30.

In der Hof­burg be­spra­chen Schlick und Trautt­mans­dorff mit dem Kai­ser Wal­len­steins Er­mor­dung und ver­schie­de­ne da­mit ver­knüpf­te Ge­schäf­te, un­ter an­de­rem, wie die Tä­ter am füg­lichs­ten zu be­loh­nen wä­ren. Sie hät­ten ja, sag­te Schlick, nicht nur die Per­son des Kai­sers, son­dern das ge­sam­te Erz­haus aus höchs­ter, drin­gends­ter Le­bens­ge­fahr be­freit und müss­ten, um an­de­re zur Nach­ei­fe­rung an­zu­feu­ern, statt­li­che Aus­zeich­nun­gen er­hal­ten.

Es sei ihm wirk­lich jetzt um vie­les leich­ter zu­mu­te, sag­te der Kai­ser. Die Dank­ge­be­te in al­len Kir­chen wä­ren doch an­ge­ord­net? Und wie der un­ver­hoff­te To­des­fall im All­ge­mei­nen auf­ge­nom­men wür­de?

Schlick sag­te, zu­nächst herr­sche noch Kons­ter­na­ti­on und Per­ple­xi­tät vor. Man müs­se nun dazu schrei­ten, den Grund der Sa­che öf­fent­lich zu ex­pli­zie­ren. Dann kam er auf die Be­loh­nun­gen zu­rück: zu­nächst kämen die in Be­tracht, die selbst Hand an­ge­legt hät­ten, da­mit dort kei­ne Un­zu­frie­den­heit Platz grif­fe.

Ob nicht an­zu­neh­men sei, schal­te­te Trautt­mans­dorff ein, dass die gu­ten Leu­te sich schon selbst leid­lich be­zahlt ge­macht hät­ten?

Butt­ler fra­ge eben an, sag­te Schlick, ob das bei dem ju­sti­fi­zier­ten Ge­ne­ral ge­fun­de­ne Geld zur Be­frie­di­gung der ge­mei­nen Sol­da­ten ge­braucht wer­den kön­ne? Pic­co­lo­mi­ni, Gal­las und Aldrin­gen wä­ren mit Gü­tern zu be­frie­di­gen, au­ßer­dem habe Gal­las an­ge­deu­tet, dass ihm das Il­lo­sche Sil­ber­zeug sehr wohl an­ste­hen wür­de; Les­lie be­geh­re den Gra­fen­ti­tel, und für die er­le­dig­ten Re­gi­men­ter wä­ren auch Lieb­ha­ber da.

Ja, da wer­de man zu­letzt vier­tau­send Mann mit sie­ben Bro­ten spei­sen müs­sen, sag­te der Kai­ser.

Schlick be­ru­hig­te, es sei mehr als ge­nug vor­han­den. Von dem un­er­mess­li­chen Reich­tum Wal­len­steins ab­ge­se­hen, wä­ren ja Terz­kas und Il­los Gü­ter da, und der alte Terz­ka sei auch häss­lich in die Sa­che ver­wi­ckelt ge­we­sen. An des Schaff­gotsch Schuld sei eben­so­we­nig zu zwei­feln; üb­ri­gens sei eine Kla­ge von Schaff­gotschs Ver­wal­ter ein­ge­lau­fen, dass der Car­ret­to sich Pfer­de und Ge­spann des Gra­fen an­ge­eig­net habe und auf of­fe­nem Mark­te da­mit pa­ra­die­re.

Der Spitz­bu­be! rief der Kai­ser, das sei doch all­zu vor­laut! Der Schaff­gotsch sei noch gar nicht pro­zes­siert; gar so täp­pisch dür­fe man nicht zu­grei­fen, sonst wer­de die kai­ser­li­che Jus­tiz schimp­fiert. Dem Car­ret­to wol­le er fest auf die Fin­ger klop­fen.

Trautt­mans­dorff stimm­te zu: es müs­se al­les sei­ne Ord­nung und sei­nen Grund ha­ben.

Und Pfer­de an­be­lan­gend, fuhr der Kai­ser fort, müs­se vor al­len Din­gen sein Sohn, der Kö­nig von Un­garn, be­rück­sich­tigt wer­den. Das fried­län­di­sche Ge­stüt habe er ihm schon fest zu­ge­sagt. Es soll­te aber den Kom­mis­sio­nen größ­te Ge­nau­ig­keit und Red­lich­keit ein­ge­schärft wer­den, der Ge­rech­tig­keit sol­le ein­mal kein Ab­bruch ge­sche­hen. Die Be­wei­se könn­ten doch hof­fent­lich vor­ge­bracht wer­den, dass es mit der Re­bel­li­on und Ver­schwö­rung wirk­lich an dem ge­we­sen sei?

