60.

An ei­nem lieb­li­chen Sep­tem­ber­nach­mit­tage kam Kai­ser Fer­di­nand mit dem Ober­jä­ger­meis­ter Gra­fen Bru­no von Mans­feld von der Jagd zu­rück, ließ sich einen be­que­men Schlaf­rock und So­cken an­le­gen und Obst und Man­del­milch zur Er­fri­schung brin­gen. Viel dür­fe er nicht neh­men, sag­te er ab­weh­rend zu sei­nen Töch­tern, die ihn nö­tig­ten, das wüss­ten sie ja, er müs­se mä­ßig sein. Wäre sei­ne Schwes­ter von Spa­ni­en mä­ßi­ger ge­we­sen, so leb­te sie viel­leicht noch; aber sie hät­te nie auf die War­nun­gen des Beicht­va­ters und der Ärz­te hö­ren wol­len. Dies Ge­spräch wur­de durch den Gra­fen Mans­feld un­ter­bro­chen, der et­was be­tre­ten her­ein­kam und mit­teil­te, es sei eben ein Ritt­meis­ter mit ei­nem Brief des Aldrin­gen an­ge­kom­men; er wol­le gleich vor­aus­schi­cken, dass nichts Ver­gnüg­tes dar­in ste­he, er be­hand­le ein un­ge­schick­tes Tref­fen, das Til­ly mit dem Schwe­den­kö­ni­ge ge­habt habe.

Kai­ser Fer­di­nand ließ die Fei­ge sin­ken, die er ge­ra­de in der Hand hielt. Ach, sag­te er, wäre er nur lie­ber statt zur Jagd in den Nach­mit­tags­got­tes­dienst zu den Fran­zis­ka­nern ge­gan­gen, wie er ei­gent­lich ge­wollt hät­te; wenn er aus der Kir­che käme, er­hiel­te er im­mer Glücks­bot­schaf­ten vom Kriegs­schau­plat­ze.

Ja, sag­te Mans­feld, das sei wahr, es sei schon je­der­mann auf­ge­fal­len; aber das lei­di­ge Tref­fen habe schon am 17. statt­ge­fun­den, und es sei nun doch wohl nichts mehr dar­an zu än­dern ge­we­sen.

Auf des Kai­sers Be­fehl las Mans­feld den Brief vor, wel­cher mel­de­te, Til­ly habe sich bei Leip­zig gut ver­schanzt ge­habt und sei durch Pap­pen­heim wi­der Wil­len in die Schlacht ver­wi­ckelt wor­den. In wäh­ren­der Schlacht sei der Wind um­ge­sprun­gen und habe dem kai­ser­li­chen Hee­re den Staub ins Ge­sicht ge­trie­ben, das habe sehr zu dem un­glück­li­chen Aus­gang bei­ge­tra­gen. Der ers­te Kar­tau­nen­schuss von schwe­di­scher Sei­te habe den kai­ser­li­chen Obers­ten Baum­gärt­ner ge­tö­tet, was bil­li­ger­wei­se als ein häss­li­ches Vor­zei­chen ge­deu­tet wor­den sei. Au­ßer­dem wä­ren Schön­berg, Er­wit­te und der Her­zog Adolf von Hol­stein, an Obers­ten noch Blan­kard, Ler­ma und Gon­za­ga ge­fal­len. Til­ly selbst sei durch einen schwe­di­schen Ritt­meis­ter schwer ver­wun­det und wür­de den To­dess­treich von dem­sel­ben emp­fan­gen ha­ben, hät­te Her­zog Max von Lau­en­burg nicht je­nem den Garaus ge­macht; mit die­sem Her­zog und dem Gra­fen Egon von Fürs­ten­berg sei dann Til­ly in ei­ner Kut­sche glück­lich nach Hal­le ge­kom­men, wo er nun krank lie­ge.

Der arme alte Mann, sag­te der Kai­ser, er wol­le ihm schrei­ben, dass er herz­li­ches Mit­lei­den mit ihm tra­ge.

In­zwi­schen war Wer­den­berg da­zu­ge­kom­men und sag­te, da sei man in einen hüb­schen Sumpf ge­ra­ten, der Schwe­den­kö­nig im An­zu­ge und Wal­len­stein nicht am Plat­ze!

Er wol­le gleich vier­zig­stün­di­ge Ge­be­te in al­len Kir­chen an­ord­nen, sag­te der Kai­ser, da­mit die Ge­fahr auf­ge­hal­ten wer­de.

Und dann er­schei­ne es ihm als das bes­te, bei Wal­len­stein an­zu­fra­gen, was er rate, sag­te Wer­den­berg.

