Pappenheim lag vor Hildesheim, um es den Schweden abzunehmen, als ein Brief aus Köln ihm die Nachricht von den Erfolgen der Schweden und Franzosen am Rheine brachte, dass Koblenz bereits erobert und das Kölnische bedroht sei. Eilig mahnte er in einem Schreiben die Stadt Köln, es nicht am altdeutschen Heldenmute ermangeln zu lassen und die seit uralter Zeit in ihr heimische katholische Religion zu stützen, entschloss sich dann aber doch, in Anbetracht der Wichtigkeit des gefährdeten Gebietes selbst zu seiner Rettung aufzubrechen. Es war ihm dies insofern lieber, als er dadurch einen Vorwand bekam, dem Kurfürsten von Bayern nicht zu gehorchen, der ihn schon mehrmals zum Schutze vor Gustav Adolf dringend zu sich berufen hatte; denn seitdem er nach seiner Trennung von Tilly unabhängig Krieg führte, hätte er sich auch keinem Oberfeldherrn, nicht dem Kurfürsten und nicht einmal Wallenstein mehr unterziehen mögen. Er wollte für sich allein irgendetwas Großes vollbringen, wodurch seine Stellung ein- für allemal gesichert würde, und dann, schwebte ihm vor, sollte Gustav Adolf irgendwie in seinen Umkreis verschlagen werden oder gar ihn aufsuchen, worauf er, um seine Taten zu krönen, ihn überwältigen würde. Die Besorgnis, gestört zu werden, hetzte ihn hierhin und dorthin, damit ihm ja nichts entginge; aber die kleinen Erfolge, die er errang, waren nicht das, was er brauchte, und er gestand sich, dass sie die Lage im ganzen nicht im mindesten zugunsten seiner Partei veränderten. Mehr und mehr schien es ihm, als sei Geldmangel die hauptsächliche Ursache, dass es nicht vorwärts wollte, und er sann und bohrte, wie er sich einmal ausgiebig davon verschaffen könne; denn die Kontributionen und Brandschatzungen, die ohnehin immer schmächtiger flossen, waren sogleich wieder zerronnen. Hätte er wie Wallenstein das Recht gehabt, Konfiskationen vorzunehmen! Oder wäre der Kurfürst, der ja genug hatte, weniger zurückhaltend gewesen! Er schrieb demselben Briefe über Briefe, wenn er ihm nur ein einziges Mal 100.000 Taler überwiese, so würde er, Pappenheim, die Welt in Erstaunen setzen und dem Kriege ein anderes Ansehn geben können. Maximilian gab zwar endlich nach, aber inzwischen, sagte Pappenheim, wären so viel Rückstände aufgelaufen, dass der Schnee, kaum er den Boden berührt hätte, wieder geschmolzen wäre. Da eröffnete sich ihm eine neue Aussicht, indem ihn die Infantin Isabella bat, die von den Staaten belagerte Festung Maastricht zu entsetzen, so sei sie erbötig, ihm nicht nur das Goldene Vlies zu verschaffen, sondern ihm auch 24 000 Taler monatlich auszuzahlen. Auf dem Wege nach Köln kam Pappenheim zu dem Schluss, dass er diese Gelegenheit, etwas Großes zu vollführen und Geld in die Hand zu bekommen, ergreifen müsse. Allerdings war es ein Wagnis und zugleich ein Unrecht, denn im Grunde war es seine nächste Pflicht, Bayern zu schützen, und ferner, da zwischen den Staaten und der Liga Neutralität bestand, konnte er seine Herren, die Ligafürsten, durch seine willkürliche Einmischung in große Verlegenheit bringen; aber das erste betreffend, so berief er sich auf gewisse Gerüchte, als sei Gustav Adolf in Bayern besiegt worden und also seine Hilfe nicht mehr notwendig, und übrigens würde ein großer Erfolg seine Eigenmächtigkeit rechtfertigen. Er schlug also den Weg nach den Niederlanden ein, der ihn durch das Herzogtum Jülich führte, und bat Wolfgang Wilhelm, als er nahe bei der Grenze war, ihm den Durchgang zu verstatten.
