41.

Der Erz­bi­schof von Tri­er, Phil­ipp von Sö­tern, wur­de in der Frü­he durch lau­tes Puf­fen und Knat­tern von Schüs­sen aus dem Schla­fe ge­schreckt. Er läu­te­te, um zu fra­gen, was das zu be­deu­ten habe, und sag­te är­ger­lich zu sei­nem Kam­mer­die­ner Wied­mann, den der Lärm gleich­falls ge­weckt hat­te und der im Schlaf­rock her­bei­kam, er müs­se durch­aus den Über­mut der Fran­zo­sen dämp­fen, ihre Prä­ten­tio­nen fin­gen an un­leid­lich zu wer­den. Er wäre neu­gie­rig, zu se­hen, brumm­te Wied­mann, wie der Fürst den Fran­zo­sen die Groß­mäu­lig­keit und Va­ni­tät aus­zu­trei­ben däch­te; das wäre, wie wenn man der Sau die Bors­ten ab­ge­wöh­nen woll­te, Gott habe sie sich lei­der so aus der Hand schlüp­fen las­sen. Aber er kön­ne nicht recht ein­se­hen, füg­te er hin­zu, wie sie das Ka­no­nen­feu­er ver­ur­sacht ha­ben soll­ten, wenn es nur nichts an­de­res zu be­deu­ten hät­te.

Was soll­te es an­de­res zu be­deu­ten ha­ben? sag­te der Kur­fürst. Die Fran­zo­sen schös­sen aus pu­rem Mut­wil­len oder zum Scha­ber­nack.

Das Schie­ßen nahm jetzt zu, und Wied­mann sprang ans Fens­ter, ob et­was wahr­zu­neh­men wäre. Wenn sei­ne Dom­her­ren nicht so auf­rüh­re­ri­sche und räu­be­ri­sche Leu­te wä­ren, schalt der Kur­fürst, so hät­te er die Fran­zo­sen nicht nö­tig, könn­te sich selbst ge­gen alle Über­grif­fe schüt­zen und sei­ne fürst­li­che Sou­ve­rä­ni­tät er­hal­ten. Er woll­te, dass die Schüs­se stracks in ihr gal­li­ges Ein­ge­wei­de füh­ren, da sie al­lein sei­ner Lei­den und be­stän­di­gen Auf­re­gun­gen Ur­sa­che wä­ren.

»Je­sus Ma­ria!« rief Wied­mann vom Fens­ter her, »die Stra­ßen sind voll Lau­fen, Schrei­en und Schie­ßen! Wir müs­sen uns in De­fen­si­on set­zen!«

Narr­heit! ent­geg­ne­te der Kur­fürst; er un­ter­hal­te ja die Fran­zo­sen zu sei­ner De­fen­si­on, wol­le hof­fen, dass sie ihre Pf­licht tä­ten. Jetzt wer­de er auf­ste­hen und nach dem Rech­ten se­hen, es sei si­cher nichts als eine Feu­ers­brunst oder sonst ein blin­der Lärm, aber die Dumm­heit ma­che die Leu­te kopf­los.

Wäh­rend Wied­mann mit zit­tern­den Hän­den den Kur­fürs­ten an­klei­de­te, kam ein fran­zö­si­scher Ad­ju­tant mit der Mel­dung, die Spa­nier hät­ten sich bei der Mor­gen­däm­me­rung zu Schiff in die Fes­tung ein­ge­schli­chen, sie ge­däch­ten sie aber schimpf­lich wie­der hin­aus­zu­ja­gen.

Was? Was? rief der Kur­fürst. Ob die Hunds­bu­ben schon in der Stadt wä­ren? Ob denn die Be­sat­zung nicht auf ih­rem Pos­ten ge­we­sen wäre?

In der Stadt? schrie Wied­mann. Auf dem Schlos­se wür­den sie gleich sein. Be­sat­zung? Die Wind­beu­tel hät­ten na­tür­lich mit­ein­an­der ge­schwatzt und ge­fa­selt und dar­über die Fes­tung ver­lo­ren. Hät­te er doch die gleis­ne­ri­schen Frat­zen nie ge­se­hen! Aber der Kur­fürst habe die Ver­nunft zur rech­ten Zeit nicht an­neh­men wol­len.

Die­ser bot Wied­mann eine Maul­schel­le an, wäh­rend er im Un­ge­stüm ver­ge­bens in den Är­mel sei­nes Ober­klei­des zu fah­ren such­te. Wenn Wied­mann ihn wahr­haft lieb­te, sag­te er, wür­de er ihn jetzt nicht mit un­ge­reim­ten Vor­wür­fen über­lau­fen.

