28.

Butt­ler, Gor­don und der Wacht­meis­ter Les­lie sa­ßen auf dem Schlos­se beim Wein und be­spra­chen Wal­len­steins Ab­fall vom Kai­ser. Die Of­fi­zie­re wä­ren nun in heik­li­ger Lage, sag­te Butt­ler, bei der be­kann­ten Ty­ran­nei des Her­zogs wage man sein Le­ben, wenn man sich ge­gen ihn auf­leh­ne. Und doch sei es auch nicht ohne, dem Kai­ser den schul­di­gen Eid zu bre­chen.

Les­lie und Gor­don pflich­te­ten Butt­ler bei. Was sie denn auch ge­gen den Kai­ser aus­rich­ten könn­ten, da die Ar­mee fast ganz auf sei­ne Sei­te ge­tre­ten sei? Nur etwa 6000 Mann habe Wal­len­stein noch; sie wür­den alle ge­fan­gen wer­den und den schimpf­li­chen Tod der Re­bel­len er­lei­den.

Eben dar­um su­che Wal­len­stein jetzt sein Heil bei den Schwe­den, er­klär­te Butt­ler.

Da­durch wür­de das Übel noch grö­ßer für sie, sag­te Gor­don. Er möch­te um alle Welt nicht ge­mei­ne Sa­che mit den ket­ze­ri­schen Schwe­den ma­chen.

Ja, da­bei setz­te man die ewi­ge Se­lig­keit zu­gleich aufs Spiel, sag­te Butt­ler. Er sei als ein Edel­mann ent­schlos­sen, dem Kai­ser die Treue zu hal­ten.

Gor­don und Les­lie fie­len mit ähn­li­chen Be­teue­run­gen ein. Gor­don schlug vor, sie könn­ten sich noch in die­ser Nacht da­von­ma­chen und nach Prag rei­ten; er habe ja den Schlüs­sel.

Nein, ihm ste­he das nicht an, ent­geg­ne­te Butt­ler. Da­bei wag­ten sie ihr Le­ben, ohne der ge­mei­nen Sa­che zu nüt­zen.

So sol­le Butt­ler et­was an­de­res vor­schla­gen, sag­te Gor­don. Ach Gott, sie wä­ren da in eine Klem­me ge­ra­ten, aus der sie schwer­lich die Glie­der heil her­aus­bräch­ten.

»Wenn wir nur wol­len«, sag­te Les­lie lei­se, sich über den Tisch beu­gend, »so ist der Ty­rann in der Klem­me. Der Kai­ser und vie­le Fürs­ten wer­den es uns dan­ken, wenn wir ihn kalt­ma­chen.«

»Man könn­te mei­nen, Bru­der«, sag­te Butt­ler, in­dem er sei­ne Hand auf Les­lies Arm leg­te, »du ha­best mei­ne Ge­dan­ken ge­le­sen. Was du sagst, das war von al­lem An­fang an mein Wil­le.«

Gor­don er­bleich­te. Nein, das wol­le er nicht wa­gen, sag­te er, be­vor es ihm von den Häup­tern an­be­foh­len sei. Wie sie es denn auch aus­füh­ren soll­ten? Der Illo sei ja auch da und der Terz­ka! Sie wür­den im Kamp­fe si­cher den kür­ze­ren zie­hen.

In­dem kam ein wach­ha­ben­der Sol­dat und mel­de­te, es wer­de stark ans Tor ge­schla­gen; der Kom­man­dant müs­se kom­men. Die drei Of­fi­zie­re spran­gen auf und wech­sel­ten er­reg­te Bli­cke. Es könn­te Ar­nim oder der von Wei­mar sein, sag­te Butt­ler, den müss­ten sie ab­fan­gen. Um Got­tes wil­len, fiel Gor­don ein, zur­zeit sei der Ge­ne­ra­lis­si­mus Herr in der Fes­tung; er ge­traue sich kei­nes Un­ge­hor­sams.

Nun wur­de der Sol­dat zu­rück­ge­schickt mit der Fra­ge, wer drau­ßen sei, und kam mit der Ant­wort wie­der, es sei ein Bote von Gal­las aus Prag, an den Kom­man­dan­ten ab­ge­fer­tigt.

Der brin­ge viel­leicht die Achts­er­klä­rung, mein­te Butt­ler. Wenn Gor­don durch­aus nicht zu öff­nen wage, so sol­le er im­mer­hin den Ge­ne­ral ent­schei­den las­sen, da­mit sei ja nichts ver­lo­ren.

Er selbst sei es nicht im­stan­de, sag­te Gor­don. Ob Les­lie zum Ge­ne­ral ge­hen und fra­gen wol­le?

Les­lie er­klär­te sich ohne Zö­gern be­reit; er wer­de sich da­bei gleich die Ge­le­gen­heit gründ­lich an­se­hen.

Nach­dem auf Wal­len­steins Be­fehl der Bote ein­ge­las­sen war, der in der Tat das Pa­tent über des Ge­ne­rals Ent­set­zung und Äch­tung brach­te, mach­te sich Les­lie wie­der auf, um es ihm ab­zu­lie­fern. Sie woll­ten in­zwi­schen be­ten, sag­te Butt­ler, dass Gott das re­bel­li­sche Ge­müt des Bö­se­wichts be­keh­re.

