Der französische Gesandte Saint-Étienne hatte den Auftrag, dem Könige von Schweden deutlich zu machen, dass Frankreich sein Sichausbreiten am Rheine sowohl wie seinen bevorstehenden Angriff auf Bayern nicht gern sähe noch dulden würde, und freute sich auf die Niederlage, die er Gustav Adolf zu bereiten gedachte. Er nahm sich vor, den nordischen Löwen zu bändigen, ohne aus seiner Höflichkeit und Gelassenheit herauszutreten, nur durch feines, überlegenes Lächeln und beschämende Ruhe, kurz, durch die unüberwindliche Gegenwart seiner gebildeten Person. Nachdem er die vorschriftsmäßige Reverenz gemacht hatte, ließ er einen nachsichtigen Blick durch das holzvertäfelte Zimmer und über die schweren eichenen Möbel gleiten, denn der König bewohnte ein ansehnliches Bürgerhaus in Donauwörth, und richtete dann seine Augen mit dreister Unterwürfigkeit auf Gustav Adolf, dessen großes, helles Antlitz schon eine leichte Ungeduld gerötet hatte. Wie sehr sein König, sagte Saint-Étienne nach kurzer Einleitung, auch Anteil an den Erfolgen des Königs von Schweden nehme, fühle er sich doch empfindlich gekränkt dadurch, dass Gustav Adolf so wenig Rücksicht auf seine Bundesgenossen nehme und der getroffenen Verabredung so wenig eingedenk sei. Gustav Adolf möge sich erinnern, dass der König von Frankreich als Beschützer der katholischen Religion die hohe Pflicht habe, die schirmende Hand über seinen Glaubensgenossen zu halten.
Die geistlichen Fürsten sowohl wie der Herzog von Bayern, sagte Gustav Adolf, hätten ihr Schicksal durch Treulosigkeit und Verrat selbst verschuldet. Der König von Frankreich wolle ihn hoffentlich nicht abhalten, diejenigen zu bestrafen, die den Waffenstillstand gebrochen und heimlich gegen ihn intrigiert hätten.
Saint-Étienne hörte den grollenden Ton in der Stimme des Königs mit heimlichem Vergnügen und malte sich aus, wie er den Auftritt vor einer auserwählten Gesellschaft am Hofe von Paris schildern wollte. Davon sei seinem Könige nichts bekannt, sagte er. Es sei freundschaftliche Sorge für Gustav Adolf, wenn der König von Frankreich den Wunsch äußere, Gustav Adolf möge doch ohne Zeitverlust seine ruhmreichen Waffen gegen den Kaiser wenden. In diesem Sinne habe ihm der König von Frankreich die Subsidien bewilligt.
Wenn der König so, sagte Gustav Adolf auffahrend, zu seinen Feldmarschällen und anderen Bediensteten spreche, möge das angehen. Ein Verständiger befehle nur denen, die er zu gehorchen zwingen könne. Man solle nicht vergessen, dass er König und dass er siegreich sei.
Saint-Étienne beobachtete aufmerksam die Zornesflamme, die über das königliche Gesicht schlug, und die verhaltene Unruhe in seinem starken, elastischen Körper, wie wenn ein Raubtier sich zum vernichtenden Sprunge anschickte. Er beteuerte die unwandelbare Freundschaft seines Königs und wie sehr derselbe es bedauern würde, wenn Gustav Adolf auf einem Einfall in Bayern bestände und ihn dadurch in die Notwendigkeit versetzte, dem Kurfürsten von Bayern, seinem Bundesgenossen, Beistand zu leisten.
»Sagen Sie Ihrem König«, rief Gustav Adolf, »dass ich, wenn er mich zu sehen wünscht, bereit bin, an der Spitze von 50.000 Mann nach Paris zu marschieren.« Diese Worte donnerte er in ausgelassener Wut hervor und begleitete sie mit einer Gebärde, als wolle er einen Hund aus dem Zimmer jagen, sodass sich Saint-Étienne unwillkürlich zurückzog. Auf der Treppe schon bereute er, dass er einem albernen Erschrecken nachgegeben und sogar den üblichen Handkuss vergessen hatte, auch erwog er, ob er sich nicht doch vielleicht behutsamer hätte ausdrücken sollen; aber für seine Person war er mit der Audienz nicht unzufrieden und versuchte sogleich, die Mienen und Bewegungen des gereizten Königs nachzuahmen.
