46.

Auf ei­nem Her­ren­hof an der We­ser hat­te Kny­phau­sen eine Zu­sam­men­kunft mit sei­nem Schwie­ger­sohn Wolf von Lü­dings­hau­sen, dem Kom­man­dan­ten der Fes­tung Min­den im Diens­te Her­zogs Ge­org von Lü­ne­burg. Lü­dings­hau­sen war voll Stau­nen, als er ver­nahm, dass Kny­phau­sen wie­der eine Be­stal­lung an­ge­nom­men habe. In sei­nem Al­ter, sag­te er, sich wie­der eine sol­che Last auf den Bu­ckel zu schnal­len, nach­dem er es ein- für al­le­mal ver­schwo­ren ge­habt habe! Der fran­zö­si­sche Ge­sand­te müs­se eine ge­schwin­de Zun­ge ha­ben, dass er ihn so über­rum­pelt habe!

Ach was, Zun­ge, sag­te Kny­phau­sen, einen vol­len Beu­tel habe er. Er, Kny­phau­sen, sei kein sol­cher Gim­pel mehr, sich mit glat­ten Wor­ten fan­gen zu las­sen. Dann kom­me dazu, dass es ihn freue, dem Her­zog Ge­org einen Tort zu tun.

Ob es denn Ge­org wirk­lich auf­rich­tig mit dem Kai­ser hal­ten wol­le? frag­te Wolf von Lü­dings­hau­sen. Es ver­lau­te doch, es sei ihm nicht Ernst, und er er­war­te nur eine Ge­le­gen­heit, wie­der zu den Schwe­den ab­zu­schwen­ken.

Einst­wei­len tue er ih­nen aber Ab­bruch, wo er kön­ne, sag­te Kny­phau­sen hef­tig, hät­te dem Kai­ser alle sei­ne Re­gi­men­ter zu­ge­führt, wenn er Geld ge­nug ge­habt hät­te. Saint-Chau­mont habe einen Hass auf ihn, Oxens­tier­na des­glei­chen, wer­de sich nie wie­der von ihm nas­füh­ren las­sen. Er, Kny­phau­sen, hof­fe nur, dass sein Schwie­ger­sohn sich nun­mehr auch von ihm tren­nen wer­de.

Lü­dings­hau­sen ge­riet in Ver­le­gen­heit. Das sei leich­ter ge­sagt als ge­tan, er­wi­der­te er. Er habe nun ein­mal dem Her­zog den Eid ge­leis­tet; dass der Her­zog es jetzt mit dem Kai­ser hal­te, än­dere dar­an nichts, oh­ne­hin kön­ne es leicht wie­der an­ders kom­men.

Je drin­gen­der Kny­phau­sen auf sei­nen Schwie­ger­sohn ein­re­de­te, de­sto fes­ter ver­steif­te sich die­ser in sei­ner Mei­nung. Er sei ge­son­nen, sich in die­sem Di­lem­ma an das Nächs­te zu hal­ten und bei sei­ner Sol­da­ten­pflicht zu blei­ben. Tue er’s nicht, kön­ne der Her­zog sich emp­find­lich an ihm rä­chen.

Nun, so wol­le er ihm denn sa­gen, fuhr Kny­phau­sen zor­nig her­aus, dass er Saint-Chau­mont, dem fran­zö­si­schen Ge­sand­ten, sein Wort ver­pfän­det habe, Lü­dings­hau­sen wer­de ihm die Fes­tung Min­den über­ge­ben. Wenn Lü­dings­hau­sen sich nicht dazu ver­ste­hen wol­le, ma­che er ihn, sei­nen Schwie­ger­va­ter, ehr­los.

Lü­dings­hau­sen fiel mit blei­chem Ge­sicht in sei­nen Stuhl zu­rück und blieb eine Wei­le starr wie an al­len Glie­dern ge­lähmt, dann fuhr er sich mehr­mals mit zit­tern­den Hän­den über die Stirn und durch die Haa­re. Ob das Ernst oder Scherz sei? stam­mel­te er end­lich. Und was denn dar­aus wer­den sol­le?

Wenn Wolf ver­nünf­tig sei, kön­ne et­was sehr Gu­tes dar­aus wer­den, sag­te Kny­phau­sen. We­gen Her­zog Ge­org müs­se er sich kei­ne Ge­dan­ken ma­chen, der habe es wahr­lich nicht ver­dient. Ob denn Ge­org ge­gen die Schwe­den an­ders ge­han­delt habe? Schon den großen Kö­nig Gu­stav habe er bei Lüt­zen im Sti­che ge­las­sen, und nun habe er’s dem Oxens­tier­na nicht bes­ser ge­macht. Viel tau­send ehr­li­cher Sol­da­ten­her­zen wol­le er dem je­sui­ti­schen Kai­ser in die Hän­de spie­len! Es neh­me ihn wun­der, dass Lü­dings­hau­sen Rit­ter­eh­re und See­len­heil so wie einen schmut­zi­gen Pfen­nig von ei­ner Hand in die an­de­re soll­te wan­dern las­sen. Üb­ri­gens sei die Mei­nung nicht, dass sie sich um­sonst von den Fran­zo­sen ge­brau­chen lie­ßen. Er habe es von Saint-Chau­mont schwarz auf weiß, dass er alle die geist­li­chen Gü­ter be­käme, die an sein Güt­lein grenz­ten, und Lü­dings­hau­sen sei ja sein al­lei­ni­ger Erbe.

