Nachdem der Feind allerorten herausgeworfen und gefesselt war, begab sich Wallenstein nach Prag, wo viele Künstler und Handwerker tätig waren, ihm einen Palast zu erbauen und einzurichten. Er gefalle ihm soweit wohl, sagte Wallenstein; ob er nach der neuesten italienischen Art gemacht sei? Der Baumeister wies verschiedene Abbildungen und Risse neuer italienischer Paläste in Mantua, Florenz und Genua vor, um zu beweisen, dass er diesen pompösen und heroischen Stil nicht nur fleißig nachgeahmt, sondern in vieler Beziehung übertroffen habe, womit Wallenstein sich zufrieden erklärte. Auch die Maler, die gleichfalls zum Teil Italiener waren, legten ihm ihre Entwürfe zur Ausmalung der Gemächer vor, unter denen die bedeutendste eine Darstellung des Herzogs im Triumphwagen mit einem Lorbeerkranz auf dem Haupte war. Wallenstein betrachtete das Bild gründlich und sagte zu dem Maler, der es skizziert hatte, er solle eine genaue Aufnahme von ihm machen, damit es ähnlich werde und jedermann ihn erkennen könne. Ferner solle über seinem Haupte ein Stern zu sehen sein, als Symbolum der überirdischen Macht, die seine Triumphe regiere.
Von den italienischen Künstlern ließ er sich auch Beschreibungen der Kleidertrachten machen, die in Italien Mode waren, um danach für seinen Hofstaat Gewänder und Livreen anfertigen zu lassen. Seine Gemächer waren den ganzen Tag über von Besuchern voll, die ihm aufwarteten; denn es wollte keiner bei den Einladungen fehlen, die er veranstaltete und bei denen, wie es hieß, die üppigste Fabelpracht verwirklicht wurde.
Im engeren Kreise schilderte Wallenstein dem Kaiser die gegenwärtige Lage und was künftig unternommen werden müsse. Seiner Feinde wären viele, sagte er, die nordischen Reiche wären alle auf dem Sprunge gegen ihn, er müsse sich gerüstet finden lassen und ihnen zuvorkommen. Wenn auch jetzt ein Friede oder Waffenstillstand gemacht würde, so dürfe der Kaiser das Heer doch nicht abdanken; darauf lauerten seine Feinde nur. Um ein wahrhaft mächtiger Fürst zu sein, müsse der Kaiser das Meer beherrschen, sonst werde es ihm immer an Geld fehlen, das nur der Welthandel einbringe. Wenn man nicht aufmerke und Vorsorge, werde das Reich verarmen und die Staaten, Dänemark und Schweden auf seine Kosten reich und mächtig werden. Vielleicht könne der Kaiser die Hansestädte an sich ziehen und durch sie gewissermaßen ein Bollwerk gegen die nordischen Reiche aufrichten, sonst könne es geschehen, dass eines Tages der schwedische König in einen mecklenburgischen oder pommerschen Hafen einlaufe.
Wie weit es denn von da nach Prag sei? fragte Ferdinand verwundert. Für einen, der so große Schritte mache wie Gustav Adolf, sagte Wallenstein, nur ein paar Tagereisen.
Es sei eine Schmach für die Polen, sagte Ferdinand, dass sie ihren König, der der wahre König von Schweden sei, noch nicht wieder eingesetzt und den Usurpator verjagt hätten. Er möchte gern etwas dazutun, dass die katholische Kirche in Schweden wieder aufgerichtet werde, zumal ja der König von Polen sein Schwager sei. Er zweifle auch nicht am guten Erfolge, nachdem es mit den norddeutschen Stiftern sich so glücklich anlasse. Wie es denn in Magdeburg und Halberstadt aussehe? Ob es Schulen und Universitäten gebe? Ob sich das Volk dem alten Glauben leicht akkommodieren würde?
Das werde die Zeit lehren, sagte Wallenstein ablenkend. Man müsse mit der Religion nicht gleich so zufahren, sondern die Leute merken lassen, dass sie sich gut dabei ständen, zum Kaiser zu halten. Die Stände wären ohnehin überall kaiserlich, nur die Fürsten wären rebellisch und köderten das Volk mit der Religion.
Ja, die Fürsten, sagte der Kaiser seufzend, sie ließen ihm keine Ruhe, plagten ihn Tag und Nacht, und um nur Frieden zu haben, müsse er nachgeben.