In Gustav Adolf kochte der Zorn und wogte ein unbestimmtes Unbehagen; er wollte, um sich auszukühlen, an die Donau reiten und sich ein Bild machen, wo der Strom am günstigsten zu überschreiten wäre, als er vor dem Hause auf Camerarius stieß, der nach der Schlacht bei Prag aus pfälzischem in schwedischen Dienst getreten und kürzlich von Holland zurückgekommen war. Auf des Königs Wunsch ging Camerarius neben ihm die Straße hinunter und sprach von dem vortrefflichen Eindruck, den das schwedische Heer, dessen Einzug in Donauwörth er mit angesehen hatte, auf ihn gemacht habe. Von den Mansfeldischen Räuberbanden wolle er nicht reden; aber auch die Tillyschen und Wallensteiner kämen den Schweden an Gleichmäßigkeit und Zucht nicht gleich. Jene wären altmodische Söldner oder Zigeuner, nur die Schweden wären Soldaten, ohne Zweifel werde der König damit etwas Besonderes ausrichten und den anderen obsiegen.
Das sei gut gemeint und möge auch wahr sein, polterte der König heraus, aber es sei verkehrt, zu glauben, die Tüchtigkeit müsse immer etwas ausrichten, oder Kraft und Recht und der gute Wille. Es hange an etwas anderem, nur wisse er es nicht zu nennen. Im Augenblick, wo er eine Höhe erklommen und eine weite Aussicht sich verheißend vor ihm geöffnet hätte, ja fast im selben Augenblick habe es sich dunkel gesammelt und schwer gegen ihn herangewälzt. Am unerträglichsten sei ihm der Übermut des Königs von Frankreich, der sich getraue, ihn wie einen geworbenen Banditen hierhin und dahin zu hetzen und ihm durch Drohungen den Weg nach Bayern zu verlegen hoffe.
Frankreichs Absicht sei nicht schwer zu durchschauen, sagte Camerarius, es wolle sich selbst am Rheine mächtig machen. Richelieu habe sich eingebildet, er könne den König von Schweden für sich arbeiten lassen; nun er den Helden erkenne, beginne er ihn zu fürchten und suche ihn zu verdrängen.
Ja, es wende sich jetzt fast so, sagte der König, dass er mehr vor Frankreich als vor dem Kaiser auf der Hut sein müsse.
Die beiden in ihr Gespräch vertieften Herren befanden sich plötzlich inmitten einer Herde von Gänsen, nach denen, da sie nicht auswichen, Camerarius mit dem Stocke schlug, worauf ein paar Gänseriche zischend mit vorgestrecktem Halse auf sie losfuhren und sie mit Pfützenwasser bespritzten, denn am Vormittage hatte es stark geregnet. Einige ärmlich gekleidete Leute und Kinder blieben stehen und sahen halb neugierig, halb schadenfroh lachend zu. Camerarius sagte, die Gänse von Donauwörth schienen schon katholisch geworden zu sein; aber wenn es nur die Gänse wären, so hätte es nichts auf sich.
Der König zuckte die Achseln; das Volk, sagte er, habe ihn zwar nicht so angefaucht wie diese Tiere, aber es habe ihn keineswegs als Befreier begrüßt, wie man ihn vorher habe glauben machen wollen. Als er in der Hauptkirche evangelischen Gottesdienst habe halten lassen, sei fast niemand dazu gekommen als ein paar alte Bettelweiber.
Es sei nun über zwanzig Jahre her, dass die Bayern eingezogen, sagte Camerarius; die hätten das jesuitische Wesen mit Hammer und Keule eingetrieben.
Der König sah gedankenvoll vor sich nieder. Sie dächten auch vielleicht, sagte er, man könne nicht wissen, wie lange er hierbliebe. Sie müssten ihn erst kennenlernen, entgegnete Camerarius.
Sie blieben vor einem kleinen Garten stehn, wo eine Frau zwischen Küchenkraut hantierte, ein paar Kinder sich unter blühenden Obstbäumen um eine Ziege jagten und eine Alte auf einer Holzbank murmelnd den Rosenkranz durch die zitternden Finger zog. »Das Glück«, sagte der König, »rollt nicht mehr so stetig neben mir her wie im Winter. Woran liegt es, dass der Boden unter mir zu schüttern beginnt? Liegt es an den Menschen oder an Gott?«
Es möge wohl ein Gesetz in allen irdischen Dingen und Begebenheiten sein, antwortete Camerarius, ähnlich wie die Erde alles gleichmäßig an sich heranziehe, dass nichts übermäßig vorragen könne. Warum man aber annehmen solle, dass der König den Gipfel schon erreicht habe? Missglücke einmal etwas oder falle etwas Widriges vor, könne man ebensowohl schließen, dass es nun wieder besser gehn müsse. Frankreich freilich werde dem Könige desto feindlicher werden, je höher seine Größe steige; aber der König werde es teils durch Entgegenkommen zu begütigen, teils durch Festigkeit zu schrecken wissen.
Wieder erheitert, winkte Gustav Adolf dem Stallmeister, der, sein Pferd am Zügel haltend, in einiger Entfernung wartete. »Das beste ist«, rief er Camerarius scheidend zu, »dass ich Frankreich nicht mehr brauche und dass ich zwei Bundesgenossen habe, die mir stets treu bleiben: diesen Kopf und dieses Herz.«