Lei­der, lei­der, sag­te Schlick, sei der schel­mi­sche Fried­län­der zu schlau ge­we­sen, et­was Schrift­li­ches von sich zu ge­ben, in Mies habe er noch alle ge­fähr­li­chen Brie­fe ver­brannt, dass der gan­ze Ka­min voll Asche ge­wor­den sei. Aber von den vie­len Ge­fan­ge­nen, die durch Got­tes Gna­de ge­macht wä­ren, wür­de man schon et­was her­aus­be­kom­men.

Ja, man wis­se schier nicht Kä­fi­ge ge­nug für die lo­sen Vö­gel auf­zu­brin­gen, sag­te Trautt­mans­dorff scher­zend. Den Eltz, den kal­vi­ni­schen Erz­ket­zer, habe man nun auch er­wi­scht. Frei­lich be­teu­er­ten sie einst­wei­len alle ihre Un­schuld.

Schlick lach­te. In dem Punk­te wä­ren die ärgs­ten Ma­le­fi­kan­ten wie die Jung­frau­en vor der Hoch­zeit, sag­te er; aber es gebe gott­lob Mit­tel, ih­nen bei­zu­kom­men.

Nach­dem die Haupt­punk­te er­le­digt wa­ren, frag­te der Kai­ser, was denn ei­gent­lich da­von zu hal­ten sei, dass aus des Fried­län­ders Keh­le bei sei­nem Ver­schei­den schwef­li­ger Rauch aus­ge­fah­ren wäre?

Ei­ni­ge von den Sol­da­ten, be­rich­te­te Schlick, die bei der Tat zu­ge­gen ge­we­sen wä­ren, woll­ten al­ler­dings vor dem Fens­ter den Teu­fel ge­se­hen ha­ben, der auf die ent­wei­chen­de See­le ge­lau­ert hät­te und mit ihr da­von­ge­fah­ren sei. Auch drau­ßen vor dem Hau­se hät­ten ihn et­li­che im Stur­me bel­len ge­hört; aber er, Schlick, wol­le es da­hin­ge­stellt sein las­sen.

Der Kai­ser mein­te, es sei nicht un­glaub­lich, da der Fried­län­der ja von vie­len längst für einen Ket­zer aus­ge­ge­ben sei, und Trautt­mans­dorff füg­te hin­zu, es pfle­ge sich eben im Tode die Wahr­heit zu of­fen­ba­ren. So sol­le der Kö­nig von Schwe­den im Ster­ben läs­ter­li­che Ka­lum­ni­en und In­ju­ri­en ge­gen Gott aus­ge­sto­ßen ha­ben.

Der Kai­ser seufz­te und sag­te, Gott müs­se wis­sen, wozu er dem Teu­fel so viel freie Hand auf Er­den lie­ße. Der Her­zog von Fried­land sei an­fangs ge­wiss ein treu­er Die­ner ge­we­sen.

Ihn habe der Sa­tan beim Hoch­mut ge­grif­fen, sag­te Schlick. Den lei­di­gen Ehr­geiz zu wei­den, sei ihm sei­ne See­le nicht zu kost­bar ge­we­sen.

In An­be­tracht der frü­her ge­leis­te­ten Diens­te, sag­te der Kai­ser, möch­te er wohl eine An­zahl Mes­sen für sei­ne See­le le­sen las­sen. Vi­el­leicht wäre er mit der Zeit aus dem Höl­len­feu­er zu ret­ten.

Trautt­mans­dorff und Schlick fan­den, dass Wal­len­stein so viel Kle­menz nicht um den Kai­ser ver­dient habe, doch woll­ten sie das kai­ser­li­che Gna­den­bäch­lein nicht ver­stop­fen und es Gott an­heim­stel­len, wie er jen­seits mit dem be­straf­ten Sün­der wei­ter pro­ze­die­ren wol­le.

Un­ter­des­sen war­te­ten im kai­ser­li­chen Vor­ge­mach der bay­ri­sche Ge­sand­te von Ri­chel, Eg­gen­berg, Wer­den­berg, Chris­ti­an Wil­helm, der ehe­ma­li­ge Ad­mi­nis­tra­tor von Mag­de­burg, und meh­re­re an­de­re Her­ren, um die Glück­wün­sche we­gen des voll­zo­ge­nen Straf­ge­richts ab­zu­le­gen.

Eg­gen­berg drück­te Ri­chel wie­der­holt die Hand und bat ihn, dem Kur­fürs­ten aus­zu­rich­ten, wie glück­lich er sei, dass der Ver­rä­ter den ver­dien­ten Lohn emp­fan­gen habe. Nächst Gott habe der Kai­ser dem Kur­fürs­ten und des­sen rüs­ti­gem Ver­tre­ter Ri­chel sei­ne Ret­tung zu ver­dan­ken. Ri­chel sol­le auch nicht ver­ges­sen, den Kur­fürs­ten wis­sen zu las­sen, wie eif­rig er sich die Be­för­de­rung die­ser An­ge­le­gen­heit von al­lem An­fang an habe an­ge­le­gen sein las­sen.

