Im Wallensteinischen Lager wurde die Rückkehr Arnims erwartet. Illo und Terzka ergingen sich oft in weitläufigem Ausmalen der Zukunft, wenn alles nach Wunsch ginge, was ihnen umso weniger zweifelhaft schien, als von Oxenstierna ein heimliches Schreiben kam, worin er Wallenstein seine Hilfe in Aussicht stellte, falls er die böhmische Krone zu erwerben willens sei. Wallenstein beteiligte sich an diesen Gesprächen meist nur dadurch, dass er zuhörte oder hie und da ein Wort einwarf; er fragte seine Getreuen mehrmals, ob sie glaubten, dass die Konjunktion mit Sachsen zustande käme, und konnte seine Unruhe über den Erfolg der Arnimschen Reise nicht verbergen.
Der Arnim sei ihm das letzte Mal recht schelmisch vorgekommen, sagte er gelegentlich zu Terzka. Nun freilich sei er ein Heuchler, lachte dieser; das wüssten sie ja aber längst und könnten sich davor schützen.
Die Lust, Ränke zu schmieden und Unheil zu stiften, liege in seiner Natur, fuhr Wallenstein fort, das sei sein Saufen und Würfelspiel; er, Wallenstein, habe lieber mit Hurern und Trunkenbolden zu tun als mit dem fuchsschwänzigen, mönchischen Brandenburger.
Sowie Arnim wieder im Lager eingetroffen war, schickte er Bericht an Wallenstein: Der Kurfürst finde die sämtlichen von Wallenstein vorgeschlagenen Punkte hochweise und vernünftig; auch zweifle er, Arnim, nicht, dass es zu erwünschter Verständigung kommen werde, doch habe der Kurfürst gemeint, er dürfe die zurzeit unter der Vermittelung des Königs von Dänemark schwebenden Friedensverhandlungen nicht durchkreuzen und wolle ein wenig zuwarten, was für Effekt daraus zu verspüren wäre. Inzwischen würde er gern sehen, dass der Waffenstillstand verlängert würde, damit die Konjunktion der Armeen weiterhin in Konsideration gezogen werden könnte.
Während Terzka und Illo über das leidige Zaudern und Hinhalten des Kurfürsten schimpften, sagte Wallenstein gleichmütig, man habe nichts anderes erwarten können, auch lasse sich eine so schwere Sache wirklich nicht übers Knie brechen. Arnim dankte er, indem er seine wohlbekannte Dexterität und heroische Bemühung rühmte, durch welche er das nützliche Werk so weit gefördert habe.
In seiner Brust wühlten indessen Empfindlichkeit und Grimm. Glaubten etwa diese Leute, ihn wie einen Bettler vor der Tür auf ein Almosen warten lassen zu dürfen? Bedurfte er ihrer, oder war es umgekehrt? Konnte er nicht mit Hilfe Frankreichs zu seinem Ziele gelangen? Ohnehin waren ihm die niederträchtigen Sachsen verhasst, zu schweigen von den vorlauten Schweden. Lag ihm denn überhaupt etwas an der böhmischen Krone, wie der gemeine Haufe, die eigenen unbesonnenen Triebe auf ihn übertragend, sich einbildete? Er hatte ja Macht genug, regierte ja den Kaiser und den König von Böhmen; sollte er ein solcher Geck sein, diese Herrschaft für ein Blendwerk zu hasardieren? Er wollte vielmehr Ruhe haben, Ruhe vor Feinden und Freunden.
Als der Waffenstillstand ablief, kamen Arnim, der Herzog von Sachsen-Lauenburg, der alte Thurn und mehrere andere Offiziere aus dem sächsisch-schwedischen Lager nach Strehlen, wo damals Wallensteins Quartier war, um, wie vorausgesetzt war, die Verlängerung der Waffenruhe festzusetzen. Ein Bankett wurde gerichtet, an dem auch der Herzog teilnahm, der sich ausnehmend gut gelaunt zeigte; dass er schweigsam war, fiel nicht auf, da das seine Art war und auch das Toben und Schreien der Zechenden früher als sonst die Stilleren überschwemmte. Der ungewöhnliche Durst, den die Hundstagshitze erzeuge, müsse mit ungewöhnlichen Weingüssen gelöscht werden, sagte Illo einladend, und Wallenstein fügte ermunternd hinzu, die Herren müssten den Gott Bacchus wegen seiner und Arnims Nüchternheit versöhnen; sie möchten sonst von den empfindlichen Mänaden zerrissen werden.