Er wisse wohl, wohin sie zielten, sagte Wallenstein spöttisch; sie fürchteten seinen scharfen Besen, fühlten sich unter Schutt und Gerümpel wohl wie Ratten, schwane ihnen, sie könnten etwa mit hinausfliegen. Wenn einer seiner Untertanen ein so loses Maul gegen ihn machte wie die Fürsten gegen die kaiserliche Majestät, so würde er ihm ein Pflaster daraufsetzen, dass er es nie wieder auftäte.
Der Kaiser lachte; man hätte ja erfahren, was für einen Widerhall eine Maulschelle im Römischen Reich gäbe. Seit dem Böhmischen Krieg könne die Nymphe Echo nicht wieder zur Ruhe kommen.
Wenn ungehorsame Kinder bei Empfang elterlicher Züchtigung schrien, sagte Wallenstein, so müsse man damit fortfahren, bis sie stillschwiegen.
Wallenstein habe recht, sagte Eggenberg, man müsse sich eben der Reichsgesetze bedienen. Das Reich gehe in Stücke, weil jeder tue, was ihm beliebe, das müsse anders werden. Das kleine Geflügel brauche der Adler nicht zu fürchten, das sei froh, sich unter seine Fittiche verkriechen zu können; aber die Geier und Falken, die suchten Gelegenheit, ihm die Federn auszurupfen.
Kahl genug sei der edle Vogel schon, sagte Gerhard von Questenberg, Wallenstein verdanke man es, dass er wieder einen hohen Schwung genommen habe.
Der Kaiser wand sich ein wenig, als er zuerst von der Absetzung der Mecklenburger Herzöge hörte; die Übertragung der Pfalz an Bayern habe Lärm genug gemacht, nun werde es von Neuem anheben. Oft erreiche man mit gelinden Mitteln mehr; der Anhaltiner hätte sich unterworfen, der so lange getrotzt hätte, und man sähe jetzt, wie artig der junge Hessen aufwarte.
Ja, sagte Eggenberg, nachdem man dem alten Wolf die Zähne gezogen hätte, traue der junge sich nicht zu beißen; aber sowie sich diesen Schelmen ein Loch zeige, schlüpften sie wieder aus, das hätte man an dem Weimaraner und dem Altenburger gesehen.
Herr könne man ohne extreme Mittel nicht bleiben, sagte Questenberg. Man sähe, wie gut es dem König von Frankreich bekäme, dass er sich nicht zu lange besänne, eines ungehorsamen Vasallen Kopf springen zu lassen. Der König von Frankreich werde bald nur noch eine Kirche und einen Glauben im Lande haben.
Dieser Ausblick regte Ferdinands Unternehmungslust an. Dafür, meinte er, müsse man freilich alles wagen. Das wäre etwas, wenn er alles wieder einbringen könnte, was Karl V. und Ferdinand I. verloren hätten. Er möchte wetten, der Papst hätte sich so viel nicht von ihm versehen. Sein Sohn Leopold könne die Bistümer Halberstadt und Magdeburg, etwa auch Bremen bekommen, der sei fast ein Heiliger und müsse selbst Kannibalen bekehren können.
Eggenberg warnte, damit müsse Ferdinand etwas gemach kommen, es möchte ihm sonst ausgelegt werden, als wolle er seine Familie versorgen.
Und warum er das nicht solle? fragte Ferdinand, ein wenig gereizt. Seine bayrischen Vettern hätten Köln und Paderborn, ob er, der Kaiser, nicht ebenso viel beanspruchen könne?
Wallenstein und Eggenberg wechselten einen Blick, welcher bedeutete, dass der Kaiser an diesem Punkte reizbar sei und dass man ihm da wohl etwas werde nachgeben müssen. Überhaupt schwelgte Ferdinand zurzeit in Triumphen und nahm Widriges nicht gern auf; denn er hielt zum ersten Male seit der böhmischen Rebellion Hof in Prag, führte seiner Gattin, einer mantuanischen Prinzessin, die gebändigte Kaiserstadt vor und weidete sich an dem Glanze der wieder hergestellten Kirche. Die Krönung Erzherzog Ferdinands zum König von Böhmen wurde umso prächtiger begangen, als es dem Kaiser nötig schien, seinen Bruder Leopold zu überbieten, der kürzlich seinen langgehegten Entschluss ausgeführt und nach glücklicher Befreiung von der Bischofswürde eine italienische Prinzessin geheiratet, die Hochzeit aber trotz seiner Armut und üblichen Bettelei kostspieliger ausgerüstet hatte, als die des Kaisers mit Eleonore Gonzaga gewesen war. Ferner gaben die Einweihung der auf dem Schlachtfelde am Weißen Berge gegründeten und der Mutter Gottes geweihten Kirche sowie die Erhebung der Gebeine des heiligen Norbert und die Anwesenheit vieler Fürsten und Herren Anlass genug zu weihevollen Festlichkeiten.