Der Kom­man­dant war wäh­rend die­ser Aus­ein­an­der­set­zung all­mäh­lich wie­der ins Gleich­ge­wicht ge­kom­men. Wenn es denn sein müs­se, sag­te er, wol­le er’s sei­nem Schwie­ger­va­ter zu­lie­be tun. Es habe ihn oh­ne­hin der Ge­dan­ke ge­wurmt, sei­ne Glau­bens­ge­nos­sen könn­ten ihn einen Über­läu­fer schel­ten.

Kny­phau­sen leg­te ihm mit lie­be­vol­ler Wucht die Hand auf die Schul­ter. Es wer­de ihn si­cher­lich nicht reu­en, rief er aus, das Glück habe sich so­wie­so den Schwe­den wie­der zu­ge­wen­det. Wolf sei ihm ja lieb wie ein leib­li­cher Sohn, das Herz habe ihm ge­blu­tet, ihn auf der Sei­te der Wi­der­wär­ti­gen zu wis­sen. Nun sei er wie­der ver­gnügt, Gott wer­de schon sei­nen Se­gen dazu ge­ben.

Nach­dem die bei­den Her­ren ver­ab­re­det hat­ten, wie die Über­ga­be der Fes­tung aus­ge­führt wer­den soll­te, be­gab sich Kny­phau­sen nach Har­burg, um die Obers­ten für den fran­zö­sisch-schwe­di­schen Dienst zu ge­win­nen, die einst­mals un­ter Her­zog Ge­org ge­stan­den hat­ten, dann, als die­ser sich zum Pra­ger Frie­den neig­te, sich von Speer­reu­ter für Oxens­tier­na ge­win­nen lie­ßen, nun aber wie­der mit dem Her­zog ver­han­del­ten, wäh­rend Speer­reu­ter sich ganz zu­rück­ge­zo­gen hat­te, im Stil­len sei­nen Über­tritt zum Kai­ser vor­be­rei­tend.

Es war An­fang De­zem­ber, Re­gen und Schnee fie­len ver­mischt und lös­ten den Erd­bo­den in einen trü­ben Brei auf; eine schmut­zig­gel­be Far­be durch­si­cker­te die Luft und mach­te sie dick und un­durch­sich­tig. Von den Obers­ten, die die hei­ße Stu­be füll­ten, wei­ger­te sich nur ei­ner, die Be­stal­lung an­zu­neh­men, da er we­gen sei­nes kurz vor­her dem Her­zog ge­ge­be­nen Wor­tes Ge­wis­sens­be­den­ken habe.

Er wer­de sich doch nicht ab­son­dern, re­de­te Kny­phau­sen ihm zu. Die an­de­ren Her­ren wä­ren doch auch Sol­da­ten von Ehre.

Das wohl, sag­te der Oberst; aber der eine füh­le es mehr, der an­de­re we­ni­ger. Er habe an je­nem Tage dem Her­zo­ge zu­nächst ge­stan­den und ihm den Hand­schlag ge­ge­ben, wenn er ja frei­lich so we­nig wie die an­de­ren das ver­spro­che­ne Geld emp­fan­gen habe. Er wol­le es mit sei­nem Pfar­rer be­spre­chen.

Die Re­li­gi­on in Ehren, sag­te der Feld­mar­schall, aber von Kriegs­we­sen und sol­da­ti­scher Ehre ver­stän­den die Theo­lo­gen nichts. Das kön­ne ihm üb­ri­gens je­des Kind sa­gen, dass er in schwe­di­schem Dienst für sein ewi­ges Heil strit­te, dass er sich aber die Höl­le er­han­del­te, wenn er in Kai­sers Dienst trä­te. Da­von wol­le er nicht re­den, dass der Her­zog von Lü­ne­burg nie das Geld auf­brin­gen wür­de, um sie aus­zu­zah­len, vom Kai­ser ganz zu schwei­gen. Mit die­sen Wor­ten schob der Feld­mar­schall dem Obers­ten den Ver­trag hin und drück­te ihm die Fe­der in die Hand, da­mit er un­ter­schrie­be.

Der Oberst blick­te un­schlüs­sig in das Do­ku­ment und fuhr plötz­lich er­schro­cken zu­rück. Nie und nim­mer­mehr wer­de er heu­te un­ter­schrei­ben, rief er aus. Ob die Her­ren nicht wüss­ten, dass der 2. De­zem­ber ein Un­glücks­tag wäre? Es sei der Ge­burts­tag des Ju­das Is­cha­ri­ot und der bö­ses­te Tag im Jah­re.

Ein Tag sei wie der an­de­re, sag­te Kny­phau­sen, man hän­ge nicht von Ta­gen, son­dern von Got­tes Wil­len und dem Glück ab.

Nein, nein, be­harr­te der Oberst, an ei­nem sol­chen Tage gebe er sei­ne Un­ter­schrift nicht her, am we­nigs­ten für eine so hei­kle Sa­che. Wenn eine Schlacht auf den Tag fie­le, wür­de er zu­vor sein Te­sta­ment ma­chen und sich dann in Got­tes Na­men ab­ste­chen las­sen.

Wenn er denn durch­aus nicht wol­le, sag­te Kny­phau­sen, so wol­le er ihm zu­lie­be den Ver­trag auf mor­gen um­schrei­ben las­sen. Der Oberst müs­se ihm aber die Hand dar­auf ge­ben, dass er am fol­gen­den Tage kei­ne Spe­ren­zen mehr ma­chen wol­le.

Au­fat­mend ver­sprach es der Oberst, wor­auf die Her­ren für dies­mal aus­ein­an­der­gin­gen und der Ver­trag am nächs­ten Tage ab­ge­schlos­sen wur­de.