26.

Nach­dem der Feind al­ler­or­ten her­aus­ge­wor­fen und ge­fes­selt war, be­gab sich Wal­len­stein nach Prag, wo vie­le Künst­ler und Hand­wer­ker tä­tig wa­ren, ihm einen Palast zu er­bau­en und ein­zu­rich­ten. Er ge­fal­le ihm so­weit wohl, sag­te Wal­len­stein; ob er nach der neues­ten ita­lie­ni­schen Art ge­macht sei? Der Bau­meis­ter wies ver­schie­de­ne Ab­bil­dun­gen und Ris­se neu­er ita­lie­ni­scher Pa­läs­te in Man­tua, Flo­renz und Ge­nua vor, um zu be­wei­sen, dass er die­sen pom­pö­sen und he­ro­i­schen Stil nicht nur flei­ßig nach­ge­ahmt, son­dern in vie­ler Be­zie­hung über­trof­fen habe, wo­mit Wal­len­stein sich zu­frie­den er­klär­te. Auch die Ma­ler, die gleich­falls zum Teil Ita­lie­ner wa­ren, leg­ten ihm ihre Ent­wür­fe zur Aus­ma­lung der Ge­mä­cher vor, un­ter de­nen die be­deu­tends­te eine Dar­stel­lung des Her­zogs im Tri­um­phwa­gen mit ei­nem Lor­beer­kranz auf dem Haup­te war. Wal­len­stein be­trach­te­te das Bild gründ­lich und sag­te zu dem Ma­ler, der es skiz­ziert hat­te, er sol­le eine ge­naue Auf­nah­me von ihm ma­chen, da­mit es ähn­lich wer­de und je­der­mann ihn er­ken­nen kön­ne. Fer­ner sol­le über sei­nem Haup­te ein Stern zu se­hen sein, als Sym­bo­lum der über­ir­di­schen Macht, die sei­ne Tri­um­phe re­gie­re.

Von den ita­lie­ni­schen Künst­lern ließ er sich auch Be­schrei­bun­gen der Klei­der­trach­ten ma­chen, die in Ita­li­en Mode wa­ren, um da­nach für sei­nen Hof­staat Ge­wän­der und Li­vreen an­fer­ti­gen zu las­sen. Sei­ne Ge­mä­cher wa­ren den gan­zen Tag über von Be­su­chern voll, die ihm auf­war­te­ten; denn es woll­te kei­ner bei den Ein­la­dun­gen feh­len, die er ver­an­stal­te­te und bei de­nen, wie es hieß, die üp­pigs­te Fa­bel­pracht ver­wirk­licht wur­de.

Im en­ge­ren Krei­se schil­der­te Wal­len­stein dem Kai­ser die ge­gen­wär­ti­ge Lage und was künf­tig un­ter­nom­men wer­den müs­se. Sei­ner Fein­de wä­ren vie­le, sag­te er, die nor­di­schen Rei­che wä­ren alle auf dem Sprun­ge ge­gen ihn, er müs­se sich ge­rüs­tet fin­den las­sen und ih­nen zu­vor­kom­men. Wenn auch jetzt ein Frie­de oder Waf­fen­still­stand ge­macht wür­de, so dür­fe der Kai­ser das Heer doch nicht ab­dan­ken; dar­auf lau­er­ten sei­ne Fein­de nur. Um ein wahr­haft mäch­ti­ger Fürst zu sein, müs­se der Kai­ser das Meer be­herr­schen, sonst wer­de es ihm im­mer an Geld feh­len, das nur der Welt­han­del ein­brin­ge. Wenn man nicht auf­mer­ke und Vor­sor­ge, wer­de das Reich ver­ar­men und die Staa­ten, Dä­ne­mark und Schwe­den auf sei­ne Kos­ten reich und mäch­tig wer­den. Vi­el­leicht kön­ne der Kai­ser die Han­se­städ­te an sich zie­hen und durch sie ge­wis­ser­ma­ßen ein Boll­werk ge­gen die nor­di­schen Rei­che auf­rich­ten, sonst kön­ne es ge­sche­hen, dass ei­nes Ta­ges der schwe­di­sche Kö­nig in einen meck­len­bur­gi­schen oder pom­mer­schen Ha­fen ein­lau­fe.

Wie weit es denn von da nach Prag sei? frag­te Fer­di­nand ver­wun­dert. Für einen, der so große Schrit­te ma­che wie Gu­stav Adolf, sag­te Wal­len­stein, nur ein paar Ta­ge­rei­sen.

