Buttler, Gordon und der Wachtmeister Leslie saßen auf dem Schlosse beim Wein und besprachen Wallensteins Abfall vom Kaiser. Die Offiziere wären nun in heikliger Lage, sagte Buttler, bei der bekannten Tyrannei des Herzogs wage man sein Leben, wenn man sich gegen ihn auflehne. Und doch sei es auch nicht ohne, dem Kaiser den schuldigen Eid zu brechen.
Leslie und Gordon pflichteten Buttler bei. Was sie denn auch gegen den Kaiser ausrichten könnten, da die Armee fast ganz auf seine Seite getreten sei? Nur etwa 6000 Mann habe Wallenstein noch; sie würden alle gefangen werden und den schimpflichen Tod der Rebellen erleiden.
Eben darum suche Wallenstein jetzt sein Heil bei den Schweden, erklärte Buttler.
Dadurch würde das Übel noch größer für sie, sagte Gordon. Er möchte um alle Welt nicht gemeine Sache mit den ketzerischen Schweden machen.
Ja, dabei setzte man die ewige Seligkeit zugleich aufs Spiel, sagte Buttler. Er sei als ein Edelmann entschlossen, dem Kaiser die Treue zu halten.
Gordon und Leslie fielen mit ähnlichen Beteuerungen ein. Gordon schlug vor, sie könnten sich noch in dieser Nacht davonmachen und nach Prag reiten; er habe ja den Schlüssel.
Nein, ihm stehe das nicht an, entgegnete Buttler. Dabei wagten sie ihr Leben, ohne der gemeinen Sache zu nützen.
So solle Buttler etwas anderes vorschlagen, sagte Gordon. Ach Gott, sie wären da in eine Klemme geraten, aus der sie schwerlich die Glieder heil herausbrächten.
»Wenn wir nur wollen«, sagte Leslie leise, sich über den Tisch beugend, »so ist der Tyrann in der Klemme. Der Kaiser und viele Fürsten werden es uns danken, wenn wir ihn kaltmachen.«
»Man könnte meinen, Bruder«, sagte Buttler, indem er seine Hand auf Leslies Arm legte, »du habest meine Gedanken gelesen. Was du sagst, das war von allem Anfang an mein Wille.«
Gordon erbleichte. Nein, das wolle er nicht wagen, sagte er, bevor es ihm von den Häuptern anbefohlen sei. Wie sie es denn auch ausführen sollten? Der Illo sei ja auch da und der Terzka! Sie würden im Kampfe sicher den kürzeren ziehen.
Indem kam ein wachhabender Soldat und meldete, es werde stark ans Tor geschlagen; der Kommandant müsse kommen. Die drei Offiziere sprangen auf und wechselten erregte Blicke. Es könnte Arnim oder der von Weimar sein, sagte Buttler, den müssten sie abfangen. Um Gottes willen, fiel Gordon ein, zurzeit sei der Generalissimus Herr in der Festung; er getraue sich keines Ungehorsams.
Nun wurde der Soldat zurückgeschickt mit der Frage, wer draußen sei, und kam mit der Antwort wieder, es sei ein Bote von Gallas aus Prag, an den Kommandanten abgefertigt.
Der bringe vielleicht die Achtserklärung, meinte Buttler. Wenn Gordon durchaus nicht zu öffnen wage, so solle er immerhin den General entscheiden lassen, damit sei ja nichts verloren.
Er selbst sei es nicht imstande, sagte Gordon. Ob Leslie zum General gehen und fragen wolle?
Leslie erklärte sich ohne Zögern bereit; er werde sich dabei gleich die Gelegenheit gründlich ansehen.
Nachdem auf Wallensteins Befehl der Bote eingelassen war, der in der Tat das Patent über des Generals Entsetzung und Ächtung brachte, machte sich Leslie wieder auf, um es ihm abzuliefern. Sie wollten inzwischen beten, sagte Buttler, dass Gott das rebellische Gemüt des Bösewichts bekehre.