Es machte dem Kaiser nicht wenig Spaß, dass der junge Landgraf von Hessen-Kassel, der Sohn seines grimmigen Feindes, Zeuge dieser Siegesherrlichkeit war. Nach Übernahme der Regierung war der Landgraf nach Prag gereist, um durch persönliche Bitte eine Ermäßigung der großen Schuldenlast zu erreichen, die sein noch dazu gewaltsam verkleinertes Land zugrunde richtete. Die Zähne zusammenbeißend, ertrug er die Demütigungen, die seinen Stolz auf Schritt und Tritt kränkten, und als welche er auch die Herzlichkeit empfand, mit der man ihm entgegenkam. Der schöne, zurückhaltende und gebildete Fürst bezauberte nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer, besonders aber gefiel er der Kaiserin, die überhaupt eine Freundin der Geselligkeit und Abwechslung war und sich an den Andachtsübungen ihres Mannes nur beteiligte, soweit sie mit Gepränge verbunden waren. Der Kaiser pflegte sie mit ihrer Vorliebe für ketzerische Prinzen und namentlich für den Prinzen Wilhelm von Weimar zu necken, den sie zurzeit seiner Gefangenschaft begünstigt hatte. Ja, ja, sagte die Kaiserin, diese Nordleute kämen ihr erst wie die eigentlichen Männer vor. Der Landgraf von Hessen sei dem Weimaraner noch vorzuziehen, er habe etwas von der schlanken Herbigkeit des Diomedes, etwas von der edlen Beständigkeit des Hektor und zugleich etwas von der schönen Schwermut des Antinous. Was Gott nur dabei beabsichtige, dass er solche Männer in der Ketzerei steckenlasse? sie wolle alles daransetzen, ihn zur Kirche zu bekehren. Ferdinand betrachtete seine Gemahlin mit einer Mischung von Bewunderung und Schadenfreude; ihrem Verstande und ihrer Schönheit gelinge mehr als anderen Menschen, sagte er, vielleicht erwerbe sie sich noch die Goldene Rose vom Heiligen Vater. Einer feinen italienischen Frauenhand, sagte die Kaiserin mit selbstzufriedenem Lächeln, gelinge es oft eher, das verstrickte Staatsknäuel zu entwirren, als ungeschlachten Männern; er solle sie nur machen lassen und den jungen Hessen zu häufigen Besuchen ermuntern.
Eines Tages wurde der Landgraf von der Kaiserin und ihrem Gefolge im Park empfangen, wo sich hinter einer Lorbeerhecke ein breiter Rasenplatz erstreckte, dessen Mitte ein figurenreicher eherner Brunnen zierte. Das sei ein vorzüglicher Platz, um Blindekuh zu spielen, sagte die Kaiserin, ihre Fräuleins brennten schon darauf, ihn ein wenig zu zupfen. Wilhelm bat die Kaiserin, ihn zu entschuldigen; er habe den Grundsatz, sagte er scherzend, sich niemals die Augen verbinden zu lassen. Auch nicht, wenn einem dabei unversehens ein warmer Busen ans Herz fliege? sagte die Kaiserin. Dieser Grundsatz sei für einen Fürsten gut, aber er tauge nicht für verliebte Jugend, und in diesem Park gelte kein Rang noch Staatsräson. Er solle den Amor ansehen, der auf der Spitze des Brunnens stehe und eben den Bogen spanne; einzig der kleine Gott herrsche hier. Wenn er aber durchaus nicht mithalten möge, solle er sich mit ihr auf die Terrasse setzen und dem Spiele zusehen. Unter vielem Gekicher verbanden die Fräuleins einem Kammerherrn die Augen, umschwärmten ihn, bespritzten ihn mit Wasser aus dem Brunnen, und indem sie so taten, als ob sie sich davor hüteten, gaben sie sich Mühe, gefangen zu werden. Dann kam ein Geistlicher an die Reihe, der beim Laufen über sein langes Kleid stolperte, was die Lustigkeit der Mädchen vermehrte, die überhaupt ihm gegenüber noch ausgelassener waren.