»Hilf Gott«, rief Wied­mann, »wenn ich Eure Fürst­li­che Gna­den nicht so lieb­te, wür­de ich mir al­les so zu Her­zen neh­men? Habe ich Sie nicht auf den Kni­en ge­be­ten, die Laus­bu­ben von Fran­zo­sen nicht her­ein­zu­las­sen? Habe ich nicht vor­aus­ge­sagt, dass, wenn Gott auch ein Auge zu­drück­te, der Kai­ser doch den Ab­fall nicht un­ge­straft las­sen wür­de?«

»Lass dich auf­hän­gen mit dei­nem Kai­ser«, schimpf­te der Kur­fürst, »so hän­gen zwei Gau­ner an ei­nem Strick.« Wo­her denn die Spa­nier kämen, und wer sie an­führ­te?

Wied­mann lief fort und rief zu­rück­keh­rend schon in der Tür, der Mail­lard füh­re sie an, der frü­her beim Herrn von Met­ter­nich Se­kre­tär ge­we­sen sei, und der Met­ter­nich selbst sei auch da.

Der Kur­fürst schleu­der­te den Pan­tof­fel, den er eben an den Fuß zie­hen woll­te, nach dem Kop­fe sei­nes Kam­mer­die­ners. Das Schloss sol­le be­setzt wer­den! be­fahl er laut schrei­end. Wenn es sonst nicht lan­ge, müs­se die Bür­ger­schaft her, ihn zu ver­tei­di­gen. Der hunds­föt­ti­sche Met­ter­nich dür­fe den Fuß nicht ins Schloss set­zen. Die Bür­ger­schaft sei für den Gal­gen reif, wenn sie nicht ihr Blut ein­setz­te, um ih­ren fürst­li­chen Herrn vor Schimpf zu be­wah­ren.

Da bil­de sich der Kur­fürst ein we­nig zu viel ein, sag­te Wied­mann; er habe die Bür­ger­schaft gar zu­we­nig re­spek­tiert, als dass sie ihn lie­ben soll­te.

»Ich will sie’s leh­ren, die Schel­me!« sag­te der Fürst. Wenn aber das Gal­gen­ge­sicht, der Met­ter­nich, doch her­ein­käme, so soll­te er nicht etwa mei­nen, dass er, Sö­tern, sich die Sa­che zu Her­zen näh­me. Wied­mann sol­le ihm so­gleich sei­ne schö­ne rote Müt­ze und Kra­gen brin­gen, auch das Ze­tern und Hän­de­rin­gen bei­sei­te set­zen, da­mit die Bö­se­wich­ter sich nicht ins Fäust­chen lach­ten.

Es währ­te nicht lan­ge, so hör­te man tra­ben­de Pfer­de, Kom­man­die­ren und Durchein­an­der­lau­fen, das Schloss wur­de be­setzt, und Met­ter­nich be­trat mit dem Obers­ten Mail­lard, un­an­ge­mel­det die Tür auf­rei­ßend, das Zim­mer, wo der Kur­fürst präch­tig ge­klei­det und an­schei­nend ge­las­sen in ei­nem Ses­sel saß.

»Da ha­ben wir den al­ten Wolf in der Fal­le!« rief Met­ter­nich la­chend. »Nur her­ein in den Kä­fig!«

»Ist das die Art, sei­nen Fürs­ten zu be­grü­ßen?« sag­te der Kur­fürst. Wo es denn Sit­te sei, dass Ka­va­lie­re sich so bäu­risch und un­ge­bühr­lich auf­führ­ten?

Oberst Mail­lard mach­te eine kur­ze Ver­beu­gung und sag­te, der Kur­fürst habe es selbst ver­schul­det, dass man so mit ihm um­sprin­ge. Er sol­le sich fü­gen, Wi­der­bel­len sei um­sonst, er sei jetzt Ge­fan­ge­ner des Kai­sers und des Kö­nigs von Spa­ni­en, die wür­den wei­ter über ihn ver­fü­gen.

Er brau­che nicht so viel Um­stän­de mit dem Äch­ter zu ma­chen, warf Met­ter­nich ein. Er habe den Kopf ver­wirkt, kön­ne Gott dan­ken, dass sie ihn noch ver­schon­ten.

