Bernhard von Weimar nahm seinen Helm ab und reichte ihn einem seiner Pagen mit der Bitte, er solle ihm aus dem Bache, der zwischen den Hügeln hinunterlief, Wasser schöpfen. Während er trank, kamen ein paar Offiziere herangeritten und riefen von weitem, der Werth sei auch gefangen, nun wären alle Vögel in der Schlinge. Bernhard erkundigte sich nach den Einzelheiten und sagte dann, es komme ihm wie ein Traum vor, ein solcher Sieg nach dem kürzlich erlittenen Unglück, wo er schon alles verloren gegeben hätte. Es sei wirklich, als habe Gott die Feinde mit Blindheit geschlagen. Sie wären in guter, gesicherter Stellung gewesen, hätten die Bauern im Schwarzwald kampfbereit zur Stelle gehabt, die ihnen Flanken und Rücken hätten frei halten können, sodass er den Überfall für ein fast desperates Stück gehalten hätte, zumal nach dem erlittenen großen Verlust.
Oberst Hatstein erwiderte, es wäre auch sicherlich Verrat im Spiele gewesen. Der Fürstenberg hätte nicht recht sekundieren wollen, möchte französisches Geld dahinterstecken.
Sie ritten jetzt über ein welliges, von kurzen Tannenhecken durchschnittenes Gelände, wo als eine Spur des heftigen Kampfes, der hier stattgefunden hatte, Tote und Verwundete lagen. Am Rande des Baches, wohin er sich geschleppt haben mochte, wand sich ein Mann mit der weimarischen Feldbinde am Arme in Todeskrämpfen. Warum kein Prediger zur Stelle sei? fragte Bernhard, die Brauen runzelnd, und sprang vom Pferde, um dem Unglücklichen selbst beizustehen. Er kniete neben ihm nieder, stützte seinen Kopf und wollte ihm zu trinken geben; aber der schüttelte den Kopf und sah den Herzog mit einem Blick an, der zu sagen schien, das diene ihm nicht mehr. Bernhard fragte, sich über ihn beugend, ob er fest im lutherischen Glauben sei und ob er seine Sünden bereue? Für den Glauben habe er gekämpft, ein Söldner des gerechten Gottes gegen den Antichristen, der Herr der Heeresscharen werde ihm die ewige Seligkeit zum Lohne geben. Während der Sterbende die brechenden Augen auf das über ihn geneigte Gesicht heftete, betete Bernhard mit fester Stimme: »Dass aber die Toten auferstehen, hat auch Moses gedeutet. Gott aber ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott; denn sie leben ihm alle.«
Die Offiziere standen entblößten und gesenkten Hauptes dabei und warteten, bis der Soldat verschieden war.
»Es ist viel gutes Soldatenblut geflossen«, sagte Bernhard, als sie wieder unterwegs waren, »aber ich will sorgen, dass es nicht umsonst für das Vaterland gewesen sei.« Er verfiel in ernste Gedanken, die niemand zu stören wagte. Nun es wieder aufwärtsginge, dachte er, und er den Fuß im Elsaß hätte, würde Richelieu alles aufbieten, um ihm die Beute zu entreißen. Dabei würde er sich auf den Vertrag stützen, den er, Bernhard, hatte eingehen müssen; ob mit Recht oder Unrecht, danach würde er nicht fragen. Dieser zweite Kampf würde nicht weniger erbittert sein als der, in dem er eben gesiegt hatte; er würde unablässig wachsam, unablässig auf der Hut sein müssen, sonst würde seine Arbeit Deutschland zum Fluch statt zum Segen werden. Es überlief sein Herz bitter, wenn er daran dachte, wie die Franzosen seine Schritte begleiteten, um wie die Harpyien1 der Sage auf das Mahl, das ihn ernähren sollte, herunterzustoßen und es selbst zu verschlingen. Nicht seine Schuld sei es, sagte er sich, wenn sein Streben missglückte, sondern die seiner Blutsverwandten und Mitfürsten, die ihn im Stiche ließen, beschränkte Sicherheit dem Strudel des Krieges vorziehend.
Am folgenden Morgen wurde ein Dankgottesdienst auf dem Schlachtfelde abgehalten. Es war ein milder Tag; die Luft schmeichelte sich gelind wie der Pelz junger Tiere über die rötlichbraunen Spitzen der Wälder, über das zertretene Gras, über die Türme von Rheinfelden und die knienden Soldaten. Nach der Predigt stimmte der Geistliche an: ›Ein feste Burg ist unser Gott‹, und alle sangen mit; die Töne marschierten wie eiserne Krieger gegen das Mordfeuer einer feindlichen Batterie.
Bernhard dachte an viele Stunden seiner Kindheit, wenn seine verstorbene Mutter, von mancherlei Unbill bedrängt, namentlich durch seinen misstrauischen und herrschsüchtigen Oheim und Vormund Johann Georg, als schöpfe sie Kraft daraus, dies Lied angestimmt und wie die starke, dunkle Stimme seine schwache, schwankende mit getragen hatte. Er glaubte die geistgewordene zu vernehmen, wie sie aus Gottes Herzen hervorquellend sich wiederum mit der des begnadeten Sohnes vereinte, und Tränen des Entzückens stiegen in seine Augen.
