15.

Der Hof­kriegs­rats­prä­si­dent Schlick, der um die Mit­te des Au­gust mit al­ler­lei hei­klen Auf­trä­gen zu Wal­len­stein ab­ge­ord­net war, mach­te Pic­co­lo­mi­ni einen Be­such und er­in­ner­te ihn dar­an, wie sie sich vor neun Jah­ren ken­nen­ge­lernt hät­ten. Es sei ihm nicht leicht ge­wor­den, sag­te er seuf­zend, das Schwert mit der Fe­der zu ver­tau­schen; aber er habe durch­aus un­ter Wal­len­stein nicht län­ger die­nen kön­nen und sich des­halb von der kai­ser­li­chen Ma­je­stät auf an­de­re Wei­se ge­brau­chen las­sen. Es kom­me doch vor al­len Din­gen auf des Kai­sers Dienst an, der Mei­nung wer­de Pic­co­lo­mi­ni auch sein.

Das sei selbst­ver­ständ­lich, sag­te Pic­co­lo­mi­ni; üb­ri­gens sei es gut, wenn im Kriegs­rat eine Per­son sit­ze, die Sol­dat ge­we­sen sei und die Be­dürf­nis­se des Sol­da­ten ken­ne. Es wer­de im Kriegs­ra­te nur zu oft da­durch ge­sün­digt, dass be­foh­len wer­de, was im Fel­de nicht prak­ti­ka­bel sei.

Schlick gab das zu; an­de­rer­seits, sag­te er, müs­se doch auch der Krieg auf den Staats­haus­halt und das Ge­mein­wohl Rück­sicht neh­men. Man müs­se sich eben ent­ge­gen­kom­men und ver­tra­gen. Wenn das Schwert al­lein re­gier­te, da hät­te man ja eine Ty­ran­nis und un­leid­li­che Sol­da­ten­herr­schaft, was gleich­be­deu­tend sei mit An­ar­chie. Dem Ge­schichts­kun­di­gen sei es be­kannt, wie das alte Rö­mer­reich durch den Über­mut der kai­ser­li­chen Leib­wa­che und ih­rer Be­fehls­ha­ber in Ruin ge­stürzt sei. Da­hin könn­te es jetzt auch kom­men, dass die rau­blus­ti­ge Sol­da­tes­ka einen aus ih­rer Mit­te auf den Thron setz­te, wenn sich die treu­en Die­ner des Kai­sers nicht um die­sen schar­ten.

Schlick wer­de doch nicht zwei­feln, dass hier im La­ger lau­ter treue Die­ner des Kai­sers wä­ren, sag­te Pic­co­lo­mi­ni scharf.

An ihm, Pic­co­lo­mi­ni, zweifle er nicht, sag­te Schlick, dar­um wen­de er sich ja an ihn, um über dies und je­nes Aus­kunft zu er­hal­ten. Er selbst sei we­der von die­ser noch von je­ner Par­tei, hal­te sich ab­seits von den Ho­frän­ken, tue ein­fäl­tig des Kai­sers Dienst. Der Kai­ser glau­be Ur­sa­che zum Miss­trau­en ge­gen den Her­zog zu ha­ben und habe ihn, Schlick, be­auf­tragt, sei­ne Ge­sin­nun­gen zu er­for­schen; täu­sche sich der Kai­ser, so sei es umso bes­ser. Es wol­le dem Kai­ser so schei­nen, als tue der Her­zog dem Fein­de nicht ge­nug Ab­bruch, sor­ge mehr für des Fein­des als für sei­nen Vor­teil. Da­ge­gen habe der Kai­ser ihn ge­ra­de­zu an Pic­co­lo­mi­ni ge­wie­sen, als an einen, dem er un­be­denk­lich Kro­ne, Leib und Le­ben an­ver­trau­en kön­ne. Auch er hal­te Pic­co­lo­mi­ni für einen Of­fi­zier von Ehre und sei über­zeugt, dass, wenn der Her­zog wirk­lich mit hoch­ver­rä­te­rischen Plä­nen schwan­ger gehe, Pic­co­lo­mi­nis rei­nes Herz das Kon­ta­gi­um nicht auf­neh­men wer­de, dass er höchs­tens zu red­lich sei, um die im Fins­tern schlei­chen­de Ka­ba­le zu durch­schau­en.

