87.

Um neun Uhr am Mor­gen des 16. No­vem­ber lag der Ne­bel noch dicht auf der Ebe­ne von Lüt­zen. Gu­stav Adolf ritt hin und wie­der durch die auf­ge­stell­ten Trup­pen und wech­sel­te freund­li­che Wor­te mit den Sol­da­ten. Der Ne­bel wer­de stei­gen, mein­te er, die Luft sei zu frisch für einen Re­gen­tag; in ei­ner oder zwei Stun­den wer­de die Son­ne durch­drin­gen. Bei ei­ner Scheu­ne sa­ßen meh­re­re Of­fi­zie­re und tran­ken Wein: es wa­ren Banér, Kny­phau­sen und der Her­zog Franz von Sach­sen-Lau­en­burg. Als er an ih­nen vor­bei­kam, zog der Kö­nig die Brau­en zu­sam­men und sag­te: »Es steht in der Hei­li­gen Schrift: ›Ein jeg­li­cher, der da kämpft, ent­hält sich al­ler Din­ge.‹« Banér ant­wor­te­te fröh­lich, das möge für die Ka­va­lie­re un­ter asia­ti­schem Him­mel recht ge­we­sen sein; im fros­ti­gen Nor­den müs­se ein­ge­heizt wer­den, wo es Feu­er ge­ben sol­le. Der Kö­nig lach­te. Der von Sach­sen-Lau­en­burg füg­te et­was emp­find­lich hin­zu, der Kö­nig wer­de sich über ihre Tap­fer­keit nicht zu be­kla­gen ha­ben; ob sie sich nicht stets wohl ge­hal­ten hät­ten? Ja, sie wä­ren in die­ser Be­zie­hung zu lo­ben, sag­te der Kö­nig; es ste­he aber fer­ner in der Hei­li­gen Schrift: ›Und so je­mand kämpft, wird er doch nicht ge­krönt, er kämp­fe denn recht.‹

Banér sag­te, der Kö­nig sol­le die Güte ha­ben, ih­nen den Spruch aus­zu­le­gen, dass sie es ver­stän­den.

»Du bist wohl so ge­lehrt wie ich«, ver­setz­te der Kö­nig, »auch be­darf man dazu kei­ner Ge­lehr­sam­keit, son­dern das Herz weiß es.« Er kam dann auf den Her­zog Ge­org von Lü­ne­burg zu spre­chen, auf den er ge­war­tet habe und der schon vor acht Ta­gen bei ihm hät­te sein kön­nen, wenn er nach sei­nem Be­fehl mar­schiert wäre. Er wis­se nicht, was da­hin­ter­ste­cke, aber sol­che Fahr­läs­sig­keit und Un­bot­mä­ßig­keit ei­nes evan­ge­li­schen Fürs­ten er­bit­te­re sein Ge­müt. Der Her­zog von Lü­ne­burg habe frü­her un­ter dem Kö­nig von Dä­ne­mark ge­dient, der habe große Stücke auf ihn ge­hal­ten und habe es nicht glau­ben wol­len, dass er einen Dienst beim Kai­ser an­näh­me. Da­mals habe ihn der zwei­zün­gi­ge Land­graf von Hes­sen-Darm­stadt um­ge­stimmt, der sein Schwie­ger­va­ter ge­we­sen sei. Er sei dann frei­wil­lig zu ihm ge­kom­men, habe sich dies und je­nes schen­ken und ver­spre­chen las­sen, wo er sich aber für das ge­mei­ne We­sen an­grei­fen sol­le, las­se er sich säu­mig und trä­ge fin­den. Das sei nicht recht ge­kämpft. Glaub­ten die Deut­schen, es wer­de im­mer ein Er­lö­ser für sie kom­men und sie mit sei­nem Blut er­kau­fen? Könn­ten sie nur in der Trun­ken­heit rau­fen oder wenn es der Beu­te gel­te? Das sei heid­nisch ge­kämpft. Aber der christ­li­che Held kämp­fe wi­der den Dra­chen der Sün­de und Ty­ran­nei, und die Kraft, de­ren er be­dür­fe, gebe der Herr ihm im Ge­bet.

Ja, sag­te Kny­phau­sen seuf­zend, der Hil­fe des Herrn be­dürf­ten sie heu­te frei­lich.

Der Ne­bel habe sei­nen Plan ver­rückt, sag­te der Kö­nig, in­dem er frü­her an­zu­fan­gen ge­dacht hät­te. Sie müss­ten nun alle die Un­gunst der Um­stän­de durch Fleiß und Tap­fer­keit er­set­zen.

