An einem frostigen Märzabend kam der schwedische Gesandte in Dresden, Graf Philipp Reinhard Solms, zu dem schwedischen Residenten Nikolai, der sogleich einen starken Punsch mischte; das sei nicht nur gut gegen die Kälte, sondern auch gegen die Pest, die jetzt so hässlich um sich greife. Er habe neulich von einem Arzt sagen hören, dass die pestilenzialischen1 Seuchen durch unsichtbare Tierlein oder Lebewesen verbreitet und dass diese durch den Weingeist getötet würden. Sollte dies aber auch nur eine neumodische Hypothese sein, so zähle doch sicher die Feuchtigkeit zu den Ursachen der Pest, welcher nicht besser als durch einen heißen Punsch könne gesteuert werden.
Graf Solms tat einen Zug und gab seiner Freude Ausdruck, Nikolai daheim gefunden zu haben; er habe etwas Seltsames erlebt, wovon er Nikolai zum Zeugen machen wolle, für den Fall, dass er selbst es morgen für ein Traumgesicht halten sollte. Er habe nach der Tafel dem Kurfürsten aufgewartet, der sehr aufgeräumt und vertraulich gegen ihn gewesen sei und ihn zu einem Spaziergang um die Stadt aufgefordert habe. Schnee und Regen hätten ihnen an die Backen geschlagen, und der Schlamm sei ihnen an die Beine gespritzt; dem Kurfürsten habe es aber die Laune nicht gestört, sondern er habe gesagt, Schnee und Sturm tue gut, die Welt müsse einmal ordentlich zerzaust werden, es könne nicht immer alles bleiben, wie es sei. Er sei früher zu gelinde gewesen; aber von nun an wolle er es mit dem Könige halten: scharf drein und vorwärts! Mit den Pfaffen müsse man nicht paktieren, sondern gründlich aufräumen, alles müsse säkularisiert werden. Das Reich müsse in ein anderes Modell gegossen werden, es sei einmal verrottet. Wenn der Kaiser nicht wolle, müsse man ihn zwingen; zum Teufel mit den Spaniern und Jesuiten, jetzt komme etwas Neues auf die Bahn.
»Ja, was ist das, was ist das?« sagte Nikolai, die Hände gegen die Knie stemmend; wenn Gräfliche Gnaden es nicht selbst gehört hätten, würde er nicht glauben, dass der Kurfürst das gesagt habe!
Gewiss und wahrhaftig, das wären seine selbsteigenen Worte gewesen, sagte Solms. Ob er vielleicht besoffen gewesen sei? fragte Nikolai nach einigem Nachdenken. Nein, sagte Solms, im Rausch pflege der Kurfürst stark mit den Händen zu fuchteln und ganz absonderlich zu fluchen; er sei aber diesmal ziemlich resolut fürbass gegangen und habe auch ganz verständig und schicklich geredet.
Nikolai schüttelte den Kopf und blickte gedankenvoll in seinen Punsch, dessen edles Aroma das kleine, braunvertäfelte Zimmer durchduftete. Ja, so sei er vielleicht gar nüchtern gewesen, sagte er plötzlich, indem er sich aufrichtete. Möglich sei das, antwortete Solms, aber doch nicht recht glaublich, da es gerade nach Tische gewesen sei.
So viel wisse er, sagte Nikolai, dass die Kurfürstin vor zwei Tagen in Dresden angekommen sei und ein langes Gespräch mit dem Kurfürsten gehabt habe, wobei sie auch geweint haben solle. Sie habe ihm vorgehalten, dass er das Evangelium verrate und sich immer auf die Seite neige, wo sein Wohlleben das beste Gedeihen finde, freilich nur das vermeintliche, denn auf die Dauer richte das Saufen Leib und Seele zugrunde. Der Hoë solle sich auch sehr angegriffen und gesagt haben, der König von Schweden sei von Gott gesandt, und wenn der Kurfürst ihm nicht treu bleibe, so verscherze er seine Seligkeit.
Der habe jetzt eine neue Saite auf sein Lautenspiel gespannt, sagte Solms. Nikolai lachte in sich hinein; ja, dem habe wirklich Gott den König gesandt, und noch dazu auf Silber und Gold geprägt. Man müsse es aber dem Hoë nachsagen, dass er wacker laufe, wenn er einmal angeschirrt sei. Gestern bei einem Bankett habe er, Nikolai, zu ihm gesagt, es sei befremdlich, dass in Dresden in den Kirchen noch immer für den Kaiser gebetet werde, da doch einem aufrichtigen Lutheraner das Wohl und die Siegerlangung des Königs viel mehr am Herzen liegen solle. Da habe er zugestimmt und versichert, es solle bald einen patriotischen Umschwung geben, er wolle lieber abdanken als zusehn, dass noch länger so missbräuchlich gebetet werde.