Dass er dem Kai­ser un­be­dingt er­ge­ben sei, be­teu­er­te Pic­co­lo­mi­ni; aber er glau­be, dass auch des Her­zogs Treue nicht an­ge­zwei­felt wer­den dür­fe. Wenn der Her­zog sich in et­was ver­feh­le, so sei es höchs­tens in­so­fern, als er sei­ne Zun­ge zu zäh­men nicht ge­wohnt sei und oft grob her­aus­fah­re, auch sich nicht gern drein­re­den las­se; sei­ne Ab­sicht sei aber ge­wiss gut, wo­von er doch schon vie­le Pro­ben ab­ge­legt hät­te.

Ja, sag­te Schlick, das Wort recht in die Län­ge zie­hend, wenn die Ge­brech­lich­keit der mensch­li­chen Na­tur nicht wäre! Wenn Ehr­geiz und Hab­sucht nicht wä­ren! Wo wäre eine Tu­gend so si­cher be­gra­ben, dass die­se bei­den schnö­den Hyä­nen sie nicht her­aus­wühl­ten und schän­de­ten? Pic­co­lo­mi­ni neh­me er frei­lich aus, und was ihn be­tref­fe, so wis­se ja je­der, dass er jah­re­lang als be­schei­de­ner Pri­vat­mann und Fa­mi­li­en­va­ter ge­lebt und sich nur un­gern und auf Be­fehl des Kai­sers dem drücken­den Amt des Hof­kriegs­rats­prä­si­den­ten un­ter­zo­gen habe; was für Män­gel ihm auch an­kle­ben möch­ten, Ehr­geiz und Hab­gier sei­en ihm al­le­zeit fremd ge­we­sen. Des­we­gen habe er der­glei­chen auch nicht ohne Un­wil­len an Wal­len­stein be­merkt, wie auch Aldrin­gen, Col­lal­to und an­de­re mehr ge­tan hät­ten. Aldrin­gen habe da­mals, wie er, den Dienst quit­tie­ren wol­len, er habe ihm aber selbst zu­ge­re­det, zu blei­ben, da­mit doch ei­ner da sei, den ge­fähr­li­chen Mann zu über­wa­chen. Sie hät­ten da­zu­mal nichts lie­ber ge­se­hen, als wenn Pic­co­lo­mi­ni oder der nun längst von Gott heim­be­ru­fe­ne Col­lal­to an Wal­len­steins Stel­le ge­tre­ten wäre, Ka­va­lie­re, die mit Ehren­män­nern hät­ten um­ge­hen kön­nen.

Pic­co­lo­mi­ni sag­te, er sei an Wal­len­steins Lau­nen ge­wöhnt und kön­ne sich per­sön­lich nicht be­kla­gen: Wal­len­stein habe ihn stets als Freund und Bru­der trak­tiert.

Ja frei­lich, lach­te Schlick, er wis­se wohl, dass er es nicht mit al­len ver­der­ben dür­fe. Wie er denn sei­ne schwar­zen Plä­ne aus­füh­ren soll­te, wenn ihm sei­ne Of­fi­zie­re nicht blind er­ge­ben wä­ren!

Nun, blind er­ge­ben sei er ihm eben nicht, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, die Lip­pen auf­wer­fend und den Kopf steif in den Na­cken stel­lend; er habe sei­ne ei­ge­ne Ehre und sein ei­ge­nes Ge­wis­sen, et­was Ehr­lo­ses kön­ne ihm nie­mand zu­mu­ten.

