Um die Mitte des Juni kam Herzog Bernhard nach Pontarlier, um die endgültige Unterredung mit Guébriant zu haben, die doch einmal stattfinden musste. Erlach schrieb ihm aus Paris, dass seine Sendung nicht nach Wunsch verlaufe. Man bestehe auf der Oberhoheit über Breisach sowohl wie über alle von Bernhard noch zu machenden Eroberungen in Deutschland; davon werde alles abhängig gemacht. Bernhards Absicht, über den Rhein und an die Donau zu gehen, finde keinen Beifall, man habe nicht dazu Geld hergegeben. Er, Erlach, habe sich nur mit der Ausflucht helfen können, dass er über die betreffenden Punkte nicht instruiert sei. Für seine Person werde er mit Liebenswürdigkeit überhäuft und habe keinen Vorwand mehr gefunden, die Pension, die ihm aufgedrungen werde, zurückzuweisen. Dass Bernhard nicht nach Paris gekommen sei, habe Enttäuschung und Argwohn erregt. Guébriant sei neuerdings beauftragt, Bernhard dahin zu beeinflussen, dass er ihn, Guébriant, als Gouverneur nach Breisach setze, indem man darauf rechne, er könne es seinem Waffengenossen und Freunde nicht abschlagen; doch habe Guébriant Befehl, es nicht zum Bruche kommen zu lassen.
Auch von Hugo Grotius, dem Vertreter der schwedischen Interessen in Paris, erhielt Bernhard einen Hinweis auf die eigennützigen und verderblichen Absichten der französischen Regierung. Es sei ein Glück, schrieb dieser, dass Bernhard nicht nach Paris gekommen sei; wenn der französische Weihrauch ihn nicht betäubt hätte, so hätte leicht ein französischer Dolch der Schere der Parze zuvorkommen können. Nicht nur das Deutsche Reich, die ganze evangelische Christenheit blicke hoffend und vertrauend auf ihn; er sei berufen, den großen Gustav Adolf zu rächen und die Freiheit des Nordens auf sicheren Fels zu gründen.
So war denn für Bernhard der Augenblick gekommen, wo er die Maske abziehen und seinem gefährlichen Beschützer das freie Gesicht zeigen musste. Jener hatte die Löwenaugen schon blitzen gesehen und sich doch immer noch so angestellt, als liefe ihm ein treuer Jagdhund nach. Die Enthüllung wäre beglückend gewesen, wenn Bernhard Frankreichs nicht bedurft hätte; aber gerade jetzt, wo er einen großen entscheidenden Schlag wagen, Regensburg zurückerobern, den Kaiser herausfordern wollte, brauchte er französisches Geld.
Noch nie war er so erbittert gegen die evangelischen Fürsten gewesen, die nach seiner Meinung an diesem Verhängnis die Schuld trugen. Wäre er wenigstens Hessens und Lüneburgs sicher gewesen, so hätte er vielleicht Frankreich entbehren können. Sowie er in Pontarlier angekommen war, beglückwünschte er Banér wegen seines bei Chemnitz erfochtenen Sieges und fuhr dann fort: Er habe Banérs Vorwurf wohl verstanden, als habe er ihn im vergangenen Jahre nicht unterstützt und den Feind auf ihn abgewälzt; aber sein Gewissen spreche ihn frei, und wenn Banér bekannt wäre, mit was für Fratzen er sich hätte schlagen müssen, würde er vielmehr Mitleiden mit ihm tragen. Jetzt wolle er aller Welt sein aufrichtiges Gemüt zeigen, sein Herz schlage voll Ungeduld, mit Banér vereint etwas Entscheidendes zu unternehmen.
Dann schrieb er an die Landgräfin von Hessen: Die letzten von ihr empfangenen Nachrichten hätten ihn enttäuscht. Auf sie, die aus der Sündflut dieses Kriegs stets unerschüttert wie der heilige Berg Ararat gestiegen wäre, hätte er zuversichtlich gebaut; sollte es nun dahin gekommen sein, dass die Klagen der Feigen und Falschen, die nur ihr Privatwohl bedächten, ihr Herz erweicht hatten? Er begreife der Landesfürstin Sorge um ihr Land, das viel gelitten und geopfert hätte; es sei jedoch des Christen Natur, lieber alles Irdische als das höchste Gut verlieren zu wollen. Um Gottes und des Vaterlandes willen bitte er sie, sich nicht jetzt aus dem Kampfe zurückzuziehen, nun der Siegespreis endlich winke.
