17.

Zwei Wo­chen nach Holks Tode lang­te Ar­nim bei Wal­len­stein an und er­zähl­te ihm, dass er die bei­den Kur­fürs­ten von Sach­sen und Bran­den­burg da­hin ge­bracht habe, zu der Kon­junk­ti­on der Ar­meen ihre Zu­stim­mung zu ge­ben.

Ja, von Ar­nim kom­me ihm nur Gu­tes, sag­te Wal­len­stein, nicht um­sonst habe er sei­ne An­ge­le­gen­hei­ten stets gern Ar­nim an­ver­traut.

Er habe es sich Mühe kos­ten las­sen, fuhr Ar­nim fort; den Kur­fürs­ten gehe es mit ih­ren Ent­schlüs­sen wie man­chen Leu­ten mit ih­ren Gän­sen, mä­s­te­ten sie so lan­ge, dass sie ver­reck­ten, be­vor es zum Schlach­ten käme. Er habe aber einen nach­drück­li­chen Ernst ge­zeigt und sich auch ge­wis­ser­ma­ßen für Wal­len­stein ver­bürgt.

So könn­ten sie also un­ver­weilt mit­ein­an­der auf den ge­mein­sa­men Feind los­ge­hen, sag­te Wal­len­stein.

Ar­nim stutz­te. Al­ler­dings, sag­te er nach ei­ner Pau­se, wer sich dem Frie­den wi­der­setz­te, dem woll­ten sie ihre Mei­nung mit den Waf­fen de­mons­trie­ren.

Den Schwe­den, sag­te Wal­len­stein, gön­ne er die Über­ra­schung, die ih­nen be­vor­ste­he. Die hät­ten sich ein­ge­bil­det, in Deutsch­land re­gie­ren zu kön­nen. Er kön­ne es nicht er­war­ten, sie ins Meer zu ja­gen.

Das wer­de nicht nö­tig sein, ent­geg­ne­te Ar­nim. Er kom­me jetzt von Oxens­tier­na, der wün­sche sich nichts Lie­be­res als eine auf­rich­ti­ge Kon­junk­ti­on mit Wal­len­stein, um den Frie­den her­bei­zu­füh­ren. We­gen der Sa­tis­fak­ti­on wer­de man sich ei­ni­gen, schließ­lich müs­se Bran­den­burg Pom­mern ze­die­ren, der Ver­lust kön­ne durch die schwe­di­sche Hei­rat aus­ge­gli­chen wer­den.

Wal­len­stein lach­te. Ob Ar­nim ernst­lich glau­be, es sei sei­ne Mei­nung, mit den Schwe­den zu ak­kor­die­ren? Hät­te er sie ge­ru­fen? Er sei der Töl­pel nicht, ih­nen einen Lohn aus­zu­hän­di­gen da­für, dass sie den Ru­he­stand Deutsch­lands per­tur­biert hät­ten. Hin­aus­wer­fen wol­le er sie und hof­fe, dass ihm Ar­nim da­bei be­hilf­lich sein wer­de.

Das kön­ne er nur für eine scherz­haf­te Rede hal­ten, sag­te Ar­nim auf­ste­hend. Er sei jetzt wo­chen­lang hin und her ge­reist und habe die Kur­fürs­ten be­ar­bei­tet, um die Kom­bi­na­ti­on zu­stan­de zu brin­gen; sei­ne Ehre sei ver­pfän­det. Es sei doch nicht mög­lich, dass Wal­len­stein jetzt al­les ver­keh­re und ihn Lü­gen stra­fe.

Ihm schei­ne es viel­mehr, als rede Ar­nim irre, sag­te Wal­len­stein, in­dem er eine hoch­mü­ti­ge Mie­ne an­nahm. Er wis­se es nicht an­ders, als dass sie mit­ein­an­der eins ge­wor­den wä­ren, über die Schwe­den her­zu­fal­len und dann den all­ge­mei­nen Reichs­frie­den her­zu­stel­len. Ob Ar­nim et­was an­de­res schrift­lich von sei­ner Hand habe?

Ar­nim wur­de dun­kel­rot und stampf­te mit dem Fuße auf. »Der Don­ner soll mich tref­fen«, fluch­te er, »dass ich noch ein­mal ge­traut habe!«

»Der Herr weiß nicht, was er re­det«, sag­te Wal­len­stein mit har­ter Stim­me. »Der Herr ver­dreht mir die Wor­te im Mun­de, um mich in sei­ne fuchs­schwän­zi­gen Ju­daspro­jek­te zu ver­flech­ten. Er hat mir eine Fal­le ge­stellt.«

Als Ar­nim auf dem Rück­we­ge von die­ser Zu­sam­men­kunft den Her­zog von Sach­sen-Lau­en­burg auf­such­te, sag­te die­ser la­chend, er habe nicht für mög­lich ge­hal­ten, dass Ar­nim sich so er­hit­zen kön­ne; er sehe aus, als müs­se ihm im nächs­ten Au­gen­blick ein Äder­lein plat­zen. Ar­nim gab die ge­hab­te Un­ter­re­dung wie­der; der Teu­fel habe nun sei­ne Klaue ge­zeigt, sag­te er, man kön­ne sich eben doch mit dem ka­tho­li­schen Schlan­gen­ge­zücht nicht ein­las­sen.

