blie­be, wür­den sie es end­lich müde wer­den und ab­zie­hen.

In Pil­lau ge­bot in­des­sen Gu­stav Adolf, fröh­lich, weil der küh­ne Streich ihm ge­glückt war, und un­ge­dul­dig, ihn aus­zunüt­zen; denn der klei­ne Platz, so will­kom­men er ihm war, ge­nüg­te sei­nen Plä­nen nicht. Da er sich an das fes­te und mäch­ti­ge Dan­zig, das mit gu­ten Wor­ten nicht zu ge­win­nen war, mit Ge­walt nicht wa­gen moch­te, warf er sei­nen Blick auf Kö­nigs­berg, das, als eine un­ter­tä­ni­ge Land­stadt, sich sei­nem Wil­len, wie er mein­te, eher fü­gen wür­de. Freund­lich emp­fing er die Ab­ge­ord­ne­ten der Stadt, die sich auf sei­nen Be­fehl nach Pil­lau be­ge­ben hat­ten und vor ihn tra­ten. Sie wüss­ten, so etwa sprach er zu ih­nen, dass er mit dem Kö­nig von Po­len im Krie­ge lie­ge, der ihm sein Reich strei­tig ma­chen wol­le. Gott habe ihm bis­her den Sieg ver­lie­hen und wer­de ihm auch fer­ner bei­ste­hen. Nun müs­se er aber, um sich bes­ser weh­ren zu kön­nen, einen Fuß auf der Küs­te ha­ben, des­halb habe er sich Pil­lau neh­men müs­sen. Fein­de in sei­nem Rücken kön­ne er nicht dul­den; dar­um habe er sie ru­fen las­sen, um zu wis­sen, ob er sie für Freun­de oder Fein­de hal­ten sol­le.

Der eine der Ab­ge­ord­ne­ten nahm das Wort und bat, der Kö­nig möge sie nicht für Fein­de hal­ten, was sie bei Gott nicht sein woll­ten.

Also, sag­te Gu­stav Adolf, soll­ten sie ihm Ge­hor­sam ge­lo­ben und sich ein­ver­stan­den er­klä­ren, dass er eine Be­sat­zung in ihre Stadt lege.

Dar­über könn­ten sie nicht ent­schei­den, sag­te der Ab­ge­ord­ne­te, son­dern müss­ten ih­ren Herrn be­fra­gen.

»Euer Herr will ich sein«, sag­te Gu­stav Adolf la­chend. Sie wä­ren eine freie Stadt und könn­ten ihr Haupt wäh­len, soll­ten nicht zwei­feln, dass er sie ge­gen je­der­mann ver­tei­di­gen kön­ne.

Sie wä­ren nicht frei, ent­schul­dig­te sich der Ab­ge­ord­ne­te; sie dürf­ten ihre Tore kei­nem frem­den Mon­ar­chen und Kriegs­volk öff­nen.

Gu­stav Adolfs Ge­sicht rö­te­te sich ein we­nig, und er be­gann has­ti­ger und ein­dring­li­cher zu spre­chen. Sie hät­ten ihm ja ge­sagt, dass sie sei­ne Fein­de nicht sein woll­ten. Dann dürf­ten sie auch sei­nem Fein­de kei­nen Vor­schub leis­ten. Er mute ih­nen ge­wiss nichts Un­rech­tes zu.

Die Ab­ge­ord­ne­ten wie­der­hol­ten, sie müss­ten sich an die Ver­trä­ge hal­ten, die zwi­schen dem Kö­nig von Po­len und dem Kur­fürs­ten von Bran­den­burg, ih­rem Herrn, be­stän­den, sonst mach­ten sie sich des Hoch­ver­rats schul­dig.

»Vor den Waf­fen gel­ten kei­ne Ver­trä­ge«, sag­te Gu­stav Adolf hef­tig. Sie müss­ten sich er­klä­ren, ob sie für oder wi­der ihn sein woll­ten. Er habe bis jetzt als ein Freund und Be­schüt­zer zu ih­nen ge­spro­chen, er habe aber auch an­de­re Pfei­le im Kö­cher.

Nach ei­ner Pau­se, wäh­rend wel­cher die Ab­ge­ord­ne­ten ver­le­gen und un­schlüs­sig vor sich hin ge­blickt hat­ten, nahm wie­der ei­ner von ih­nen das Wort und sag­te, der Kö­nig möch­te sich ein­mal vor­stel­len, es käme ein frem­der Po­ten­tat nach Schwe­den und ver­lan­ge von ei­ner schwe­di­schen Stadt, sie sol­le ihn mit sei­nem Heer ein­las­sen und ihm hul­di­gen; was er sa­gen wür­de, wenn sie sich über­re­den lie­ßen?