Es sei eine Schmach für die Po­len, sag­te Fer­di­nand, dass sie ih­ren Kö­nig, der der wah­re Kö­nig von Schwe­den sei, noch nicht wie­der ein­ge­setzt und den Usur­pa­tor ver­jagt hät­ten. Er möch­te gern et­was da­zu­tun, dass die ka­tho­li­sche Kir­che in Schwe­den wie­der auf­ge­rich­tet wer­de, zu­mal ja der Kö­nig von Po­len sein Schwa­ger sei. Er zweifle auch nicht am gu­ten Er­fol­ge, nach­dem es mit den nord­deut­schen Stif­tern sich so glück­lich an­las­se. Wie es denn in Mag­de­burg und Hal­ber­stadt aus­se­he? Ob es Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten gebe? Ob sich das Volk dem al­ten Glau­ben leicht ak­kom­mo­die­ren wür­de?

Das wer­de die Zeit leh­ren, sag­te Wal­len­stein ab­len­kend. Man müs­se mit der Re­li­gi­on nicht gleich so zu­fah­ren, son­dern die Leu­te mer­ken las­sen, dass sie sich gut da­bei stän­den, zum Kai­ser zu hal­ten. Die Stän­de wä­ren oh­ne­hin über­all kai­ser­lich, nur die Fürs­ten wä­ren re­bel­lisch und kö­der­ten das Volk mit der Re­li­gi­on.

Ja, die Fürs­ten, sag­te der Kai­ser seuf­zend, sie lie­ßen ihm kei­ne Ruhe, plag­ten ihn Tag und Nacht, und um nur Frie­den zu ha­ben, müs­se er nach­ge­ben.

Er wis­se wohl, wo­hin sie ziel­ten, sag­te Wal­len­stein spöt­tisch; sie fürch­te­ten sei­nen schar­fen Be­sen, fühl­ten sich un­ter Schutt und Ge­rüm­pel wohl wie Rat­ten, schwa­ne ih­nen, sie könn­ten etwa mit hin­aus­flie­gen. Wenn ei­ner sei­ner Un­ter­ta­nen ein so lo­ses Maul ge­gen ihn mach­te wie die Fürs­ten ge­gen die kai­ser­li­che Ma­je­stät, so wür­de er ihm ein Pflas­ter dar­auf­set­zen, dass er es nie wie­der auf­tä­te.

Der Kai­ser lach­te; man hät­te ja er­fah­ren, was für einen Wi­der­hall eine Maul­schel­le im Rö­mi­schen Reich gäbe. Seit dem Böh­mi­schen Krieg kön­ne die Nym­phe Echo nicht wie­der zur Ruhe kom­men.

Wenn un­ge­hor­sa­me Kin­der bei Empfang el­ter­li­cher Züch­ti­gung schri­en, sag­te Wal­len­stein, so müs­se man da­mit fort­fah­ren, bis sie still­schwie­gen.

Wal­len­stein habe recht, sag­te Eg­gen­berg, man müs­se sich eben der Reichs­ge­set­ze be­die­nen. Das Reich gehe in Stücke, weil je­der tue, was ihm be­lie­be, das müs­se an­ders wer­den. Das klei­ne Ge­flü­gel brau­che der Ad­ler nicht zu fürch­ten, das sei froh, sich un­ter sei­ne Fit­ti­che ver­krie­chen zu kön­nen; aber die Gei­er und Fal­ken, die such­ten Ge­le­gen­heit, ihm die Fe­dern aus­zu­rup­fen.

Kahl ge­nug sei der edle Vo­gel schon, sag­te Ger­hard von Ques­ten­berg, Wal­len­stein ver­dan­ke man es, dass er wie­der einen ho­hen Schwung ge­nom­men habe.

Der Kai­ser wand sich ein we­nig, als er zu­erst von der Ab­set­zung der Meck­len­bur­ger Her­zö­ge hör­te; die Über­tra­gung der Pfalz an Bay­ern habe Lärm ge­nug ge­macht, nun wer­de es von Neu­em an­he­ben. Oft er­rei­che man mit ge­lin­den Mit­teln mehr; der An­hal­ti­ner hät­te sich un­ter­wor­fen, der so lan­ge ge­trotzt hät­te, und man sähe jetzt, wie ar­tig der jun­ge Hes­sen auf­war­te.

