39.

In Xan­ten pre­dig­te an ei­nem der letz­ten Sonn­ta­ge im Au­gust der kal­vi­ni­sche Pfar­rer Ewi­chi­us über den Kampf wi­der die Macht des Teu­fels, zu dem ein je­der ver­bun­den sei. Er er­zähl­te, wie er Anno 1620 mit Weib und Kind aus der Un­ter­pfalz habe aus­wan­dern müs­sen und zum Land­gra­fen Mo­ritz ge­gan­gen sei; wie die­ser nach Ver­lust der Hälf­te sei­nes Lan­des ihn nicht mehr habe be­hal­ten kön­nen und ihm nach Genf zu gehn ge­ra­ten hät­te; wie er mit den Sei­nen auf dem Wege da­hin von strei­fen­den Sol­da­ten über­fal­len und so aus­ge­plün­dert wor­den wäre, dass sie nicht mehr als das Hemd am Lei­be be­hal­ten hät­ten, und wie bald dar­auf sei­ne bei­den jüngs­ten Kin­der in­fol­ge von Käl­te und üb­ler Nah­rung ge­stor­ben wä­ren. Da sie ge­ra­de im Vor­der­ös­ter­rei­chi­schen ge­we­sen wä­ren, wo sie die Kin­der doch nicht in ge­weih­ter Erde hät­ten be­gra­ben dür­fen, hät­ten sie die klei­nen Lei­chen eine Wei­le mit sich ge­führt und dann bei der Nacht still und ge­schwind auf frei­em Fel­de un­ter ei­nem Eich­baum ver­gra­ben, in des­sen Zwei­gen, wie er hof­fe, die ver­sam­mel­ten Vög­lein ih­nen täg­lich den Au­fer­ste­hungs­chor ab­sän­gen. Nach vie­len Drang­sa­len wä­ren sie end­lich nach Xan­ten ge­kom­men, wo aber ih­res Blei­bens viel­leicht auch nicht lan­ge sei, denn es wis­se ja je­der, wie be­denk­lich es hier­zu­lan­de zu­ge­he. So sei vor ei­nem Jah­re der Pfar­rer Leh­mann in Ober­kas­sel ins Ge­fäng­nis ge­wor­fen wor­den, weil er bil­li­ger­ma­ßen die Mes­se ein Werk des Teu­fels ge­nannt ha­ben sol­le, und sei dort so trak­tiert wor­den, dass er erst die Spra­che, dann das Le­ben ver­lo­ren habe. Eben­so sei der Dok­tor Sun­der­mann, ein ge­lehr­ter, tu­gend­haf­ter Pfar­rer, un­ter dem Vor­wan­de, dass er in sei­ner Kind­heit ka­tho­lisch ge­we­sen sei, zu Kai­sers­werth ein­ge­ker­kert wor­den und habe dort kürz­lich das Zeit­li­che ge­seg­net. Er wis­se wohl, was ihm täg­lich dro­he; aber wie sei­ne Kind­lein in ih­rer Un­schuld hat­ten ster­ben müs­sen, so gehe er auch, ob­wohl ein Sün­der vor Gott, dem Tode furcht­los ent­ge­gen und wol­le lie­ber vom Teu­fel zer­ris­sen wer­den als mit ihm pak­tie­ren oder sich vor ihm bücken.

Wäh­rend er so pre­dig­te, öff­ne­te sich das Por­tal, und ein Mann trat ein und flüs­ter­te ei­nem an­de­ren, der nah bei der Tür stand, zu, er kom­me zu Pferd von We­sel, wo er Ge­schäf­te hal­ber sich auf­ge­hal­ten habe. In der ver­flos­se­nen Nacht hät­ten drei Bür­ger, die sich dazu ver­schwo­ren ge­habt hät­ten, die Hol­län­der über die Mau­er ge­las­sen, die hät­ten sich der Stadt be­mäch­tigt und die Spa­nier aus­ge­trie­ben; es sei lau­tes Ju­beln und Dan­ken in We­sel. »Was gibt es?« frag­te der Pfar­rer, der ein Rau­nen und Rau­schen in sei­ner Ge­mein­de be­merk­te. »We­sel ist staa­tisch«, rief ei­ner mit lau­ter Stim­me, »die Spa­nier sind drau­ßen.« Der Pfar­rer schwieg einen Au­gen­blick; dann sag­te er mit fes­ter Stim­me: »Wohl­an, so las­set uns Gott dan­ken!« und stimm­te an: ›Gott macht sich auf mit sei­ner Ge­wal­t‹, wor­auf die Ge­mein­de so kräf­tig ein­fiel, als hof­fe sie, dass es zu We­sel soll­te ver­nom­men wer­den.