Franz Al­brecht hör­te nach­denk­lich zu und mein­te end­lich, da wal­te ge­wiss ein Miss­ver­ständ­nis vor; viel­leicht sei Wal­len­stein durch ir­gen­det­was dis­gus­tiert ge­we­sen, lau­nisch sei er ja und ver­wöhnt wie eine schö­ne Buhl­dir­ne.

Gera­de dar­um, sag­te Ar­nim, wol­le er nichts mehr mit ihm zu tun ha­ben. Er ste­cke so voll Lug und Trug, dass er selbst nicht mehr wis­se, was er wol­le. Wenn er jetzt auch noch ein­mal glat­te Wor­te brauch­te, er, Ar­nim, las­se sich nicht wie­der fan­gen.

Man müs­se mit Wal­len­stein auf be­son­de­re Art um­ge­hen, sag­te der Lau­en­bur­ger, ihm die Wor­te ge­wis­ser­ma­ßen selbst in den Mund le­gen.

Der Her­zog möge es im­mer­hin ver­su­chen, sag­te Ar­nim, er sei ge­gen so viel Falsch­heit nicht ge­wapp­net.

Franz Al­brecht dach­te nach: ja, Wal­len­stein war lau­nisch, und er war furcht­sam; er hat­te im Grun­de Angst vor der kai­ser­li­chen Macht, und der Um­stand, dass er so­eben sei­nen er­ge­bens­ten Of­fi­zier, näm­lich Holk, ver­lo­ren hat­te, moch­te ihn un­si­cher ge­macht ha­ben. Gleich­zei­tig war dem Thron­fol­ger, von dem er ge­glaubt hat­te, er wer­de ohne Er­ben ver­küm­mern, ein Söhn­lein ge­bo­ren wor­den; das moch­te ihm so vor­kom­men, als neh­me das Schick­sal sich sei­ner Geg­ner an. Es kom­me also dar­auf an, dach­te er, ihm Mut ein­zu­flö­ßen, was Ar­nim im­mer so gut ver­stan­den habe. Wie, wenn es nun aber nicht ge­lin­gen woll­te?

Üb­ri­gens, sag­te er, sich plötz­lich aus sei­nem Sin­nen ge­gen Ar­nim wen­dend, kön­ne man ja auch wirk­lich mit Wal­len­stein ver­eint die Schwe­den hin­aus­wer­fen.

Ar­nim warf einen är­ger­li­chen Blick auf Franz Al­brecht. Auf die Art, sag­te er, dass man sie jetzt, das Bünd­nis bre­chend, über­fal­le, gehe es ein­mal ge­wiss nicht, das müs­se an­ders vor­be­rei­tet wer­den. Franz Al­brecht sol­le sich nur mit sei­nen Re­den vor­se­hen, er wis­se ja gut ge­nug, was für ein Ge­schwätz un­ter den Schwe­den über ihn im Schwan­ge sei.

Das tue ihm nicht weh, lach­te der Her­zog auf, kön­ne ihn höchs­tens be­we­gen, ih­nen das Lü­gen­maul zu stop­fen. Die Fran­zo­sen wä­ren auch da, de­nen das schwe­di­sche Bünd­nis im Grun­de ver­hasst wäre. Mit ih­rer Hil­fe hät­ten sie ge­won­ne­nes Spiel, sie könn­ten Wal­len­stein auch in Böh­men ein­set­zen.

»Von den zwei Spitz­bu­ben«, sag­te Ar­nim böse, »ist mir der schwe­di­sche noch lie­ber als der fran­zö­si­sche.« Au­ßer­dem wol­le ja Wal­len­stein von der böh­mi­schen Kro­ne gar nichts mehr wis­sen.

Nein, das kön­ne er doch nicht glau­ben, er­wi­der­te Franz Al­brecht, er habe sich zu tief in die böh­mi­sche Sa­che ein­ge­las­sen. Vi­el­leicht wol­le er sich nur nicht klar dar­über äu­ßern, wol­le, ohne zu spre­chen, ver­stan­den sein; auf­ge­ben kön­ne man ihn noch nicht.