Schlick leg­te tri­um­phie­rend sei­ne Hand auf Pic­co­lo­mi­nis Arm. Das eben habe der Kai­ser ihm ge­sagt, und das sei auch sei­ne Über­zeu­gung ge­we­sen, dass Pic­co­lo­mi­ni et­was Ehr­lo­ses auch auf Wal­len­steins Be­fehl nicht tun wür­de. Da­rum sprä­che er, Schlick, so ver­trau­lich mit ihm, wenn er auch sein Le­ben da­bei aufs Spiel setz­te, denn wenn Pic­co­lo­mi­ni es Wal­len­stein wie­der­er­zähl­te, so habe sein letz­tes Stünd­lein ge­schla­gen, das wis­se er wohl. Wal­len­stein habe Ban­di­ten ge­nug an der Hand, um einen Ver­hass­ten aus dem Wege zu räu­men. Was gel­te ihm aber sein Le­ben, wo es auf des Kai­sers Dienst an­kom­me! Der Kai­ser sei ihm hei­lig, und er habe sich ge­schwo­ren, ihn vor Un­glück zu be­wah­ren; er hof­fe, Pic­co­lo­mi­ni wer­de ihm dar­in bei­ste­hen.

Pic­co­lo­mi­ni er­griff Schlicks dar­ge­bo­te­ne Hand und sag­te, Schlick kön­ne in al­lem, was des Kai­sers Dienst be­tref­fe, auf ihn zäh­len. Ob denn be­reits et­was Be­stimm­tes ge­gen Wal­len­stein vor­lie­ge? Das ver­trau­li­che Kom­mu­ni­zie­ren mit dem Fein­de habe ihm ja auch nicht ge­fal­len, aber es sei doch auf Be­fehl des Kai­sers zur Be­för­de­rung des Frie­dens ge­sche­hen. Eins habe ihn im­mer ver­dros­sen, näm­lich die über­große Freund­schaft des Ge­ne­rals mit Ar­nim und dem Her­zog von Sach­sen-Lau­en­burg. Ihm für sei­ne Per­son kämen die bei­den nicht wie red­li­che Ka­va­lie­re vor, ab­ge­se­hen da­von, dass sie Ket­zer wä­ren; er habe den Ge­ne­ral oft wohl­mei­nend ge­warnt, ih­nen nicht so viel zu ver­trau­en. Auch mit dem Thurn hät­te er sich nach sei­nem Da­für­hal­ten nicht so weit ein­las­sen sol­len, der ein of­fen­kun­di­ger Re­bell und Ma­le­fi­kant sei; er habe dar­in wohl dem falschen Terz­ka zu viel nach­ge­ge­ben.

Nun be­gann Schlick frei­er her­aus zu re­den und er­zähl­te, wie nach der Mei­nung des Kriegs­ra­tes Wal­len­stein viel eher einen güns­ti­gen Frie­den vor­schrei­ben könn­te, wenn er den Feind rasch un­ter­wür­fe, wie er an­statt des­sen die lie­be Zeit ver­lö­re, um sei­ne schwar­zen An­schlä­ge aus­zu­ko­chen; was für gott­lo­se Re­den er ge­gen den Kai­ser und sein Haus führ­te, und dass er dem Kö­nig von Un­garn, dem Soh­ne des Kai­sers, das Ho­ro­skop ge­stellt habe und auf sei­nen Tod war­te; dass er Böh­men, Mäh­ren und Schle­si­en dem Kai­ser ent­rei­ßen und teils un­ter sei­ne Hel­fers­hel­fer, die böh­mi­schen Re­bel­len, ver­tei­len wol­le; dass er ein aber­gläu­bi­scher Athe­ist sei, wenn er nicht gar, wie vie­le be­stimmt wis­sen woll­ten, mit dem Teu­fel im Bun­de stän­de, und dass er das Herz des Kai­sers ver­wun­det habe, in­dem er zwei jun­ge Prin­zen von To­s­ka­na, wohl­er­zo­ge­ne, tap­fe­re fürst­li­che Her­ren, die ein Re­gi­ment un­ter ihm hät­ten kom­man­die­ren wol­len, mit höh­ni­schen Wor­ten heim­ge­schickt habe, als sei kein Platz für sie frei.

