83.

Um zu ver­hin­dern, dass der Kur­fürst von Tri­er den Fran­zo­sen Ko­blenz über­lie­fe­re, die Gu­stav Adolf sich nicht am Rhei­ne fest­set­zen las­sen woll­te, rück­te Horn ge­gen die­se Fes­tung vor. Eine klei­ne Ab­tei­lung sei­nes Hee­res er­hielt den Be­fehl, sich der Kar­tau­se zum hei­li­gen Kreuz zu be­mäch­ti­gen, die sich wie eine Burg auf ei­nem stei­len Fel­sen auf­türm­te und von me­ro­di­schen Mus­ke­tie­ren ver­tei­digt wur­de. Pe­ter Jun­clas, der sie kom­man­dier­te, wies die Auf­for­de­rung der Schwe­den, das Klos­ter zu über­ge­ben, la­chend zu­rück. Sie möch­ten nur vollends her­auf­kom­men, ließ er ih­nen ant­wor­ten, sie wür­den schnel­ler wie­der hin­un­ter­flie­gen. Dann be­fahl er den bei­den Klos­ter­brü­dern, die nicht mit den üb­ri­gen ge­flo­hen wa­ren, vom bes­ten Wein aus dem Kel­ler zu ho­len und mit ihm und ein paar Ka­me­ra­den Kar­ten zu spie­len. Wäh­rend sie den Wein her­auf­schaff­ten, ver­teil­te er die Be­sat­zung an den Fens­tern und blick­te in das Tal hin­un­ter, wo er den Feind wie in ei­nem Pup­pen­spiel durch­ein­an­der­wim­meln sah. Die Son­ne war eben un­ter­ge­gan­gen, und der Him­mel bog sich wie eine schim­mern­de Mu­schel über Wald und Fluss. »Brennt ih­nen tüch­tig auf den Pelz, wenn sie nah ge­nug sind, dass ihr tref­fen könnt«, sag­te Pe­ter Jun­clas zu den Sol­da­ten und setz­te sich an einen schwe­ren ei­che­nen Tisch, auf dem be­reits die ge­füll­ten Be­cher stan­den. »Die gott­lo­sen Ket­zer wer­den un­se­re lie­be Flö­ten­blä­se­rin ver­trei­ben«, sag­te der eine der Mön­che, auf die Nach­ti­gall an­spie­lend, die zu schla­gen be­gon­nen hat­te. »Sie wer­den viel­mehr mit ihr um die Wet­te pfei­fen«, ant­wor­te­te Pe­ter Jun­clas lus­tig. Als nach ei­ner Wei­le ein Ka­no­nen­schuss fiel, rief er: »Da ist die ers­te, aber sie hat eine gro­be Stim­me!« Die Mön­che fuh­ren vor Schre­cken zu­sam­men und ver­ga­ßen aus­zu­spie­len, wor­auf Pe­ter Jun­clas auf den Tisch schlug und sie Schand­bu­ben und Schlot­ter­bei­ne schimpf­te. Wäh­rend des hef­ti­gen Feu­ers, das sich ent­spann, spiel­te er un­ge­stört wei­ter, au­ßer dass er dann und wann den Sol­da­ten, ohne auf­zu­se­hen, ein Kom­man­do zu­schrie. Plötz­lich je­doch, als die Ka­no­na­de stär­ker wur­de, warf er die Kar­ten auf den Tisch, rief, bei dem Lärm kön­ne man nicht spie­len, er müs­se den Nach­ti­gal­len das Maul stop­fen, und sprang auf, um das größ­te Ge­schütz, das er be­saß, auf­zie­hen zu las­sen. Wie er sich aus dem Fens­ter bog, um einen Blick auf die feind­li­che Auf­stel­lung zu wer­fen, riss ihm eine Ku­gel den Kopf ab, so­dass sein Rumpf wie ein aus­ge­stopf­ter Balg glatt auf die Flie­sen des Saa­l­es schlug. Über die­sem Un­fall ver­lo­ren die Sol­da­ten die Be­sin­nung, war­fen die Waf­fen von sich und woll­ten ka­pi­tu­lie­ren; aber be­vor sie noch ein wei­ßes Tuch aus­ge­hängt hat­ten, dran­gen die Schwe­den ein und sta­chen über den Hau­fen, was ih­nen in den Weg kam, dar­un­ter einen der Mön­che; der an­de­re hat­te sich im Kel­ler hin­ter ei­nem Wein­fass ver­steckt. Als das Klos­ter ge­räumt war, rüs­te­ten die Schwe­den in Eile einen vol­len Tisch, um sich nach der An­stren­gung zu er­qui­cken, schlepp­ten in Krü­gen und Ei­mern Wein her­bei und was sie sonst an Schin­ken, Ei­ern, Brot und ge­dörr­tem Fisch auf­trei­ben konn­ten. Sie wa­ren mit­ten im Ze­chen, als sie ein lei­ses Rau­schen und Knar­ren ver­nah­men, und wie es ih­nen ein­fiel, dass sie die Zu­gän­ge nicht ver­wahrt hät­ten, stürm­te un­ter Ge­schrei eine Hor­de be­waff­ne­ter Män­ner her­ein. Der schwe­di­sche Haupt­mann sprang auf und frag­te, wer sie wä­ren; sie sä­hen nicht wie ehr­li­che Sol­da­ten aus. Der An­füh­rer der Ban­de, ein großer Mann mit Schlapp­hut und aben­teu­er­lich um­ge­schla­ge­nem brau­nem Man­tel, sag­te hoch­mü­tig, er sei wohl mehr als je­ner, da er ein selbst­ge­wor­be­nes Heer kom­man­die­re und kei­nen über sich habe. Ob er noch nicht vom Stei­ner­nen Jo­han­nes ge­hört habe? Der sei er. Er habe das Klos­ter er­obert so gut wie die Schwe­den; sie soll­ten ihn mit­hal­ten las­sen und ihm die Hälf­te der Beu­te her­aus­ge­ben, sonst wür­den sie es be­reu­en.