Was denn nun eigentlich Nikolai von den heutigen Äußerungen des Kurfürsten halte? fragte Solms. Ob er meine, dass es dem König mitzuteilen, oder ob es nur für ein Geflunker zu halten sei?
Mitteilen müsse man es dem König wohl, sagte Nikolai, aber zu geben sei nichts darauf. Aus dem Bauche kämen nur vapores. Könne man sich nur Arnims versichern, das schiene ihm richtiger. Den halte er für durch und durch falsch und gefährlich, und der König müsse nachdrücklich vor ihm gewarnt werden.
Der Kurfürst sei selbst böse auf Arnim, sagte Solms, denn er beantworte des Kurfürsten Briefe nicht, komme nicht, wenn er ihn rufe, kümmere sich überhaupt nicht um seine Befehle, und darin sei der Kurfürst sehr heikel. Außerdem behaupte Arnim, mit einem so übel ausgerüsteten Heer könne er nichts ausrichten, wogegen der Kurfürst sage, Arnim empfange Geld genug, stecke es aber in die Tasche und lasse das Heer verkommen. Tatsache sei, dass der Soldat einem Bettler oder Räuber gleiche und das arme Volk auffresse, anstatt es zu beschützen.
»Ja, ja, es ist eine üble Ordnung«, sagte Nikolai nachdenklich. Aber wie nun, meinte er, wenn der Kurfürst sich nur so anstellte, als ob er auf Arnim böse sei, aber in Wirklichkeit mit ihm unter einer Decke steckte, und sie plötzlich miteinander zum Kaiser übergingen?
Der böhmische Emigrant, Herr von Hrzan, bei dem er wohne, sagte Solms, habe ihm versichert, wenn Arnim und Wallenstein miteinander traktierten, könne es sich nur darum handeln, dass Wallenstein schwedisch, nicht, dass Arnim kaiserlich würde. Wallenstein sei so ehrgeizig, dass er sich ohne Bedenken dem Teufel verschriebe, um die böhmische Krone zu bekommen. Er sei nur misstrauisch und unschlüssig, warte auf eine rechte Sicherheit vom König von Schweden.
Nikolai zuckte die Schultern. Es möge so sein, sagte er, dass Wallenstein nicht kaiserlich sei, jedenfalls sei Arnim nicht schwedisch, so wenig wie der Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, der bisher dem Kaiser gedient habe und jetzt seinen Dienst beim Kurfürsten oder beim Könige suche.
Solms schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die leeren Gläser klirrten. Er wolle den König bitten, ihn abzurufen, sagte er. Es stehe ihm nicht an, bei krokodilischem Gesindel den Zarten zu spielen, dem er lieber die Faust unter die Nase halten möchte.
Nikolai redete dem Grafen zu, auszuharren, solange er könne, und aufzupassen. Er solle doch auch dem König wegen des Herzogs von Sachsen-Lauenburg schreiben, dass er sich seiner nicht annähme; denn es stecke doch nur Lug und Trug dahinter. Der Lauenburger wechsle nicht nur die Weiber, sondern auch die Herren, vielleicht nicht aus Bosheit, sondern zur Kurzweil; aber man wisse ja, wie es sich dabei unversehens zu einer Tragödie schürze, darum müsse man ein scharfes Auge auf ihn haben.
Einige Wochen später ereignete es sich, dass der schwedische Resident Transehe in Berlin zu der pfälzischen Kurfürstin-Witwe Juliane gerufen wurde und, wie er ihr Gemach betrat, in einem Sessel neben ihr den Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg erblickte, den er, von Nikolai aufmerksam gemacht, gerade hatte aufheben und verwahren lassen wollen. Die Kurfürstin-Witwe durchschaute Transehes Gedanken und sagte, sie habe ihn mit einem Fürsten bekannt machen wollen, der ein besonderer Verehrer seines Herrn, des Königs von Schweden, sei; worauf Transehe sich zu fassen wusste und antwortete, wenn das der Fall sei, so sei er dieses Fürsten ergebener Diener, denn nichts beglücke ihn mehr, als wenn die Größe seines heldenmütigen Königs auch von denen endlich anerkannt würde, die ihn bisher verkannt oder nicht gekannt hätten.