Ja, sag­te Eg­gen­berg, nach­dem man dem al­ten Wolf die Zäh­ne ge­zo­gen hät­te, traue der jun­ge sich nicht zu bei­ßen; aber so­wie sich die­sen Schel­men ein Loch zei­ge, schlüpf­ten sie wie­der aus, das hät­te man an dem Wei­ma­ra­ner und dem Al­ten­bur­ger ge­se­hen.

Herr kön­ne man ohne ex­tre­me Mit­tel nicht blei­ben, sag­te Ques­ten­berg. Man sähe, wie gut es dem Kö­nig von Frank­reich be­käme, dass er sich nicht zu lan­ge be­sän­ne, ei­nes un­ge­hor­sa­men Va­sal­len Kopf sprin­gen zu las­sen. Der Kö­nig von Frank­reich wer­de bald nur noch ei­ne Kir­che und ei­nen Glau­ben im Lan­de ha­ben.

Die­ser Aus­blick reg­te Fer­di­n­ands Un­ter­neh­mungs­lust an. Da­für, mein­te er, müs­se man frei­lich al­les wa­gen. Das wäre et­was, wenn er al­les wie­der ein­brin­gen könn­te, was Karl V. und Fer­di­nand I. ver­lo­ren hät­ten. Er möch­te wet­ten, der Papst hät­te sich so viel nicht von ihm ver­se­hen. Sein Sohn Leo­pold kön­ne die Bi­stü­mer Hal­ber­stadt und Mag­de­burg, etwa auch Bre­men be­kom­men, der sei fast ein Hei­li­ger und müs­se selbst Kan­ni­ba­len be­keh­ren kön­nen.

Eg­gen­berg warn­te, da­mit müs­se Fer­di­nand et­was ge­mach kom­men, es möch­te ihm sonst aus­ge­legt wer­den, als wol­le er sei­ne Fa­mi­lie ver­sor­gen.

Und warum er das nicht sol­le? frag­te Fer­di­nand, ein we­nig ge­reizt. Sei­ne bay­ri­schen Vet­tern hät­ten Köln und Pa­der­born, ob er, der Kai­ser, nicht eben­so viel be­an­spru­chen kön­ne?

Wal­len­stein und Eg­gen­berg wech­sel­ten einen Blick, wel­cher be­deu­te­te, dass der Kai­ser an die­sem Punk­te reiz­bar sei und dass man ihm da wohl et­was wer­de nach­ge­ben müs­sen. Über­haupt schwelg­te Fer­di­nand zur­zeit in Tri­um­phen und nahm Wi­d­ri­ges nicht gern auf; denn er hielt zum ers­ten Male seit der böh­mi­schen Re­bel­li­on Hof in Prag, führ­te sei­ner Gat­tin, ei­ner man­tua­ni­schen Prin­zes­sin, die ge­bän­dig­te Kai­ser­stadt vor und wei­de­te sich an dem Glan­ze der wie­der her­ge­stell­ten Kir­che. Die Krö­nung Erz­her­zog Fer­di­n­ands zum Kö­nig von Böh­men wur­de umso präch­ti­ger be­gan­gen, als es dem Kai­ser nö­tig schi­en, sei­nen Bru­der Leo­pold zu über­bie­ten, der kürz­lich sei­nen lang­ge­heg­ten Ent­schluss aus­ge­führt und nach glück­li­cher Be­frei­ung von der Bi­schofs­wür­de eine ita­lie­ni­sche Prin­zes­sin ge­hei­ra­tet, die Hoch­zeit aber trotz sei­ner Ar­mut und üb­li­chen Bet­te­lei kost­spie­li­ger aus­ge­rüs­tet hat­te, als die des Kai­sers mit Eleo­no­re Gon­za­ga ge­we­sen war. Fer­ner ga­ben die Ein­wei­hung der auf dem Schlacht­fel­de am Wei­ßen Ber­ge ge­grün­de­ten und der Mut­ter Got­tes ge­weih­ten Kir­che so­wie die Er­he­bung der Ge­bei­ne des hei­li­gen Nor­bert und die An­we­sen­heit vie­ler Fürs­ten und Her­ren An­lass ge­nug zu wei­he­vol­len Fest­lich­kei­ten.

