40.

Als Her­zog Ge­org in Ha­meln die Ein­la­dung des Kur­fürs­ten Jo­hann Ge­org er­hielt, dem Frie­den bei­zu­tre­ten, der zwi­schen ihm und dem Kai­ser vor­läu­fig ge­schlos­sen sei und bald end­gül­tig ra­ti­fi­ziert wer­den soll­te, ge­riet er in große Un­ru­he und Ver­le­gen­heit. Nichts Un­lie­be­res hät­te ihm be­geg­nen kön­nen als eben jetzt ein Frie­de, der ei­gens ge­macht schi­en, um ihm sei­ne herr­li­chen Erobe­run­gen wie­der aus der Hand zu spie­len. Nun wür­de von bei­den Sei­ten ge­zerrt und ge­lockt wer­den, dass auch der Be­son­ne­ne schwer­lich die kla­re Ver­nunft wür­de be­hal­ten kön­nen. In der Tat lie­fen bald Brie­fe und Bot­schaf­ten von den Braun­schwei­ger Brü­dern und Vet­tern ein, sie er­war­te­ten, er wer­de des Kai­sers dar­ge­bo­te­ne Hand er­grei­fen; er sol­le be­den­ken, was seit dem Tode des Her­zogs Fried­rich Ul­rich von Wol­fen­büt­tel auf dem Spie­le ste­he, denn be­vor er nicht das Schwert aus der Hand lege, wer­de der Kai­ser ihn schwer­lich mit dem schö­nen Erbe be­leh­nen. Eben­so mahn­ten die Stän­de der Braun­schwei­ger Lan­de, die des Krie­ges längst über­drüs­sig wa­ren, und der alte Kanz­ler En­gel­brecht kam in Per­son, um den Her­zog auf die Sei­te der Ver­nunft und Bil­lig­keit zu zie­hen.

Er wol­le ihm nicht ver­heh­len, ent­geg­ne­te der Her­zog die­sem, dass er des lie­ben Frie­dens we­gen und auch aus reichs­fürst­li­cher Ge­sin­nung sich gern mit dem Kai­ser ei­ni­gen wür­de; aber er sei nun ein­mal nicht wie ein schlech­ter Ge­ne­ral oder eine Pri­vat­per­son, son­dern habe sei­ne fürst­li­che Re­pu­ta­ti­on zu be­den­ken, und in­so­fern wür­de es ihm übel an­ste­hen, wenn er sich von den Schwe­den trenn­te. Der Kanz­ler sol­le sei­ne Haa­re be­trach­ten, die einst schwarz ge­we­sen, aber in der Kriegs­müh­sal er­graut wä­ren; es wür­de sich schlecht mit sei­nem wei­ßen Haup­te rei­men, wenn er sich jetzt mit dem Schimpf der Un­dank­bar­keit und Treu­lo­sig­keit be­lü­de.

In ers­ter Li­nie sei er aber doch dem Kai­ser ver­pflich­tet, sag­te En­gel­brecht. Aus ei­nem Di­lem­ma kön­ne man sich mit ganz hei­ler Haut ein­mal nicht her­aus­bei­ßen.

Ja, da sei das punc­tum sa­li­ens ver­bor­gen, sag­te der Her­zog, die Au­gen­brau­en hoch­zie­hend und den Fin­ger he­bend; es sei eben doch auf bei­den Sei­ten nicht gleich­viel zu wa­gen. Der Kai­ser wer­de ihn jetzt bei ei­nem Frie­dens­schluss schwer­lich im Be­sitz sei­ner sau­er er­wor­be­nen Plät­ze Ha­meln und Min­den las­sen. Oder ob En­gel­brecht sich das ein­bil­de?

Nein, sag­te En­gel­brecht, et­was müs­se der Her­zog drein­ge­ben; aber es wäre doch bes­ser, zwei oder drei Plät­ze als ein al­tes an­ge­erb­tes Land zu ver­lie­ren. Der Kai­ser wür­de ihn, wenn er im Krieg ver­harr­te, nicht mit Ka­len­berg und Wol­fen­büt­tel be­leh­nen, für wel­che ver­las­se­ne Braut sich denn leicht an­de­re Lieb­ha­ber wür­den fin­den las­sen. Der Hund, der zu viel er­schnap­pen wol­le, ver­lie­re ge­mei­nig­lich al­les.

Der Her­zog stütz­te sor­gen­voll den Kopf in die Hand. Die Fran­zo­sen hät­ten sich eben recht schön her­vor­ge­macht, sag­te er nach ei­ner Wei­le, hät­ten Geld in Fül­le und teil­ten mit vol­len Hän­den aus, um Bun­des­ge­nos­sen ge­gen Spa­ni­en zu wer­ben. Mit ih­rem Geld wür­den sie Schwe­den wie­der mäch­tig ma­chen, und an­statt dass er dann einen Pro­fit sei­ner Frie­dens­lie­be hät­te, wür­de er die bei­den Mäch­te als Fein­de auf den Hals be­kom­men. Mit Frank­reich und Schwe­den ver­ei­nigt, kön­ne der Kai­ser es nicht auf­neh­men.