Wenn er hörte oder läse, sagte Terzka, wie die alten Götter sich nach Belieben in Tiere hätten verwandeln können, so freue es ihn allemal, dass die Menschen im Wein einen Zauber besäßen, vermittelst dessen sie dergleichen zu tun vermöchten. Ihm scheine nichts wonniger, als wenn anstatt der Systeme und Prinzipien, die sonst das menschliche Gehirn vergitterten, plötzlich das purpurne Chaos ein bestialisches Haupt anfüllte.
Was? rief Illo; er schwatze mit Feuerzungen wie die Heiligen am Pfingsttage!
Das wäre wohl zu glauben, sagte Terzka, dass der ausgegossene Geist himmlischen Trauben ausgepresst gewesen sei.
Franz Albrecht von Lauenburg sagte, er halte umgekehrt dafür, dass der gemeine Mensch ohne Wein nur ein Vieh sei. Die Götter im Olymp wären ja auch immer betrunken gewesen, und was ihn betreffe, so wolle er lieber ohne Brot als ohne Wein leben. Er erzählte, wie er kürzlich, da ihm im Lager der Wein ausgegangen wäre, sich welchen verschafft hätte: er habe einen verschlagenen und verwegenen jungen Burschen in seinem Dienst, dem habe er ein Fähnlein versprochen, wenn er sich wacker gebrauchen ließe; der habe ausgekundschaftet, dass eine Ladung Wein für den Landgrafen von Hessen-Darmstadt in der Nähe vorbeikäme, habe sich mit ein paar anderen Gesellen verkleidet, die Fuhrleute überfallen und ein paar Fässer davongebracht, ohne dass jemand die geringste Wissenschaft von den Tätern bekommen hätte.
Solche schlaue und ehrgeizige Kerle wären unschätzbar, sagte Piccolomini, und er habe auch einen, dem er in Krieg und Frieden die heikelsten Sachen anvertraute. Kürzlich habe er in Olmütz ein hübsches Bürgermädchen gesehen, die er gern einmal zum Nachtessen bei sich gehabt hätte, sie sei aber spröde gewesen, und er habe nicht gewusst, wie er ihrer habhaft werden könnte. Da habe der Bursche sie durch eine listige Vorspiegelung in eine Kutsche einzusteigen bewogen und zu ihm gebracht, wo er denn für das Weitere gesorgt hätte. Am folgenden Morgen habe er sie mit einem Schmerzensgeld heimgeschickt.
Diese Geschichte gab dem Lauenburger Anlass, die Gesundheit des Frauenzimmers vorzuschlagen, worauf plötzlich Wallenstein die Stimme erhob und sagte, er als General und treuer Diener des Kaisers könne nicht dulden, dass eine andere Gesundheit vor der seines kaiserlichen Herrn getrunken werde.
In dem augenblicklichen Stillschweigen, das entstand, brummte Illo, sie wären unter Kameraden, da brauche es nicht so feierlich herzugehen; hingegen rief der alte Thurn gerührt, er sei dabei, des Kaisers Gesundheit zu trinken. Wenn auch Widerwärtige ihn als Rebellen ausschrien, so habe er doch ein Herz für den Kaiser, wisse, was für ein gutes frommes Gemüt er habe, und wünsche nichts mehr, als mit gutem Gewissen in des Kaisers Dienst treten zu können.
Zum wenigsten, sagte Wallenstein scharf, sei es des Kaisers Schuld nicht, wenn jetzt die Schwerter wieder aus der Scheide müssten; er habe durch ihn, Wallenstein, die Friedenshand dargeboten.
Arnim warf einen erschrockenen Blick auf den General, aus dessen fahlem Gesicht die Augen düster hervorlauerten. Er habe Seine Durchlaucht wohl nicht richtig verstanden, sagte er, er sei ja gekommen, um den Waffenstillstand, die Pforte des Friedens, zu erneuern.
Das sei auch seine Meinung, entgegnete Wallenstein; aber da der Kurfürst von Sachsen so vorsichtig und argwöhnisch sei, verlange die Politik von ihm dasselbe und bedürfe er einer Bürgschaft, dass es dem Gegenpart ernst mit der Friedensneigung sei. Arnim solle ihm Schweidnitz und Jauer einräumen, das wolle er als ein Pfand der kurfürstlichen Friedenslust ansehen.
Er könne nicht wohl glauben, sagte Arnim, dass dies des Herzogs ernstlicher Wille sei; der Kurfürst müsse ihm ja auch ohne Pfand trauen.
Er verlange es keineswegs, sagte Wallenstein; wenn der Kurfürst ihm nicht traue, solle er es laut sagen.
Ob der General damit die Verhandlungen beenden wolle? fragte Arnim.
Wenn Arnim es so auffasste, erwiderte Wallenstein, sei es ihm recht; er sei des Kunktierens und der Ränke überdrüssig.