Ob der Kö­nig nicht einen Har­nisch an­le­gen wol­le? sag­te der Her­zog von Sach­sen-Lau­en­burg; mit sei­ner hirsch­le­der­nen Wes­te sei er all­zu we­nig ge­schützt, be­son­ders da er sich so weit ins Tref­fen zu wa­gen pfle­ge.

»Der Herr ist mein Har­nisch«, sag­te Gu­stav Adolf; oh­ne­dies, füg­te er hin­zu, hal­te er nichts von den schwe­ren Rüs­tun­gen, habe ge­nug an sei­nem Fett zu tra­gen.

In die­sem Au­gen­blick kam eine Es­ta­fet­te und be­rich­te­te, die Vor­hut sei in ein Ge­fecht mit Iso­la­nis Kroa­ten ver­wi­ckelt wor­den, was den Kö­nig be­wog, nach je­ner Rich­tung zu rei­ten; die Of­fi­zie­re schlos­sen sich ihm an. Un­ter­wegs ka­men ih­nen ei­ni­ge Sol­da­ten un­ter ei­nem Haupt­mann mit ei­ner Fah­ne ent­ge­gen, die sie den Kroa­ten ab­ge­nom­men hat­ten; sie war hoch­rot und wies auf der einen Sei­te einen Ad­ler, auf der an­de­ren in gold­ge­stick­ten Let­tern das Wort Vik­to­ria. Er habe nicht un­ter­las­sen wol­len, sag­te der Haupt­mann, dem Kö­nig die­ses Kor­nett zu über­rei­chen, wel­ches ihm und sei­nen Un­ter­ge­be­nen als ein Sinn­bild des da­von­zu­tra­gen­den Sie­ges habe er­schei­nen wol­len. Wäh­rend der Kö­nig ihn und sei­ne Leu­te lob­te und ih­nen eine Be­loh­nung ver­sprach, kam Bern­hard von Wei­mar an­ge­sprengt und sag­te, der Ne­bel lich­te sich, ob der Kö­nig die Schlacht be­gin­nen wol­le. Wirk­lich be­gann der Dunst lei­se zu schwan­ken und durch­sich­tig zu wer­den, und man sah die Bäu­me, die die Stra­ße be­grenz­ten, trop­fend aus der schwin­den­den Hül­le auf­tau­chen. Ja, es sei jetzt Zeit, sag­te der Kö­nig, er wol­le noch eine An­spra­che hal­ten und einen Psalm ab­sin­gen las­sen, die Her­ren soll­ten sich in­zwi­schen auf ihre Pos­ten be­ge­ben. Nach­dem er die schwe­di­schen und deut­schen Re­gi­men­ter zur Tap­fer­keit er­mahnt hat­te, zog er das Schwert und rief: »Je­sus! Je­sus! Je­sus, hilf mir heu­te strei­ten!«, wor­auf der An­griff be­gann.

In der Klar­heit des Ta­ges­lich­tes zeig­ten sich die Ver­schan­zun­gen, die die Kai­ser­li­chen wäh­rend der Nacht am Stra­ßen­gra­ben auf­ge­wor­fen hat­ten und die den Schwe­den den Über­gang sehr er­schwer­ten. Als der Kö­nig im Mit­tel­tref­fen ein Zö­gern und Zu­rück­wei­chen vor dem Hin­der­nis be­merk­te, ritt er hin­über, sprang vom Pfer­de und rief, ei­nem Of­fi­zier die Par­ti­sa­ne ent­rei­ßend, wenn sie Be­den­ken hät­ten, ihr Blut zu ver­gie­ßen, wol­le er selbst sie füh­ren. So­gleich dräng­ten ihm die Sol­da­ten nach und be­schwo­ren ihn, sei­ne Per­son nicht aus­zu­set­zen, wor­auf er wie­der zum rech­ten Flü­gel, den er kom­man­dier­te, hin­über­ritt.

