Am Tore von Augsburg stieg Gustav Adolf vom Pferde und ging zu Fuß bis zur Kirche Sankt Anna, wo sein Hofprediger Fabrizius den Gottesdienst abhielt; die Predigt ging über den Text des zwölften Psalms: ›Weil denn die Elenden verstöret werden und die Armen seufzen, will ich auf, spricht der Herr; ich will eine Hilfe schaffen, dass man getrost lehren soll.‹
Das Gemüt des Königs war bewegt und erhoben, denn als Sieger und Retter zog er in die Stadt ein, in welcher einst die Anhänger Luthers die Bekenntnisschrift dem Kaiser überreicht hatten und die deshalb den Evangelischen heilig war. Im Hause der Fugger am Fenster stehend, nahm er die Huldigung der Bürgerschaft entgegen; nirgends war sie so willig dazu gewesen wie hier, wo er die Lutherischen vom Drucke der Katholiken befreit hatte. Er bewunderte die südliche Herrlichkeit der Stadt und gab dem alten Stadtbaumeister Elias Holl die Hand, der, da er sich nicht hatte bequemen wollen, von dem katholischen Stadtrat seines Amtes entsetzt worden und in Armut geraten war. Wenn er gleichsam als ein Bettler durch die Straßen gegangen sei, erzählte der Alte, habe er bei sich lachen müssen: er habe keinen überflüssigen Taler im Sack und doch sei fast die ganze Stadt Augsburg sein eigen. Der König klopfte dem gebückten Greis auf die Schulter und sagte scherzend: »So bist du mein Nebenbuhler, denn jetzt ist die Stadt mein, und ich gedenke sie mit niemandem zu teilen.« Elias Holl zwinkerte mit den Augen und machte eine beschwichtigende Gebärde mit der Hand: ein Vater gebe auch seine Tochter in ihres Eheherrn Gewalt, meinte er, obwohl er sie gezeugt habe. Wenn es ihr nur wohl gehe, so sei er zufrieden. Und in seinem Herzen, fügte er hinzu, behalte er sie ja doch als sein Kind.
Unter anderen kamen einige Ratsherren und Prediger, priesen den König als einen Moses, Josua und Gideon und schilderten ihm dann die Leiden, die die Evangelischen unter dem katholischen Regiment ausgestanden hätten: wie ihrer keiner mehr ein Amt hätte erlangen können, wie ihnen unter eitlen Vorwänden das Geld abgepresst worden wäre, wie sie kein Kind hätten taufen oder zur Schule schicken können, ohne den Drängern den Beutel zu füllen, und mehr dergleichen. Es sei doch nicht billig, dass ihre Peiniger nun so straflos ausgingen. Viele von den Reichen wären sofort bei Ankunft des Königs mit Hab und Gut abgezogen, dadurch litte die Stadt wiederum Schaden, nachdem sie zuvor schon genug geblutet hätte.
Was sie denn von ihm wollten? fragte der König. Er habe ihnen das Regiment zurückgegeben, und die Kirchen und Klöster, die ihnen durch das Restitutionsedikt genommen wären, würden ihnen wieder eingeräumt werden. Was ihnen Ungerechtes widerfahren sei, habe der Kaiser verfügt gehabt, der könne ihnen nun nicht mehr schaden, wenn sie treu an ihm, dem König von Schweden, hingen. Er habe Frieden und Gerechtigkeit wieder hergestellt, damit sollten sie es sich genug sein lassen.
Das sei keine Gerechtigkeit, fiel der eine Prediger, der eifrig aufhorchend auf der Lauer gestanden hatte, ein, wenn die Übeltäter unbestraft blieben. Es sei gewiss des Kaisers Wille nicht gewesen, dass sie sich mit ungerechtem Gut bereichert hätten. Das hätte man ihnen abnehmen und sie ordentlich abbüßen lassen sollen, bevor man sie ziehen ließe.
Wegen geschehenen Unrechts könne ja jeder an die zuständigen Gerichte gelangen, sagte der König; sie sollten ihn aber nicht anhalten, Wiedervergeltung zu üben, denn daran habe Gott kein Wohlgefallen.
Wie? rief der streitbare Prediger, es habe doch der berühmte und gottselige König David den Herrn bitten dürfen, ihn an seinen Feinden zu rächen, wie geschrieben stehe im Psalm 35: ›Herr, hadere mit meinen Haderern, streite wider meine Bestreiter. Es müssen sich schämen und gehöhnet werden, die nach meiner Seele stehen; es müssen zurückkehren und zuschanden werden, die mir übel wollen. Sie müssen werden wie Spreu vor dem Winde, und der Engel des Herrn stoße sie weg. Herr, mein Gott, richte mich nach deiner Gerechtigkeit, dass sie sich nicht über mich freuen. Sie müssen sich schämen und zuschanden werden alle, die sich meines Übels freuen; sie müssen mit Schande und Scham gekleidet werden, die sich wider mich rühmen.‹
Das sei wohl wahr, sagte der König, aber der Erlöser habe gesprochen: ›So ihr liebet, die euch lieben, was Danks habt ihr davon? Denn die Sünder lieben auch ihre Liebhaber. Aber liebet ihr eure Feinde, so werdet ihr Kinder des Allerhöchsten sein.‹
Ach Gott, ach Gott, rief der Prediger, der König werde sie doch nicht heißen wollen, die Gottlosen lieben? Es stehe geschrieben Psalm 9: ›Du schiltst die Heiden und bringest die Gottlosen um, ihren Namen vertilgst du immer und ewiglich. So erkennet man, dass der Herr Recht schaffet.‹ Und Psalm 10: ›Zerbrich den Arm des Gottlosen und suche das Böse, so wird man sein gottloses Wesen nimmer finden.‹ Und Psalm 11: ›Der Herr wird regnen lassen über die Gottlosen Blitz, Feuer und Schwefel und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben.‹ Das werde der König aber doch nicht ableugnen wollen, dass man den Papst für den Antichristen und einen reißenden Werwolf und die Katholiken für die Gottlosen zu halten habe.
Der Apostel Paulus habe aber im Römerbrief gelehrt, sagte der König: ›Ist es möglich, so viel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächet euch selber nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorn; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, Ich will vergelten, spricht der Herr.‹
Aber in der Offenbarung Johannis, schrie der Prediger, heiße es: ›Ach dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde!‹ Und der König habe selbst gesagt, er wisse nicht, was die Neutralität für ein Ding sei, man müsse für oder wider ihn sein, wie auch Christus es verlangt habe.
Ja, sagte der König heiter und nachdrücklich, und dabei solle es auch gänzlich sein Verbleiben haben. Sie ständen freilich in einem großen Kriege wider die päpstlich-spanische Gewissenstyrannei, der Feind sei aber noch nicht niedergeworfen, und ohne Einigkeit vermöchten sie seiner nicht Herr zu werden. Er sei ihr Haupt in diesem Kriege, ihm müssten sie vertrauen, dass er ihre Sache recht führe. An Privatnutzen oder Privatrache zu denken, sei jetzt keine Zeit; sie sollten, als die Wächter des Volkes, dasselbe in Ordnung und in der Treue zu ihm erhalten, so täten sie ihre Pflicht und wolle er es ihnen danken und lohnen.