Eine halbe Stunde verging, bis Leslie atemlos zurückkam. »Jetzt ist’s beschlossen«, sagte er, »wir müssen ihn töten.« Die beiden drängten sich begierig an ihn heran, um zu hören, wie es abgelaufen sei. Der General, berichtete Leslie, habe das Patent gelesen und auf den Boden geschmissen. So sollten denn die Folgen über den Kaiser kommen, habe er gerufen. Seinen treuesten Diener überhäufe er mit Schimpf statt mit Dank, der Bayer habe es ihm eingegeben. Eintränken wolle er’s ihnen. Nun sei kein Zweifel mehr, die Notwendigkeit sei da. Es solle sofort ein Bote an Bernhard von Weimar abgeschickt werden, er sei zum Bündnis mit den Schweden entschlossen. Bei den Ketzern werde er mehr Dank und Lohn finden als bei dem Kaiser, dem er die Krone gerettet.
Er, Leslie, habe sich sofort verabschiedet, um den Befehl wegen des Boten auszuführen. Bis zur nächsten Mitternacht müsse die Tat vollbracht sein. Er habe einen fröhlichen Eifer dazu, weil es ein gutes Werk sei, dies schwarze Gemüt zur Hölle zu senden.
Buttler reichte dem Erhitzten ein volles Glas Wein, das er in einem Zuge leerte. Wie der Unverschämte das kaiserliche Patent auf den Boden geschmissen habe, sagte er, da hätte er ihm am liebsten auf der Stelle die Kehle abgeschnitten.
Buttler lobte die Besonnenheit, mit der er die preiswürdige Aufwallung unterdrückt hätte; denn sie dürften nicht losschlagen, bevor sie Maßregeln für die Sicherheit getroffen hätten. Es müssten Soldaten in die Stadt, Regimenter lägen ja draußen, um etwaigen Widerstand zu unterdrücken. Auch müssten sie die übrigen Rebellen, namentlich Terzka und Illo, unschädlich machen; am besten wäre es, alle miteinander umzubringen.
Nein, das könne er nicht zulassen, rief Gordon. Es würde ein Aufruhr und allgemeines Blutvergießen entstehen. Zuletzt würde es ihm, als dem Kommandanten, zur Last gelegt.
Ein Aufruhr würde vermieden, entgegnete Buttler, wenn man die Häupter in der Stille abtäte. Sein Vorschlag wäre, sie auf das Schloss zu einem Bankett zu laden und auf ein gegebenes Zeichen, vielleicht wenn sie schon betrunken wären, niederzumachen. Der General freilich ginge nicht aus, müsse im Bett überfallen werden; das habe aber keine Schwierigkeit, wenn die anderen zuvor erledigt wären. Den Kinsky könne man nicht ausschließen, er sei ja auch ein Schelm wie die anderen und ein Ketzer dazu. Zuvörderst komme es indessen darauf an, ob sie genug Geld hätten, um die gemeinen Soldaten zu gewinnen, die zu dem Geschäft gebraucht würden.
Geld? sagte Leslie. Der Friedländer sei ja der reichste Mann in der Christenheit.
Gordon stützte die Arme auf den Tisch und bohrte die Fäuste in die Schläfen. Leslie möge wohl so reden, jammerte er, er sei nur Oberwachtmeister, aber er, als der Kommandant, trage die Verantwortung. Über ihn werde es hergehen, wenn es missglückte. Oder wenn der Kaiser etwa gar anderes Sinnes würde?
Leslie und Buttler schoben ihm das Patent hin und schlugen mit der Hand darauf. Sie hätten es ja schwarz auf weiß, riefen sie; wenn sie jetzt zugriffen, würden sie reich und angesehen, ja bis auf die späteste Nachwelt berühmt werden. Beschlossen sei es, Gordon müsse sich entscheiden, ob er für oder wider sie sein wolle.
Wenn es denn nicht anders sein könne, sagte Gordon, in dessen Händen das Patent zitterte, so wolle er treu zu ihnen halten. So oder so wagten sie ihr Leben; es solle wenigstens für Ehre und Pflicht geopfert sein.