Es mach­te dem Kai­ser nicht we­nig Spaß, dass der jun­ge Land­graf von Hes­sen-Kas­sel, der Sohn sei­nes grim­mi­gen Fein­des, Zeu­ge die­ser Sie­ges­herr­lich­keit war. Nach Über­nah­me der Re­gie­rung war der Land­graf nach Prag ge­reist, um durch per­sön­li­che Bit­te eine Er­mä­ßi­gung der großen Schul­den­last zu er­rei­chen, die sein noch dazu ge­walt­sam ver­klei­ner­tes Land zu­grun­de rich­te­te. Die Zäh­ne zu­sam­men­bei­ßend, er­trug er die De­mü­ti­gun­gen, die sei­nen Stolz auf Schritt und Tritt kränk­ten, und als wel­che er auch die Herz­lich­keit emp­fand, mit der man ihm ent­ge­gen­kam. Der schö­ne, zu­rück­hal­ten­de und ge­bil­de­te Fürst be­zau­ber­te nicht nur die Frau­en, son­dern auch die Män­ner, be­son­ders aber ge­fiel er der Kai­se­rin, die über­haupt eine Freun­din der Ge­sel­lig­keit und Ab­wechs­lung war und sich an den An­dachts­übun­gen ih­res Man­nes nur be­tei­lig­te, so­weit sie mit Ge­prän­ge ver­bun­den wa­ren. Der Kai­ser pfleg­te sie mit ih­rer Vor­lie­be für ket­ze­ri­sche Prin­zen und na­ment­lich für den Prin­zen Wil­helm von Wei­mar zu ne­cken, den sie zur­zeit sei­ner Ge­fan­gen­schaft be­güns­tigt hat­te. Ja, ja, sag­te die Kai­se­rin, die­se Nord­leu­te kämen ihr erst wie die ei­gent­li­chen Män­ner vor. Der Land­graf von Hes­sen sei dem Wei­ma­ra­ner noch vor­zu­zie­hen, er habe et­was von der schlan­ken Her­big­keit des Dio­me­des, et­was von der ed­len Be­stän­dig­keit des Hek­tor und zu­gleich et­was von der schö­nen Schwer­mut des An­ti­nous. Was Gott nur da­bei be­ab­sich­ti­ge, dass er sol­che Män­ner in der Ket­ze­rei ste­cken­las­se? sie wol­le al­les dar­an­set­zen, ihn zur Kir­che zu be­keh­ren. Fer­di­nand be­trach­te­te sei­ne Ge­mah­lin mit ei­ner Mi­schung von Be­wun­de­rung und Scha­den­freu­de; ih­rem Ver­stan­de und ih­rer Schön­heit ge­lin­ge mehr als an­de­ren Men­schen, sag­te er, viel­leicht er­wer­be sie sich noch die Gol­de­ne Rose vom Hei­li­gen Va­ter. Ei­ner fei­nen ita­lie­ni­schen Frau­en­hand, sag­te die Kai­se­rin mit selbst­zu­frie­de­nem Lä­cheln, ge­lin­ge es oft eher, das ver­strick­te Staats­knäu­el zu ent­wir­ren, als un­ge­schlach­ten Män­nern; er sol­le sie nur ma­chen las­sen und den jun­gen Hes­sen zu häu­fi­gen Be­su­chen er­mun­tern.

Ei­nes Ta­ges wur­de der Land­graf von der Kai­se­rin und ih­rem Ge­fol­ge im Park emp­fan­gen, wo sich hin­ter ei­ner Lor­beer­he­cke ein brei­ter Ra­sen­platz er­streck­te, des­sen Mit­te ein fi­gu­ren­rei­cher eher­ner Brun­nen zier­te. Das sei ein vor­züg­li­cher Platz, um Blin­de­kuh zu spie­len, sag­te die Kai­se­rin, ihre Fräu­leins brenn­ten schon dar­auf, ihn ein we­nig zu zup­fen. Wil­helm bat die Kai­se­rin, ihn zu ent­schul­di­gen; er habe den Grund­satz, sag­te er scher­zend, sich nie­mals die Au­gen ver­bin­den zu las­sen. Auch nicht, wenn ei­nem da­bei un­ver­se­hens ein war­mer Bu­sen ans Herz flie­ge? sag­te die Kai­se­rin. Die­ser Grund­satz sei für einen Fürs­ten gut, aber er tau­ge nicht für ver­lieb­te Ju­gend, und in die­sem Park gel­te kein Rang noch Staats­rä­son. Er sol­le den Amor an­se­hen, der auf der Spit­ze des Brun­nens ste­he und eben den Bo­gen span­ne; ein­zig der klei­ne Gott herr­sche hier. Wenn er aber durch­aus nicht mit­hal­ten möge, sol­le er sich mit ihr auf die Ter­ras­se set­zen und dem Spie­le zu­se­hen. Un­ter vie­lem Ge­ki­cher ver­ban­den die Fräu­leins ei­nem Kam­mer­herrn die Au­gen, um­schwärm­ten ihn, be­spritz­ten ihn mit Was­ser aus dem Brun­nen, und in­dem sie so ta­ten, als ob sie sich da­vor hü­te­ten, ga­ben sie sich Mühe, ge­fan­gen zu wer­den. Dann kam ein Geist­li­cher an die Rei­he, der beim Lau­fen über sein lan­ges Kleid stol­per­te, was die Lus­tig­keit der Mäd­chen ver­mehr­te, die über­haupt ihm ge­gen­über noch aus­ge­las­se­ner wa­ren.

