40.

Vor dem Amts­hau­se in Sta­de stand ein al­ter Fran­zis­ka­ner­mönch und er­zähl­te meh­re­ren Män­nern und Frau­en, die ihm neu­gie­rig zu­hör­ten, wie an Stel­le die­ses Hau­ses ehe­dem ein Fran­zis­ka­ner­klos­ter ge­stan­den habe, wie er von weit her ge­kom­men sei, um es ge­mäß dem vom Kai­ser er­las­se­nen Re­sti­tu­ti­ons­e­dikt wie­der in Empfang zu neh­men, und wie er nun er­fah­ren müs­se, dass es den Je­sui­ten über­las­sen sei, die doch nie­mals hier im Lan­de ge­we­sen wä­ren und kei­ner­lei Recht am Klos­ter hät­ten. Sie soll­ten nur in den Hof hin­ein­ge­hen, sag­te er zu den Leu­ten, so sä­hen sie noch ei­ni­ge Bo­gen des al­ten Kreuz­gan­ges, die in das neue Haus hin­ein­ge­baut wä­ren, auch wäre noch ein Grab­stein da, auf dem ei­ner ih­rer Äbte ganz ähn­lich aus­ge­hau­en sei; die Lin­de, de­ren Wip­fel jetzt schon über die Mau­er rage, habe da­zu­mal die Mit­te des Klos­ter­gar­tens be­zeich­net, und auf der stei­ner­nen Bank, die noch dar­un­ter ste­he, hät­ten er und an­de­re oft in Be­trach­tung der Grä­ber ih­rer Brü­der, vom som­mer­li­chen Duft des Bau­mes um­spielt, ge­ses­sen. Sie gin­gen mit ihm hin­ein und über­zeug­ten sich von dem Vor­han­den­sein der Bo­gen und der Grab­stei­ne, die sie oft, ohne sich et­was da­bei zu den­ken, ge­se­hen hat­ten; der Mönch hielt eine sei­ner run­ze­li­gen Hän­de in das kla­re Was­ser, das ne­ben der Bank aus ei­ner stei­ner­nen Brun­nen­röh­re floss, und sag­te, er wis­se noch wohl, als sei es ges­tern ge­we­sen, wie er sich vor mehr als fünf­zig Jah­ren den küh­len Was­ser­strahl über die Hand hät­te lau­fen las­sen und wie wohl ihm da­bei ge­we­sen sei. Die Leu­te um­ring­ten ihn mit zu­neh­men­dem An­teil; ob es nicht hart sei, sag­te er, dass der Heim­keh­ren­de das alte Nest von Ein­dring­lin­gen be­setzt fin­de? Nicht um­sonst nen­ne man die Je­sui­ten, die sich über­all ein­sch­li­chen und breit­mach­ten, Füch­se, al­les Un­heil sei von je­her von den Je­sui­ten ge­kom­men. Ein­mü­tig und brü­der­lich hät­ten alle Chris­ten mit­ein­an­der ge­lebt, bis die Je­sui­ten aus dem Wel­sch­land ge­kom­men wä­ren und Zwie­tracht ge­sät hät­ten. Einst wä­ren sie, die Bet­tel­mön­che, über­all in Häu­sern und Hüt­ten will­kom­men ge­we­sen; was die Rei­chen ih­nen ge­ge­ben, hät­ten sie den Ar­men mit­ge­teilt und hät­ten sich zur Lust Got­tes und der Men­schen aus­ge­brei­tet. Da hät­ten die Je­sui­ten mit ih­rer falschen Ge­lehr­sam­keit Hass, Ha­der und Miss­trau­en er­regt, sie mein­ten es nicht gut mit dem ar­men Man­ne, son­dern be­quem­ten sich den Mäch­ti­gen und lie­ßen sich ge­brau­chen, um das Volk zu un­ter­drücken; auch der Ob­rig­keit mach­ten sie sich aber ver­däch­tig, weil sie nur auf die ei­ge­ne Herr­schaft aus­gin­gen.

