Der Quartiermeister solle sich gefälligst erklären, sagte Feuquières zu diesem Herrn, ob der Kurfürst von Sachsen der Meinung sei, er solle sein Bett unter freiem Himmel aufschlagen oder er solle in der Vorstadt bleiben?
Ei bewahre, antwortete der Quartiermeister, da könne ihm ja bei den unverhofften Einfällen des Feldmarschalls Holk eine feindliche Kugel ins Fenster schlagen.
Ja, was der Kurfürst denn meinte? sagte Feuquières ungeduldig. Seine Diener hätten kein passendes Hotel für ihn in Dresden auftreiben können.
Der Quartiermeister erklärte sich bereit, die Diener des Gesandten zu begleiten; es werde sich schon ein Plätzchen auftreiben lassen. Mit einem Plätzchen sei ihm nicht gedient, rief Feuquières, er müsse ein geräumiges Haus haben, wie es sich für einen Vertreter des Königs von Frankreich schicke.
»Wer sucht, der findet«, sagte der Quartiermeister. Er sei bereit, bis Mitternacht zu suchen.
Feuquières stampfte mit dem Fuße auf. Damit sei ihm aber nicht gedient! Er wolle keine Nacht mehr in der Vorstadt zubringen.
Nun, dann wolle er keine Zeit verlieren, sagte der Quartiermeister und machte sich mit einigen Dienern des Gesandten auf den Weg. Nach einer Liste der verfügbaren Wohnungen durchliefen sie die Straßen schweigend; denn aus Unkenntnis ihrer Sprachen konnten sie sich nur mühsam verständigen. Viele Häuser lehnten die Diener des Gesandten schon nach flüchtiger Betrachtung des Äußeren durch eine Gebärde ab. Vor einem hohen Gebäude, das einen einigermaßen herrschaftlichen Eindruck machte, blieben sie stehen und sahen den Quartiermeister fragend an, der zuerst die Schultern zuckte, dann mit dem Kopfe nickend sich einverstanden erklärte, es anzusehen. Im Flur fiel ihnen ein starker Geruch auf, der aus Essig und Wacholder gemischt zu sein schien. Auf einem eichenen Tische stand eine Schüssel mit irgendeinem steifgewordenen Brei und ein Teller mit Brot; ein umgefallener Krug hatte seinen Inhalt, augenscheinlich Bier, auf den steinernen Boden ergossen, und er stand, am Rande versiegt, zum Teil in dunkler Lache. Es sah aus, als hätten die Bewohner in hastiger Flucht das Haus verlassen. Einer der Franzosen öffnete die nächste Tür, blieb aber mit einem Schrei des Schreckens auf der Schwelle stehen: auf einem Bette lag ein Toter, halbnackt, mit verkrümmten Gliedmaßen, blaue Flecke auf dem verzerrten Gesicht. Der Quartiermeister packte den von Entsetzen Gelähmten am Arme und zog ihn aus dem Hause, den anderen nach, die sogleich davongelaufen waren; erst nach einer Weile blieben sie stehen, um den Quartiermeister in französischer Sprache mit Vorwürfen zu überhäufen. Dieser schüttelte den Kopf und wies auf ein rotes Kreuz an einer Haustür, womit er sagen wollte, ein solches Zeichen bedeute, dass hier jemand an der Pest gestorben sei, und ein ebensolches Zeichen sei auch an dem betreffenden Hause gewesen. Um die Franzosen zu versöhnen und ihre bleichen Gesichter wieder zu färben, führte er sie in das nächste Wirtshaus, ließ Wein bringen und erzählte dem Wirt das hässliche Abenteuer. Die Totengräber, erklärte dieser, hätten sich am vorigen Abend trotz des Klagens der Nachbarn geweigert, den Toten mitzunehmen unter dem Vorwande, ihr Karren sei schon vollgeladen, sie wären müde und wollten Feierabend machen; nun schienen sie ihn leider vergessen zu haben. »Das sind verfluchte Kerle«, sagte der Quartiermeister, »ehrlichen Leuten einen solchen Braten aufzutischen!«
Man sehe ihnen den Schrecken noch an, sagte der Wirt; sie sollten nur fest trinken, der Wein sei wie Feuer, fresse das Pestgift auf. Es sei noch nie ein Besoffener an der Pest gestorben.
Am folgenden Tage erschienen einige kurfürstliche Räte bei dem erzürnten Gesandten, um ihn zu beschwichtigen. Es treffe sich unglücklich, sagten sie, dass am Tage zuvor das Gefolge des Prinzen von Holstein eingetroffen sei, des Verlobten der ältesten Tochter ihres Herrn; daher sei die Stadt überfüllt.
Sie wagten also, sagte Feuquières, ihm Leute vorzuziehen, deren Herr dem seinigen weit nachstehe! Das sei eine neue Beleidigung. Er sehe klar, dass der Kurfürst seine Anwesenheit nicht wünsche, und werde danach handeln. Bei seinem letzten Aufenthalt in Dresden hätten sie ihm zu verstehen gegeben, dass der Kurfürst gern 100.000 Reichstaler von seinem König annehmen werde; er habe das berichtet, und der König habe es gut aufgenommen in der Hoffnung, er setze dadurch den Kurfürsten instand, den Krieg nachdrücklicher zu betreiben. Unter den obwaltenden Umständen könne von dem Gelde nicht mehr die Rede sein.
Oh, sagten die Räte, das werde dem Kurfürsten sehr empfindlich sein. Es sei durchaus nicht des Kurfürsten Schuld, dass Feuquières nicht seinem Range gemäß untergebracht sei, er sei seinem Schwiegersohn entgegengereist und werde erst am nächsten Tage zurückkommen. Feuquières könne überzeugt sein, dass der Kurfürst ihn gut aufnehmen werde; an dem Gelde sei ihm außerordentlich viel gelegen.
Auch der Hofprediger Hoë, der sich für empfangene 2000 Reichstaler bedankte, machte einen Versuch, seinen Herrn zu entschuldigen, wurde aber von Feuquières unterbrochen, der sagte, dadurch mache Hoë die Sache nur schlimmer. Wer den Kurfürsten entschuldige, beleidige ihn gleicherweise.
Das sei leider nicht zu leugnen, sagte Hoë lächelnd, dass der sächsische Hof eine gewisse bäurische Plumpheit noch nicht ganz abgestreift habe. Er bedaure es sehr, dass ein so mächtiger Reichsfürst die feine Sitte, wie Frankreich sie unübertrefflich hervorgebracht und ausgebildet habe, nicht annehmen wolle. So viel er könne, wirke er darauf hin; aber man müsse bekanntermaßen mit Fürsten glimpflich umgehen, da sie stachelig und gefährlich zu sein pflegten.
Er fürchte sich nicht, sagte Feuquières, und werde es den Kurfürsten unverhohlen merken lassen, dass er sich für eine derartige Behandlung zu hoch schätze.