Als die Spie­len­den auf einen Wink der Kai­se­rin die Ter­ras­se auf­such­ten, sag­te der Geist­li­che zu Wil­helm, es habe ihn ge­wiss ge­wun­dert, dass ein Mann sei­nes Stan­des sich dem Ver­gnü­gen hin­ge­be; die Kir­che sei eine mild­her­zi­ge Mut­ter, die ge­hor­sa­men Kin­dern gern eine Kurzweil gön­ne und auch die Sün­de ver­zei­he, weil sie die Schwach­heit des Flei­sches ken­ne. Es sei weich und won­nig an ih­rer Brust zu ru­hen, wenn es nur je­der ver­su­chen möch­te.

Wil­helm sei wirk­lich hart und kalt wie nor­di­sches Eis, fuhr die Kai­se­rin fort. Wüss­te sie nur, was für eine Son­ne sie auf­ge­hen las­sen müss­te, um ihn zu schmel­zen.

Ein Fräu­lein be­merk­te, die gna­den­rei­chen Au­gen der Kai­se­rin wä­ren die mäch­tigs­te Son­ne; was die nicht er­wir­ke, ver­mö­ge kei­ne an­de­re.

Für einen jun­gen Mann sei ein jun­ges Mägd­lein mehr wert als die er­ha­bens­te Kai­se­rin, sag­te Eleo­no­re la­chend.

Wil­helms Au­gen glit­ten flüch­tig und fast mit Wi­der­wil­len über die vom Spiel er­hitz­ten, hoch­at­men­den Fräu­leins, die neu­gie­ri­ge und ver­lan­gen­de Bli­cke nach ihm war­fen. Die Kai­se­rin sei zu gü­tig ge­gen ihn, sag­te er, er sei seit sie­ben Jah­ren ver­hei­ra­tet und kein Jung­ge­sel­le mehr. Wäre er es aber, so wür­de er kühn ge­nug sein, sei­ne Hul­di­gung der höchs­ten un­ter al­len Frau­en zu Fü­ßen zu le­gen und lie­ber im An­schaun ei­nes un­er­reich­ba­ren Ster­nes ver­schmach­ten als ein ge­rin­ge­res Glück um­ar­men.

Die glän­zen­den Au­gen der Kai­se­rin ver­dun­kel­ten sich, und ihre bräun­lichro­ten Wan­gen färb­ten sich tiefer. Er wis­se männ­li­che Be­schei­den­heit so wohl mit rit­ter­li­cher Kühn­heit zu ver­ei­nen, sag­te sie, dass kei­ne Dame ihm zür­nen kön­ne. Zum Zei­chen des­sen wol­le sie ihm ge­stat­ten, sie am fol­gen­den Tage zur Mes­se zu be­glei­ten.

Er wer­de sich glück­lich schät­zen, sie bis zur Kir­chen­tür zu füh­ren, sag­te Wil­helm, hin­ein wage er nicht zu ge­hen, da er die Ge­bräu­che nicht ken­ne und zu ver­sto­ßen fürch­te.

Die Kai­se­rin warf sich in ih­ren Ses­sel zu­rück und blitz­te ihn aus zor­ni­gen Au­gen an. Ihre Güte ma­che ihn zu dreist, sag­te sie. Wenn er sich die Au­gen nicht ver­bin­den las­se, sol­le er wis­sen, dass an­de­re sich auch nicht an der Nase füh­ren lie­ßen.