»Ihr seid Schnapp­häh­ne«, sag­te der Schwe­de; er un­ter­hand­le nicht mit Räu­bern, sie soll­ten sich schnell da­von­ma­chen.

Sie woll­ten nicht um­sonst da her­auf­ge­stie­gen sein, sag­te der An­füh­rer, er­griff einen Be­cher, der auf dem Ti­sche stand, und trank ihn aus. Ein Jude aus der Ge­gend, den die Schwe­den als Füh­rer mit­ge­nom­men hat­ten, flüs­ter­te den Sol­da­ten zu, sie soll­ten doch mit dem Man­ne nicht an­bin­den, es sei der Wer­wolf von Gon­dram­stein; er grü­be die Lei­chen jun­ger Wei­ber aus und frä­ße sie, sei mit dem Teu­fel im Bun­de und ge­fro­ren, nie­mand kön­ne ihm bei­kom­men. In­des­sen hat­te der schwe­di­sche Haupt­mann schon das Zei­chen zum Kamp­fe ge­ge­ben, der sich aber schlecht für die Sol­da­ten an­ließ; denn die Schnapp­häh­ne fie­len sie wie wil­de Tie­re an, pack­ten und würg­ten sie, be­vor sie ihre Waf­fen recht be­nüt­zen konn­ten. An den Stei­ner­nen Jo­han­nes, der, die Arme im Man­tel ver­schlun­gen an die Wand ge­lehnt stand und lä­chel­te, dass man sei­ne lan­gen gel­ben Zäh­ne flim­mern sah, trau­te sich kei­ner; die Ku­geln fie­len an ihm her­un­ter, sag­ten die Sol­da­ten, es sei doch al­les um­sonst, und sie sä­hen Blut aus sei­nen Mund­win­keln si­ckern. »Habt ihr noch nie­mals einen Wolf ge­jagt?« rief der schwe­di­sche Haupt­mann und ging, sei­ne Mus­ke­te schwin­gend, ge­ra­de auf den Räu­ber los. Nun folg­ten ihm die Sol­da­ten, und es ge­lang ih­nen, ob­wohl der Mann mit ei­nem Mes­ser nach ih­nen stach, ihn zu Bo­den zu wer­fen und zu bin­den. Sie könn­ten ihm doch nichts an­tun, höhn­te der, er sei schon durch und durch ge­sto­ßen und ge­schos­sen und lebe doch noch; er ver­ste­he die Schwar­ze Kunst und sei ge­fro­ren. »Stürzt ihn den Fel­sen hin­un­ter!« be­fahl der Schwe­de sei­nen Leu­ten, wor­auf ihn die­se zum Fens­ter schleif­ten. Er er­bleich­te und fing an, ih­nen Ver­spre­chun­gen zu ma­chen, wenn sie ihn loslie­ßen: er habe eine Höh­le im Fel­sen, die sei voll Gold und Klein­odi­en, auch schö­ne Wei­ber habe er, das sol­le al­les ih­nen ge­hö­ren. Der schwe­di­sche Haupt­mann riss das Fens­ter auf, das ge­ra­de über dem Fel­senab­hang war: die Dun­kel­heit füll­te den Ab­grund aus, dass er bo­den­los schi­en, und von der an­de­ren Sei­te her, wo der Mond stand, quoll ein wei­cher, bläu­li­cher Schein über den Him­mel. Als der Räu­ber sich von der lau­en Nacht an­ge­haucht fühl­te, schrie und fleh­te er laut, sie soll­ten ihn le­ben las­sen, er wol­le sich be­keh­ren; aber die Sol­da­ten hat­ten ihn schon los­ge­las­sen, und er stürz­te mit ei­nem gel­len­den Schrei in die Tie­fe. Nun wur­den die Schnapp­häh­ne rasch über­wäl­tigt, ei­ni­ge ent­flo­hen. Die Schwe­den ver­ram­mel­ten und be­setz­ten die Tü­ren; die Leich­na­me und Ver­wun­de­ten, die den Bo­den be­deck­ten, lie­ßen sie einst­wei­len lie­gen und fuh­ren fort zu ze­chen.