»Du wirst dei­ne lo­sen Re­den noch be­reu­en!« droh­te der Kur­fürst, die Faust ge­gen Met­ter­nich schüt­telnd. Wer ihn denn in die Acht ge­tan habe? Das sei eine neue Mode, die höchs­ten Reichs- und Kir­chen­fürs­ten, wie wenn man in der Tür­kei wäre, zu äch­ten. Der Papst und der Kö­nig von Frank­reich wür­den sei­nen Wi­der­sa­chern den Kopf wa­schen.

Jetzt hei­ße es Maul hal­ten, be­fahl Met­ter­nich. Wenn er noch wei­ter spe­ren­zie­re, wür­de man an­de­re Mit­tel er­grei­fen.

Er wei­che der Ge­walt, sag­te der Kur­fürst. Wied­mann sei Zeu­ge, dass ihm Ge­walt an­ge­tan wer­de.

Ach Gott, jam­mer­te Wied­mann, der Fürst kön­ne doch nicht so fort, ohne sei­ne Mor­gen­sup­pe ge­ges­sen zu ha­ben.

Wer­de gut tun, sich bei­zei­ten das Hun­gern an­zu­ge­wöh­nen, höhn­te Met­ter­nich.

Sie woll­ten war­ten, sag­te Mail­lard, bis der Kur­fürst einen Im­biss ge­nom­men hät­te. Er sol­le sich aber spu­ten.

Wied­mann läu­te­te, be­stell­te das Früh­stück und be­schwor Mail­lard und Met­ter­nich, sie soll­ten ihm er­lau­ben, den Kur­fürs­ten zu be­glei­ten. Der Kur­fürst in­kli­nie­re schon zum Al­ter, fan­ge mit al­ler­lei Ge­bre­chen zu la­bo­rie­ren an, müs­se doch als ein hoch­vor­neh­mer Herr Be­die­nung ha­ben. Die Ma­je­stä­ten wür­den ge­wiss ei­nem ho­hen Kir­chen­fürs­ten nicht ver­weh­ren, was ei­nem ein­fa­chen Edel­mann in der Ge­fan­gen­schaft zu­stän­de.

Der Kur­fürst habe Leib und Le­ben ver­wirkt, ent­geg­ne­te Mail­lard, kön­ne nur auf Gna­de An­spruch ma­chen. Aber es sei ihm be­kannt, dass Wied­mann ein red­li­cher Mann und an den Exor­bi­tan­zi­en und Teu­fe­lei­en sei­nes Herrn un­schul­dig sei; wenn er es aus gu­tem Her­zen tun wol­le, so dür­fe er ihn be­glei­ten.

Wied­mann be­dank­te sich und mach­te sich mit der Mor­gen­sup­pe zu schaf­fen. Nun sei ihm das Herz ein we­nig leich­ter, sag­te er, da er selbst für den Fürs­ten sor­gen kön­ne. Ob der Fürst nicht ein paar Kreb­sau­gen in Was­ser zu sich neh­men wol­le?

Wied­mann schei­ne zu glau­ben, dass er sich al­te­riert habe, sag­te der Kur­fürst scharf mit ei­nem bö­sen Blick auf sei­nen Die­ner. Er füh­le sich hei­ter und wohl­auf als ei­ner, der im Recht sei. Die möch­ten zit­tern, die ein bö­ses Ge­wis­sen hät­ten.

So­wie der Fürst ge­ges­sen hat­te, wur­de er nebst Wied­mann in eine Kut­sche ge­setzt und zu­nächst nach Lu­xem­burg, dann nach Brüs­sel und end­lich nach Wien ge­führt und ge­fan­gen ge­hal­ten. Durch die­se Ge­walt­maß­re­gel be­haup­te­te der Kö­nig von Frank­reich, als Schutz­herr des Kur­fürs­ten von Tri­er, be­lei­digt zu sein, und nach­dem er ein Bünd­nis mit Hol­land ge­schlos­sen hat­te, er­klär­te er dem Kö­nig von Spa­ni­en förm­lich und fei­er­lich den Krieg, nicht aber dem Kai­ser, den er einst­wei­len nur mit­tel­bar be­kämp­fen woll­te.