Er bedachte sich, ob er einige Worte hinzufügen sollte, die auf eine etwaige eheliche Verbindung zwischen ihm und der seit zwei Jahren verwitweten Landgräfin Bezug hätten; aber nachdem er eine Weile unschlüssig auf das Papier gestarrt hatte, faltete er es zusammen und petschierte es, ohne die Angelegenheit berührt zu haben.
Melander, dem hessischen General, dankte er für Versicherungen der Verehrung und Dienstfertigkeit. Auch er, Bernhard, hege Bewunderung für Melanders Taten und verspreche sich Großes von ihrem Zusammenwirken. Was Melander von einer dritten Partei im Reiche für Gedanken habe, komme ihm tiefsinnig und wichtig vor, nur halte er dafür, dass es noch verfrüht sein würde, sich auf Defension zu beschränken. Derlei Vermittelung könne leicht auf einen neuen Prager Frieden hinauslaufen, wodurch dann das Vaterland dem gemeinen Feinde in die Hände gespielt würde. Erst müsse das edle Kleinod der Freiheit erkämpft sein, dann werde der Friede von selber folgen, wie alles Leben dem Lichte nachstrebte.
Noch schrieb er an die Kurfürstin-Witwe Elisabeth von der Pfalz im Haag, damit sie ihren Bruder, den König von England, zu einer Geldhilfe vermöchte. Wenn sein Feldzug glückte, so schrieb er dem Kurprinzen Karl Ludwig, hoffe er ihn in sein Land wieder einsetzen zu können und würde dafür die Abtretung größerer pfälzischer Gebietsteile fordern, die sein neues Reich am Rhein abrunden sollten.
Die Feder lief nicht schnell genug für das Ungestüm von Bernhards Wünschen und Hoffen. Die Höhe des Sommers war bald erreicht, es musste schnell gehandelt werden, wenn die Aufgabe dieses Jahres erfüllt werden sollte. In vier Wochen musste der Rhein überschritten, womöglich die Vereinigung mit Banér vollzogen sein. Banér war herrisch, unlenksam, hochfahrend; aber solange ihr Wille auf das gleiche Ziel gerichtet war, würde das nicht stören. Dann würde er die alte Spur wieder betreten, die unheilvolle, die er als ein verhüllter Bettler, vom siegreichen Feinde aus dem Reiche gedrängt, gezeichnet hatte; aber jene auch, auf der er Regensburg erobert hatte.
Es schien ihm, als wäre er damals, vor sechs Jahren, noch jung und unerfahren gewesen. Wohl hatte er schon Entbehrungen, Enttäuschungen und Verluste erlitten gehabt; aber es war Frieden in seiner Brust gewesen.
Die Stunde war da, wo er diesen Frieden wiedergewinnen würde; ging er beherzt in den letzten schweren Kampf, so würde Gott ihm beistehen. Allen Angriffen, Vorwürfen und höflich eingekleideten Drohungen Guébriants setzte er die Erklärung entgegen, dass er das Elsaß mit Breisach als unbeschränktes Eigentum betrachte und sich auch in der testamentarischen Verfügung über die Nachfolge nicht binden lassen werde. Dazu verlangte er noch eine beträchtliche Erhöhung der französischen Hilfsgelder. Zwar beteuerte er mündlich und schriftlich gegen Guébriant seine treue Anhänglichkeit an den französischen König, doch verstand dieser des Herzogs Willen deutlich und meldete die wesentliche Veränderung in Bernhards Worten und Ton nach Hause. Richelieu geriet in Verlegenheit und vermochte nicht sofort einen Entschluss zu fassen. Verzichten wollte er nicht auf den Kampfpreis; aber war es klug, jetzt einen Bruch herbeizuführen, wo Bernhard siegreich und vergleichsweise mächtig war, wo er, wie man in Paris wohl wusste, Verbindungen mit Schweden und verschiedenen evangelischen Fürsten angeknüpft hatte? Ging man hingegen auf seine Forderungen ein, was würde die Folge davon sein? Würde die Vorsehung Frankreich ein zweites Mal im rechten Augenblick von einem undankbaren Schützling befreien?