Er habe das auch nicht ma­nier­lich ge­fun­den, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, habe aber ge­meint, der Ge­ne­ral tue es des­halb, weil eine große Über­zahl von Of­fi­zie­ren beim Hee­re sei, die es be­las­te­ten, vor­züg­lich, wenn sie jung und un­er­fah­ren und der fürst­li­chen Ge­burt we­gen schwer zu re­gie­ren wä­ren.

Des­halb tue er es, sag­te Schlick, weil er nur von ihm selbst ab­hän­gi­ge Krea­tu­ren um sich lei­den wol­le, die zur Not auch das Schwert ge­gen den Kai­ser zö­gen.

Hei­li­ge Mut­ter Got­tes! rief Pic­co­lo­mi­ni, soll­te er un­wis­send vor ei­nem Ab­grun­de ste­hen und Wal­len­stein ihn un­ter der Mas­ke der Freund­schaft dem Höl­len­ra­chen über­lie­fern wol­len? Er habe es wohl manch­mal be­dau­ert, dass Wal­len­stein der wah­ren hei­li­gen Re­li­gi­on nicht so an­zu­han­gen schei­ne, wie ein Edel­mann sol­le; al­lein da er in so gu­tem Ein­ver­neh­men mit dem Pa­ter Qui­ro­ga, dem Beicht­va­ter der Kö­ni­gin von Un­garn, dem Bi­schof von Wien und an­de­ren ho­hen geist­li­chen Per­so­nen ste­he, habe er sich sol­cher Zwei­fel ent­schla­gen zu sol­len ge­dacht.

Er wis­se die Gu­ten so gleis­ne­risch zu ver­füh­ren, sag­te Schlick, wie der Sa­tan selbst es nicht bes­ser könn­te. De­nen gin­gen nun aber auch die Au­gen auf, und wenn sie sich freund­lich ge­gen ihn stell­ten, so sei das nur die ge­büh­ren­de Vor­sicht ei­nem sol­chen ge­fähr­li­chen Bö­se­wicht ge­gen­über. Pic­co­lo­mi­ni dür­fe sich auch bei­lei­be die ver­än­der­te Ge­sin­nung nicht mer­ken las­sen, son­dern die­sel­be An­häng­lich­keit und Er­ge­ben­heit wie zu­vor her­aus­keh­ren. Die Auf­ga­be der Gu­ten sei jetzt, ihn so zu be­tö­ren wie Odys­seus und sei­ne Ge­fähr­ten den ge­walt­tä­ti­gen Zy­klo­pen; sie wä­ren jetzt gleich­sam in sei­ner Höh­le und sei­ner heid­nischen Wut und Ge­frä­ßig­keit preis­ge­ge­ben, und nur der äu­ßers­ten List und Be­hut­sam­keit kön­ne es ge­lin­gen, die er­hitz­te Keu­le in sein ein­ge­schlä­fer­tes Auge zu boh­ren. Er wol­le es ins­künf­tig auch lie­ber ver­mei­den, mit Pic­co­lo­mi­ni al­lein zu sein, um kei­nen Ver­dacht zu er­re­gen, und Pic­co­lo­mi­ni sol­le es sich nicht ver­drie­ßen las­sen, hie und da Ver­wün­schun­gen oder arg­wöh­ni­sche Wor­te ge­gen ihn, Schlick, aus­zu­sto­ßen; er wer­de se­hen, was für Bei­fall er da­mit fän­de, und kön­ne das zu­gleich als Be­weis für Wal­len­steins re­bel­li­sche Ge­sin­nung und Pro­jek­te be­grei­fen.