Der Lauenburger lachte munter wie ein Knabe und sagte freundlich, ein so treuer Diener seines Herrn werde es ihm nicht verargen, dass er lange und vielleicht allzu lange dem Kaiser angehangen habe. Das sei ihm von vielen seiner Glaubensgenossen übel ausgelegt worden, und er habe viel deswegen ausgestanden, sich aber mit seinem guten Gewissen und der Gnade seines Kaisers getröstet. Wie er nun aber für seine treuen Dienste auch nicht einen Fußbreit Landes vom Kaiser erhalten habe, während Geringere als er, wovon die Beispiele ja mit den Fingern zu greifen wären, königlich ausgestattet und erhöht worden wären, da sei sein lutherisches Gemüt erwacht und wären ihm die Augen endlich aufgegangen, und er sei nach Dresden gekommen mit dem festen Entschluss, sich einem evangelischen Potentaten anzubieten.
Nun habe er es am eigenen Leibe erfahren, sagte die Kurfürstin-Witwe, was andere längst erraten hätten, dass es des Kaisers Absicht sei, die uralten deutschen Fürstenhäuser abzutun und dienstwillige Kreaturen an die Stelle zu bringen, die nur von ihm abhingen.
Transehe stimmte bei: so sei es den Mecklenburgern ergangen, und beim Herzog von Wolfenbüttel habe auch nicht viel gefehlt, vom König von Böhmen ganz zu schweigen. Sein König sei zur rechten Zeit gekommen, um den Status imperii, wie er vor alters gewesen, wieder aufzurichten. Dann erlaubte er sich die Frage an den Herzog, ob er beim Kurfürsten von Sachsen eine Bestallung angenommen habe.
Nein, nein, sagte der Lauenburger, das habe er zwar beabsichtigt, wie er aber die liederliche und faule Wirtschaft in Dresden mit eigenen Augen gesehen habe, sei er anderen Sinnes geworden. Er habe einen spaßigen Auftritt mit dem Kurfürsten deswegen gehabt und wolle es Transehe genau erzählen, damit er die entstellten Berichte, die über dergleichen Vorfälle herumgetragen zu werden pflegten, korrigieren könne. Der Kurfürst nämlich sei zornig auf Arnim gewesen, nicht wegen seines Intrigierens mit Wallenstein, denn das sei mit kurfürstlicher Bewilligung geschehen, sondern weil Wallenstein Arnim 10.000 Taler ausgezahlt habe als einen Rückstand aus der Zeit, wo er in kaiserlichen Diensten gewesen sei. Das ärgere den Kurfürsten über die Maßen, wenn einer seiner Diener Geld bekomme, das er lieber selbst haben möchte, und richtig sei es, dass Arnim in Prag genug zusammengestohlen habe, um einstweilen zufrieden zu sein. In seinem Zorne nun habe der Kurfürst beschlossen, Arnim zu entlassen, und habe die Stelle ihm, dem Herzog, angetragen. Da habe er rundheraus gesagt, er bedanke sich schön, ein so verwahrlostes Volk übernehme er nicht, mit dem sei doch keine Ehre zu holen. Darüber sei der Kurfürst in schrecklichen Zorn geraten und habe gesagt, er, der Herzog, habe ihm bereits seine Parole gegeben, ob er sein Wort zu brechen gedenke, und habe dabei den Arm ausgereckt, als wolle er ihm eins versetzen. Er habe mit keiner Wimper gezuckt und ganz kavaliermäßig geantwortet, von Parole sei ihm nichts bewusst, übrigens sei es wohl nichts Neues, dass man seine Meinung verändere; worauf der Kurfürst sich angestellt habe, als werfe er etwas auf den Boden und trete mit dem Fuße darauf, laut dazu rufend, da habe er seine Parole. Nach solcher Beschimpfung habe er sich beeilt, Sachsen zu verlassen, und setze nunmehr seine Hoffnung auf den König von Schweden.
Transehe hatte von der Aufrichtigkeit des Lauenburgers den besten Eindruck empfangen und schrieb in diesem Sinne an Nikolai. Der verharrte jedoch bei seiner Meinung, und auch Oxenstierna warnte Gustav Adolf, als der Herzog einen Dienst um die Person des Königs suchte, sich seiner nicht zu bedienen; allein der König wollte nichts davon hören und behielt ihn bei sich, auch weil er dachte, ihn bei etwaigen Unterhandlungen mit Wallenstein gut gebrauchen zu können.
verpestet; stinkend <<<