Der Her­zog habe doch auch viel vom schwe­di­schen Über­mut zu lei­den, mein­te En­gel­brecht.

Das gab Ge­org zu: Oxens­tier­na möch­te ihn am liebs­ten los­wer­den, und Banérs Ex­tra­va­gan­zen wä­ren vollends un­leid­lich, der trak­tie­re ur­al­te Reichs­fürs­ten wie Tross­bu­ben.

Da­rum ge­fal­le es ihm wohl, sag­te En­gel­brecht schmun­zelnd, dass der Kur­fürst von Sach­sen das Groß­maul an­ge­schnarcht habe, er sol­le sich aus dem Reich pa­cken, oder er wol­le ihm Bei­ne ma­chen. Der Banér habe den Bis­sen schlu­cken müs­sen, wür­ge wohl noch dar­an, und wenn er dar­an er­sti­cke, so sei es nicht scha­de.

Wenn er der schwe­di­schen Ge­sell­schaft le­dig wer­den könn­te, sag­te der Her­zog nach­denk­lich, so wäre er es ge­wiss zu­frie­den. Er wol­le sich’s noch über­le­gen, wol­le auch, um sein Ge­wis­sen zu sal­vie­ren, bei den theo­lo­gi­schen Fa­kul­tä­ten fra­gen, was vom Frie­den zu hal­ten sei. Denn es gehe ja in die­ser Sa­che nicht nur um das Ir­di­sche, son­dern auch um das Gött­li­che, und kön­ne man über Geld und Gut un­ver­se­hens das See­len­heil ein­bü­ßen. Eben dar­um sei der Fall so kniff­lig und durch ei­nes Men­schen Ver­stand al­lein nicht zu ent­schei­den.

Kaum war En­gel­brecht ab­ge­reist, so kam der Ge­ne­ral­ma­jor in schwe­di­schem Dienst Lo­hau­sen mit Auf­trä­gen Banérs, die den Frie­den be­tra­fen. In­dem er die gu­ten, in ein Ge­kräu­sel von Fal­ten und Li­ni­en ein we­nig zu­rück­ge­zo­ge­nen Au­gen fest auf den Her­zog rich­te­te, sag­te er, er wol­le als ein deut­scher Mann von Adel und Ehre zu ei­nem deut­schen Fürs­ten re­den. Wer woll­te den Frie­den nicht her­bei­wün­schen, nach dem das gan­ze Reich und ins­be­son­de­re die lie­be Ar­mut seufz­te. Ja, wenn es sich um einen recht­schaf­fe­nen Frie­den han­del­te, so müss­te man wohl je­des Par­ti­ku­l­ar­be­den­ken bei­sei­te set­zen; aber wenn man recht zu­sä­he, so habe nur der Kai­ser den Kur­fürs­ten von Sach­sen um ein gu­tes Trink­geld, näm­lich die Lau­sitz und das Erz­bis­tum Mag­de­burg, auf sei­ne Sei­te ge­zo­gen, die an­de­ren stän­den drau­ßen und könn­ten zu­se­hen, wie sie ihre Habe un­ter Dach bräch­ten. Die pfäl­zi­sche Fa­mi­lie, um die ei­gent­lich der Krieg aus­ge­bro­chen, sei vom Frie­den aus­ge­schlos­sen und die Pfalz mit so vie­len re­for­mier­ten See­len an die Ka­tho­li­ken, wohl gar an Spa­ni­en aus­ge­lie­fert. So wä­ren auch die ös­ter­rei­chi­schen und böh­mi­schen Emi­gran­ten preis­ge­ge­ben, und der Re­for­mier­ten wäre mit kei­nem Wor­te ge­dacht, so­dass sie ins­künf­tig recht­lo­ser als die Ju­den im Rei­che wä­ren. Ih­nen, den deut­schen Of­fi­zie­ren in schwe­di­schem Dienst, habe der Kur­fürst nur die Wahl ge­las­sen, ent­we­der in Kai­sers Dienst zu tre­ten oder den Dienst ganz, ohne Ent­schä­di­gung zu quit­tie­ren, wo­nach sie denn auf das ewi­ge oder auf das zeit­li­che Heil ver­zich­ten müss­ten. Sie hät­ten sich des­halb re­sol­viert, bei den Schwe­den zu blei­ben, wie­wohl sie lie­ber, wenn es mit Ehren und der Re­li­gi­on un­be­scha­det hät­te sein kön­nen, der Frem­den ent­ra­ten und in Deutsch­land nur mit Deut­schen hau­sen möch­ten. Es sei doch auch nicht ohne, dass sie durch das Evan­ge­li­um mit den Schwe­den ver­brü­dert und ih­nen dank­bar zu sein ver­pflich­tet wä­ren. Man müss­te ja scham­rot wer­den, wenn man die­je­ni­gen wie Mis­se­tä­ter aus dem Lan­de ja­gen woll­te, die man kurz zu­vor als Be­frei­er be­grüßt und de­ren Hil­fe man sich gern ge­fal­len las­sen hät­te. Banér sei zwar auf­brau­send und toll­köp­fig, kön­ne sich nicht be­zäh­men; aber von Grund­satz und Glau­ben wür­de er sich nie ab­brin­gen las­sen, son­dern bis zum letz­ten Bluts­trop­fen um das Evan­ge­li­um kämp­fen. Fer­ner sei er dem Her­zog wahr­haft er­ge­ben, schät­ze ihn als Feld­herrn hoch und möch­te ihn nicht miss­en; wol­le auch für sei­ne Per­son nicht glau­ben, dass es wahr sei, was ge­mun­kelt wür­de, dass der Her­zog der ge­mein­sa­men gu­ten Sa­che ab­trün­nig ge­wor­den sei.