An je­nem Früh­lings­ta­ge, als die Spa­nier in Tri­er ein­fie­len, zog sich der Stra­ßen­kampf zu­letzt beim Je­sui­ten­klos­ter zu­sam­men, hin­ter wel­chem die Fran­zo­sen sich ver­schanzt hat­ten und aufs äu­ßers­te ver­tei­dig­ten. Ihre Bit­te um Ein­lass, da­mit sie einen fes­ten Platz ge­wän­nen, schlug der Pro­feß ab; aber er ge­stat­te­te, dass ei­ni­ge Vä­ter, un­ter de­nen Fried­rich von Spee war, hin­aus­gin­gen, um die Ver­wun­de­ten bei­der Par­tei­en bei­sei­te zu tra­gen und zu er­qui­cken und den Ster­ben­den bei­zu­ste­hen. Ein schwer­ver­wun­de­ter Deut­scher, dem Spee Was­ser ein­zu­flö­ßen ver­such­te, ver­lang­te nach ei­nem evan­ge­li­schen Geist­li­chen; mit den Je­sui­ten wol­le er nichts zu tun ha­ben. Freund­lich sich über den Ster­ben­den beu­gend, sag­te Spee, er wis­se nicht, wo ein evan­ge­li­scher Feld­pre­di­ger sei, kön­ne jetzt auch nicht su­chen; sie wä­ren alle ei­nes Got­tes Kin­der, der Sol­dat möge zu­las­sen, dass er, Spee, mit ihm be­te­te. Nein, stöhn­te je­ner, den Kopf ge­walt­sam von der Was­ser­fla­sche weg­wen­dend, je­sui­tisch ge­be­tet sei schlim­mer als ge­flucht. Mit der Erde sei es jetzt vor­bei, so wol­le er sich den Him­mel nicht ver­scher­zen. »Quä­le dein Herz nicht mit Hass«, bat Spee, »ver­gib dei­nen Fein­den, da­mit Gott dir dei­ne Sün­den ver­ge­be!«

»Fort, du Teu­fel!« rö­chel­te der Ver­wun­de­te, in­dem er Spee mit sei­ner letz­ten Kraft zu­rück­s­tieß und dann, mit dem Kopf auf das Pflas­ter schla­gend, ver­schied. Spee be­te­te bei dem To­ten, drück­te ihm die Au­gen zu, fal­te­te sei­ne Hän­de und ging trau­rig wei­ter.

Wie er sich un­be­küm­mert zwi­schen den Kämp­fen­den be­weg­te, traf ihn eine Ku­gel an der Schul­ter, wel­che Ver­let­zung an­fangs für un­ge­fähr­lich ge­hal­ten wur­de, aber nach ei­ni­gen Mo­na­ten sei­nen Tod her­bei­führ­te.

Wäh­rend sei­nes lan­gen Kran­ken­la­gers hielt ihm sein Beicht­va­ter vor, er habe un­recht ge­tan, in­dem er beim Ein­fall der Spa­nier sich auch der ster­ben­den Ket­zer an­ge­nom­men habe, ohne sie zu be­keh­ren, ja sie so­gar trotz ih­res Irr­glau­bens der Gna­de Got­tes ver­trös­tet habe. Spee ent­schul­dig­te sich da­mit, dass kei­ne Zeit zum Dis­pu­tie­ren ge­we­sen wäre, wor­auf der Beicht­va­ter er­wi­der­te, es hand­le sich nicht um Dis­pu­tie­ren, sie hät­ten sich viel­leicht in der To­des­angst be­kehrt, wenn sie sonst kei­nen Bei­stand ge­fun­den und die Höl­le recht sicht­bar vor Au­gen ge­habt hät­ten. Das habe er sich nicht ge­traut, sag­te Spee zag­haft, von der To­des­angst der ar­men Leu­te zu pro­fi­tie­ren. Der Beicht­va­ter ent­rüs­te­te sich. Man tue ih­nen ja Gna­de über Ver­dienst an, wenn man sie zur Kir­che bräch­te, sag­te er, sei es auch mit et­was Schlep­pen und Sto­ßen. Nun wä­ren sie ja ver­dammt und vor­aus­sicht­lich auf ewig in der Höl­le, wo ih­nen weit är­ger zu­ge­setzt wür­de als mit ein paar Fuß­trit­ten oder Rip­pen­stö­ßen.

Spee schlug kla­gend die Hän­de vor sein ab­ge­zehr­tes Ge­sicht, in das die dün­nen grau­en Haa­re fie­len. Wenn er et­was an den Un­glück­li­chen ver­säumt hät­te, sag­te er, so hof­fe er, dass Gott es an ihm und nicht an ih­nen heim­su­che. Sein Ge­wis­sen irre viel­leicht; er habe aber nicht bes­ser ent­schei­den kön­nen.