Wäh­rend der Mönch so pre­dig­te, sam­mel­ten sich im­mer mehr Men­schen an, die ihm Bei­fall zu­rie­fen und ihn als einen ar­men al­ten Pil­gers­mann reich be­schenk­ten. Im Ort ent­stand ein Ge­schrei, man wol­le die Je­sui­ten nicht, man wol­le evan­ge­lisch blei­ben, aber die Fran­zis­ka­ner möch­ten kom­men, sie wä­ren gute Leu­te, die es red­lich mit dem Vol­ke mein­ten. Eine Ab­ord­nung ging des­we­gen aufs Rat­haus, der der Amt­mann ent­ge­gen­hielt, sie müss­ten sich dem Be­fehl des Kai­sers fü­gen, falls sie nicht er­le­ben woll­ten, dass die gan­ze Stadt dem Erd­bo­den gleich­ge­macht wür­de. Sie ant­wor­te­ten, der Kai­ser ge­bie­te nichts Un­ge­rech­tes, er sei nur von den falschen Je­sui­ten über­lis­tet, die in evan­ge­li­schen Lan­den nichts zu su­chen hät­ten. Aber die Fran­zis­ka­ner wä­ren auch Ka­tho­li­sche, sag­te der Amt­mann. Wenn das wahr wäre, sag­ten sie nach ei­ner Pau­se, so wäre es doch et­was an­de­res, in­dem sie das Klos­ter frü­her be­ses­sen hät­ten und es über­haupt nicht böse mein­ten. Um die auf­ge­reg­ten Leu­te vor­der­hand zu be­schwich­ti­gen, sag­te der Amt­mann, er wol­le beim Kai­ser da­mit vor­stel­lig wer­den, dass die Je­sui­ten hier nie et­was be­ses­sen hät­ten, er glau­be aber nicht, dass es fruch­ten wer­de.

Der Fran­zis­ka­ner ver­ließ wohl­be­packt die Stadt und be­gab sich zu Til­ly als zu dem in die­ser Ge­gend mit der Durch­füh­rung des Re­sti­tu­ti­ons­e­dik­tes Be­trau­ten. Til­ly, ein Be­för­de­rer der Ge­rech­tig­keit, sag­te er ihm, sol­le nicht zu­ge­ben, dass das Klos­ter dem Or­den, der es ge­grün­det habe, ent­wen­det und den Je­sui­ten aus­ge­lie­fert wür­de. Was sie denn ge­tan hät­ten, um eine sol­che Berau­bung zu ver­die­nen? Dien­ten sie nicht Gott seit ur­al­ten Zei­ten, und wä­ren sie nicht von den Päps­ten be­stä­tigt, be­gabt und ge­seg­net?

Til­ly sag­te, er müs­se zu­vor aus den Ur­kun­den le­sen, wem das Klos­ter ge­hört habe; wenn der Nach­weis zu der Fran­zis­ka­ner Guns­ten er­bracht sei, müs­se es frei­lich ih­nen ein­ge­räumt wer­den. Bis­her sei das Stift von nie­man­dem be­an­sprucht wor­den, dar­um sei es den Je­sui­ten über­las­sen wor­den, die so viel für die Aus­brei­tung des wah­ren Glau­bens ge­tan hät­ten und de­ren man zu die­sem Zweck auch be­dür­fe.

Er sei zu schlecht, um dem Gra­fen zu wi­der­spre­chen, sag­te der Fran­zis­ka­ner, aber er hiel­te die Je­sui­ten für ein Un­kraut, das der Teu­fel zum Ver­der­ben der Kir­che aus­ge­sät habe. Er habe ge­hofft, sei­ne Tage in der lie­ben al­ten Hei­mat zu be­schlie­ßen, er wür­de es nicht über­le­ben, wenn die spa­ni­schen Gal­gen­vö­gel sich da ein­nis­te­ten.

So an­züg­li­cher Re­den sol­le er sich wei­ter nicht un­ter­fan­gen, sag­te Til­ly, son­dern in Ge­duld war­ten; so viel an ihm lie­ge, sol­le nie­man­dem das Sei­ni­ge ge­nom­men wer­den.