Als Herzog Georg in Hameln die Einladung des Kurfürsten Johann Georg erhielt, dem Frieden beizutreten, der zwischen ihm und dem Kaiser vorläufig geschlossen sei und bald endgültig ratifiziert werden sollte, geriet er in große Unruhe und Verlegenheit. Nichts Unlieberes hätte ihm begegnen können als eben jetzt ein Friede, der eigens gemacht schien, um ihm seine herrlichen Eroberungen wieder aus der Hand zu spielen. Nun würde von beiden Seiten gezerrt und gelockt werden, dass auch der Besonnene schwerlich die klare Vernunft würde behalten können. In der Tat liefen bald Briefe und Botschaften von den Braunschweiger Brüdern und Vettern ein, sie erwarteten, er werde des Kaisers dargebotene Hand ergreifen; er solle bedenken, was seit dem Tode des Herzogs Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel auf dem Spiele stehe, denn bevor er nicht das Schwert aus der Hand lege, werde der Kaiser ihn schwerlich mit dem schönen Erbe belehnen. Ebenso mahnten die Stände der Braunschweiger Lande, die des Krieges längst überdrüssig waren, und der alte Kanzler Engelbrecht kam in Person, um den Herzog auf die Seite der Vernunft und Billigkeit zu ziehen.
Er wolle ihm nicht verhehlen, entgegnete der Herzog diesem, dass er des lieben Friedens wegen und auch aus reichsfürstlicher Gesinnung sich gern mit dem Kaiser einigen würde; aber er sei nun einmal nicht wie ein schlechter General oder eine Privatperson, sondern habe seine fürstliche Reputation zu bedenken, und insofern würde es ihm übel anstehen, wenn er sich von den Schweden trennte. Der Kanzler solle seine Haare betrachten, die einst schwarz gewesen, aber in der Kriegsmühsal ergraut wären; es würde sich schlecht mit seinem weißen Haupte reimen, wenn er sich jetzt mit dem Schimpf der Undankbarkeit und Treulosigkeit belüde.
In erster Linie sei er aber doch dem Kaiser verpflichtet, sagte Engelbrecht. Aus einem Dilemma könne man sich mit ganz heiler Haut einmal nicht herausbeißen.
Ja, da sei das punctum saliens verborgen, sagte der Herzog, die Augenbrauen hochziehend und den Finger hebend; es sei eben doch auf beiden Seiten nicht gleichviel zu wagen. Der Kaiser werde ihn jetzt bei einem Friedensschluss schwerlich im Besitz seiner sauer erworbenen Plätze Hameln und Minden lassen. Oder ob Engelbrecht sich das einbilde?
Nein, sagte Engelbrecht, etwas müsse der Herzog dreingeben; aber es wäre doch besser, zwei oder drei Plätze als ein altes angeerbtes Land zu verlieren. Der Kaiser würde ihn, wenn er im Krieg verharrte, nicht mit Kalenberg und Wolfenbüttel belehnen, für welche verlassene Braut sich denn leicht andere Liebhaber würden finden lassen. Der Hund, der zu viel erschnappen wolle, verliere gemeiniglich alles.
Der Herzog stützte sorgenvoll den Kopf in die Hand. Die Franzosen hätten sich eben recht schön hervorgemacht, sagte er nach einer Weile, hätten Geld in Fülle und teilten mit vollen Händen aus, um Bundesgenossen gegen Spanien zu werben. Mit ihrem Geld würden sie Schweden wieder mächtig machen, und anstatt dass er dann einen Profit seiner Friedensliebe hätte, würde er die beiden Mächte als Feinde auf den Hals bekommen. Mit Frankreich und Schweden vereinigt, könne der Kaiser es nicht aufnehmen.
Der Herzog habe doch auch viel vom schwedischen Übermut zu leiden, meinte Engelbrecht.
Das gab Georg zu: Oxenstierna möchte ihn am liebsten loswerden, und Banérs Extravaganzen wären vollends unleidlich, der traktiere uralte Reichsfürsten wie Trossbuben.
Darum gefalle es ihm wohl, sagte Engelbrecht schmunzelnd, dass der Kurfürst von Sachsen das Großmaul angeschnarcht habe, er solle sich aus dem Reich packen, oder er wolle ihm Beine machen. Der Banér habe den Bissen schlucken müssen, würge wohl noch daran, und wenn er daran ersticke, so sei es nicht schade.