Die Stra­ße war be­reits in ih­rer gan­zen Län­ge von den Schwe­den über­schrit­ten und die Höhe bei den Wind­müh­len ge­nom­men, als die zu­rück­ge­wor­fe­nen Kroa­ten und Pic­co­lo­mi­ni­schen schwar­zen Rei­ter, von ih­ren An­füh­rern wie­der ge­sam­melt, sich mit star­kem An­prall ge­gen die sieg­rei­chen Schwe­den war­fen, die sich nun ih­rer­seits zu­rück­zo­gen. Der Kö­nig, der es sah, führ­te sie wie­der vor­wärts; er konn­te jetzt die ge­wal­ti­ge Front des feind­li­chen Zen­trums über­bli­cken und sag­te, ein we­nig be­trof­fen, zum Her­zog von Sach­sen-Lau­en­burg, wenn Wal­len­stein alle sei­ne Rei­hen gut be­die­nen kön­ne, so müs­se er 30- bis 40.000 Mann zur Ver­fü­gung ha­ben. Er ritt da­bei so schnell vor­wärts, dass sein Ge­fol­ge Mühe hat­te, in sei­ner Nähe zu blei­ben. Plötz­lich senk­te sich der Ne­bel wie­der und fiel wie ein Vor­hang vor die feind­li­che Auf­stel­lung. »Wir se­hen nichts mehr«, rief der von Lau­en­burg, »ge­hen Eure Ma­je­stät nicht wei­ter!«

»Es wird wie­der hell!« ant­wor­te­te der Kö­nig und wur­de gleich­zei­tig von ei­ner Ku­gel im Obe­r­arm ge­trof­fen. Er emp­fand kei­nen Schmerz und ach­te­te nicht dar­auf; aber Leu­bel­fing, der Blut am Är­mel her­un­ter­trop­fen sah, rief ihm zu, er sei ver­wun­det und sol­le sich doch um Got­tes Barm­her­zig­keit wil­len aus dem Ge­drän­ge zu­rück­zie­hen. »Weißt du es bes­ser als ich, Närr­chen?« woll­te er sa­gen; aber er hör­te sei­ne ei­ge­ne Stim­me kaum, und gleich­zei­tig be­merk­te er, dass es ihm in den Ohren saus­te und häm­mer­te. Mit den Wor­ten: »Füh­re mich fort, Vet­ter, ich bin schwer ver­wun­det«, wen­de­te er sich zum Her­zog von Lau­en­burg um; da traf ihn eine Ku­gel am Kopf, und er fühl­te lau­es Blut über sein Ge­sicht flie­ßen. Aus dem Ne­bel bra­chen Rei­ter her­vor, es wur­de auf bei­den Sei­ten ge­feu­ert, und der, wel­cher auf den Kö­nig ge­schos­sen hat­te, fiel. Eine Ku­gel traf auch des Kö­nigs Pferd, das sich bäum­te und sei­nen Rei­ter zur Erde warf, dann ga­lop­pier­te es in die Ebe­ne zu­rück.