Dieser war ohnehin voll Missvergnügen und Entrüstung. Die zweibrückensche Heirat hatte ihm von Seiten Gustav Adolfs durchaus nicht die verwandtschaftliche Berücksichtigung eingetragen, auf die er gerechnet hatte, vielmehr hatte der Schwedenkönig seine Bitte um Neutralität kühl beantwortet. Das Wort Neutralität, schrieb ihm Gustav Adolf, sei ein weiter Mantel, unter dem sich allerlei verstecke; es sei ja weltbekannt, dass seine Festungen Rheinberg und Orsau von den Spaniern besetzt seien, wie dass er sein Stammland Neuburg und die Erblande seiner Brüder, Sulzbach und Hildburghausen, wider die alten Verträge mittels Gewalt und List den Jesuiten ausgeliefert hätte. Wolfgang Wilhelm sagte sich, dass er diese Feindseligkeit der Anwesenheit seines Bruders August im Lager des Schwedenkönigs zuzuschreiben habe; der würde ihm genug Klagelieder über seine, des Ältesten, Ungerechtigkeit vorwinseln. Unter dem Neide dieser Brüder, sagte er sich, habe er nun einmal zu leiden, das hänge ihm von Haus aus nach; aber der große Trug und Undank, den er vom Kaiser und von Bayern erfahren musste, erbitterte ihn weit mehr. Er antwortete Pappenheim mit gereizten Worten, er habe sich eines Angriffs oder Durchmarsches von den Kaiserlichen nicht versehen, da er mit dem Kaiser und der Liga in tiefem Frieden lebe und wegen vieler geleisteter Dienste eher auf Beförderung und Unterstützung als auf so unleidliche Perturbationen gerechnet habe. Hierauf teilte ihm Pappenheim das Anliegen der Infantin Isabella mit, das er als ein ehrliebender Kavalier nicht habe abschlagen können. Er sei sich wohl bewusst, schrieb er, was er dem Herzog schulde; denn der Herzog habe ihn seinerzeit durch sein beredtes Disputieren der alleinseligmachenden, wahren Religion zugeführt, wovon seine glückselige und ruhmreiche Laufbahn ihren Ursprung genommen habe. Wie er sich damals von ihm, dem Herzoge, habe überreden lassen, so solle dieser jetzt auf ihn hören und den gefährlichen und schwierigen Grundsatz der Verschonung oder Neutralität aufgeben, der der guten Sache des katholischen Glaubens und dem Kaiser überaus hinderlich sei.
Diesen Brief fand Wolfgang Wilhelm ziemlich trotzig und ungebührlich; denn was verstand Pappenheim von der Lage eines freien Reichsfürsten? Pappenheim machte sich leicht mit etlichen Narben, aufgegriffener Beute und aufgeblasenem Kriegsruhm bezahlt; was aber war sein Lohn, wenn er sich mit dem Kaiser einließ? Wenn er es je vergessen könnte, dass der Kaiser die pfälzische Kur, auf die er dem Grade der Verwandtschaft nach den meisten Anspruch besaß, an Bayern gegeben hatte, so häuften jene stets neue Unbill auf, indem der Kaiser die geheime Rebellion seiner Stände fomentierte und indem der Kaiser und Bayern nicht einmal seinen billigen Anspruch unterstützten, Jülich-Kleve allein, mit Ausschließung Brandenburgs, besitzen zu wollen.
Er wäre wohl bereit, schrieb er Pappenheim, offen auf des Kaisers Seite zu treten, doch müsse er sich dann die oberste Leitung des Kriegswesens vorbehalten, da er als ein Reichsfürst sich nicht wohl einem Geringeren unterstellen könnte. Diese Einbildung fand Pappenheim nicht wenig lächerlich, und ohne sich auf weiteren Schriftenwechsel einzulassen, überschritt er die Grenze, ließ auch seinen Soldaten bei ihrem Durchmarsche ein leidliches Plündern und Verwüsten ungestraft hingehen.
Voll Sorge, dass die Staaten diesen Durchzug als Bruch der Neutralität auffassen möchten, zog Wolfgang Wilhelm hinter Pappenheim her, um sich beim Prinzen von Oranien, der Maastricht verteidigte, zu entschuldigen; überhaupt unterbrach er den eintönigen Aufenthalt in Düsseldorf gern durch Reisen, zu denen bei den verwickelten Geschäften nie ein Anlass fehlte.
Außer diesem vorwurfsvollen Fürsten folgten Pappenheim noch die Klagen des geängsteten Kurfürsten von Köln. Er würde es auszubaden haben, schrieb ihm dieser, an ihm würden die Holländer ihre Rache kühlen, und gerade von Pappenheim habe er sich solcher Untreue und Eigenmacht nicht versehen, dem er stets bei seinem Bruder von Bayern das Wort geredet, dem er erst kürzlich die 100.000 Reichstaler verschafft und ausgezahlt habe. Dem Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien gegenüber, der ein höfliches Erstaunen über Pappenheims Ankunft aussprach, verantwortete derselbe sich damit, dass Maastricht ein Reichsglied sei, welches er dem Reich nicht könne entfremdet werden lassen, obwohl er übrigens die Neutralität streng zu wahren im Sinne habe. Am allermeisten waren über Pappenheims unvermuteten Heranzug die beiden spanischen Feldherren, die vor Maastricht lagen, erbittert; was dem deutschen Tölpel in den Sinn komme, sich ihrer Angelegenheiten anzumaßen? Er solle nur, wenn er Lust habe, sich den Kopf an den holländischen Schanzen einrennen, sie wollten sich das Schauspiel gefallen lassen.