All­mäh­lich ka­men nä­he­re Nach­rich­ten von dem er­lit­te­nen Ver­lus­te, von der un­auf­halt­sa­men Fu­rie der schwe­di­schen Sol­da­ten und Gu­stav Adolfs Ver­we­gen­heit, dass die säch­si­schen Re­gi­men­ter da­von­ge­lau­fen wä­ren, der Kö­nig aber, um dem Kur­fürs­ten die Lau­ne nicht zu ver­der­ben, sich an­ge­stellt habe, als wis­se er nichts da­von. Til­ly, hieß es, sei so per­plex, dass nichts Tröst­li­ches von ihm zu er­war­ten sei.

Ge­sand­te eil­ten nach al­len ka­tho­li­schen Hö­fen, um Geld auf­zu­trei­ben, und er­hiel­ten auch eine nam­haf­te Sum­me von Spa­ni­en so­wie vom Kö­nig von Un­garn, dem Soh­ne des Kai­sers, und sei­ner Ge­mah­lin. Be­son­ders große Vor­schüs­se spen­de­ten Fürst Eg­gen­berg und fer­ner der Kar­di­nal Diet­rich­stein, der Bi­schof von Wien und der aus Meck­len­burg ein­ge­wan­der­te Vi­ze­kanz­ler von Strah­len­dorff.

Was je­doch den Kai­ser sehr be­küm­mer­te, war die schlech­te Auf­nah­me, die der an den Papst ab­ge­ord­ne­te un­ga­ri­sche Kar­di­nal Paz­ma­ny, Erz­bi­schof von Gran, bei Ur­ban VIII. fand. Der­sel­be sag­te mit dem An­schein der Un­be­fan­gen­heit, es neh­me ihn wun­der, dass der Kai­ser in Ita­li­en Geld zu fin­den hof­fe, da er doch wis­se, wie es durch den letz­ten grau­sa­men Krieg in gänz­li­chen Ruin ge­stürzt sei. Da­mit spiel­te er auf die Erobe­rung und Plün­de­rung Man­tuas durch die kai­ser­li­chen Trup­pen un­ter Aldrin­gen an, wo­bei es sehr räu­be­risch zu­ge­gan­gen war und wes­we­gen der Papst dem Kai­ser groll­te. Auf das Zu­re­den des Kar­di­nals, Sei­ne Hei­lig­keit möge doch die ge­fähr­de­te Re­li­gi­on be­den­ken, ant­wor­te­te der Papst, er fin­de nicht, dass es in die­sem Krieg um die Re­li­gi­on gehe, was man dar­aus se­hen kön­ne, dass der ka­tho­li­sche Kö­nig von Frank­reich mit Schwe­den ver­bün­det sei. Spa­ni­sche Kar­dinäle hät­ten ihm im Ver­trau­en er­zählt, be­rich­te­te Kar­di­nal Paz­ma­ny in Wien, der Papst ge­bär­de sich fast ver­liebt in den Schwe­den­kö­nig und habe ge­sagt, der nor­di­sche Löwe sol­le nur noch ein­mal brül­len, da­mit ge­wis­se schnap­pen­de Hun­de den Schwanz ein­zö­gen.

Wal­len­stein un­ter­hielt um die­se Zeit durch Ver­mit­te­lung des Obers­ten Hein­rich Holk eine leb­haf­te Kor­re­spon­denz mit dem Kö­nig von Dä­ne­mark; es war der­sel­be Holk, der im Jah­re 1628 Stral­sund ge­gen die Kai­ser­li­chen hat­te ver­tei­di­gen hel­fen sol­len und der da­mals mit Wal­len­stein be­kannt ge­wor­den und in sei­nen Dienst ge­tre­ten war. Chris­ti­an IV. wünsch­te ei­ni­ge fes­te Plät­ze in Meck­len­burg zu be­sit­zen, die ihm ab­zu­tre­ten Wal­len­stein auch er­bö­tig war. Es wür­de ihm nichts lie­ber sein, schrieb er, als sich dem Kö­ni­ge ge­fäl­lig zu er­wei­sen; frei­lich, seit der Kai­ser ihn ab­ge­dankt habe, kön­ne er über die in Meck­len­burg ein­ge­la­ger­ten Of­fi­zie­re nicht mehr ver­fü­gen, wol­le aber den Kai­ser bit­ten, sie an­zu­wei­sen, dass sie die Plät­ze dem Kö­ni­ge ze­dier­ten. Üb­ri­gens, schrieb er, nach­dem die Lage des Kai­sers kürz­lich so ver­fäng­lich ge­wor­den sei, schei­ne ihm der Zeit­punkt ge­eig­net für den Kö­nig, nach den Bi­stü­mern Bre­men und Ver­den zu grei­fen. Wenn der Kö­nig dazu ge­neigt sei, so sei er er­bö­tig, die Sa­che beim Kai­ser zu be­trei­ben.