Frei­lich irre das mensch­li­che Ge­wis­sen, sag­te der Beicht­va­ter stra­fend, dar­um sei der Ge­hor­sam da, wo­durch Irr­tum ver­hin­dert und den Schwa­chen frucht­lo­ser Kampf er­spart wür­de. Aber eben am Ge­hor­sam habe es Spee von je­her ge­man­gelt. Un­ter der Lar­ve der De­mut sei er ei­gen­sin­nig, ver­stockt, selbst­wil­lig, hoch­mü­tig, re­bel­lisch. Er habe ge­sün­digt, in­dem er sich nach der ei­ge­nen Ver­nunft habe re­gu­lie­ren wol­len, und wenn er es nicht be­reu­te, so müs­se er ohne Ab­so­lu­ti­on hin­fah­ren und habe im Jen­seits böse Fol­gen zu be­fürch­ten.

Chris­tus sei doch aber für die Hei­den ge­stor­ben, ohne ih­nen zu flu­chen, wand­te Spee schüch­tern ein.

Er wol­le sich wohl gar mit Chris­tus ver­glei­chen? schalt der Beicht­va­ter. Da sehe man, zu was für Fre­veln der Hoch­mut füh­re. Eben weil Chris­tus für die Hei­den ge­stor­ben sei, habe sich Spee der­glei­chen nicht an­zu­ma­ßen, der­glei­chen sei viel zu hoch für ihn. Gott wol­le von ihm nur das Op­fer des Ge­hor­sams; al­les an­de­re sei vom Teu­fel ein­ge­bla­sen.

Spee at­me­te leich­ter, wenn er das Ge­sicht des Beicht­va­ters nicht mehr wie einen Fels­klotz auf sich her­un­ter­dro­hen sah.

Ja, ei­ner Sün­de war er sich be­wusst; dass er als Jüng­ling, nach­dem er ein Tier, einen ar­men klei­nen Esel, un­ter den Schlä­gen sei­nes Trei­bers hat­te zu­sam­men­bre­chen sehn, in ein Klos­ter ge­gan­gen war, um sich vor dem An­blick des Lei­dens der Krea­tur zu schüt­zen, und um ihn zu stra­fen, hat­te Gott ihn be­stimmt, al­le­zeit und al­ler­wärts Lei­den zu se­hen und mit zu lei­den; so viel hat­te er mit­ge­lit­ten, dass es ihm war, als habe er sein Le­ben da­mit auf­ge­zehrt und müs­se ster­ben, weil ihm die Kraft, zu lei­den, aus­ge­gan­gen sei. Soll­te es mög­lich sein, dass er irr­te, wenn er zu hel­fen such­te? Griff er da­mit in Got­tes Welt­plan ein, der die­se Lei­den viel­leicht an­ge­ord­net hat­te? Was be­deu­te­te denn auch eine hel­fen­de Hand un­ter tau­send Hän­den, die quäl­ten!

In sei­ner Erin­ne­rung tauch­ten die Frau­en mit blu­ti­gen Au­gen und von der Fol­ter ver­krümm­ten Glie­dern auf, die er in Würz­burg im Feu­er hat­te ster­ben sehn; um sich vor die­sen Bil­dern zu ret­ten, kehr­te er den Blick nach dem Fens­ter, durch das er über ei­ner bräun­li­chen Mau­er den Som­mer­him­mel blit­zen sah. Wenn er nur ein­mal noch, dach­te er, vor der Stadt auf ei­ner Wie­se lie­gen könn­te, von Him­mel und Erde um­schlos­sen, ein zit­tern­der Staub in der Hand Got­tes! Im­mer hat­te er sich drau­ßen in der Wei­te der gött­li­chen Lie­be am nächs­ten ge­fühlt und un­fehl­bar ge­wusst, dass Gott mit ihm war, wenn er, so gut er es ver­stand und ver­moch­te, de­nen half, die lit­ten, und de­nen wehr­te, die quäl­ten.

Sehn­süch­tig hef­te­te er die tro­ckenen Au­gen auf das Stück­chen Him­mel, das er fun­keln sah wie das lo­cken­de Ufer der Ewig­keit. Wür­de dort wie­der Kampf und Lei­den oder wür­de dort der Frie­de sein? Was im­mer, er gab sich wil­lig hin. In­dem er die Hän­de fal­te­te und die Au­gen schloss, wur­de es in ihm licht, und er fühl­te sich hoch und hö­her hin­aufflie­gen. Him­mel und Erde schie­nen zu wei­chen und ver­schmel­zend und ver­schwin­dend ei­ner neu­en strah­len­den Hül­le Raum zu ge­ben, in die er wie eine aus dem Kä­fig er­lös­te Ler­che frei­heit­be­rauscht und von den wie­der­er­kann­ten Ele­men­ten fort­ge­ris­sen stürz­te.