Eine hal­be Stun­de ver­ging, bis Les­lie atem­los zu­rück­kam. »Jetzt ist’s be­schlos­sen«, sag­te er, »wir müs­sen ihn tö­ten.« Die bei­den dräng­ten sich be­gie­rig an ihn her­an, um zu hö­ren, wie es ab­ge­lau­fen sei. Der Ge­ne­ral, be­rich­te­te Les­lie, habe das Pa­tent ge­le­sen und auf den Bo­den ge­schmis­sen. So soll­ten denn die Fol­gen über den Kai­ser kom­men, habe er ge­ru­fen. Sei­nen treues­ten Die­ner über­häu­fe er mit Schimpf statt mit Dank, der Bayer habe es ihm ein­ge­ge­ben. Ein­trän­ken wol­le er’s ih­nen. Nun sei kein Zwei­fel mehr, die Not­wen­dig­keit sei da. Es sol­le so­fort ein Bote an Bern­hard von Wei­mar ab­ge­schickt wer­den, er sei zum Bünd­nis mit den Schwe­den ent­schlos­sen. Bei den Ket­zern wer­de er mehr Dank und Lohn fin­den als bei dem Kai­ser, dem er die Kro­ne ge­ret­tet.

Er, Les­lie, habe sich so­fort ver­ab­schie­det, um den Be­fehl we­gen des Bo­ten aus­zu­füh­ren. Bis zur nächs­ten Mit­ter­nacht müs­se die Tat voll­bracht sein. Er habe einen fröh­li­chen Ei­fer dazu, weil es ein gu­tes Werk sei, dies schwar­ze Ge­müt zur Höl­le zu sen­den.

Butt­ler reich­te dem Er­hitz­ten ein vol­les Glas Wein, das er in ei­nem Zuge leer­te. Wie der Un­ver­schäm­te das kai­ser­li­che Pa­tent auf den Bo­den ge­schmis­sen habe, sag­te er, da hät­te er ihm am liebs­ten auf der Stel­le die Keh­le ab­ge­schnit­ten.

Butt­ler lob­te die Be­son­nen­heit, mit der er die preis­wür­di­ge Auf­wal­lung un­ter­drückt hät­te; denn sie dürf­ten nicht los­schla­gen, be­vor sie Maß­re­geln für die Si­cher­heit ge­trof­fen hät­ten. Es müss­ten Sol­da­ten in die Stadt, Re­gi­men­ter lä­gen ja drau­ßen, um et­wai­gen Wi­der­stand zu un­ter­drücken. Auch müss­ten sie die üb­ri­gen Re­bel­len, na­ment­lich Terz­ka und Illo, un­schäd­lich ma­chen; am bes­ten wäre es, alle mit­ein­an­der um­zu­brin­gen.

Nein, das kön­ne er nicht zu­las­sen, rief Gor­don. Es wür­de ein Aufruhr und all­ge­mei­nes Blut­ver­gie­ßen ent­ste­hen. Zu­letzt wür­de es ihm, als dem Kom­man­dan­ten, zur Last ge­legt.

Ein Aufruhr wür­de ver­mie­den, ent­geg­ne­te Butt­ler, wenn man die Häup­ter in der Stil­le ab­tä­te. Sein Vor­schlag wäre, sie auf das Schloss zu ei­nem Ban­kett zu la­den und auf ein ge­ge­be­nes Zei­chen, viel­leicht wenn sie schon be­trun­ken wä­ren, nie­derzu­ma­chen. Der Ge­ne­ral frei­lich gin­ge nicht aus, müs­se im Bett über­fal­len wer­den; das habe aber kei­ne Schwie­rig­keit, wenn die an­de­ren zu­vor er­le­digt wä­ren. Den Kins­ky kön­ne man nicht aus­schlie­ßen, er sei ja auch ein Schelm wie die an­de­ren und ein Ket­zer dazu. Zu­vör­derst kom­me es in­des­sen dar­auf an, ob sie ge­nug Geld hät­ten, um die ge­mei­nen Sol­da­ten zu ge­win­nen, die zu dem Ge­schäft ge­braucht wür­den.

Geld? sag­te Les­lie. Der Fried­län­der sei ja der reichs­te Mann in der Chris­ten­heit.

Gor­don stütz­te die Arme auf den Tisch und bohr­te die Fäus­te in die Schlä­fen. Les­lie möge wohl so re­den, jam­mer­te er, er sei nur Ober­wacht­meis­ter, aber er, als der Kom­man­dant, tra­ge die Verant­wor­tung. Über ihn wer­de es her­ge­hen, wenn es miss­glück­te. Oder wenn der Kai­ser etwa gar an­de­res Sin­nes wür­de?

Les­lie und Butt­ler scho­ben ihm das Pa­tent hin und schlu­gen mit der Hand dar­auf. Sie hät­ten es ja schwarz auf weiß, rie­fen sie; wenn sie jetzt zu­grif­fen, wür­den sie reich und an­ge­se­hen, ja bis auf die spä­tes­te Nach­welt be­rühmt wer­den. Be­schlos­sen sei es, Gor­don müs­se sich ent­schei­den, ob er für oder wi­der sie sein wol­le.

Wenn es denn nicht an­ders sein kön­ne, sag­te Gor­don, in des­sen Hän­den das Pa­tent zit­ter­te, so wol­le er treu zu ih­nen hal­ten. So oder so wag­ten sie ihr Le­ben; es sol­le we­nigs­tens für Ehre und Pf­licht ge­op­fert sein.