Als die Kaiserlichen unter Wallenstein in Verfolgung des Feindes an die Küste von Jütland kamen, sahen sie in der Ferne die dänischen Schiffe, die ihn unerreichbar entführten. Solche Rosse, die auf dem Wasser laufen könnten, möchte er auch haben, sagte Wallenstein zu Arnim, der neben ihm ritt, worauf dieser erwiderte, ja, ohne sie hätten sie die Dänen bis auf den letzten Mann niedergemacht, oder sie hätten in den Graben springen und ersaufen müssen. Wallenstein blieb stundenlang am Strande und starrte auf das unzugängliche Element, das, vor seinen Füßen ausgegossen, ihn durch sein Dasein unterjochte. Es wurmte ihn, dass das Göttertier seinen schäumenden Nacken dem geschlagenen Dänenkönige beugte und ihn, Wallenstein, den Sieger, verhöhnte. Es tanzte vor ihm über die Felsen, dass die aufspringenden Tropfen ihn bespritzten, überblies ihn mit dem Dampf seiner Nüstern, und sein jauchzendes Wiehern gellte ihm ins Gesicht, weil es wusste, dass er ihm keinen Zügel überwerfen konnte. Neue, mächtige Gedanken stiegen in ihm auf; armselig, dachte er, sei die Herrschaft der Erde; es sei das Meer, das Könige mache. Er dachte an Sidon und Tyrus, das Alexander vergeblich belagert hatte, an Griechenland und Rom und Byzanz. Was für ein Bettlerfürst war im Grunde der Kaiser deutscher Nation von jeher gewesen, ein Bauer auf einem verschuldeten Hofe, der niemals Geld in der Hand hatte; eine alte, verschrumpfte Reliquie, die von schlauen Marktschreiern ausgestellt und von Toren verehrt wurde. Macht hatten nur die, denen das Meer gehörte, England und Spanien, und jetzt die Holländer, die es ihnen geraubt hatten. Sie, die Krämer, hatten es gezähmt, das Zauberroß, aus dessen Mähne die unschätzbaren Perlen rinnen, dessen Hufschlag Sand in Gold verwandelt, dessen Atem bewaffnete Heere vernichtet. Wallenstein glaubte nicht, dass das heroische Element sich dem Bürgervolke lange bequemen würde; aber da war ein anderer, der es lockte und auf den es horchen mochte, ein junger, rascher König, den sein biegsamer Rücken schon oft getragen hatte, der Schwede Gustav Adolf, der war zu fürchten. Er überdachte, was für ein unbändiges Geschlecht die Wasa waren; sie planten wild und kühn ins Weite. Was für Träume mochte dieser Gustav haben, der, fast noch ein Knabe, das Schwert ergriffen und es siegreich hierhin und dorthin geführt hatte? Schweden war ihm zu arm und zu klein; er fantasierte, das wusste Wallenstein, von einem großen Bunde aller nordischen Mächte gegen Spanien und Österreich. In diesem Bunde würde keine aufrichtige Freundschaft sein; denn Gustav Adolf wollte nicht ein Gleicher unter anderen, sondern er wollte der Herr sein, Herr des Meeres, Herr der Erde. Zwischen ihm und den Dänen, wenn sie sich auch als nachbarliche Freunde gebärdeten, war Misstrauen und Eifersucht, ebenso zwischen ihm und den Staaten. Sie waren alle Nebenbuhler um das Meer; es müsste viel Blut fließen, dachte Wallenstein, bevor die Hochzeit mit dieser Amazone gefeiert würde.
Er ließ Arnim zu sich kommen, der vor zehn Jahren im Dienste Gustav Adolfs gestanden hatte, und fragte ihn über den schwedischen König aus. Ob die schwedischen Stände mit dem Kriege einverstanden wären? Ob er sein Land verlassen könne, ohne Rebellion befürchten zu müssen? Ob das Volk zum Handel fähig und willig sei? Arnim sagte, nein, was den Handel betreffe, so habe es damit noch gute Wege. Der König reite einen schärferen Trab als sein Volk, das gehe meist auf schweren Bauernschuhen zu Fuße. Sie wären auch mit dem Kriege nicht einverstanden; aber die Bauern ließen doch nicht von ihm, weil er der protestantische König sei und den Adel in Schranken halte. Freilich habe er, den Adel betreffend, die Zügel ein wenig lockerer gelassen als sein Vater und sein Großvater, denn ein Fürst könne ohne den Adel doch einmal nicht bestehen, und dadurch habe er nun auch den Adel so ziemlich auf seiner Seite. Rebellion habe er nicht zu befürchten, außer wenn er schwere Niederlagen erlitte; aber es würde ihn kaum einer besiegen. Die besonderen Eigenschaften seiner Person kämen dazu, ihn sicher zu machen, die alle Menschen fessele und beherrsche.