Die Bin­de fal­le ihm all­mäh­lich von den Au­gen, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, und er sehe nun man­ches im Licht, was ihm frü­her dun­kel vor­ge­kom­men sei. Schlick sol­le dem Kai­ser ver­si­chern, dass er in ihm, Pic­co­lo­mi­ni, den treues­ten, bis in den Tod un­ter­wür­fi­gen Die­ner habe, der nichts an­de­res auf Er­den be­geh­re, als sein Blut im Diens­te des Kai­sers zu ver­sprit­zen. Des Kai­sers Kle­menz und Gnä­dig­keit wä­ren ihm zu be­kannt, als dass er zwei­fel­te, der Kai­ser wür­de ihm die schul­di­ge Treue nach Ver­dienst be­loh­nen.

Nach­dem Schlick an­ge­deu­tet hat­te, dass Pic­co­lo­mi­ni be­reits zur Über­nah­me des höchs­ten Kom­man­dos im Hee­re aus­er­se­hen sei, wenn Wal­len­stein be­sei­tigt wäre, er­kun­dig­te er sich noch nach Cha­rak­ter und Ge­sin­nung an­de­rer Of­fi­zie­re und wel­che er nach Pic­co­lo­mi­nis Da­für­hal­ten jetzt schon ins Ver­trau­en zie­hen kön­ne. Dass auf Aldrin­gens Treue zu zäh­len sei, wis­se er aus frü­he­rer Zeit, Gal­las kom­me ihm lei­der wie vom Her­zog ver­zau­bert vor.

Pic­co­lo­mi­ni sprach sei­ne Über­zeu­gung aus, dass Gal­las, wenn er von wahr­haft ver­rä­te­rischen Ab­sich­ten des Ge­ne­rals in Kennt­nis ge­setzt wür­de, Ab­scheu da­vor tra­gen und das dem Kai­ser be­wei­sen wür­de; üb­ri­gens er­bot er sich, die Ge­mü­ter der Of­fi­zie­re bei Ge­le­gen­heit zu er­for­schen. Ob denn in Wien schon et­was Ge­wis­ses über den Ge­ne­ral be­schlos­sen sei?

An Wal­len­steins Un­treue und bö­sen Ab­sich­ten zweifle der Kai­ser nicht mehr, sag­te Schlick; aber hin­sicht­lich der Kon­se­quenz und Aus­füh­rung sei doch noch dies und je­nes zu be­den­ken. Der Her­zog, ob­wohl als schlich­ter Edel­mann ge­bo­ren, stel­le sich är­ger an als die übel­be­ru­fe­nen Ty­ran­nen des Al­ter­tums; wenn er auch frei­wil­lig ab­zu­dan­ken sich be­we­gen las­se, so sei doch da­mit sei­ne Herrsch­sucht, Rach­sucht und Grau­sam­keit nicht ent­thront. Es hand­le sich also dar­um, ihm vor­her die Hän­de zu bin­den, da­mit man vor sei­nen Erup­tio­nen und Ma­chi­na­tio­nen si­cher sei. Es wer­de Pic­co­lo­mi­ni nicht ent­gan­gen sein, wie schon sei­ne, Schlicks, An­we­sen­heit ihm die Gal­le er­re­ge, er las­se sich’s aber nicht an­fech­ten, ver­hal­te sich höf­lich und auf­rich­tig, sage sei­ne Mei­nung und ver­traue auf Gott, der kein Ge­fal­len am Mor­de der Un­schuld habe.

In der Tat war Wal­len­stein über Schlicks Sen­dung sehr er­zürnt, so­dass er sich meis­tens un­ter dem Vor­wan­de sei­nes üb­len Ge­sund­heits­zu­stan­des sei­ne Be­su­che ver­bat und sich von Zu­sam­men­künf­ten fern­hielt. War er aber zu­ge­gen, so führ­te er spit­ze Re­den, wie dass die Hofleu­te, die zu Hau­se sä­ßen, sich ein­bil­de­ten, ohne täg­li­ches Blut­ver­gie­ßen in Schlach­ten sei es um das Kriegs­we­sen schlecht be­stellt, wie wenn Sol­da­ten­blut der bes­te Dün­ger für den Acker sei; oder dass, wenn er zwar den Frie­den trak­tie­ren, aber kei­nen Waf­fen­still­stand sol­le ge­wäh­ren dür­fen, dies nicht an­ders sei, als wenn ein Bau­er Brot ma­chen sol­le, ohne Korn zu schnei­den; oder wie ge­wis­se Her­ren, die in Böh­men kon­fis­zier­tes Re­bel­len­gut an sich ge­bracht hät­ten, noch nicht fest in den Zwei­gen sä­ßen und Angst vor ei­nem kon­trä­ren Wind hät­ten, der sie wie­der her­un­ter­blie­se.

