20.

Pic­co­lo­mi­ni, der wie Wal­len­stein in Pil­sen am Markt­plat­ze wohn­te, stand mit dem Gra­fen Hatz­feld an ei­nem der ho­hen Fens­ter sei­nes Hau­ses und blick­te auf das un­ten herr­schen­de lus­ti­ge Ge­tüm­mel. Vor ei­nem be­nach­bar­ten Hau­se stand eine präch­ti­ge, an den Ecken mit ver­gol­de­ten Knäu­fen ge­schmück­te Ka­ros­se, vor wel­che vier Pfer­de von aus­ge­zeich­ne­ter Schön­heit ge­spannt wa­ren. So schö­ne Gold­füch­se habe er in sei­nem Le­ben noch nicht ge­se­hen, sag­te Hatz­feld be­wun­dernd, ei­ner wie der an­de­re sei wie aus Bron­ze ge­gos­sen, und da­bei le­ben­dig und zit­ternd, als ob das Me­tall noch im Flus­se sei. Sie ge­hör­ten dem Schaff­gotsch, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, der vor ein paar Ta­gen an­ge­kom­men sei, von Wal­len­stein ge­ru­fen. Er habe noch mehr und eben­so schö­ne Pfer­de auf sei­nen Gü­tern, ge­wiss mehr als der Kai­ser. Ja, der Schaff­gotsch, sag­te Hatz­feld, das hät­te er sich den­ken kön­nen, er sei ja der reichs­te Mann in Schle­si­en. Ein großer Kriegs­held sei er wohl nicht.

Pic­co­lo­mi­ni zuck­te die Ach­seln. Wäre er nicht der Schaff­gotsch, hät­te der Ge­ne­ral ihn längst sprin­gen las­sen. Bei Stein­au habe er üb­ri­gens den al­ten Thurn fan­gen hel­fen.

Das Maul auf­zu­sper­ren, wenn die ge­bra­te­ne Tau­be hin­ein­flie­ge, sei kei­ne große Kunst, sag­te Hatz­feld. Aber er sei beim Kai­ser gut an­ge­schrie­ben, so viel er wis­se.

Wun­der­bar ge­nug, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, es sei ja ganz be­kannt, dass er mit den Evan­ge­li­schen durch­ste­cke. Er habe auch Anno 1620 of­fen­kun­dig zum Pfäl­zer ge­hal­ten, erst im letz­ten Au­gen­blick sei er über­ge­lau­fen. Der Kai­ser habe ein Auge zu­ge­drückt und ge­tan, als wis­se er nichts von sei­ner Un­treue, und der Schaff­gotsch las­se sich die Gna­de wohl be­kom­men, blei­be aber im Her­zen ein wi­der­haa­ri­ger Ket­zer wie zu­vor.

In­zwi­schen war Schaff­gotsch mit zwei Da­men aus der Tür ei­nes vor­neh­men Hau­ses ge­tre­ten und öff­ne­te den Kut­schen­schlag. Das wä­ren die Kins­ky und die Terz­ka, er­klär­te Pic­co­lo­mi­ni, mit de­nen sei Schaff­gotsch viel zu­sam­men. »Schö­ne Wei­ber«, sag­te Hatz­feld, »be­son­ders die Kins­ky, wenn auch et­was zu üp­pig.« Die Da­men stan­den plau­dernd und la­chend im knir­schen­den, in der Son­ne blin­ken­den Schnee und stie­gen dann ein, wor­auf Schaff­gotsch sich auf ein Pferd schwang, um ne­ben der Kut­sche her zu rei­ten. Als er un­ter dem Fens­ter vor­bei­kam, an dem die bei­den Of­fi­zie­re stan­den, lüf­te­te er den Fe­der­hut und be­grüß­te Pic­co­lo­mi­ni lie­bens­wür­dig in ita­lie­ni­scher Spra­che. Der ant­wor­te­te eben­so und wink­te kor­di­al mit der Hand. Wie­so der Schle­si­er Ita­lie­nisch ver­ste­he? frag­te Hatz­feld. Und Pol­nisch und Fran­zö­sisch dazu, ant­wor­te­te Pic­co­lo­mi­ni lä­chelnd; er sei über­haupt ein Ka­va­lier und deut­scher Ado­nis. Nur sei lei­der zu be­fürch­ten, dass die­se blu­men­be­streu­te Lauf­bahn plötz­lich ge­walt­sam ab­bre­che, wenn er nicht bei­zei­ten um­keh­re.

Zu wel­chem Zweck ihn denn Wal­len­stein habe kom­men las­sen? er­kun­dig­te sich Hatz­feld. Nun, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, dar­über brauch­ten Ein­sich­ti­ge nicht zu re­den. Wal­len­stein gäbe Schle­si­en ganz in des Schaff­gotsch Hand, mein­te, da wäre es gut auf­ge­ho­ben. Er habe kei­ne Ah­nung, dass des­sen Ordres schon nichts mehr gäl­ten.

Da kämen wun­der­vol­le Gü­ter zur Ver­tei­lung, sag­te Hatz­feld nach län­ge­rem Still­schwei­gen nach­denk­lich, wenn der Schaff­gotsch sich ernst­lich kom­pro­mit­tier­te.

Da­hin kön­ne es leicht kom­men, sag­te Pic­co­lo­mi­ni.

Es wä­ren aber doch Kin­der da, sag­te Hatz­feld, de­ren Prä­ten­tio­nen wür­den wohl be­ste­hen blei­ben, be­son­ders wenn der Kai­ser so ein­ge­nom­men für Schaff­gotsch wäre.

Wenn er das schwar­ze Herz sei­ner falschen Die­ner erst er­kenn­te, wür­de sich da man­ches än­dern, sag­te Pic­co­lo­mi­ni. Wenn Hatz­feld etwa Ab­sich­ten hät­te, sol­le er nur bei­zei­ten beim Kai­ser da­mit vor­stel­lig wer­den; denn die Schaff­gotsch­schen Gü­ter wür­den vie­le Lieb­ha­ber fin­den.

Es sei son­der­bar, sag­te Hatz­feld träu­me­risch, er habe stets ge­dacht, der, wel­cher das Gut Tra­chen­berg sein nenn­te, müs­se sich schon auf Er­den im Pa­ra­die­se füh­len. Wenn er nun auf so un­ver­hoff­te Art dazu käme, kön­ne das doch nur der gött­li­chen Vor­se­hung zu­ge­schrie­ben wer­den.

Je­den­falls, sag­te Pic­co­lo­mi­ni, habe Hatz­feld gute Aus­sich­ten. Er habe dem Kai­ser rühm­li­che Kriegs­diens­te ge­leis­tet, und sein Bru­der, der Fürst­bi­schof von Würz­burg, habe durch die schwe­di­sche Ok­ku­pa­ti­on viel ge­lit­ten; dem­nach wer­de sein Ge­such ge­wiss vor al­len be­rück­sich­tigt wer­den.