Auf einem Herrenhof an der Weser hatte Knyphausen eine Zusammenkunft mit seinem Schwiegersohn Wolf von Lüdingshausen, dem Kommandanten der Festung Minden im Dienste Herzogs Georg von Lüneburg. Lüdingshausen war voll Staunen, als er vernahm, dass Knyphausen wieder eine Bestallung angenommen habe. In seinem Alter, sagte er, sich wieder eine solche Last auf den Buckel zu schnallen, nachdem er es ein- für allemal verschworen gehabt habe! Der französische Gesandte müsse eine geschwinde Zunge haben, dass er ihn so überrumpelt habe!
Ach was, Zunge, sagte Knyphausen, einen vollen Beutel habe er. Er, Knyphausen, sei kein solcher Gimpel mehr, sich mit glatten Worten fangen zu lassen. Dann komme dazu, dass es ihn freue, dem Herzog Georg einen Tort zu tun.
Ob es denn Georg wirklich aufrichtig mit dem Kaiser halten wolle? fragte Wolf von Lüdingshausen. Es verlaute doch, es sei ihm nicht Ernst, und er erwarte nur eine Gelegenheit, wieder zu den Schweden abzuschwenken.
Einstweilen tue er ihnen aber Abbruch, wo er könne, sagte Knyphausen heftig, hätte dem Kaiser alle seine Regimenter zugeführt, wenn er Geld genug gehabt hätte. Saint-Chaumont habe einen Hass auf ihn, Oxenstierna desgleichen, werde sich nie wieder von ihm nasführen lassen. Er, Knyphausen, hoffe nur, dass sein Schwiegersohn sich nunmehr auch von ihm trennen werde.
Lüdingshausen geriet in Verlegenheit. Das sei leichter gesagt als getan, erwiderte er. Er habe nun einmal dem Herzog den Eid geleistet; dass der Herzog es jetzt mit dem Kaiser halte, ändere daran nichts, ohnehin könne es leicht wieder anders kommen.
Je dringender Knyphausen auf seinen Schwiegersohn einredete, desto fester versteifte sich dieser in seiner Meinung. Er sei gesonnen, sich in diesem Dilemma an das Nächste zu halten und bei seiner Soldatenpflicht zu bleiben. Tue er’s nicht, könne der Herzog sich empfindlich an ihm rächen.
Nun, so wolle er ihm denn sagen, fuhr Knyphausen zornig heraus, dass er Saint-Chaumont, dem französischen Gesandten, sein Wort verpfändet habe, Lüdingshausen werde ihm die Festung Minden übergeben. Wenn Lüdingshausen sich nicht dazu verstehen wolle, mache er ihn, seinen Schwiegervater, ehrlos.
Lüdingshausen fiel mit bleichem Gesicht in seinen Stuhl zurück und blieb eine Weile starr wie an allen Gliedern gelähmt, dann fuhr er sich mehrmals mit zitternden Händen über die Stirn und durch die Haare. Ob das Ernst oder Scherz sei? stammelte er endlich. Und was denn daraus werden solle?
Wenn Wolf vernünftig sei, könne etwas sehr Gutes daraus werden, sagte Knyphausen. Wegen Herzog Georg müsse er sich keine Gedanken machen, der habe es wahrlich nicht verdient. Ob denn Georg gegen die Schweden anders gehandelt habe? Schon den großen König Gustav habe er bei Lützen im Stiche gelassen, und nun habe er’s dem Oxenstierna nicht besser gemacht. Viel tausend ehrlicher Soldatenherzen wolle er dem jesuitischen Kaiser in die Hände spielen! Es nehme ihn wunder, dass Lüdingshausen Ritterehre und Seelenheil so wie einen schmutzigen Pfennig von einer Hand in die andere sollte wandern lassen. Übrigens sei die Meinung nicht, dass sie sich umsonst von den Franzosen gebrauchen ließen. Er habe es von Saint-Chaumont schwarz auf weiß, dass er alle die geistlichen Güter bekäme, die an sein Gütlein grenzten, und Lüdingshausen sei ja sein alleiniger Erbe.
