Es war Nacht, und der Wind blies um die Bartholomäuskirche auf dem Markte von Pilsen. Gallas saß bei Piccolomini und hielt eine geleerte Flasche an das Licht mit der Bemerkung, es sei kein Tropfen mehr darin, Piccolomini solle mehr Wein bringen lassen. »Du hast genug«, sagte Piccolomini ablehnend, »du willst in der Frühe reisen.«
Ohne Wein halte er die Nacht nicht durch, sagte Gallas, Piccolomini solle ihn um Gottes willen trinken lassen. Wenn er wüsste, was er, Gallas, den Tag über ausgestanden hätte!
Nun, erwiderte Piccolomini, er sitze auch auf Dornen und müsse noch länger bleiben. Ein Diener brachte eine volle Flasche, Gallas schenkte sich ein, goss das neugefüllte Glas hinunter, schüttelte sich und lehnte sich tief in seinen Sessel zurück. Der Daniel in der Löwengrube sei besser daran gewesen, sagte er. Mit dem General vertraulich umzugehen und das Absetzungsdekret in der Tasche zu tragen, sei schon etwas seltsam für einen Kavalier; man komme sich vor wie ein Schelm.
»Warum?« sagte Piccolomini; »er ist so gut wie ein anderer Feind des Kaisers.«
Gallas starrte dumpf vor sich hin. Ja, ja, sagte er, aber man stecke doch mitten im Käfig zwischen Löwen und Tigern, die einen jeden Augenblick in Stücke reißen könnten.
Das wohl, sagte Piccolomini; aber der Löwe sei krank, und es scheine auch, als ob er noch keinen Argwohn gegen sie geschöpft habe. Er überhäufe sie ja mit Freundschaftsbezeigungen.
Es könnte auch falsches Spiel sein, meinte Gallas, das würde ihm gleichen.
Nein, sagte Piccolomini entschieden, bis jetzt sei kein Trug dabei. Wallenstein habe nun einmal Vertrauen zu ihnen und sei eigensinnig in seinen Gemütsneigungen; er halte sie für ebensolche Verräter, wie er sei. Terzka und Illo freilich, die würden ihnen gern ein paar Banditen über den Hals schicken.
Gallas fuhr zusammen; er wollte ein Rascheln an der Haustür gehört haben. Nicht doch, sagte Piccolomini, der Wind scheppere mit den Schindeln auf den Dächern. Übrigens wären nur zuverlässige Leute im Hause. Piccolomini solle doch einmal aus dem Fenster sehen, bat Gallas, er habe es zu deutlich gehört. Piccolomini stand auf und öffnete das Fenster, dass der Wind hineinfuhr und die schweren Vorhänge hin und her bog. Es sei alles still, sagte er; ein paar Männer kämen über den Platz von Wallensteins Hause her, er könne sie nicht erkennen. Gallas zog sich in die Tiefe des Zimmers zurück; denn bisweilen flögen auch Kugeln durchs Fenster, sagte er, man müsse sehr auf der Hut sein.
Zum Überfluss wolle er die Haustür doppelt besetzen lassen, sagte Piccolomini, unterdessen solle Gallas sich schlafen legen, Mitternacht sei längst vorüber, und er wolle früh aufbrechen.
Die Unruhe lasse ihn nicht schlafen, sagte Gallas; sie müssten ja auch noch verabreden, wie sie es halten wollten.
Sobald er Nachricht von Aldringen erhielte, dass eine klare Resolution gefasst sei, sagte Piccolomini, wolle er auch abreisen und dazu das Ausbleiben des Gallas zum Vorwande nehmen.
Vorher müsse er aber das Patent veröffentlichen, erinnerte Gallas.
Natürlich, sagte Piccolomini, er wolle für alles Sorge tragen. Gott werde ihn beschützen.
Gallas seufzte tief. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn Wallenstein sich wieder mit dem Kaiser versöhnt hätte. Aber die Rebellen hätten ihn im Garn, man könne ihn nicht mehr herauswickeln.
Plötzlich wurde er sehr müde, warf sich auf ein Ruhebett und schlief ein. Bevor die Sonne aufging, brach er nach Linz auf, wohin Piccolomini ihm nach fünf Tagen folgte. Er langte bei Nacht an und wurde von Gallas mit einer Umarmung empfangen. »Das ist ein Wiedersehen, Bruderherz!« rief dieser. Piccolomini werde ermüdet sein, müsse ihm aber doch das Wichtigste erst melden.
Die letzten Tage wären ihm heiß geworden, sagte Piccolomini, er wolle es nicht leugnen.
»Das will ich glauben!« rief Gallas. Er selbst sei erst in Linz wieder zum Manne geworden. Und ob alles gut expediert sei? Ob Piccolomini das Patent habe anschlagen lassen?
Er habe es an die gutgesinnten Offiziere verteilt, antwortete Piccolomini, mehr habe er nicht wagen dürfen.
Gallas nickte nachdenklich. Ja, sie hätten ihr Leben genug ausgesetzt, sagte er. Das würde jetzt aber einen Tumult in Pilsen geben. Und was nun werden solle? Ob sie den General in Pilsen belagern wollten?
»Jetzt steht alles auf des Schwertes Spitze«, sagte Piccolomini. »Es kommt alles darauf an, dass in Wien ein heroischer Beschluss gefasst wird.«
Aldringen habe viel Einfluss in Wien, sagte Gallas, und werde seine ganze Dexterität aufbieten.
Inzwischen hatte sich Piccolomini ein wenig erfrischt und erholt und kam auf sein Verhalten in Pilsen zurück. Gallas werde hoffentlich nicht zweifeln, sagte er, dass er bereit gewesen wäre, Wallenstein dort gefangenzunehmen. Auf sein Regiment hätte er sich ja verlassen können. Aber ohne bestimmten Befehl aus Wien hätte er sich das doch nicht anmaßen dürfen.
Der Ausgang wäre auch zweifelhaft gewesen, sagte Gallas; man müsse das gewaltige Ansehen des Generals im Lager bedenken.
Wie dem auch sei, sagte Piccolomini, er würde es gewagt haben.
Nach einem kurzen Schweigen erkundigte sich Gallas, wie Wallenstein seine Entschuldigung, dass er krank sei, aufgenommen habe?
Die Krankheit komme ihm ungebührlich vor, habe er gesagt, die sich so unzeitig einstelle, erzählte Piccolomini, worauf er mit aller Unbefangenheit geantwortet hätte, sie habe Gallas schon in Pilsen molestiert, und der General sei ja selbst damit behaftet. Da habe er ihn mit dem präzisen Befehl, Gallas zu holen, nach Linz geschickt.
Gott scheine seine Hand im Spiele zu haben, sagte Gallas, dass der Knäuel so glatt abliefe, wie sie ihn gewickelt hätten.
Er müsse ihnen aber noch ferner beistehen, fügte Piccolomini hinzu; denn der Hauptschlag solle noch geführt werden.