Als der jun­ge Leu­bel­fing den Kö­nig fal­len sah, sprang er vom Pfer­de, um­fass­te ihn und rich­te­te ihn auf, um ihm auf sein ei­ge­nes Tier zu hel­fen; aber er sah wohl, dass das un­mög­lich wäre, da der Kö­nig nicht mehr im­stan­de war, sich zu be­we­gen. Nicht ein­mal aus dem Ge­wühl schlep­pen konn­te er den schwe­ren Kör­per, und es war nie­mand in der Nähe, ihm bei­zu­stehn. Den Her­zog von Sach­sen-Lau­en­burg sah er nicht mehr, ein Stall­meis­ter war eben ver­wun­det oder tot vom Pfer­de ge­stürzt. Wie der Ne­bel sich wie­der hob, sah er schwar­ze Rei­ter her­an­kom­men und press­te den Kö­nig fes­ter an sich; sie hiel­ten an und frag­ten, wer der Of­fi­zier sei, in der Hoff­nung auf Beu­te oder Lö­se­geld. Da Leu­bel­fing nicht ant­wor­te­te, feu­er­ten sie ihre Pis­to­len auf ihn ab und rit­ten wei­ter. Der Kö­nig öff­ne­te mit An­stren­gung die Au­gen und sag­te mit ei­nem Blick in Leu­bel­fings über ihn ge­beug­tes Ge­sicht, er sol­le sich ret­ten und ihn lie­gen­las­sen, er sei ver­lo­ren. Ent­setzt starr­te der Page ihn an: das teu­re Ant­litz sah grau und alt, fast un­kennt­lich aus, die hel­le Stim­me klang fremd und wie aus ei­ner bo­den­lo­sen Tie­fe her­auf. Er mach­te noch ein­mal einen Ver­such, den Kö­nig mit sich fort­zu­ziehn, ver­moch­te sich aber we­ni­ger als vor­her zu be­we­gen und be­merk­te nun auch, dass er mehr­fach ver­wun­det war. Durch den Kör­per des Kö­nigs ging jetzt eine zu­cken­de Be­we­gung, als wol­le er sich auf­rich­ten; er stöhn­te und sag­te: »Gott sei mir gnä­dig!«, wor­auf er schwer auf die Schul­ter des Kna­ben zu­rück­fiel. Die­ser muss­te alle Kraft auf­wen­den, um nicht zu­sam­men­zu­sin­ken. Er sah Rei­ter, hör­te Schrei­en, Kra­chen, Knal­len und Schnau­ben, und zu­gleich schi­en ihm das al­les weit fort und ohne Be­deu­tung für ihn zu sein. Furcht oder Schmer­zen fühl­te er nicht, nur war es ihm, als flie­ße sein Le­ben von ihm fort. Auf ein­mal muss­te er an sei­ne klei­nen Brü­der und Schwes­tern den­ken, die in Nürn­berg am Fens­ter stan­den und auf ihn war­te­ten; zwi­schen ih­nen blick­ten die erns­ten Au­gen sei­nes Va­ters her­vor und wa­ren ge­ra­de auf ihn ge­rich­tet. Wie er sich wun­der­te, dass er sie so nah vor sich se­hen konn­te, kam von weit her eine brei­te, im­mer lau­ter rau­schen­de Wel­le und über­schwemm­te das lie­be Bild, und be­vor er es wie­der sam­meln konn­te, kam eine an­de­re und noch eine. Sie ka­men nä­her und nä­her, und er be­griff, dass sie es auf den Kö­nig, den er in sei­nen Ar­men hielt, ab­ge­se­hen hat­ten. Auf­fah­rend sah er, dass es nicht Wel­len, son­dern Män­ner wa­ren, die den hei­li­gen, ihm an­ver­trau­ten Leich­nam ihm ent­ris­sen hat­ten und sich an­schick­ten, ihn zu ent­klei­den. Sein Be­wusst­sein wur­de so­fort ganz hell, und er warf sich mit gan­zem Lei­be über die Brust des To­ten; da emp­fand er einen fei­nen Stich in der Sei­te und brach ohn­mäch­tig zu­sam­men.

Kurz nach­dem Gu­stav Adolf ge­fal­len war, er­schi­en Pap­pen­heim in der Ebe­ne von Lüt­zen. Er über­blick­te, atem­los vom schnel­len Ritt, das Schlacht­feld und er­kun­dig­te sich, auf wel­cher Sei­te der Kö­nig von Schwe­den kämp­fe, wor­auf er dort­hin eil­te, um sich so­fort in das dich­tes­te Ge­tüm­mel zu wer­fen. Von ei­ner Ku­gel in der Hüf­te ge­trof­fen, ver­such­te er ver­ge­bens, sich zu hal­ten, und muss­te sich von ei­nem Trom­pe­ter, der in der Nähe war, aus der Schlacht tra­gen las­sen. Wäh­rend man ihn in ei­ner Sänf­te fort­schaff­te, fluch­te er, dass nie­mand da sei, um ihm das Blut zu stil­len; als er dann das Ende des Schwe­den­kö­nigs ver­nahm, sag­te er, nun wis­se er, dass er ster­ben müs­se, da es so ver­hängt sei; aber er st­er­be gern, denn sein Feind sei hin und die Kir­che ge­ret­tet. Er wur­de auf die Plei­ßen­burg bei Leip­zig ge­bracht, wo er nach ein paar Ta­gen starb. Der Page Leu­bel­fing starb in Naum­burg im Hau­se der Wit­we Koch, die ihn müt­ter­lich pfleg­te, und wur­de in der Wen­zels­kir­che bei­ge­setzt, wo sein Grab­stein durch die In­schrift be­zeich­net ist: ›Ich weiß, dass mein Er­lö­ser lebt.‹