Nach­dem er sich etwa eine Wo­che lang im La­ger auf­ge­hal­ten hat­te, ver­ab­schie­de­te sich Schlick von Wal­len­stein: er sei stets, sag­te er, ein Be­wun­de­rer des Her­zogs ge­we­sen, habe ja auch un­ter ihm ge­dient, und wenn er sich je­mals he­ro­i­scher Ta­ten rüh­me, so sei­en es die­je­ni­gen, die er un­ter des Her­zogs glor­rei­chem Be­fehl habe ver­rich­ten dür­fen. Was für Vor­teil der der­ma­li­ge Waf­fen­still­stand für den Kai­ser habe, kön­ne er nicht durch­aus fas­sen und bit­te den Her­zog, ihm zu ver­zei­hen, dass er, der sei­nen schwa­chen Ver­stand mit der un­er­gründ­li­chen Ein­sicht des Her­zogs frei­lich nicht ver­glei­chen kön­ne, sich ei­ner von der sei­ni­gen ab­wei­chen­den Mei­nung un­ter­ste­he. Die­ser Waf­fen­still­stand schei­ne ihm et­was von dem meuch­le­ri­schen Pfer­de an sich zu ha­ben, das die Grie­chen be­trüg­lich in die tro­ja­ni­sche Burg in­si­nu­iert hät­ten und aus wel­chem das Ver­häng­nis zum Scha­den der Tro­ja­ner her­vor­ge­bro­chen sei; und er wage es, aus wohl­mei­nen­dem Her­zen den Her­zog zu war­nen, da­mit es ihm nicht eben­so er­ge­he. Er bete täg­lich, dass Gott ihm den Schlei­er von den Au­gen löse, mit dem der schlaue Feind ihn um­garnt hät­te; dies müs­se er als auf­rich­ti­ger Freund und Die­ner des Her­zogs so­wie als eben­sol­cher Die­ner des Kai­sers furcht­los äu­ßern.

Wal­len­stein fei­er­te die Abrei­se Schlicks durch ein klei­nes Ban­kett im Freun­des­krei­se, an dem auch Pic­co­lo­mi­ni teil­nahm.

Es reue ihn, sag­te Wal­len­stein, dass er den schnüf­feln­den Spi­on so straf­los habe ab­zie­hen las­sen, und Terz­ka stimm­te so­gleich ein: Spio­ne wä­ren bei al­len zi­vi­li­sier­ten Völ­kern ver­ach­tet und als schnö­des­ter Aus­wurf des Men­schen­ge­schlechts an­ge­se­hen ge­we­sen; man hät­te ihm einen or­dent­li­chen Denk­zet­tel auf den Weg ge­ben sol­len.

Man hät­te ihn über­haupt nicht ab­zie­hen las­sen, rief Illo, man hät­te ihn in ei­nem recht­schaf­fe­nen Duell ab­ste­chen sol­len. Er hät­te es sich zur Ehre an­ge­rech­net, sei­nem Ge­ne­ral die­se läs­ti­ge Flie­ge weg­zu­klat­schen.

Wenn ein sol­cher Schelm nur Ehre hät­te, sag­te Terz­ka; er habe ihm ab­sicht­lich mit Sti­che­lei­en auf­ge­war­tet, aber es habe ihn wohl nicht ge­juckt, oder er habe das Schwert zum Krat­zen zu scharf ge­fun­den und sich lie­ber hin­ter den Ofen re­ti­riert.

