46.

Im ers­ten Schre­cken, den die Lan­dung der Schwe­den her­vor­rief, hat­te Tor­qua­to Con­ti, der kai­ser­li­che Be­fehls­ha­ber in Pom­mern, sich aus der Stadt Pa­se­walk zu­rück­ge­zo­gen, wor­auf Gu­stav Adolf eine klei­ne Be­sat­zung hin­ein­ver­leg­te. Wie nun der Kö­nig nach ei­nem ver­ei­tel­ten Ein­fall ins Meck­len­bur­gi­sche sich wie­der nach Stral­sund wen­de­te, kehr­te Con­ti um und über­fiel Pa­se­walk, das sich der Über­macht nicht er­weh­ren konn­te. An dem treu­lo­sen Ge­sin­del, sag­te Con­ti, wol­le er sich aus­gie­big rä­chen; die Sol­da­ten möch­ten sich ein­mal nach Her­zens­lust güt­lich tun. Wenn der Ort samt sei­nen Be­woh­nern von der Erde ver­schwin­de, sei es nicht scha­de.

So kam es, dass das kai­ser­li­che Heer sich mit höl­li­schem Ge­schrei in die wehr­lo­se Stadt er­goss, plün­der­te und raub­te, was ir­gend Wert­vol­les auf­zu­trei­ben war, und in die aus­ge­leer­ten Häu­ser den Brand warf.

Als ein Pfar­rer, der ver­sucht hat­te, et­was Kir­chen­ge­rät zu ret­ten, in sein Haus zu­rück­kam, fand er sei­ne Frau in den Hän­den von Sol­da­ten, von de­nen ei­ni­ge ihm so­gleich Hän­de und Füße ban­den und ihm zu­rie­fen, nach­her wür­den sie ihn um­brin­gen; aber zu­vor sol­le er zu­se­hen, wie sie sich mit sei­ner Frau lus­tig mach­ten. »Teu­fel!« schrie der Un­glück­li­che, der sich ver­ge­bens wehr­te, »ihr seid kei­ne Men­schen, son­dern Teu­fel aus der Höl­le!« Sie wä­ren Teu­fel aus Loth­rin­gen, ant­wor­te­ten die Sol­da­ten hohn­la­chend, und wür­den ihn bra­ten, bis sei­ne See­le zum Him­mel spritz­te.

Con­ti war in­zwi­schen im Stadt­hau­se, lief aus ei­nem Zim­mer ins an­de­re und durch­wühl­te alle Schrän­ke in der Hoff­nung, Geld zu fin­den, als er zu­fäl­lig ein gut­ge­klei­de­tes blon­des Mäd­chen be­merk­te, die wie vie­le an­de­re sich in das Stadt­haus ge­flüch­tet hat­te und auf den Kni­en lie­gend be­te­te. Con­ti, der so­fort einen leb­haf­ten Ein­druck von ih­rer Schön­heit emp­fing, dräng­te sich dicht an sie und flüs­ter­te ihr Lie­bes­wor­te zu: »Ich bete dich an, Schöns­te von al­len! Dich ha­ben nicht Men­schen, dich hat Gott ge­macht! Dei­ne Au­gen ma­chen Tote le­ben­dig! Dir ge­hört mein Le­ben, er­hö­re mich!« und was der­glei­chen mehr war. Das Mäd­chen, das die halb ita­lie­nisch, halb deutsch ge­führ­ten Re­den nicht ver­stand, aber den lei­den­schaft­li­chen Atem des Man­nes dicht an ih­ren Ohren spür­te, streb­te von ihm fort, wäh­rend zu­gleich ihr Blut sich un­ter dem ge­fähr­li­chen Feu­er sei­nes Wer­bens er­hitz­te.