In­des­sen war auf der schwe­di­schen Sei­te das her­ren­los da­h­in­ja­gen­de wei­ße Pferd des Kö­nigs auf­ge­fal­len, und auch die Aus­sa­ge de­rer, die ihn im Ge­drän­ge hat­ten fal­len sehn, ver­brei­te­te sich. Als Her­zog Bern­hard es hör­te, emp­fand er ne­ben dem Schre­cken ein Schwel­len des Her­zens, als ob plötz­lich eine er­füll­te Er­war­tung hin­ein­ge­rauscht wäre. Ohne sich zu be­sin­nen, such­te er Kny­phau­sen auf und teil­te ihm das Er­eig­nis mit, der es an­fäng­lich nicht glau­ben woll­te; wenn es aber so sei, sag­te er, müs­se man es ver­bor­gen hal­ten und einen vor­sich­ti­gen Rück­zug be­werk­stel­li­gen; oh­ne­hin sei der Tag ver­lo­ren, nach­dem drü­ben so­eben die Pap­pen­hei­mer an­ge­kom­men wä­ren. Das war nicht Her­zog Bern­hards Mei­nung: im Ge­gen­teil wol­le er den Tod des Kö­nigs laut ver­kün­den, sag­te er, na­ment­lich die Schwe­den wür­den da­durch auf­ge­reizt wer­den. Lie­ße man jetzt Un­si­cher­heit oder Ver­za­gen mer­ken, so wäre ihr Un­ter­gang ge­wiss, der Sieg sei ihre ein­zi­ge Ret­tung, er neh­me al­les auf sich. Wäh­rend Kny­phau­sen es über­nahm, für die Ber­gung des kö­nig­li­chen Leich­nams zu sor­gen, ver­kün­de­te Her­zog Bern­hard Gu­stav Adolfs Tod, in­dem er zu­gleich zur Ra­che auf­for­der­te. In­fol­ge­des­sen er­neu­er­te sich die Schlacht mit großer Hef­tig­keit und währ­te bis zum Ein­bruch der Dun­kel­heit mit dem Er­fol­ge, dass die Kai­ser­li­chen, wenn auch nicht in die Flucht ge­schla­gen, so doch aus ih­ren Stel­lun­gen ver­drängt wur­den.

Wal­len­stein stand im Zwie­licht auf einen Stock ge­stützt ne­ben sei­nem Trag­stuhl, als Pic­co­lo­mi­ni zu ihm ge­rit­ten kam, vom Pfer­de sprang und ihm den Kol­ler des ge­fal­le­nen Kö­nigs zeig­te. Nur mit die­ser Elens­haut habe sich der Schwe­de ge­schützt, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, selt­sa­me Leu­te wä­ren doch die­se Bar­ba­ren. Er habe das Ding von Holk be­kom­men und wol­le dem Kai­ser eine Auf­merk­sam­keit da­mit ma­chen, man kön­ne se­hen, wo die Ku­geln ein­ge­drun­gen wä­ren, und es sei voll Blut. Ob denn etwa Holk den Kö­nig ge­tö­tet habe? frag­te Wal­len­stein. O nein, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, sei­ne Rei­ter wä­ren es ge­we­sen, ob­wohl es Iso­la­ni den Kroa­ten zu­schrei­ben wol­le. Wel­che Wun­de ihm ei­gent­lich den Rest ge­ge­ben habe, wis­se man nicht, über­haupt sei sei­ne Per­son zu spät er­kannt wor­den. Da nur ein klei­ner Page bei ihm ge­we­sen sei, habe man sich nicht ein­bil­den kön­nen, dass es et­was Vor­neh­mes sei.

Der Kö­nig von Schwe­den, sag­te Wal­len­stein tro­cken, habe stets ge­gen die ers­te Re­gel der Feld­herrn­kunst ver­sto­ßen, dass, wer die Schlacht len­ke, au­ßer­halb der­sel­ben blei­ben müs­se; die­ser un­klu­gen Ei­tel­keit sei er nun zum Op­fer ge­fal­len. Er kön­ne sich aber nicht ge­nug ver­wun­dern, dass das Ge­gen­teil trotz die­ses Un­falls so große Avan­ta­ge er­langt hät­te; er wer­de über die Schul­di­gen ein schreck­li­ches Straf­ge­richt hal­ten; es sei schimpf­lich und ohne Ver­gleich in den Kriegs­an­na­len, dass ein so wohl­ver­sorg­tes Heer sich die si­che­re Vik­to­ria ab­strei­ten lie­ße.