Wenn er der schwedischen Gesellschaft ledig werden könnte, sagte der Herzog nachdenklich, so wäre er es gewiss zufrieden. Er wolle sich’s noch überlegen, wolle auch, um sein Gewissen zu salvieren, bei den theologischen Fakultäten fragen, was vom Frieden zu halten sei. Denn es gehe ja in dieser Sache nicht nur um das Irdische, sondern auch um das Göttliche, und könne man über Geld und Gut unversehens das Seelenheil einbüßen. Eben darum sei der Fall so knifflig und durch eines Menschen Verstand allein nicht zu entscheiden.
Kaum war Engelbrecht abgereist, so kam der Generalmajor in schwedischem Dienst Lohausen mit Aufträgen Banérs, die den Frieden betrafen. Indem er die guten, in ein Gekräusel von Falten und Linien ein wenig zurückgezogenen Augen fest auf den Herzog richtete, sagte er, er wolle als ein deutscher Mann von Adel und Ehre zu einem deutschen Fürsten reden. Wer wollte den Frieden nicht herbeiwünschen, nach dem das ganze Reich und insbesondere die liebe Armut seufzte. Ja, wenn es sich um einen rechtschaffenen Frieden handelte, so müsste man wohl jedes Partikularbedenken beiseite setzen; aber wenn man recht zusähe, so habe nur der Kaiser den Kurfürsten von Sachsen um ein gutes Trinkgeld, nämlich die Lausitz und das Erzbistum Magdeburg, auf seine Seite gezogen, die anderen ständen draußen und könnten zusehen, wie sie ihre Habe unter Dach brächten. Die pfälzische Familie, um die eigentlich der Krieg ausgebrochen, sei vom Frieden ausgeschlossen und die Pfalz mit so vielen reformierten Seelen an die Katholiken, wohl gar an Spanien ausgeliefert. So wären auch die österreichischen und böhmischen Emigranten preisgegeben, und der Reformierten wäre mit keinem Worte gedacht, sodass sie inskünftig rechtloser als die Juden im Reiche wären. Ihnen, den deutschen Offizieren in schwedischem Dienst, habe der Kurfürst nur die Wahl gelassen, entweder in Kaisers Dienst zu treten oder den Dienst ganz, ohne Entschädigung zu quittieren, wonach sie denn auf das ewige oder auf das zeitliche Heil verzichten müssten. Sie hätten sich deshalb resolviert, bei den Schweden zu bleiben, wiewohl sie lieber, wenn es mit Ehren und der Religion unbeschadet hätte sein können, der Fremden entraten und in Deutschland nur mit Deutschen hausen möchten. Es sei doch auch nicht ohne, dass sie durch das Evangelium mit den Schweden verbrüdert und ihnen dankbar zu sein verpflichtet wären. Man müsste ja schamrot werden, wenn man diejenigen wie Missetäter aus dem Lande jagen wollte, die man kurz zuvor als Befreier begrüßt und deren Hilfe man sich gern gefallen lassen hätte. Banér sei zwar aufbrausend und tollköpfig, könne sich nicht bezähmen; aber von Grundsatz und Glauben würde er sich nie abbringen lassen, sondern bis zum letzten Blutstropfen um das Evangelium kämpfen. Ferner sei er dem Herzog wahrhaft ergeben, schätze ihn als Feldherrn hoch und möchte ihn nicht missen; wolle auch für seine Person nicht glauben, dass es wahr sei, was gemunkelt würde, dass der Herzog der gemeinsamen guten Sache abtrünnig geworden sei.
Herzog Georg seufzte. An Banérs Meinung sei ihm nicht so viel gelegen, sagte er, aber Lohausen, ein treuherziger deutscher Mann, dürfe nicht von ihm denken, dass er sich von seinen Glaubensgenossen absondern oder die Schweden mit Undank lohnen wolle. Oxenstierna und Banér hätten ihm vielfach bitteres Unrecht getan, dennoch sei er zur Versöhnung bereit, wenn sie es wieder gutmachen wollten. Er sei doch aber an seine Vettern, an seine Stände und den niedersächsischen Kreis gebunden, sei auch Familienvater und müsse sorgen, dass er den Seinigen ihr Erbteil erhielte. Aus dem Beschluss, den er mit dem Landgrafen von Hessen und dem Herzog Wilhelm von Weimar gefasst hätte, nämlich, dass sie zwar den Frieden annehmen wollten, aber nur unter der Bedingung, dass die Schweden eine billige Entschädigung erhielten, könne Banér auch ersehen, dass er es treu und redlich mit ihnen meinte. Seine Arbeit sei jetzt, dem Kaiser beizubringen, dass er trotz des Friedens als General des niedersächsischen Kreises und zur notwendigen Defension das recht habe, in der Kriegsrüstung zu verharren.