Zu dem Bankett, durch welches der Sieg gefeiert wurde, waren auch mit Ausnahme Speerreuters, der als Überläufer behandelt wurde, die gefangenen Offiziere geladen. Savelli erhielt seinem Range und Stande gemäß den Ehrenplatz an Bernhards Seite, Johann von Werth und Adrian Enkevort saßen ihnen gegenüber. Auf Bernhards höfliche Erkundigung, ob die Herren mit Unterkunft und Verpflegung zufrieden wären, antwortete Savelli, wenn sie nur an ihre eigene Bequemlichkeit dächten, könnten sie sich nichts Besseres wünschen, als zeitlebens Bernhards Gefangene zu sein, ganz abgesehen davon, dass selbst versuchte Soldaten von einem solchen Helden noch lernen könnten.
Diesmal hätten sie hauptsächlich lernen können, Glück zu haben, sagte Bernhard liebenswürdig; er habe selbst auf solchen Sieg nicht gerechnet.
Johann von Werth, der unmutigen Gesichts auf seinen Teller gestarrt hatte, warf einen grimmigen Blick auf Savelli und sagte, das wolle er wohl glauben; aber was der Herzog Glück nenne, heiße auf ihrer Seite Lotterei.
O nicht doch, sagte Savelli spöttisch, Werth sei zu hart gegen sich.
Ja, hart sei er gegen sich, fiel dieser rasch ein, aber anders, als Savelli meine. Als er zu Augsburg das Handbrieflein des Kaisers erhalten habe, der Herzog von Weimar ziele auf die österreichischen Vorlande, da habe er sich gerade die Kugel herausschneiden lassen, die ihm noch vom vergangenen Jahre her hinter dem Ohre gesteckt habe. Der vortreffliche Wundarzt habe gesagt, er dürfe beileibe nicht zum Heere gehn, bevor die Wunde ausgeheilt sei, sonst könne der Brand hineinschlagen und gar ein tödliches Ende erfolgen; aber er habe geantwortet, solange er Leben habe, wolle er es für den Kaiser einsetzen, die Bank halte Gott. Herzog Bernhards Diskretion und Tapferkeit in Ehren, hätte man seinerzeit auf ihn, Johann von Werth, gehört und ihn den Lauffenburger Pass verstärken lassen, so würde ihn der Herzog nicht haben nehmen können; aber man habe leider dem Grafen von Fürstenberg nachgegeben, der nicht gewollt habe, dass ihm ein braver deutscher Mann auf die Finger sähe. Wie sie dann die schöne Viktoria davongetragen hätten, das sei ja jedermann bekannt, und wie der Herzog von Savelli sich nach Rheinfelden gesetzt habe, als sei der Braten nun gar und brauche nur gefressen zu werden. Savelli werde sich wohl erinnern, wie er, Johann von Werth, noch am Vorabend gewarnt und das Unglück vorausgemalt habe; da ihm aber nur eine spitze Antwort zuteil geworden wäre, habe er das Maul zugeklappt und geschwiegen.
Nun, wenn Werth an die Sache rühre, sagte Savelli scharf, so wolle er jetzt bemerken, dass, wenn Werth sein Bedenken gebührlich vorgebracht hätte, er einen Kriegsrat berufen haben würde, um die Sache zu untersuchen. Das habe Werth aber nicht getan, sondern ohne Begründung gegen seine Anordnungen gemurrt, was er natürlich nicht beachtet habe; denn wenn er Werths Widerspruch und Brummen immer regardieren wollte, so würde er nicht einen Schritt vor den anderen setzen können. Werth stemme sich gegen alles, verderbe alles durch seinen Ungehorsam, und dem Rechte nach hätte er, Savelli, schon ganz anders mit ihm verfahren dürfen. Werth sei ohnehin beim Kurfürsten nicht gut angeschrieben, weil er nur seinem eigenen störrischen Willen nachginge und den Krieg wie ein Freibeuter mit Streif- und Raubzügen betriebe.
Wenigstens sei er noch nie davongelaufen, rief Werth. Herzog Bernhard selbst solle bezeugen, ob er je seinen Rücken gesehen hätte.
Nein, niemals, lachte Bernhard, außer bei der gestrigen Affäre.
Auch Savelli lächelte. Er habe geglaubt, sagte er, Kavaliere machten ihre Streitigkeiten untereinander mit dem Schwerte aus, nicht in Gesellschaft mit der Zunge.
Die Mahnung lasse er sich gefallen, rief Werth aufspringend laut und hitzig, er sei auf der Stelle bereit, die Sache auszutragen.
Nicht ohne Spott sagte Bernhard, er müsse die Herren erinnern, dass sie augenblicklich keine Schwerter hätten, und was ihn betreffe, so sei er froh, die Ursache zu sein, die zwei so ausgezeichnete Generale verhinderte, ihr Blut zu vergießen. Werth setzte sich wieder, und das Mahl nahm seinen Fortgang; aber der Wein brachte keine Fröhlichkeit, sondern erhitzte nur die vorhandene Wut und Rachsucht.
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