Pic­co­lo­mi­ni sag­te, nach sei­nem Da­für­hal­ten dür­fe man sich an ei­nem Ab­ge­sand­ten des Kai­sers nicht ver­grei­fen, und er zweifle nicht, dass die Her­ren Ka­me­ra­den das gleich­falls be­dacht hät­ten; aber es sei ihm al­ler­dings auch lä­cher­lich vor­ge­kom­men, dass Schlick so viel mit sei­nen Kriegs­taten ge­prahlt habe, von de­nen er glau­be, dass sie dem Fein­de am meis­ten genützt hät­ten.

Wal­len­stein lach­te be­hag­lich. Der Herr tue sich et­was dar­auf zu­gu­te, sag­te er, dass er sei­ner­zeit den al­ten Mark­gra­fen von Ba­den in den Sund ge­jagt habe. Die­ser alte Fürst sei ein wa­cke­rer Bü­cher­le­ser und Schrei­ber, aber jäm­mer­li­cher Stra­te­ge und Feld­herr ge­we­sen, und ein je­der un­ge­wa­sche­ne Fähn­rich wäre auch mit ihm fer­tig ge­wor­den. Es ma­che ihn la­chen, wie die­se win­di­gen Lor­bee­ren in Wien be­gos­sen und be­schüt­tet wür­den, da­mit sie ein leid­li­ches Aus­se­hen be­kämen. Üb­ri­gens habe er nur Dif­fi­kul­tä­ten mit dem Schlick ge­habt, jetzt ern­te er den Dank da­für ein, dass er ihn so lan­ge mit­ge­schleppt habe.

Mit den tos­ka­ni­schen Prinz­lein wäre es auch nicht an­ders ge­wor­den, sag­te Scherf­fen­berg; der Fürst habe zu viel auf sich, als dass er die Amme und Gar­de­ro­be­frau für alle eit­len und mü­ßi­gen Groß­mäu­ler in Eu­ro­pa ma­chen dürf­te.

Er schi­cke sich über­haupt nicht mehr zum Kom­man­do­sta­be, sag­te Wal­len­stein, seit die Ver­leum­der und al­ten Vet­teln des Kai­sers Ohr ge­won­nen hät­ten. Vi­el­leicht däch­te der Schlick, er stän­de ihm sel­ber an, ob­gleich er doch wis­sen soll­te, dass der Kö­nig von Un­garn schon lan­ge Fin­ger da­nach mach­te. Er möch­te nur die Sprün­ge se­hen, die manch ei­ner dann ma­chen müss­te, und was für Ge­sich­ter er dazu schnit­te. Er sei der Int­ri­gen und Wi­der­wär­tig­kei­ten oft von Her­zen über­drüs­sig; wem zu­lie­be kämp­fe er ei­gent­lich ge­gen die­se Sünd­flut, an­statt sich in eine tro­ckene Ar­che zu­rück­zu­zie­hen und ge­mäch­lich dem Schwall und Er­sau­fen zu­zu­se­hen!

Was? rief Illo auf­sprin­gend. Nein, sie lie­ßen ihn nicht. An sei­nem Na­men hange das Kriegs­glück! Er habe das Heer ge­schaf­fen, es glei­che ei­ner aus dem er­wärm­ten Bo­den ge­zau­ber­ten Früh­lings­saat, die, wenn die Son­ne vom Re­gi­ment ab­trä­te, er­frie­ren müs­se. Der Ge­ne­ral sol­le die schwar­zen Ge­dan­ken fah­ren las­sen, die der hunds­föt­ti­sche Schlick auf­ge­rührt habe; wäre die Welt auch voll Ver­rä­ter und Ver­leum­der, so gäbe es doch treue und red­li­che Her­zen, die emp­fan­ge­ne Wohl­ta­ten nicht ver­gäs­sen.