Der Kommandant war während dieser Auseinandersetzung allmählich wieder ins Gleichgewicht gekommen. Wenn es denn sein müsse, sagte er, wolle er’s seinem Schwiegervater zuliebe tun. Es habe ihn ohnehin der Gedanke gewurmt, seine Glaubensgenossen könnten ihn einen Überläufer schelten.
Knyphausen legte ihm mit liebevoller Wucht die Hand auf die Schulter. Es werde ihn sicherlich nicht reuen, rief er aus, das Glück habe sich sowieso den Schweden wieder zugewendet. Wolf sei ihm ja lieb wie ein leiblicher Sohn, das Herz habe ihm geblutet, ihn auf der Seite der Widerwärtigen zu wissen. Nun sei er wieder vergnügt, Gott werde schon seinen Segen dazu geben.
Nachdem die beiden Herren verabredet hatten, wie die Übergabe der Festung ausgeführt werden sollte, begab sich Knyphausen nach Harburg, um die Obersten für den französisch-schwedischen Dienst zu gewinnen, die einstmals unter Herzog Georg gestanden hatten, dann, als dieser sich zum Prager Frieden neigte, sich von Speerreuter für Oxenstierna gewinnen ließen, nun aber wieder mit dem Herzog verhandelten, während Speerreuter sich ganz zurückgezogen hatte, im Stillen seinen Übertritt zum Kaiser vorbereitend.
Es war Anfang Dezember, Regen und Schnee fielen vermischt und lösten den Erdboden in einen trüben Brei auf; eine schmutziggelbe Farbe durchsickerte die Luft und machte sie dick und undurchsichtig. Von den Obersten, die die heiße Stube füllten, weigerte sich nur einer, die Bestallung anzunehmen, da er wegen seines kurz vorher dem Herzog gegebenen Wortes Gewissensbedenken habe.
Er werde sich doch nicht absondern, redete Knyphausen ihm zu. Die anderen Herren wären doch auch Soldaten von Ehre.
Das wohl, sagte der Oberst; aber der eine fühle es mehr, der andere weniger. Er habe an jenem Tage dem Herzoge zunächst gestanden und ihm den Handschlag gegeben, wenn er ja freilich so wenig wie die anderen das versprochene Geld empfangen habe. Er wolle es mit seinem Pfarrer besprechen.
Die Religion in Ehren, sagte der Feldmarschall, aber von Kriegswesen und soldatischer Ehre verständen die Theologen nichts. Das könne ihm übrigens jedes Kind sagen, dass er in schwedischem Dienst für sein ewiges Heil stritte, dass er sich aber die Hölle erhandelte, wenn er in Kaisers Dienst träte. Davon wolle er nicht reden, dass der Herzog von Lüneburg nie das Geld aufbringen würde, um sie auszuzahlen, vom Kaiser ganz zu schweigen. Mit diesen Worten schob der Feldmarschall dem Obersten den Vertrag hin und drückte ihm die Feder in die Hand, damit er unterschriebe.
Der Oberst blickte unschlüssig in das Dokument und fuhr plötzlich erschrocken zurück. Nie und nimmermehr werde er heute unterschreiben, rief er aus. Ob die Herren nicht wüssten, dass der 2. Dezember ein Unglückstag wäre? Es sei der Geburtstag des Judas Ischariot und der böseste Tag im Jahre.
Ein Tag sei wie der andere, sagte Knyphausen, man hänge nicht von Tagen, sondern von Gottes Willen und dem Glück ab.
Nein, nein, beharrte der Oberst, an einem solchen Tage gebe er seine Unterschrift nicht her, am wenigsten für eine so heikle Sache. Wenn eine Schlacht auf den Tag fiele, würde er zuvor sein Testament machen und sich dann in Gottes Namen abstechen lassen.
Wenn er denn durchaus nicht wolle, sagte Knyphausen, so wolle er ihm zuliebe den Vertrag auf morgen umschreiben lassen. Der Oberst müsse ihm aber die Hand darauf geben, dass er am folgenden Tage keine Sperenzen mehr machen wolle.
Aufatmend versprach es der Oberst, worauf die Herren für diesmal auseinandergingen und der Vertrag am nächsten Tage abgeschlossen wurde.