Als die Spielenden auf einen Wink der Kaiserin die Terrasse aufsuchten, sagte der Geistliche zu Wilhelm, es habe ihn gewiss gewundert, dass ein Mann seines Standes sich dem Vergnügen hingebe; die Kirche sei eine mildherzige Mutter, die gehorsamen Kindern gern eine Kurzweil gönne und auch die Sünde verzeihe, weil sie die Schwachheit des Fleisches kenne. Es sei weich und wonnig an ihrer Brust zu ruhen, wenn es nur jeder versuchen möchte.
Wilhelm sei wirklich hart und kalt wie nordisches Eis, fuhr die Kaiserin fort. Wüsste sie nur, was für eine Sonne sie aufgehen lassen müsste, um ihn zu schmelzen.
Ein Fräulein bemerkte, die gnadenreichen Augen der Kaiserin wären die mächtigste Sonne; was die nicht erwirke, vermöge keine andere.
Für einen jungen Mann sei ein junges Mägdlein mehr wert als die erhabenste Kaiserin, sagte Eleonore lachend.
Wilhelms Augen glitten flüchtig und fast mit Widerwillen über die vom Spiel erhitzten, hochatmenden Fräuleins, die neugierige und verlangende Blicke nach ihm warfen. Die Kaiserin sei zu gütig gegen ihn, sagte er, er sei seit sieben Jahren verheiratet und kein Junggeselle mehr. Wäre er es aber, so würde er kühn genug sein, seine Huldigung der höchsten unter allen Frauen zu Füßen zu legen und lieber im Anschaun eines unerreichbaren Sternes verschmachten als ein geringeres Glück umarmen.
Die glänzenden Augen der Kaiserin verdunkelten sich, und ihre bräunlichroten Wangen färbten sich tiefer. Er wisse männliche Bescheidenheit so wohl mit ritterlicher Kühnheit zu vereinen, sagte sie, dass keine Dame ihm zürnen könne. Zum Zeichen dessen wolle sie ihm gestatten, sie am folgenden Tage zur Messe zu begleiten.
Er werde sich glücklich schätzen, sie bis zur Kirchentür zu führen, sagte Wilhelm, hinein wage er nicht zu gehen, da er die Gebräuche nicht kenne und zu verstoßen fürchte.
Die Kaiserin warf sich in ihren Sessel zurück und blitzte ihn aus zornigen Augen an. Ihre Güte mache ihn zu dreist, sagte sie. Wenn er sich die Augen nicht verbinden lasse, solle er wissen, dass andere sich auch nicht an der Nase führen ließen.
Wilhelm bat um Verzeihung, wenn er ohne Wissen beleidigt habe. Sein Wunsch sei, ihr zu dienen, so viel er vermöge, nicht, ihre Güte zu missbrauchen. Sie möge ihm, der als Fremdling und Bittsteller am Hofe verweile, ihre Huld nicht entziehen, weil er, unter Pflege der Wissenschaften und zwischen vielen Drangsalen und Kämpfen aufgewachsen, in diesem strahlenden Kreise sich nicht zurechtzufinden wisse. In seinen Augen lag ein Tadel und Vorwurf, der nicht zu seinen Worten stimmte, der aber dazu beitrug, die Zürnende zu entwaffnen. Sie reichte ihm die Hand zum Kusse und sagte, dass ihr vorhin gesprochenes Wort, hier herrsche kein Zwang außer Amors, gelten und Ernst und Empfindlichkeit verbannt sein sollten.