Wie denn seine Person beschaffen sei? fragte Wallenstein.
Das könne man nicht eigentlich beschreiben, erwiderte Arnim. Sein Antlitz sei, wenn er sich unter Menschen aufhalte, immer freundlich und kühn, sein Wort immer so fest und froh, als ob es ihm von Gott eingegeben sei. Er könne mit dem gemeinen Mann sprechen, als sei er seinesgleichen, und doch vergesse keiner je, dass er König sei. Es gehe etwas von ihm aus, dass man ihn liebhaben müsse, wenn man ihm auch dem Verstande nach misstraue.
Ob er tapfer und freigebig sei? fragte Wallenstein weiter. Ob er sein Tun lange vorher bedenke? Ob er den Weibern zugänglich sei oder sich von Günstlingen leiten lasse?
Ja, so tapfer wie er, sagte Arnim, sei kein anderer. Er sei verwegen, und seine Lust an Getümmel und Gefahr habe Anteil an seiner Kriegspolitik. Er habe auch den Glauben, es könne ihm nichts geschehen; aber das komme wohl mehr aus seinem sorglosen Gemüt als aus Stolz oder Religion. Freigebig sei er nicht eigentlich, weil er wenig habe, doch auch nicht geizig. Für seine Person liege ihm nichts am Gelde, er wolle nur sein Land reich und mächtig machen. Ebenso habe er für Pracht und Kunst nicht viel Sinn und schätze es nur, weil es die Dignität eines Landes vermehre; er für sich begehre nur Kampf und Abenteuer. Deswegen tue er aber doch nichts voreilig und unbedacht, und es sei überaus schwer, ihn zu täuschen oder zu überlisten, und wenn sein Wille auch stärker sein möchte als sein Rechnen, so verstehe er sich doch wohl auf Temporisieren, Dissimulieren und Hinhalten und könne Gelegenheit erwarten, wenn es sich um große Dinge handle. Die Weiber betreffend, so habe er einige Male unter seinem Stande geliebt, wisse die Flamme aber rechtzeitig auszutreten und fange nicht leicht Feuer. Günstlinge habe er nicht, und der Einfluss des Kanzlers Oxenstierna, wenn er auch sein Freund sei, dürfe nicht zu hoch angeschlagen werden; am Ende gehöre sein Herz ihm allein und fahre für sich verborgene Wege.
Warum er, Arnim, sich denn von Gustav Adolf getrennt habe, fragte Wallenstein zuletzt, da er ihn doch in so großer Konsideration zu haben scheine?
Da er nicht immer des Königs Meinung gewesen sei, sagte Arnim mit einem verdrossenen Blick auf Wallenstein, habe es ihm nicht länger gepasst, ihn ästimieren zu sollen. Was habe auch ein Brandenburger bei den Schweden zu tun? Der Schwede sei wohl besser zu leiden als der Pole; aber man wäre doch allemal froh, wieder unter sich zu sein.
Als Arnim sich entfernt hatte, wiederholte Wallenstein bei sich alles, was jener ihm gesagt hatte. Verborgene Wege, dachte er höhnisch; ihm wären die Wege des Schwedenkönigs nicht verborgen. Und sollten sie es Arnim sein? Sollte sich Arnim nicht deshalb von Gustav Adolf getrennt haben, weil er des Königs Absicht durchschaute, sich zum Herrn des Meeres, der deutschen Küsten, ja ganz Deutschlands zu machen? Was Arnim ihm über den Schweden gesagt hatte, war nicht geeignet, Wallenstein zu beruhigen, nur das war günstig, dass der König unbekümmert die Gefahr aufsuche; denn solche, dachte er, treffe zuletzt immer das Schicksal, das sie albern herausforderten, der Seiltänzer ende zerschmettert auf dem Pflaster. Eine Weile freilich schwebe er hoch wie der Vogel, noch halte den König sein Stern; darum sei er auch so sicher, weil sein Stern ihn ziehe. Wie lange das dauern werde, das sei die Frage. Wallenstein versuchte, ob er selbst, mit den Daten, die er hatte, des Königs Horoskop stellen könne.
Aus seiner Versunkenheit schreckte ihn eine kreischende Weiberstimme, die grell in die tiefe Stille, die im Hause herrschte, hineinfuhr. Wallenstein läutete einem Pagen und ließ den Offizier vor sich rufen, der die Wache im Hofe hatte. Was das zu bedeuten habe? fragte Wallenstein; ob er nicht wisse, dass er durch keinen Laut gestört werden dürfe? Der Anblick des Generals flößte dem jungen Mann solchen Schrecken ein, dass er zitterte: sein mageres Gesicht war aschgrau, und seine Augen sprühten Feuer wie brennende Kohlen. Der Fürst möge verzeihen, sagte der Offizier, ein Mädchen habe Wasser vom Brunnen geholt, um es zur Küche zu tragen, ein Soldat habe sie im Scherz um den Leib gefasst, da habe sie ihn mit Wasser bespritzt und geschrien. Er habe ihn schon ins Loch legen lassen.
