Schaffgotsch verließ Pilsen in freudig erregter Stimmung: der General hatte ihn mit Auszeichnung behandelt, ja ihm Vertrauen bewiesen, als ob er ein alter verdienter Offizier wäre, sodass er zuweilen das Gefühl gehabt hatte, als hänge Wallenstein mehr von ihm ab als umgekehrt. Das konnte nur davon kommen, dass Wallenstein körperlich einen so hilflosen Eindruck machte; Schaffgotsch vergaß darüber nicht, wie schnell seine herablassende Stimmung umschlagen konnte und wie er, Schaffgotsch, noch kürzlich vor seinem Zorne gezittert hatte. Immerhin hatte sich das Glück, das ihm angeboren zu sein schien, bewährt. Diese kapriziöse Dame liebte ihn nun einmal, vielleicht weil er hübsch und liebenswürdig war; jedenfalls konnte er es sich gefallen lassen. In solchen Betrachtungen war er, als sein Kammerdiener, Konstantin von Wegner, an seine Seite ritt und ihn fragte, ob es an dem sei, dass Breslau erledigt und ganz Schlesien frei und evangelisch würde?
Schaffgotsch drehte sich um und zögerte ein wenig mit der Antwort. So weit sei es noch nicht, sagte er dann. Woher Wegner das habe?
Er habe in Pilsen dergleichen gehört, wisse ja nicht, was daran sei, erwiderte dieser. Ob der Kaiser und Wallenstein wirklich auseinander wären?
Das wären nur Misshelligkeiten, sagte Schaffgotsch, die sich wohl wieder zuzögen. Der Kaiser könne sich nicht rühren ohne Wallenstein, müsse doch zuletzt nachgeben. Das ganze Heer halte wie ein Mann zum General, das habe sich jetzt klar gezeigt.
Wegner sagte, vielleicht wolle Gott sich Wallensteins bedienen, um das Evangelium zu retten. Schaffgotsch solle aber doch auf der Hut sein, es sei kein Treu und Glauben bei Wallenstein.
Wieso? fragte Schaffgotsch schnell. Er, Schaffgotsch, tue ja nichts Unrechtes, gehorche nur seines Generals Befehlen.
Es gehe aber ein ungleiches Gerede über den Revers, den die Offiziere unterschrieben hätten. Er habe sagen gehört, sie hätten es sich nicht unterstehen dürfen, es sei Rebellion.
Schaffgotsch fuhr zusammen und wurde rot. Sie hätten ja alle unterschrieben, sagte er, auch Piccolomini; da hätte er sich doch nicht ausschließen können.
Das Gespräch hatte ihn nachdenklich gemacht; denn in Wahrheit waren auch ihm in Pilsen allerlei Bedenken aufgestiegen, die die vielen Geschäfte und Vergnügungen zurückgedrängt hatten. Besonders hatte es ihm geschienen, als wiche Piccolomini, dessen Ansicht er doch so gern erfahren hätte, einer vertraulichen Unterredung mit ihm aus. Er nahm sich vor, mit Gallas zu sprechen, den er in Glogau treffen würde; alleinstehen wollte er nicht, sondern für alle Fälle durch die höchsten und angesehensten Offiziere gedeckt sein.
Dieser Entschluss stellte seine Stimmung wieder her, und er richtete Gallas fröhlich aus, was Wallenstein ihm aufgetragen hatte: dass Gallas nach Pilsen ins Hauptquartier kommen und er, Schaffgotsch, inzwischen das Kommando übernehmen sollte. Gallas blieb eine Weile still und sagte dann, er werde gehorchen. Wie Schaffgotsch denn den General und überhaupt alles in Pilsen angetroffen habe?
Der General sei krank, sagte Schaffgotsch, und habe sich mit der Absicht getragen, abzudanken. Das hätten sie ihm ausgeredet und auch ein Verbündnis gemacht, sich nicht von ihm zu trennen, sofern er das Steuer behielte. Das sei wegen der Intrigen am Wiener Hofe geschehen, wovon Gallas wohl Bescheid wisse. Gallas sagte, dass er durch Piccolomini davon unterrichtet sei.
Nun erinnerte sich Schaffgotsch eines Briefes, den Piccolomini ihm für Gallas anvertraut hatte, zog ihn aus der Tasche und gab ihn ab. Während Gallas las, setzte er sich ans Fenster, blickte hinaus und hörte den in der Sonne schmelzenden Schnee vom Dache tropfen; unwillkürlich klopften seine Finger den lustigen Marschtakt mit.
Er bekomme hier die Nachricht, sagte Gallas endlich, dass Schaffgotsch sich nach Ohlau zurückziehen und Colloredo das Oberkommando in Schlesien führen solle.
Schaffgotsch sprang auf und fuhr sich durch die blonden Haare. »Sind wir denn alle närrisch geworden?« rief er. »Verzeihe mir der Herr Kamerad«, fuhr er fort, »aber das tritt den Befehl mit Füßen, den ich empfangen habe.«
Der General habe wohl seinen Sinn geändert, sagte Gallas; Schaffgotsch werde hoffentlich nicht zweifeln, dass es so sei, wie er gesagt habe.
Nein, sagte Schaffgotsch, das unterstehe er sich nicht. Aber ob ein solcher Widerspruch Gallas nicht auch absonderlich vorkomme?
Es gingen mehr absonderliche Dinge vor, sagte Gallas.
Schaffgotsch horchte auf und sah Gallas aufmerksam, fast bittend an. Ob Gallas glaube, dass es zu einem Bruch zwischen dem Kaiser und Wallenstein kommen werde? fragte er.
Hoffentlich lasse es sich vermeiden, antwortete Gallas zögernd.
Es kam Schaffgotsch vor, als wäre Gallas nie so einsilbig gewesen wie heute. Die Offiziere, begann er wieder, schienen sämtlich mit Leib und Seele an Wallenstein zu hängen. Er, Schaffgotsch, habe bis jetzt die Maxime verfolgt, dem General unbedingt zu gehorchen. Was ein Offizier von Ehre auch sonst tun könne? Ob Gallas es ebenso hielte?
»Ja, soweit es sich mit dem Dienst des Kaisers verträgt«, sagte Gallas.
»Das ist selbstverständlich«, sagte Schaffgotsch schnell; und während er im Zimmer auf und ab ging, redete er weiter: Der leidige Konflikt! Genau betrachtet sei es ihm lieb, dass er das Oberkommando nicht führen müsse; umso weniger Verantwortung habe er und brauche nur zu gehorchen wie ein gemeiner Soldat.
Aus Gallas war nichts anderes herauszubringen, auch scheute sich Schaffgotsch, mehr zu fragen. Wer konnte ihm bürgen, dass diese Herren nicht Wallenstein hinterbrachten, was er sagte, um ihm zu schaden? Schien doch Wallenstein wiederum Misstrauen gegen ihn geschöpft zu haben! Solange Wallenstein Generalissimus war, konnte es ihm nicht übel ausgelegt werden, wenn er seine Befehle ausführte. Wurde er vor die endgültige Wahl gestellt, stand es ihm immer noch frei, sich nach Gutdünken zu entschließen. Befand er sich doch auch in Schlesien, mitten unter Landsleuten und Glaubensgenossen, die an ihm hingen, und hatte ein ergebenes Regiment, das ihn schützen würde; er brauchte sich nicht von schwarzen Gedanken ängstigen zu lassen.