Her­zog Ge­org seufz­te. An Banérs Mei­nung sei ihm nicht so viel ge­le­gen, sag­te er, aber Lo­hau­sen, ein treu­her­zi­ger deut­scher Mann, dür­fe nicht von ihm den­ken, dass er sich von sei­nen Glau­bens­ge­nos­sen ab­son­dern oder die Schwe­den mit Un­dank loh­nen wol­le. Oxens­tier­na und Banér hät­ten ihm viel­fach bit­te­res Un­recht ge­tan, den­noch sei er zur Ver­söh­nung be­reit, wenn sie es wie­der gut­ma­chen woll­ten. Er sei doch aber an sei­ne Vet­tern, an sei­ne Stän­de und den nie­der­säch­si­schen Kreis ge­bun­den, sei auch Fa­mi­li­en­va­ter und müs­se sor­gen, dass er den Sei­ni­gen ihr Erb­teil er­hiel­te. Aus dem Be­schluss, den er mit dem Land­gra­fen von Hes­sen und dem Her­zog Wil­helm von Wei­mar ge­fasst hät­te, näm­lich, dass sie zwar den Frie­den an­neh­men woll­ten, aber nur un­ter der Be­din­gung, dass die Schwe­den eine bil­li­ge Ent­schä­di­gung er­hiel­ten, kön­ne Banér auch er­se­hen, dass er es treu und red­lich mit ih­nen mein­te. Sei­ne Ar­beit sei jetzt, dem Kai­ser bei­zu­brin­gen, dass er trotz des Frie­dens als Ge­ne­ral des nie­der­säch­si­schen Krei­ses und zur not­wen­di­gen De­fen­si­on das recht habe, in der Kriegs­rüs­tung zu ver­har­ren.

Un­ter­des­sen wa­ren die her­zog­li­chen Räte zu der Über­zeu­gung ge­langt, wenn der Her­zog nur nicht in schwe­di­schem Dienst stän­de, so wäre viel eher ein Ver­ständ­nis mit dem Kai­ser mög­lich, selbst wenn er, der Her­zog, mit der ei­gent­li­chen An­nah­me des Frie­dens noch zö­ger­te und etwa nur einen Waf­fen­still­stand be­lieb­te. Die Ver­bin­dung mit dem Reichs­feind, als wel­cher der Schwe­de vom Kai­ser bil­li­ger­wei­se an­ge­se­hen wer­de, sei an­stö­ßig und kön­ne zu­letzt zur Äch­tung des Her­zogs füh­ren, so­dass es ihm wie dem gu­ten se­li­gen Pfalz­gra­fen er­gin­ge. Leg­te man dem Kai­ser et­was Schrift­li­ches vor, dass es mit dem schwe­di­schen Dienst des Her­zogs nichts auf sich hät­te, so könn­te we­nigs­tens das Ärgs­te ver­mie­den wer­den.

Wie das denn aber an­ge­hen soll­te, frag­te der Her­zog, da er ja ge­ra­de den schwe­di­schen Dienst auf­zu­ge­ben Be­den­ken trü­ge?

Man könn­te etwa eine Er­klä­rung auf­set­zen, war die Ant­wort, worin der Her­zog sich mit der schwe­di­schen Be­stal­lung aus­re­de­te, wie wenn es ei­gent­lich nicht an dem sei, was er in sei­nem Ge­wis­sen so aus­le­gen könn­te, dass er als deut­scher Reichs­fürst nicht wohl in Ab­hän­gig­keit von ei­nem schwe­di­schen Reichs­kanz­ler ste­hen kön­ne.