Im Wallensteinschen Palast, wo er antichambrieren musste, traf er mit Piccolomini, Colloredo und del Caretto zusammen, die sich lebhaft über die Machinationen der gerade in Bingen versammelten Kurfürsten gegen ihren General unterhielten. Er hätte große Lust, einen Sprung an den Rhein hinüber zu machen, sagte Colloredo, und das Wespennest auszuräuchern. Man müsse es nicht so wichtig nehmen, sagte Piccolomini, das wären nur Bremsen und Schmeißfliegen, die freilich ein edles Schlachtpferd plagten, es aber nicht umbringen könnten. Der General kümmere sich gar nicht darum und habe recht; sie wollten, dass er sein Heer vermindere, daran sei natürlich nicht zu denken, am wenigsten, wenn das Restitutionsedikt erlassen würde, was doch die geistlichen Herren gerade wollten. Was das eigentlich sei, das Restitutionsedikt? fragte Colloredo. Genau wisse er es auch nicht, sagte Piccolomini, es betreffe die Klöster und geistlichen Güter, die die Evangelischen den Katholiken weggenommen hätten und nun restituieren sollten. Colloredo zuckte die Achseln; die Kirche habe ohnehin genug, meinte er; aber ihm sei es schließlich gleich, warum geschlagen würde. Nun, sagte Piccolomini, das sei doch mit Unterschied zu verstehen; aber darin halte er es auch mit Wallenstein, dass er glaube, es könne einer mit jeder Konfession ein redlicher Kavalier und ein Held sein. Dabei wandte er sich mit liebenswürdigem Ausdruck seiner braunen Augen an Wilhelm, sprach von der weltbekannten Tapferkeit der hessischen Fürsten und wie schön es sein würde, wenn Wilhelm unter Wallenstein die Lorbeeren seines Hauses vermehren wollte. Der junge Landgraf sagte, dass er die Regierung seines Landes habe übernehmen müssen, welches sehr durch den Krieg gelitten habe und dessen Wiederherstellung er seine ganze Kraft widmen müsse. Piccolomini sprach sein herzliches Bedauern aus; der Friede sei eine schöne, heilige Sache, sagte er; wenn er auch mit Leib und Seele Soldat sei, so verkenne er das doch nicht. Wallenstein ziele auch auf nichts anderes als den Frieden ab, und der Landgraf werde sehen, wie bereit Wallenstein sein werde, ihm gefällig zu sein.
In der Tat empfing Wallenstein den jungen Fürsten bei aller Majestät verbindlich und vertraulich. Er schätze Wilhelms Verständigkeit hoch, sagte er, und freue sich, dass der leidige Streit nun soweit beigelegt sei. Dass die Entscheidungen des Reichsgerichtes nicht immer der Gerechtigkeit gemäß ausfielen, wisse man ja leider; es zeuge von hoher Einsicht, wenn man sich in das Unabänderliche füge. Auch seien im Verlauf dieses langwierigen Krieges noch manche Veränderungen möglich; der Landgraf solle sich mit ihm vereinigen, um den Frieden herbeizuführen.
Sein Vater sowohl wie er, sagte Wilhelm, ermangelten der Friedensliebe nicht. Der Krieg sei ihnen wider Willen und ohne Schuld ins Land gespielt worden.
Es hange eben nicht alles von ihm und vom Kaiser ab, sagte Wallenstein; er wisse bestimmt, dass Tilly dem kaiserlichen Befehl zuwider in Hessen eingefallen sei, man wisse ja, wer diese alte Marionette tanzen lasse. Nun aber hoffe er, werde sich ein gutes Vernehmen herstellen lassen. Er perturbiere niemanden in der Religion. Der Kaiser in seiner Gutherzigkeit gebe leider den Jesuiten und Beichtvätern zu viel nach. Diese Leute wollten herrschen, darum müsse man den Daumen daraufhalten, die Frömmigkeit sei apart. Ob Wilhelm auch so gelehrt sei wie sein Vater, der Landgraf Moritz? Er, Wallenstein, sei auch ein Liebhaber der Wissenschaften, könne sich ihnen aber wegen des leidigen Krieges nicht so widmen, wie er möchte.
Er führte Wilhelm selbst in seinem Palaste umher und zeigte ihm umständlich die prachtvollen Räume, die reiche Einrichtung und die weitläufigen Parkanlagen. Wilhelm betrachtete alles flüchtig mit einem bohrenden Gefühl von Neid und Schmerz. Er könne leider, sagte er endlich, die Schönheiten Prags nicht so recht genießen; die Köpfe der böhmischen Herren, die er am Tore aufgespießt gesehen hätte, verstörten ihm jedes Bild.