Das sei nicht die Vorschrift, sagte Wallenstein scharf, er müsse hängen. Er solle sofort, ohne Verzug hängen. Sie könnten ihre Hurerei an abgelegenen Orten treiben. Auf diesen Hof dürften keine Weiber kommen, sie sollten das Wasser anderswo holen. Er brauche Ruhe zum Denken, der wachhabende Offizier müsse dafür einstehen; werde er noch einmal gestört, so falle die Strafe auf ihn.
Wallenstein starrte auf die unterbrochene Arbeit und schob sie zurück, um sie einem Astrologen zu geben; er hatte nun keine Ruhe mehr dazu. Jetzt und solange es noch Zeit sei, wollte er die Mittel überdenken, mit denen dem erobernden König zu begegnen sei. Das Sicherste sei, dachte er, ihm zuvorzukommen und sich zuerst auf das schnaubende Ross zu schwingen; denn wer einmal darauf sitze, dem würde es angehören. Zwar hatte er weder Häfen noch Schiffe, noch seetüchtige Mannschaft; aber einem starken Wollen müsse das zu erringen sein. Er suchte auf der Karte die deutschen Meerplätze, die zunächst in Betracht kamen: die Hansestädte würden eben jetzt noch nicht mit Gewalt, vielleicht aber mit List zu gewinnen sein. Sie fürchteten den Dänen und den Schweden, waren feige und geizig; vielleicht würden sie sich durch Handelsvorteile, die man ihnen einbildete, fangen lassen. Mit Mecklenburg war es anders, das hatte er durch Kriegsmacht in der Hand. Mit den beiden Herzögen, trägen, schwachsinnigen, vertrunkenen Herren, der frechen, selbstsüchtigen Ritterschaft, den an Knechtschaft gewöhnten Bauern würde er leicht fertig werden; nur durfte er nicht Tilly und durch ihn den Herzog von Bayern den Fuß hineinsetzen lassen. Er konnte sich dieses Landes bedienen, wie wenn es sein Eigentum wäre; das angrenzende Pommern würde ohnehin dem Kaiser zufallen, wenn der letzte Herzog, Boleslaw XIV., der sich um Manneskraft und Verstand gesoffen hatte, mit Tode abgegangen wäre. Wenn Brandenburg danach griffe, könnte man ihm auf die Finger klopfen; besorglich war es, dass der Schwede auf die gleiche Beute lauerte. Dahin durfte es nicht kommen, dass der Schwede den Fuß auf die deutsche Küste setzte; er, Wallenstein, wollte dafür sorgen, dass er auf kantige Felsen stieße, an denen seine Schiffe die Rippen zerbrächen, dass er froh sein müsste, auf einem Brett zu seinen Heringsdörfern zurückzuschwimmen.
Noch besser würde es doch sein, dachte Wallenstein weiter, wenn man den König anderweitig beschäftigen könne; und das gehe auf zweierlei Art, durch Polen oder durch Dänemark. Die Polen könnten zwar allein nichts ausrichten, und auch mit Dänemark sei der Ausgang fraglich; immerhin wäre doch Zeit gewonnen, während sie miteinander rauften. Erst kürzlich hatte er wieder Briefe aus Dänemark bekommen, die Stände verübelten es dem König, dass er sich absolut machen wolle, und würden den schlecht geführten Krieg gern benützen, um ihn abzusetzen und sich nach einem anderen Haupte umzusehen. Dies wäre ein Brocken, den man Gustav Adolf hinwerfen könnte, damit er sich die Zähne daran ausbisse. Nach einigem Besinnen setzte er mit eigener Hand einen Brief an den König auf: Es könne ihm nicht unbekannt geblieben sein, wie die Habgier des Königs von Dänemark das Römische Reich mit Krieg überzogen habe und wie er durch die kaiserlichen Waffen verdientermaßen heimgeschickt worden sei. Es verlaute, dass die Dänen sich dies ungeschickte Wesen sehr zu Herzen zögen und sich gern einem anderen Haupt unterwerfen wollten. Nun würde dem Kaiser nichts lieber sein, als an seinen Grenzen einen mächtigen und ehrliebenden Monarchen zu haben, mit dem er sicheres Bündnis halten könne, zumal da ja der König von Dänemark zugleich Glied des Reiches sei. Wenn Gustav Adolf sich dieses gleichsam verwaisten Landes annehmen wolle, so brauche er sich nicht zu besorgen, dass der Kaiser ihm zuwider sein würde, und was ihn, Wallenstein, betreffe, so wünsche er nichts sehnlicher, als ein gutes Verständnis mit der königlichen Würde von Schweden zu unterhalten und ihm seine Ergebenheit durch Taten zu beweisen.