Pappenheim sank das Herz, als er inne wurde, dass die Spanier nicht daran dachten, ihm beizustehen. Indem er seine Lage überblickte, wurde ihm klar, dass er, da er allein nichts gegen die Holländer ausrichten konnte, sich aussichtslos in einen Knoten von Schwierigkeiten und Verlegenheiten verwickelt hatte. Vernunft und Vorsicht hätten erfordert, dass er sogleich wieder abziehe, ohne noch sein Heer durch einen ergebnislosen Sturm zu schmälern; aber es kam ihm unerträglich vor, gleichsam als ein Hund mit eingezogenem Schwanze davonzukriechen. Er wollte wenigstens die Tapferkeit und Wohldiszipliniertheit seiner Truppen ausweisen und den Spaniern vor Augen führen, wie schändlich es von ihnen sei, ihn aufzuopfern und seine guten Soldaten abschlachten zu lassen, ohne ihm beizuspringen. Im Stillen hoffte er, sie würden ihren Sinn vielleicht doch noch ändern oder sich durch den einen oder anderen kampflustigen Offizier fortreißen lassen, wenn er mit dem Angriff begänne.
Unterdessen war Wolfgang Wilhelm im Schlosse Geul, wo Friedrich Heinrich von Oranien sich aufhielt, höflich aufgenommen worden. Er werde die Neutralität des Herzogtums Jülich gern anerkennen, sagte der Prinz, sowie Wolfgang Wilhelm es gleichermaßen damit halte; wenn die spanischen Truppen Rheinberg und Orsau evakuierten, sollten auch seine Truppen aus Wesel abziehn. Vorab, das müsse Wolfgang Wilhelm einsehn, würde er gegen die Kriegsräson handeln, wenn er den Spaniern bei ihm freie Hand ließe. Es sei ihm, klagte Wolfgang Wilhelm, die Evakuation längst von der Infantin versprochen, aber immer noch verzögert worden; er sei jetzt auf dem Wege nach Brüssel, um sie zu mahnen. Über Pappenheim lachte der Prinz von Oranien; der sei den faulen Krieg im Reiche gewöhnt und halte sich für unüberwindlich. Dem König von Schweden habe er doch nicht standhalten können. Und was für ein seltsames Wesen und Abenteuern dieser Zug sei! Wenn einer seiner Untergebenen sich dergleichen unterfinge, ließe er ihm den Kopf vor die Füße legen. Übrigens würde er nichts als Schimpf und Schaden davon haben. Ob Wolfgang Wilhelm ihn nicht ins Lager begleiten wolle, um den Angriff besser beobachten zu können? Der Herzog hatte keine Lust, mit dem Kriege in nähere Berührung zu kommen, und die hochmütige Gelassenheit Oraniens ärgerte ihn, obgleich er Pappenheim die Niederlage gönnte; aber er mochte nicht nein sagen, stieg zu Pferde und begleitete den Prinzen bis zu einer Anhöhe, wo sie nach seiner Angabe nicht ausgesetzt wären. Die braven Pappenheimer marschierten ganz munter in den Tod, sagte Oranien, indem er Wolfgang Wilhelm sein Perspektiv1 reichte, damit er besser sehen könne; vielleicht habe Pappenheim ihnen vorher Wein gereicht, damit pflegten viele deutsche Feldherren ihren Völkern Mut zu machen. Der König von Spanien, sagte Wolfgang Wilhelm, werde nicht wenig ungehalten sein, dass seine Obersten sich nicht mit Pappenheim konjungiert hätten. Darüber lachte Oranien; der König von Spanien, sagte er, sähe es gern, wenn dem Kurfürsten von Bayern ein Tort geschehe; wüssten das die beiden Herren nicht, hätten sie sich wohl anders verhalten.
Pappenheim fieberte vor Zorn, besonders als ihm erzählt wurde, der eine von den spanischen Feldherren habe zum anderen gesagt, Pappenheim sei ein vorzüglicher Seiltänzer, und er wolle dem König berichten, für die desperaten Kapriolen, die er vor ihnen aufgeführt habe, sei er wert, das Goldene Vlies zu erhalten. Da nach drei Tagen Maastricht an die Staaten kapitulierte, blieb ihm nichts übrig, als seinem absonderlichen Seitensprung nebst nachfolgender Katastrophe ein ehrenvolles Ansehn zu geben und etwaige üble Folgen zu verhüten. Deswegen bat er den Prinzen von Oranien, er solle doch, was er für Kaiser und Reich zur Rettung Maastrichts unternommen, den Kurfürsten von Köln nicht entgelten lassen, der die Neutralität eifrig und treulich zu halten gesonnen sei. Dann schilderte er dem Kurfürsten von Bayern das neidische und treulose Benehmen der Spanier, wie sich überhaupt niemand außer ihm der katholischen Religion so recht annehme, was für einen staunenswürdigen, geschwinden Zug er ausgeführt und wie der Geldmangel ihn zu diesem Unternehmen genötigt habe. Der Kurfürst, dem mittlerweile Gerüchte über Pappenheims tollen Zug zu Ohren gekommen waren, dachte daran, ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen, sowie er ein wenig vor dem Feinde aufatmen könnte, und noch mehr entrüstet war Wallenstein.