»Es kommt auf die Not­wen­dig­keit an«, sag­te Gu­stav Adolf. Man müs­se je­den Fall für sich be­trach­ten, denn es sei­en nie zwei ein­an­der gleich. Er müs­se sich ge­gen einen bös­wil­li­gen Feind, der ihm die Kro­ne vom Haup­te rei­ßen wol­le, ver­tei­di­gen. Ob er sein Reich aufs Spiel set­zen sol­le, um ihre wurm­sti­chi­gen Ver­trä­ge zu scho­nen? Sein ar­mes Volk har­re, dass er ihm den Frie­den brin­ge; er müs­se se­hen, wie er dazu ge­lan­ge, und er habe ih­nen sein kö­nig­li­ches Wort ge­ge­ben, dass er nichts Un­rech­tes von ih­nen ver­lan­gen wol­le.

Dies sag­te der Kö­nig mit hei­te­rer Mie­ne und nach­drück­li­chem Tone; aber die Stim­mung war ihm ein we­nig ver­rückt wor­den. Er äu­ßer­te sich ent­täuscht ge­gen Oxens­tier­na, dass er nicht so vor­an­kom­me, wie er ge­hofft habe, es schei­ne fast, als müs­se er ge­gen die wi­der­spens­ti­gen Preu­ßen Ge­walt ge­brau­chen. Da­von riet ihm Oxens­tier­na ab, es kön­ne ihm ein schlech­tes An­se­hen ge­ben, er tue bes­ser, eine Ge­le­gen­heit ab­zu­war­ten. Ge­org Wil­helm schwan­ke hin und her wie ein Kahn auf be­weg­ter Flut, man müs­se den Au­gen­blick er­pas­sen, wo er auf die schwe­di­sche Sei­te nei­ge.

Von Schwar­zen­berg über­re­det, mach­te sich Ge­org Wil­helm mit ei­nem Heer nach Pil­lau auf, da­mit der Kö­nig von Po­len sehe, dass er sich nicht in ver­rä­te­rischem Ein­ver­ständ­nis mit sei­nem Schwa­ger be­fin­de. Es kam je­doch nicht zu ei­ner krie­ge­ri­schen Ak­ti­on, viel­mehr ver­sprach der Kur­fürst dem Kö­ni­ge bei ei­ner Zu­sam­men­kunft, ihm nicht in den Weg zu tre­ten. Gu­stav Adolf frag­te la­chend, ob er die Fa­bel ge­le­sen habe, dass es nicht gut sei, sich zwi­schen zwei kämp­fen­de Lö­wen zu stel­len? Er sol­le ru­hig zu­schau­en und sich nicht ein­mi­schen, dann wer­de ihm nichts zu­lei­de ge­sche­hen.

Nach der Des­sau­er Schlacht, sag­te der Kur­fürst, habe er ja den Kö­nig eif­rig ge­be­ten, zu kom­men und ihm Hil­fe zu brin­gen. Da­mals wür­de er sich ihm of­fen an­ge­schlos­sen ha­ben, aber Gu­stav Adolf sei all­zu sehr in den pol­ni­schen Krieg ver­bis­sen ge­we­sen. In­zwi­schen habe sich für ihn al­les ge­än­dert, der Däne sei ge­schla­gen, Mans­feld samt dem Wei­ma­ra­ner un­ten in der Tür­kei ge­stor­ben und ver­dor­ben, der Kai­ser mäch­tig. Er kön­ne nicht den Kai­ser und den Kö­nig von Po­len zu­gleich ge­gen sich auf­brin­gen.

Wie er nur so un­fürst­lich re­den möge, sag­te Gu­stav Adolf zu sei­nem Schwa­ger; es sei nicht rühm­lich für ihn, des ka­tho­li­schen Po­len Die­ner zu sein. Auch sei er Man­nes ge­nug, ihn zu schüt­zen, nur müs­se er, Gu­stav Adolf, sich wie­der­um auf ihn ver­las­sen kön­nen.

Ge­org Wil­helm hat­te sich in­zwi­schen durch ei­ni­ge Glä­ser Bier einen Mut an­ge­trun­ken und be­gann frei­er zu re­den: Die­se Ab­hän­gig­keit sei al­ler­dings läs­tig, aber es sei ja nur eine Form­sa­che, ein­re­den las­se er sich von dem Po­len nicht. Wo sein Herz sei, kön­ne Gu­stav Adolf wohl den­ken. Gu­stav Adolf sol­le doch nicht ver­ges­sen, dass sein Für­wort ihm sei­ner­zeit die Schwes­ter ver­schafft hät­te. Er wol­le so gern mit je­der­mann in Frie­den le­ben, und ge­ra­de er müs­se in die­ser bö­sen Zeit le­ben, wo es sei, als hät­ten alle ein Toll­kraut ge­fres­sen, dass sie über­ein­an­der her­fal­len müss­ten. Hät­te er doch in der gu­ten al­ten Zeit ge­lebt, wo man in Ruhe sei­ne Ha­sen ge­jagt und sei­ne Kan­ne ge­trun­ken hät­te.

Das woll­ten sie wohl noch mit­ein­an­der tun, sag­te Gu­stav Adolf la­chend. Er schös­se wohl zwi­schen­hin­ein auch ein­mal einen Ha­sen.