Die Schwe­den hät­ten wie Verzwei­fel­te ge­foch­ten, um ih­res Kö­nigs Tod zu rä­chen, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, er kön­ne sich ei­nes so hei­ßen Ta­ges nicht er­in­nern. Es hat­te un­ter­des­sen ei­ner sei­ner Un­ter­ge­be­nen Wein ge­holt, wo­von er rasch ein paar Glä­ser hin­un­ter­stürz­te. Sein Ge­sicht war rot, und nach­dem er den Helm ab­ge­nom­men hat­te, sah man den Schweiß an sei­nen rot­brau­nen Wan­gen her­un­ter­lau­fen. Drei­mal habe er das Pferd wech­seln müs­sen, sag­te er la­chend, und bis jetzt habe er zehn Wun­den ge­zählt. »Eine jede soll dem Herrn Bru­der tau­send Gul­den tra­gen«, sag­te Wal­len­stein, des­sen düs­te­re Mie­ne sich ein we­nig auf­hell­te. Pic­co­lo­mi­ni be­dank­te sich und sag­te: »Als ich mir die­se hüb­schen Vö­gel fing, dach­te ich nicht, dass sie auch gol­de­ne Eier le­gen wür­den.« Ob er sich denn auch habe ver­bin­den las­sen? frag­te Wal­len­stein. Ja, die schlimms­ten, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, aber es sei nichts Ge­fähr­li­ches da­bei; nur die Arme hin­gen ihm so am Lei­be her­un­ter, als wä­ren sie aus dem Schar­nier ge­gan­gen.

Wenn je­der so sei­ne Pf­licht ge­tan hät­te, sag­te Wal­len­stein, wür­de der Aus­gang des Ta­ges an­ders sein. Ein über Er­war­ten glück­li­cher Zu­fall sei nicht aus­ge­nutzt wor­den; er schme­cke die schwar­ze Gal­le im Mun­de vor Zorn.

Wenn der Her­zog es wol­le, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, kön­ne er wie­der an­fan­gen, er sei noch im Schwun­ge. »Es ist Nacht«, sag­te Wal­len­stein. Pic­co­lo­mi­ni sah sich prü­fend um; schließ­lich kön­ne man ja im Dun­keln fech­ten, mein­te er. Nein, sag­te Wal­len­stein, es sei Zeit, den Tag zu en­di­gen. Er wol­le die Ord­re zu ei­nem lang­sa­men Rück­zug auf Leip­zig aus­ge­ben las­sen. Das Pap­pen­hei­mi­sche Fuß­volk kön­ne der Ehre we­gen auf dem Schlacht­fel­de blei­ben, üb­ri­gens lie­ge nichts dar­an; der Kö­nig von Schwe­den habe viel auf sol­che Kin­de­rei­en ge­hal­ten, er brau­che das nicht. Er habe den gan­zen Tag große Schmer­zen aus­ge­stan­den und müs­se die Nacht schla­fen. Pic­co­lo­mi­ni sag­te, er sol­le doch un­be­sorgt der Ruhe pfle­gen, im gan­zen sei es ein über­aus glück­li­cher Tag ge­we­sen, und der Kai­ser wer­de vor Freu­den när­risch sein.

Wäh­rend Wal­len­stein auf der dunklen Stra­ße nach Leip­zig ge­tra­gen wur­de, gin­gen ihm die Wor­te des klei­nen pa­do­va­ni­schen Pro­fes­sors durch den Sinn: ›A­ber der Sturz die­ses ma­je­stä­ti­schen Gestirns wird das Fir­ma­ment so er­schüt­tern, dass auch Euer Stern nach ei­ner Wei­le un­or­dent­li­chen Flim­merns tau­meln und gänz­lich er­lö­schen wird‹; so etwa, glaub­te er, habe Ar­go­li in je­ner Som­mer­nacht ge­spro­chen. Wenn er auf die Ein­la­dun­gen des Schwe­den­kö­nigs ge­hört hät­te, dach­te er, wäre viel­leicht al­les an­ders ge­kom­men; aber was für ein Ver­hält­nis hät­te es zwi­schen ih­nen ge­ben kön­nen, da doch kei­ner sich dem an­de­ren un­ter­ge­ord­net hät­te? Er hat­te sich die­sen To­des­fall nicht so nah vor­ge­stellt und dank­te es den plum­pen Knech­ten nicht, die den ge­fürch­te­ten Kö­nig um­ge­bracht hat­ten. Nun wür­den der Kai­ser und der Kur­fürst von Bay­ern wie­der über­mü­tig wer­den, er wür­de sie nie­der­hal­ten müs­sen und hat­te kei­nen macht­vol­len Bun­des­ge­nos­sen mehr im Rück­halt, den er etwa ge­gen sie aus­spie­len könn­te. Denn wür­de Oxens­tier­na den Kö­nig er­set­zen kön­nen? Und wür­de er sich je so weit her­ab­las­sen, mit ei­nem schwe­di­schen Edel­man­ne zu trak­tie­ren? Al­les in al­lem, dach­te er, möch­te nie­man­dem im Rei­che die­ser Tod so schwer und läs­tig wie ihm fal­len.