Wil­helm bat um Ver­zei­hung, wenn er ohne Wis­sen be­lei­digt habe. Sein Wunsch sei, ihr zu die­nen, so viel er ver­mö­ge, nicht, ihre Güte zu miss­brau­chen. Sie möge ihm, der als Fremd­ling und Bitt­stel­ler am Hofe ver­wei­le, ihre Huld nicht ent­zie­hen, weil er, un­ter Pfle­ge der Wis­sen­schaf­ten und zwi­schen vie­len Drang­sa­len und Kämp­fen auf­ge­wach­sen, in die­sem strah­len­den Krei­se sich nicht zu­recht­zu­fin­den wis­se. In sei­nen Au­gen lag ein Ta­del und Vor­wurf, der nicht zu sei­nen Wor­ten stimm­te, der aber dazu bei­trug, die Zür­nen­de zu ent­waff­nen. Sie reich­te ihm die Hand zum Kus­se und sag­te, dass ihr vor­hin ge­spro­che­nes Wort, hier herr­sche kein Zwang au­ßer Amors, gel­ten und Ernst und Emp­find­lich­keit ver­bannt sein soll­ten.

Im Wal­len­stein­schen Palast, wo er an­ti­cham­brie­ren muss­te, traf er mit Pic­co­lo­mi­ni, Col­lo­re­do und del Ca­ret­to zu­sam­men, die sich leb­haft über die Ma­chi­na­tio­nen der ge­ra­de in Bin­gen ver­sam­mel­ten Kur­fürs­ten ge­gen ih­ren Ge­ne­ral un­ter­hiel­ten. Er hät­te große Lust, einen Sprung an den Rhein hin­über zu ma­chen, sag­te Col­lo­re­do, und das We­s­pen­nest aus­zuräu­chern. Man müs­se es nicht so wich­tig neh­men, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, das wä­ren nur Brem­sen und Schmeiß­flie­gen, die frei­lich ein ed­les Schlacht­pferd plag­ten, es aber nicht um­brin­gen könn­ten. Der Ge­ne­ral küm­me­re sich gar nicht dar­um und habe recht; sie woll­ten, dass er sein Heer ver­min­de­re, dar­an sei na­tür­lich nicht zu den­ken, am we­nigs­ten, wenn das Re­sti­tu­ti­ons­e­dikt er­las­sen wür­de, was doch die geist­li­chen Her­ren ge­ra­de woll­ten. Was das ei­gent­lich sei, das Re­sti­tu­ti­ons­e­dikt? frag­te Col­lo­re­do. Genau wis­se er es auch nicht, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, es be­tref­fe die Klös­ter und geist­li­chen Gü­ter, die die Evan­ge­li­schen den Ka­tho­li­ken weg­ge­nom­men hät­ten und nun re­sti­tu­ie­ren soll­ten. Col­lo­re­do zuck­te die Ach­seln; die Kir­che habe oh­ne­hin ge­nug, mein­te er; aber ihm sei es schließ­lich gleich, warum ge­schla­gen wür­de. Nun, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, das sei doch mit Un­ter­schied zu ver­ste­hen; aber dar­in hal­te er es auch mit Wal­len­stein, dass er glau­be, es kön­ne ei­ner mit je­der Kon­fes­si­on ein red­li­cher Ka­va­lier und ein Held sein. Da­bei wand­te er sich mit lie­bens­wür­di­gem Aus­druck sei­ner brau­nen Au­gen an Wil­helm, sprach von der welt­be­kann­ten Tap­fer­keit der hes­si­schen Fürs­ten und wie schön es sein wür­de, wenn Wil­helm un­ter Wal­len­stein die Lor­bee­ren sei­nes Hau­ses ver­meh­ren woll­te. Der jun­ge Land­graf sag­te, dass er die Re­gie­rung sei­nes Lan­des habe über­neh­men müs­sen, wel­ches sehr durch den Krieg ge­lit­ten habe und des­sen Wie­der­her­stel­lung er sei­ne gan­ze Kraft wid­men müs­se. Pic­co­lo­mi­ni sprach sein herz­li­ches Be­dau­ern aus; der Frie­de sei eine schö­ne, hei­li­ge Sa­che, sag­te er; wenn er auch mit Leib und See­le Sol­dat sei, so ver­ken­ne er das doch nicht. Wal­len­stein zie­le auch auf nichts an­de­res als den Frie­den ab, und der Land­graf wer­de se­hen, wie be­reit Wal­len­stein sein wer­de, ihm ge­fäl­lig zu sein.