Wolfgang Wilhelm setzte seine Reise nach Brüssel fort, wo er sich von den unangenehmen Eindrücken der letzten Zeit wieder erholte. Die Infantin versprach ihm, seinen Wunsch, die Evakuation der Festungen betreffend, bald zu erfüllen, und auch die hohen Geistlichen und vornehmen Damen, die er aufsuchte, überhäuften ihn mit Liebenswürdigkeit. Täglich erhielt er Einladungen und wurde als ein schöner, kunstverständiger und hochgebildeter Fürst gefeiert, entfaltete sein schönes Reden und machte den Damen nicht ohne Herablassung den Hof. Im Kreise der nach neuester Mode und mit großer Pracht gekleideten Schönheiten fiel ihm zuweilen seine kleine nonnenhafte Frau zu Düsseldorf ein und dass sie lernen müsse, so lieb ihm auch ihr unscheinbares Wesen im Allgemeinen war, sich zuweilen fürstlich herzurichten. Indem er mit Hochachtung von ihrem Verstande und ihrer Tugend sprach, erkundigte er sich bei seinen Freundinnen nach den Näherinnen, die ihre Roben verfertigten, und woher sie ihre Spitzen, Handschuhe und dergleichen bezögen.
Unterdessen lebte Katharina Charlotte ein einsam eintöniges Leben in dem großen Düsseldorfer Schlosse. Sie bangte sich zuweilen nach ihrem Manne, obwohl sie sich allein in mancher Hinsicht wohler fühlte; denn wenn er da war, bedrückte sie seine Unzufriedenheit über dieses und jenes, zum Beispiel über ihren Verkehr mit dem reformierten Pfarrer, den sie mitgebracht hatte, oder über die reformierte Kinderfrau, die er stets für irgendetwas verantwortlich machte, womit sie gar nichts zu tun hatte, und diese Tadelsucht ließ sie nie zur Ruhe kommen. Nun saß sie abends am Kamin, in dem sie sich, obwohl es Sommer war, der Kälte wegen ein Feuer anzünden ließ, und spielte mit ihrem kleinen Kinde, bis es für die Nacht schlafen gelegt wurde. An den Wänden des hohen dunklen Zimmers hingen die Bilder der alten Herzöge von Kleve: Herzog Wilhelms des Reichen, der in Geistesschwachheit gestorben war, und seiner schwermütigen habsburgischen Gemahlin, Wolfgang Wilhelms Großmutter, im starren dunkelroten Kleide und mit weißem, angstvollem Gesicht, die so dastand, als ob sie sich vor dem Blick des Beschauers in die Mauer verkriechen möchte; ferner des letzten Herzogs Jan Willem, der in Melancholie und gefährlichem Blödsinn gelebt hatte, und seiner ersten Gemahlin, der badischen Jakobe, mit rotbraunen Haaren, die aussahen, als ob das Feuer der untergehenden Sonne darauf schiene, und von der man sagte, dass sie ihren Mann verzaubert hätte und dass sie geheimnisvoll ermordet worden sei. Diese gemalten Figuren wären ihr eine traurige und furchtbare Gesellschaft gewesen, wenn sie das Kind nicht gehabt hätte, das mit seinem kleinen, unschuldigen Leben wie ein Bild und Zeugnis von Gottes Gegenwärtigkeit war. Sie legte seinen zarten runden Körper gern auf den dunkelroten Teppich oder sah seine tiefdunkelblauen Augen in die hüpfende Flamme staunen, wie wenn es sie kennte und sie ihm vor namenlosen Zeiten einmal vertraut gewesen wäre; nur dass es so still lag und fast niemals lachte oder strampelte, ängstigte sie zuweilen so, dass sie die Kinderfrau rief, um ihre Meinung darüber zu vernehmen. Diese pflegte sie zu trösten und zu sagen, dass die schwächlichen Kinder oft zäh wären; freilich sei sie selbst, Katharina Charlotte, noch ein gar junges und gebrechliches Fräulein zur Ehe gewesen; man müsse es aber Gott anheimstellen.
Fernrohr/Fernglas <<<