Ein allgemeiner Aufbruch entstand, und nachdem die Gäste sich entfernt hatten, drängten die friedländischen Offiziere sich erstaunt und bestürzt um ihren Feldherrn. Man hätte ja, sagte Illo, den hundsföttischen Sachsen ein paar Dörfer abbrennen können, ohne deswegen die Unterhandlungen abzubrechen. Wallenstein sagte, er bedauere, sich mit den unredlichen Leuten eingelassen zu haben, er wolle ihnen so über den Kopf kommen, dass sie ihre Falschheit bereuen sollten.
Geschwind und heimlich brach er auf, um Schweidnitz zu überrumpeln, das jedoch durch Arnim und Thurn rechtzeitig entsetzt wurde. Nur wenige Tage darauf erhielt Arnim einen Brief Wallensteins: es sei ihm sehr leid, dass sich die Unterhandlungen wegen des Friedens zerschlagen hätten, es sei nicht seine Schuld gewesen, wie er denn auch bereit sei, die Traktate wieder aufzunehmen und eine Waffenruhe herzustellen, um den Fortgang derselben zu fazilitieren.
Kopfschüttelnd las Oxenstierna den Bericht des alten Grafen Thurn von diesen Vorgängen: er wisse sich das extravagante Benehmen des Herzogs nicht zu deuten, schrieb Thurn, und möchte fast denen recht geben, die ihm eine Gemütskonfusion zuschrieben. Antwortend ermahnte der Kanzler Thurn, gut aufzuachten und sich nicht überlisten zu lassen; denn es sei dem Friedländer einmal nicht zu trauen, und die mäandrischen Traktate würden zum Schaden Schwedens auf einen Separatfrieden des Kaisers mit Sachsen hinauslaufen, wenn nicht auch Sachsen durch den erprobten Lügner betrogen würde.
Vom nördlichen Kriegsschauplatze trafen indessen gute Nachrichten ein. Als Abgesandter des Herzogs Georg von Lüneburg berichtete Herr von Hodenberg von dem großen Siege seines Herrn bei Hessisch-Oldendorp, dem die Einnahme Hamelns gefolgt war. Die kaiserlichen Feldherren suchten einer dem anderen die Schuld an dem Verluste zuzuschreiben: Merode, der verwundet nach Köln transportiert und dort gestorben war, hatte auf dem Sterbebette seinen Vetter, einen anderen Merode, für das Unglück verantwortlich gemacht. Dem Gronsfeld, sagte Herr von Hodenberg, sei nun das Grafenhütlein, das der alte Tilly ihm nach der Schlacht bei Lutter aufgesetzt, hässlich zerhauen, er werde sich eine Weile nicht mehr können blicken lassen.
Des Umstandes, dass Oxenstierna vor mehreren Wochen auf Knyphausens Betreiben dem Herzog Georg befohlen hatte, von der Belagerung Hamelns abzustehen, und dass Georg sich mit diesem Befehl durch gänzliche Nichtbeachtung desselben auseinandergesetzt hatte, wurde jetzt beiderseits nicht gedacht; vielmehr beglückwünschte Oxenstierna den Gesandten zu dem rühmlichen Erfolge, worauf dieser sich seines eigentlichen Auftrags entledigte. Herzog Georg, sagte er, habe der gemeinen evangelischen Sache nun wiederum einen erheblichen Dienst geleistet, obwohl er noch nie eine Belohnung von der Krone Schweden erhalten hätte. Als der verstorbene Held, König Gustav, auf deutschem Boden erschienen sei, habe der Herzog sein Schwert für ihn gezogen und es tapfer und treu, ohne abzuweichen, geführt, habe auch schöne Versprechungen vom hochseligen König erhalten, aber immer noch keine Realrekompens erblickt. Er sei nun bei dem mühseligen Soldatenleben grau und etwas ältlich geworden, möchte gern einmal einen Ertrag sehen.
Das erkenne er an, sagte Oxenstierna, der verstorbene König habe große Stücke auf Herzog Georg gehalten, und er, Oxenstierna, den der König seiner besonderen Freundschaft gewürdigt habe, betrachte sich als den Vollstrecker seines Willens. Herzog Bernhard von Weimar sei ja nun auch formaliter in sein Herzogtum Franken eingeführt, alle Welt müsse erkennen, dass er, Oxenstierna, nichts für sich begehre, sondern die evangelischen Fürsten groß machen wolle.
Die Forderungen des Herzogs, mit denen der Gesandte nun herausrückte, erstreckten sich außer auf das Eichsfeld, welches ihm Gustav Adolf versprochen hatte, auf die Bistümer Minden und Verden, wozu noch Geld und andere Nebendinge kamen; was alles in einer Schenkungsurkunde zu versprechen Oxenstierna sich bereitwillig bequemte, den Ausgang der Zukunft anheimstellend.