In der Tat emp­fing Wal­len­stein den jun­gen Fürs­ten bei al­ler Ma­je­stät ver­bind­lich und ver­trau­lich. Er schät­ze Wil­helms Ver­stän­dig­keit hoch, sag­te er, und freue sich, dass der lei­di­ge Streit nun so­weit bei­ge­legt sei. Dass die Ent­schei­dun­gen des Reichs­ge­rich­tes nicht im­mer der Ge­rech­tig­keit ge­mäß aus­fie­len, wis­se man ja lei­der; es zeu­ge von ho­her Ein­sicht, wenn man sich in das Unab­än­der­li­che füge. Auch sei­en im Ver­lauf die­ses lang­wie­ri­gen Krie­ges noch man­che Ver­än­de­run­gen mög­lich; der Land­graf sol­le sich mit ihm ver­ei­ni­gen, um den Frie­den her­bei­zu­füh­ren.

Sein Va­ter so­wohl wie er, sag­te Wil­helm, er­man­gel­ten der Frie­dens­lie­be nicht. Der Krieg sei ih­nen wi­der Wil­len und ohne Schuld ins Land ge­spielt wor­den.

Es hange eben nicht al­les von ihm und vom Kai­ser ab, sag­te Wal­len­stein; er wis­se be­stimmt, dass Til­ly dem kai­ser­li­chen Be­fehl zu­wi­der in Hes­sen ein­ge­fal­len sei, man wis­se ja, wer die­se alte Ma­rio­net­te tan­zen las­se. Nun aber hof­fe er, wer­de sich ein gu­tes Ver­neh­men her­stel­len las­sen. Er per­tur­bie­re nie­man­den in der Re­li­gi­on. Der Kai­ser in sei­ner Gut­her­zig­keit gebe lei­der den Je­sui­ten und Beicht­vä­tern zu viel nach. Die­se Leu­te woll­ten herr­schen, dar­um müs­se man den Dau­men dar­auf­hal­ten, die Fröm­mig­keit sei apart. Ob Wil­helm auch so ge­lehrt sei wie sein Va­ter, der Land­graf Mo­ritz? Er, Wal­len­stein, sei auch ein Lieb­ha­ber der Wis­sen­schaf­ten, kön­ne sich ih­nen aber we­gen des lei­di­gen Krie­ges nicht so wid­men, wie er möch­te.

Er führ­te Wil­helm selbst in sei­nem Palas­te um­her und zeig­te ihm um­ständ­lich die pracht­vol­len Räu­me, die rei­che Ein­rich­tung und die weit­läu­fi­gen Park­an­la­gen. Wil­helm be­trach­te­te al­les flüch­tig mit ei­nem boh­ren­den Ge­fühl von Neid und Schmerz. Er kön­ne lei­der, sag­te er end­lich, die Schön­hei­ten Prags nicht so recht ge­nie­ßen; die Köp­fe der böh­mi­schen Her­ren, die er am Tore auf­ge­spießt ge­se­hen hät­te, ver­stör­ten ihm je­des Bild.

Wal­len­stein zog die Brau­en zu­sam­men; im Reich bil­de man sich ein, die­se Leu­te wä­ren Mär­ty­rer des evan­ge­li­schen Glau­bens ge­we­sen; das sei aber ein Irr­tum. Es wä­ren un­ge­hor­sa­me Va­sal­len ge­we­sen und mit Recht ge­rich­tet.

Der Kai­ser selbst zeich­ne­te Wil­helm so weit aus, dass er ihm An­lei­tung in dem Kar­ten­spiel Pri­me­ra gab, das er be­son­ders lieb­te, und ihn in ver­trau­li­che Ge­sprä­che hin­ein­zog. Der Abt Ques­ten­berg, der we­gen der Erobe­rung der Nor­ber­ti­schen Ge­bei­ne sehr ge­fei­ert wur­de, sag­te, so wie man den hei­li­gen Ne­po­muk das rech­te Auge der Stadt Prag ge­nannt hät­te, kön­ne man nun­mehr bil­lig den hei­li­gen Nor­bert das lin­ke nen­nen, und es sei Prag erst jetzt im vol­len Be­sit­ze sei­nes Au­gen­lich­tes. Wenn ihm jetzt nur noch ein Wunsch er­füllt wür­de, setz­te der Kai­ser hin­zu; er habe ge­hört, in der Ab­tei Hers­feld be­fin­de sich ei­ner von den Nä­geln, mit de­nen Chris­tus ans Kreuz ge­schla­gen sei. Der Ge­dan­ke an die­se Re­li­quie ver­fol­ge ihn seit­dem über­all; ob Wil­helm sie ihm nicht ver­schaf­fen kön­ne? Wil­helm sag­te, dass ihm nichts da­von be­kannt sei, dass er aber nach­for­schen las­sen und, falls et­was Der­ar­ti­ges vor­han­den wäre, es gern dem Kai­ser über­rei­chen wol­le.