Wallenstein zog die Brauen zusammen; im Reich bilde man sich ein, diese Leute wären Märtyrer des evangelischen Glaubens gewesen; das sei aber ein Irrtum. Es wären ungehorsame Vasallen gewesen und mit Recht gerichtet.
Der Kaiser selbst zeichnete Wilhelm so weit aus, dass er ihm Anleitung in dem Kartenspiel Primera gab, das er besonders liebte, und ihn in vertrauliche Gespräche hineinzog. Der Abt Questenberg, der wegen der Eroberung der Norbertischen Gebeine sehr gefeiert wurde, sagte, so wie man den heiligen Nepomuk das rechte Auge der Stadt Prag genannt hätte, könne man nunmehr billig den heiligen Norbert das linke nennen, und es sei Prag erst jetzt im vollen Besitze seines Augenlichtes. Wenn ihm jetzt nur noch ein Wunsch erfüllt würde, setzte der Kaiser hinzu; er habe gehört, in der Abtei Hersfeld befinde sich einer von den Nägeln, mit denen Christus ans Kreuz geschlagen sei. Der Gedanke an diese Reliquie verfolge ihn seitdem überall; ob Wilhelm sie ihm nicht verschaffen könne? Wilhelm sagte, dass ihm nichts davon bekannt sei, dass er aber nachforschen lassen und, falls etwas Derartiges vorhanden wäre, es gern dem Kaiser überreichen wolle.
Auch dies Versprechen jedoch führte nicht dazu, dass Wilhelm irgendetwas Tatsächliches erreicht hätte, und mit einem Herzen voll Bitterkeit trat er die Rückreise an. In Nürnberg wurde er ehrenvoll begrüßt und beschenkt und hielt gegen die Ratsherren seinen Unmut nicht zurück. In Prag, erzählte er, vernehme man kein klares, deutsches, aufrichtiges Wort, da herrsche spanischer Hochmut und welscher Trug; die Stadt komme einem strangulierten Leichnam gleich, den man prächtig angekleidet und aufrecht hingesetzt habe, um die Vorübergehenden zu täuschen; aber wer offene Sinne habe, spüre den Verwesungsgeruch.
Die Ratsherren sagten, sie wären bisher mit Stillsitzen und Vorsicht leidlich verschont geblieben. Im Jahre 1625 habe Wallenstein im Nürnbergischen Quartier nehmen wollen, da hätten sie sich mit 100.000 Gulden losgekauft. Hätten auch in Wien lange deswegen antichambrieren müssen, ja, und dem Aldringen hätten sie noch 1000 Goldgulden persönlich dreingegeben. Inzwischen hätten sie den Bau des neuen Theaters fertiggestellt, das eben jetzt mit einer Tragödie von der Zerstörung Trojas eröffnet werde, welcher Vorstellung beizuwohnen sie Wilhelm einluden.
Das Spiel begann mit der Vermählung der Königstochter Polyxena, die angesichts der bedrängten Burg vollzogen wird. Wie sich der festliche Zug anschickt, zur Einnehmung eines Mahls das Innere des Schlosses aufzusuchen, ertönt ein Schrei der Kassandra, die in visionärem Zustande das Haus vor sich in Flammen sieht und die Luft vom Geheul Sterbender und schneidender Wehklage erfüllt hört. Da die übrigen nichts davon wahrnehmen, schelten sie Kassandra wahnsinnig und schreiten endlich über die sich am Boden Windende hinweg unter dem Klange von Flöten und Zimbeln in die Burg. Das Schlussbild zeigte die Burg in Flammen, wie Kassandra es vorausgesehen hatte, und zwar wurde die Brunst durch ein prächtiges Feuerwerk dargestellt, das zugleich die Anwesenheit des Landgrafen feiern sollte. Nach dem Fallen des Vorhangs trat ein Schauspieler vor und sprach als Epilog die folgenden Verse:
Gefalln ist Troja nun, die Asche ihrer Pracht
Düngt die entblößte Erd und fördert wildes Kraut,
Durch das die Schlange kriecht und ihren Klagelaut
Die Eule schallen lässt in langer Wüstennacht.
O jämmerliches End der blinden Sterblichkeit!
Verhüll dich doch, o Mensch, und such den edlen Pfad,
Der aus der morschen Welt führt in die Ewigkeit,
Wo du frisch auferstehst aus Gottes Frühlingsbad.