Der Ab­hän­gig­keit sei er in der Tat vollauf über­drüs­sig, sag­te der Her­zog, und habe sie auch nie­mals als ein Fak­tum be­trach­tet, was alle sei­ne Of­fi­zie­re be­zeu­gen könn­ten.

Frei­lich, stimm­ten die Räte ein, und er brau­che sich ja auch in Zu­kunft nichts bie­ten zu las­sen.

Sie soll­ten also im­mer­hin eine Er­klä­rung auf­set­zen, be­fahl der Her­zog, je­doch so, dass er in sei­nem Ge­wis­sen sal­viert sei, wenn er das schwe­di­sche Ge­ne­ralat doch einst­wei­len be­hiel­te.

Dem­nächst wur­de dem Her­zog ein For­mu­lar vor­ge­legt, in wel­chem er er­klär­te: dass, un­ge­ach­tet Uns der eine oder an­de­re für einen von der Kro­ne Schwe­den be­stall­ten Ge­ne­ral habe hal­ten wol­len, Wir nie­mals und zu kei­ner Zeit, we­der un­ter der Kö­nig­li­chen Ma­je­stät von Schwe­den glor­wür­di­gen An­den­kens und noch viel we­ni­ger nach der­sel­ben höchst zu be­kla­gen­den Ab­le­ben Uns ei­nes sol­chen oder ähn­li­chen Ti­tels ei­gent­lich an­ge­nom­men ha­ben, da Wir als ein Fürst und Glied des Reichs und un­per­tur­bier­lich in ei­ner sol­chen Qua­li­tät be­grif­fen, von wel­cher im­port­an­te Ver­än­de­run­gen mit­ge­führ­ter In­kon­ve­ni­en­zen hal­ber zu ex­klu­die­ren, wie­wohl Wir aus ge­wis­ser Rück­sicht nach der Kö­nig­li­chen Ma­je­stät zu Schwe­den se­li­gem Ab­le­ben von be­sag­tem Ti­tel Ab­stand zu neh­men Uns ohne Prä­ju­diz nicht ha­ben un­ter­win­den wol­len.

Nach­dem der Her­zog sich die­se Er­klä­rung meh­re­re Male hat­te vor­le­sen las­sen, schüt­tel­te er den Kopf und sag­te, sie las­se sich nach bei­den Sei­ten et­was zu weit her­aus, müs­se noch et­was bes­ser ver­klau­su­liert wer­den, da­mit kein Loch in sei­nem fürst­li­chen Wort ge­fun­den und sei­ne Ehre nicht an­ge­grif­fen wer­den kön­ne. Von der ver­bes­ser­ten Fas­sung ur­teil­te der Her­zog zwar, in­dem er sich hin­ter den Ohren krau­te, sie kom­me ihm sehr kraus und dun­kel vor, da je­doch die Räte mein­ten, man kön­ne es dar­auf an­kom­men las­sen, ob sie in der kur­fürst­li­chen und kai­ser­li­chen Kanz­lei ver­stan­den wür­de, gab er sich zu­frie­den und ließ sie ab­ge­hen.

Als um die­se Zeit Oxens­tier­na aus Pa­ris zu­rück­kam, wo­hin er sich zur Be­fes­ti­gung der Bun­des­be­zie­hun­gen be­ge­ben hat­te, und von den Um­trie­ben des Her­zogs er­fuhr, be­schloss er, sei­nem Ab­fall zu­vor­zu­kom­men und die Of­fi­zie­re sei­nes Hee­res von ihm ab auf die schwe­di­sche Sei­te zu zie­hen. Freu­dig er­griff der Ge­ne­ral­ma­jor Speer­reu­ter, der be­reits in al­ler­hand Kon­flik­te mit dem Her­zog ge­ra­ten war, die Ge­le­gen­heit, sich von die­sem un­ab­hän­gig zu ma­chen, ja in sei­ne Stel­lung ein­zu­rück­en, über­re­de­te den grö­ße­ren Teil der Of­fi­zie­re und rück­te mit dem Haupt­teil des Hee­res, sei­ne bis­he­ri­gen Quar­tie­re ver­las­send, ins Lü­ne­bur­gi­sche. Auf einen ent­rüs­te­ten Brief Her­zog Ge­orgs ant­wor­te­te Speer­reu­ter, er hand­le auf Be­fehl des Kanz­lers Oxens­tier­na, zu des­sen Dienst er, als von ihm be­sol­det, ver­pflich­tet sei, und hof­fe, der Her­zog wer­de sich der­ge­stalt mit dem Kanz­ler ver­ein­ba­ren, dass er, Speer­reu­ter, sich auch künf­tig von dem Her­zog könn­te ge­brau­chen las­sen.