Auch dies Ver­spre­chen je­doch führ­te nicht dazu, dass Wil­helm ir­gen­det­was Tat­säch­li­ches er­reicht hät­te, und mit ei­nem Her­zen voll Bit­ter­keit trat er die Rück­rei­se an. In Nürn­berg wur­de er eh­ren­voll be­grüßt und be­schenkt und hielt ge­gen die Rats­her­ren sei­nen Un­mut nicht zu­rück. In Prag, er­zähl­te er, ver­neh­me man kein kla­res, deut­sches, auf­rich­ti­ges Wort, da herr­sche spa­ni­scher Hoch­mut und wel­scher Trug; die Stadt kom­me ei­nem stran­gu­lier­ten Leich­nam gleich, den man präch­tig an­ge­klei­det und auf­recht hin­ge­setzt habe, um die Vor­über­ge­hen­den zu täu­schen; aber wer of­fe­ne Sin­ne habe, spü­re den Ver­we­sungs­ge­ruch.

Die Rats­her­ren sag­ten, sie wä­ren bis­her mit Still­sit­zen und Vor­sicht leid­lich ver­schont ge­blie­ben. Im Jah­re 1625 habe Wal­len­stein im Nürn­ber­gi­schen Quar­tier neh­men wol­len, da hät­ten sie sich mit 100.000 Gul­den los­ge­kauft. Hät­ten auch in Wien lan­ge des­we­gen an­ti­cham­brie­ren müs­sen, ja, und dem Aldrin­gen hät­ten sie noch 1000 Gold­gul­den per­sön­lich drein­ge­ge­ben. In­zwi­schen hät­ten sie den Bau des neu­en Thea­ters fer­tig­ge­stellt, das eben jetzt mit ei­ner Tra­gö­die von der Zer­stö­rung Tro­jas er­öff­net wer­de, wel­cher Vor­stel­lung bei­zu­woh­nen sie Wil­helm ein­lu­den.

Das Spiel be­gann mit der Ver­mäh­lung der Kö­nigs­toch­ter Po­ly­xe­na, die an­ge­sichts der be­dräng­ten Burg voll­zo­gen wird. Wie sich der fest­li­che Zug an­schickt, zur Ein­neh­mung ei­nes Mahls das In­ne­re des Schlos­ses auf­zu­su­chen, er­tönt ein Schrei der Kas­san­dra, die in vi­sio­närem Zu­stan­de das Haus vor sich in Flam­men sieht und die Luft vom Ge­heul Ster­ben­der und schnei­den­der Weh­kla­ge er­füllt hört. Da die üb­ri­gen nichts da­von wahr­neh­men, schel­ten sie Kas­san­dra wahn­sin­nig und schrei­ten end­lich über die sich am Bo­den Win­den­de hin­weg un­ter dem Klan­ge von Flö­ten und Zim­beln in die Burg. Das Schluss­bild zeig­te die Burg in Flam­men, wie Kas­san­dra es vor­aus­ge­se­hen hat­te, und zwar wur­de die Brunst durch ein präch­ti­ges Feu­er­werk dar­ge­stellt, das zu­gleich die An­we­sen­heit des Land­gra­fen fei­ern soll­te. Nach dem Fal­len des Vor­hangs trat ein Schau­spie­ler vor und sprach als Epi­log die fol­gen­den Ver­se:


Ge­falln ist Tro­ja nun, die Asche ih­rer Pracht
Düngt die ent­blö­ßte Erd und för­dert wil­des Kraut,
Durch das die Schlan­ge kriecht und ih­ren Kla­ge­laut
Die Eule schal­len lässt in lan­ger Wüs­ten­nacht.
O jäm­mer­li­ches End der blin­den Sterb­lich­keit!
Ver­hüll dich doch, o Mensch, und such den ed­len Pfad,
Der aus der mor­schen Welt führt in die Ewig­keit,
Wo du frisch auf­er­stehst aus Got­tes Früh­lings­bad.