Wal­len­stein fühl­te nach Ar­nims Abrei­se eine große Be­frie­di­gung. Gott sei Dank, dach­te er, dass er den selbst­süch­ti­gen, ei­gen­mäch­ti­gen Bran­den­bur­ger ein- für al­le­mal los­ge­wor­den sei, der ihm im­mer sei­nen Ein­fluss auf­ge­drängt habe, um ihn für frem­de Zwe­cke aus­zunüt­zen. Nun kön­ne er sich wie­der frei ent­schlie­ßen. Er ließ Seni kom­men und er­zähl­te ihm, dass er mit den Sach­sen und Schwe­den gänz­lich bre­chen wol­le. Er habe schon vor­aus­ge­se­hen, sag­te die­ser, dass ein Um­schwung ein­tre­ten wer­de; denn er habe nachts eine be­deut­sa­me neue Kon­stel­la­ti­on am Him­mel be­ob­ach­tet. Wal­len­steins Stern schwin­ge sich wie­der mäch­tig em­por, er wer­de al­len sei­nen Fein­den ob­sie­gen.

Den Her­zog von Lau­en­burg emp­fing der Her­zog mit ei­ner Kla­ge über Ar­nims Ar­g­list: er kön­ne es nicht fas­sen, sag­te er, dass Ar­nim, der den From­men her­aus­keh­re, sol­chen Be­trug aus­übe, ihn mit Wor­ten bin­den zu wol­len, die er nie­mals ge­spro­chen habe.

Franz Al­brecht ent­geg­ne­te mun­ter, den pfäf­fi­schen Ar­nim woll­ten sie ein­mal bei­sei­te las­sen. Von ihm, Franz Al­brecht, wis­se ja Wal­len­stein, wie wi­der­wär­tig ihm die Schwe­den wä­ren und dass er ge­wiss nicht dar­an den­ke, ein ewi­ges Bünd­nis mit ih­nen zu hal­ten. Jetzt fra­ge es sich aber, ob man es ohne ih­ren Bei­stand mit dem Kai­ser auf­neh­men kön­ne? Ob man es etwa lie­ber mit den Fran­zo­sen ver­su­chen soll­te?

»Habe ich je­mals ge­sagt«, frag­te Wal­len­stein scharf, »dass ich et­was ge­gen den Kai­ser ten­tie­ren wür­de? Das wäre eine Spitz­bü­be­rei!«

Nun, er­wi­der­te Franz Al­brecht la­chend, er habe die Mög­lich­keit er­wo­gen, dass der Kai­ser et­was ge­gen ihn ten­tier­te, wenn er sich der böh­mi­schen Emi­gran­ten an­näh­me.

Böh­men! Böh­men! rief Wal­len­stein sich er­ei­fernd. Ja, es möch­te man­chem Lecker­maul pas­sen, wenn er ihm die Kas­ta­ni­en aus dem Feu­er hol­te. Franz Al­brecht habe ja­wohl auch Ge­schmack an böh­mi­schen Schür­zen und Geld­sä­cken be­kom­men, täu­sche sich aber, wenn er glau­be, er, Wal­len­stein, setz­te sei­ne Re­pu­ta­ti­on aufs Spiel, um Wei­ber­jä­gern und Hu­ren den Beu­tel zu fül­len.

All­mäh­lich fing der Lau­en­bur­ger die Fas­sung zu ver­lie­ren an. Jetzt wür­de es ihn nicht wun­dern, sag­te er, wenn die Elbe sich um­dreh­te und ins Mit­tel­meer wür­fe. Er möch­te aber lie­ber glau­ben, dass Wal­len­stein das Ge­dächt­nis als sei­ne Inkli­na­ti­on und Freund­schaft für ihn ver­lo­ren hät­te.

»Das sieht euch Schel­men gleich«, sag­te Wal­len­stein tro­cken, »dass ihr mich zum Nar­ren ma­chen möch­tet, um nicht als Lüg­ner da­ste­hen zu müs­sen.«

Eine noch­ma­li­ge Un­ter­re­dung, die der Her­zog von Sach­sen-Lau­en­burg und der alte Graf Thurn mit Wal­len­stein hat­ten, führ­te zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Thurn be­haup­te­te, es müs­se sich des Ge­ne­rals eine Ge­müts­ver­wir­rung be­mäch­tigt ha­ben, sonst kön­ne doch nicht aus ei­nem so großen Fürs­ten und Feld­herrn ein so mein­ei­di­ger, ab­ge­feim­ter zwei­zün­gi­ger Je­suit wer­den. Franz Al­brecht da­ge­gen mein­te, man müs­se die Hoff­nung noch nicht auf­ge­ben: ein un­s­te­ter Wind kön­ne un­ver­se­hens wie­der um­sprin­gen; hü­ten müs­se man sich frei­lich vor ei­nem zwei­ten plötz­li­chen Über­fall. Trotz die­ser au­gen­schein­lich vor­lie­gen­den Ge­fahr war Thurn so sorg­los, dass es Wal­len­stein ge­lang, ihn in sei­ner Stel­lung bei Stein­au ein­zu­schlie­ßen und mit sämt­li­chen Trup­pen ge­fan­gen­zu­neh­men, wo­durch fast ganz Schle­si­en in sei­ne Hän­de fiel.