Schon glaub­te er, sich ih­rer be­mäch­tigt zu ha­ben, als ein paar Of­fi­zie­re mit ei­ner Mel­dung da­zwi­schen­ka­men; ob sie nicht dem Plün­dern und Mor­den Ein­halt ge­bie­ten soll­ten, frag­ten sie, es wer­de schier nie­mand da­von­kom­men, wenn es so wei­ter­gin­ge. Con­ti, der die Au­gen nicht von dem blon­den Mäd­chen ließ, sag­te är­ger­lich, sie soll­ten doch nicht so viel Ge­schrei um eine Hand­voll Men­schen ma­chen; das wäre, wie wenn Gott ein paar Un­ge­zie­fer zer­kni­cke, die ihn im Schla­fe ge­stört hät­ten; im nächs­ten Au­gen­blick schnar­che er schon wie­der.

Er habe mit ei­ge­nen Au­gen ge­se­hen, sag­te der eine Of­fi­zier, wie trun­ke­ne Sol­da­ten ei­ner Pfar­rers­frau Ge­walt ge­tan und ih­ren Mann zum Zu­sehn ge­zwun­gen hät­ten; das sei ihm doch un­christ­lich vor­ge­kom­men. Con­ti stampf­te un­ge­dul­dig mit dem Fuße; die Sol­da­ten ver­stän­den das Hand­werk ge­wiss bes­ser als solch ein Luther­pfaf­fe; der Frau sei die Ab­wechs­lung zu gön­nen, sag­te er. In ei­nem Au­gen­blick, wo er den Kopf weg­ge­kehrt hat­te, war ihm das Mäd­chen ent­schlüpft; als er es be­merk­te, stieß er einen Fluch aus und lief ihr nach. Un­ter­wegs fie­len ihm das Geld und die of­fe­nen Schrän­ke ein, und wirk­lich wa­ren die­sel­ben schon von al­ler­lei Volk um­ringt, die sie aus­räum­ten. Wü­tend schrie Con­ti da­zwi­schen, dass das al­les ihm ge­hö­re und von nie­man­dem bei To­dess­tra­fe dür­fe an­ge­rührt wer­den; da ka­men von drau­ßen Leu­te her­ein und warn­ten, der gan­ze Platz ste­he schon in Flam­men, bald wer­de auch das Stadt­haus bren­nen. Au­ßer sich vor Zorn, gab Con­ti noch Be­fehl, dass der In­halt der Schrän­ke mit­ge­nom­men wer­den sol­le, und eil­te dann auf die Stra­ße, laut nach sei­nem Stall­meis­ter und sei­nem Pfer­de ru­fend, wo­bei er sich un­will­kür­lich nach dem blon­den Mäd­chen um­sah. Im Be­griff, sich aufs Pferd zu schwin­gen, sah er plötz­lich ein jun­ges Weib von ei­nem Sol­da­ten ver­folgt aus ei­nem bren­nen­den Hau­se lau­fen. Das Haar flat­ter­te ihr um das glü­hen­de Ge­sicht und den ent­blö­ßten Bu­sen, von dem ihr Ver­fol­ger das Ober­tuch ab­ge­ris­sen ha­ben moch­te, ein An­blick, der Con­tis Herz so­fort in Flam­men setz­te. Sei­nem Stall­meis­ter den Zü­gel zu­wer­fend, herrsch­te er den er­schro­cke­nen Sol­da­ten dro­hend an, wor­auf der sich schnell aus dem Stau­be mach­te, und bot dann der jun­gen Frau sei­nen Arm, in­dem er um die Er­laub­nis bat, sie schüt­zen zu dür­fen. Sie wuss­te nicht recht, ob dies Aner­bie­ten eine neue Ge­fahr zu be­deu­ten habe, und sag­te aus­wei­chend, er tue ihr zu viel Ehre, sie sei nur eine schlich­te Hand­wer­kers­frau. »Du bist eine Kö­ni­gin der Schön­heit«, sag­te Con­ti, »und als sol­che will ich dich hal­ten.«

»Dies ver­teu­fel­te Pom­mern­nest«, rief er in ita­lie­ni­scher Spra­che sei­nem Stall­meis­ter zu, »ist das er­le­sens­te Freu­den­haus, das ich je­mals ge­se­hen habe, und ich Esel las­se es ab­bren­nen!«