Unterdessen waren die herzoglichen Räte zu der Überzeugung gelangt, wenn der Herzog nur nicht in schwedischem Dienst stände, so wäre viel eher ein Verständnis mit dem Kaiser möglich, selbst wenn er, der Herzog, mit der eigentlichen Annahme des Friedens noch zögerte und etwa nur einen Waffenstillstand beliebte. Die Verbindung mit dem Reichsfeind, als welcher der Schwede vom Kaiser billigerweise angesehen werde, sei anstößig und könne zuletzt zur Ächtung des Herzogs führen, sodass es ihm wie dem guten seligen Pfalzgrafen erginge. Legte man dem Kaiser etwas Schriftliches vor, dass es mit dem schwedischen Dienst des Herzogs nichts auf sich hätte, so könnte wenigstens das Ärgste vermieden werden.
Wie das denn aber angehen sollte, fragte der Herzog, da er ja gerade den schwedischen Dienst aufzugeben Bedenken trüge?
Man könnte etwa eine Erklärung aufsetzen, war die Antwort, worin der Herzog sich mit der schwedischen Bestallung ausredete, wie wenn es eigentlich nicht an dem sei, was er in seinem Gewissen so auslegen könnte, dass er als deutscher Reichsfürst nicht wohl in Abhängigkeit von einem schwedischen Reichskanzler stehen könne.
Der Abhängigkeit sei er in der Tat vollauf überdrüssig, sagte der Herzog, und habe sie auch niemals als ein Faktum betrachtet, was alle seine Offiziere bezeugen könnten.
Freilich, stimmten die Räte ein, und er brauche sich ja auch in Zukunft nichts bieten zu lassen.
Sie sollten also immerhin eine Erklärung aufsetzen, befahl der Herzog, jedoch so, dass er in seinem Gewissen salviert sei, wenn er das schwedische Generalat doch einstweilen behielte.
Demnächst wurde dem Herzog ein Formular vorgelegt, in welchem er erklärte: dass, ungeachtet Uns der eine oder andere für einen von der Krone Schweden bestallten General habe halten wollen, Wir niemals und zu keiner Zeit, weder unter der Königlichen Majestät von Schweden glorwürdigen Andenkens und noch viel weniger nach derselben höchst zu beklagenden Ableben Uns eines solchen oder ähnlichen Titels eigentlich angenommen haben, da Wir als ein Fürst und Glied des Reichs und unperturbierlich in einer solchen Qualität begriffen, von welcher importante Veränderungen mitgeführter Inkonvenienzen halber zu exkludieren, wiewohl Wir aus gewisser Rücksicht nach der Königlichen Majestät zu Schweden seligem Ableben von besagtem Titel Abstand zu nehmen Uns ohne Präjudiz nicht haben unterwinden wollen.
Nachdem der Herzog sich diese Erklärung mehrere Male hatte vorlesen lassen, schüttelte er den Kopf und sagte, sie lasse sich nach beiden Seiten etwas zu weit heraus, müsse noch etwas besser verklausuliert werden, damit kein Loch in seinem fürstlichen Wort gefunden und seine Ehre nicht angegriffen werden könne. Von der verbesserten Fassung urteilte der Herzog zwar, indem er sich hinter den Ohren kraute, sie komme ihm sehr kraus und dunkel vor, da jedoch die Räte meinten, man könne es darauf ankommen lassen, ob sie in der kurfürstlichen und kaiserlichen Kanzlei verstanden würde, gab er sich zufrieden und ließ sie abgehen.
Als um diese Zeit Oxenstierna aus Paris zurückkam, wohin er sich zur Befestigung der Bundesbeziehungen begeben hatte, und von den Umtrieben des Herzogs erfuhr, beschloss er, seinem Abfall zuvorzukommen und die Offiziere seines Heeres von ihm ab auf die schwedische Seite zu ziehen. Freudig ergriff der Generalmajor Speerreuter, der bereits in allerhand Konflikte mit dem Herzog geraten war, die Gelegenheit, sich von diesem unabhängig zu machen, ja in seine Stellung einzurücken, überredete den größeren Teil der Offiziere und rückte mit dem Hauptteil des Heeres, seine bisherigen Quartiere verlassend, ins Lüneburgische. Auf einen entrüsteten Brief Herzog Georgs antwortete Speerreuter, er handle auf Befehl des Kanzlers Oxenstierna, zu dessen Dienst er, als von ihm besoldet, verpflichtet sei, und hoffe, der Herzog werde sich dergestalt mit dem Kanzler vereinbaren, dass er, Speerreuter, sich auch künftig von dem Herzog könnte gebrauchen lassen.