Über Ri­chels der­bem Ge­sicht lag pfif­fi­ges Be­ha­gen aus­ge­brei­tet. Sein Herr wer­de al­les er­fah­ren und alle be­loh­nen, sag­te er. Üb­ri­gens habe es jetzt fast das An­se­hen, als hät­te je­der mit glei­chem Ver­lan­gen auf des gott­lo­sen Re­bel­len Ende ge­war­tet. Da­bei stieß er den Ad­mi­nis­tra­tor ver­trau­lich mit dem El­len­bo­gen in die Sei­te und zwin­ker­te nach Wer­den­berg hin, der sich ihm un­ter ver­le­ge­nen Re­ve­ren­zen zu nä­hern such­te.

Zu Eg­gen­berg sich wen­dend, sag­te er, er habe mit Be­dau­ern ver­nom­men, dass Sei­ne Gna­den be­denk­lich er­krankt sei, und be­wun­de­re sei­ne Selb­st­über­win­dung, dass er sich den­noch her­vor­ge­wagt habe, um der kai­ser­li­chen Ma­je­stät bei die­ser Ge­le­gen­heit auf­zu­war­ten.

Es sei nur sein al­tes Pod­agra, sag­te Eg­gen­berg, das ihn so mör­de­risch an­ge­packt habe und ihm wohl auch bald den letz­ten Stoß ge­ben wer­de.

Im Ge­gen­teil, sag­te Ri­chel, die gute Bot­schaft von Eger wer­de ihn völ­lig wie­der­her­stel­len.

Chris­ti­an Wil­helm misch­te sich ein und sag­te, er habe al­ler­dings nicht ein­mal bei der Ge­burt ei­nes Soh­nes sol­che Freu­de ver­spürt. Er habe fast den gan­zen Tag mit Ge­bet am Al­ta­re zu­ge­bracht, und wenn er eben aus der Kir­che ge­kom­men sei, habe er ge­schwind wie­der um­keh­ren müs­sen, um von Neu­em zu dan­ken und zu lo­ben. Es müs­se ei­ner ein zu Fel­sen ver­här­te­tes Herz ha­ben, wenn er jetzt nicht ein­sä­he, dass das Erz­haus un­ter Got­tes be­son­de­rem Schutz stän­de. Auch das kön­ne man ler­nen, wie Gott noch täg­lich zum Schut­ze der Sei­nen Wun­der tue; denn als ein Wun­der sei es bil­li­ger­wei­se an­zu­se­hen, wie der Ty­rann, vor dem der Erd­kreis ge­zit­tert habe, so ge­schwind und still hät­te um­ge­bracht wer­den kön­nen.

Gott müs­se den mu­ti­gen Män­nern bei­ge­stan­den ha­ben, fiel Wer­den­berg ein, die das Werk un­ter­nom­men hät­ten. Er kön­ne aber als ein Ka­va­lier von Ehre schwö­ren, dass er eben­so ge­han­delt hät­te, wenn er zur Stel­le ge­we­sen wäre.

Ri­chel stieß den Ad­mi­nis­tra­tor wie­der mit dem El­len­bo­gen in die Sei­te und grins­te.

Er kön­ne nicht an­ders als Trä­nen ver­gie­ßen, nahm Chris­ti­an Wil­helm wie­der das Wort, wenn er be­däch­te, in wel­cher Ge­fahr der Kai­ser ge­stan­den und wie wun­der­bar er er­ret­tet sei, und wie herr­lich Gott über­haupt al­les hin­aus­zu­füh­ren pfle­ge. Was hät­te Gott nicht al­les an­ge­stellt, die gan­ze Stadt Mag­de­burg in Feu­er auf­ge­hen und zu Asche wer­den las­sen, ein­zig um ihn, Chris­ti­an Wil­helm, der da­mals noch blind im Dun­keln ge­tappt sei, aus der Fins­ter­nis in das Licht zu füh­ren. Dass er nun­mehr auch die­sen Lu­zi­fer ge­stürzt habe, von dem er, Chris­ti­an Wil­helm, frei­lich selbst nicht ge­glaubt hät­te, dass er sich so heil­lo­se Ab­scheu­lich­kei­ten wür­de ein­fal­len las­sen, sei als ein schö­nes Vor­zei­chen an­zu­se­hen, dass Gott nun­mehr alle Sek­tie­rer, Ket­zer und Hei­den teils be­keh­ren, teils aus­rot­ten wol­le, und dann wür­de es auch mit dem lie­ben Frie­den nicht lan­ge mehr an­ste­hen.