An den ersten Oktobertagen kamen die Gäste zur Hochzeit des Johann Anton Eggenberg mit der brandenburgischen Prinzessin Anna Maria, welche in Regensburg gefeiert wurde. An der Stadtgrenze fand die erste Begegnung der Brautleute statt, wobei die Zuschauer eine Überraschung erlebten; während man erwartete, dass zu gleicher Zeit die Braut aus ihrer Kutsche und der Bräutigam vom Pferde stiege, um nach gleich viel zurückgelegten Schritten in der Mitte eines Teppichs aufeinanderzustoßen, blieb die Braut steif in ihrem Wagen sitzen, sodass der Bräutigam sich entschließen musste, wiewohl er es ersichtlich ungern tat, bis an die Kutsche heranzugehen. Man wollte bemerkt haben, dass die Prinzessin eine saure Miene machte und die Begrüßung des Bräutigams nur mit einem scharfen Kopfnicken erwiderte. Noch mehr fiel es auf, dass der vornehme sächsische Kavalier, welcher die Braut zu begleiten und dem Bräutigam zu übergeben hatte, diesen nach vollzogener Trauung in einer vortrefflichen, sehr anzüglichen Rede an seine Pflicht mahnte, die Prinzessin in Ausübung ihres Glaubens unperturbiert zu lassen; vollends aber, dass die Braut noch während des Banketts, vor Beginn des Tanzes, unter dem Vorwande schwächlicher Leibesbeschaffenheit von der Tafel aufstand und sich zu Bette legte.
Eggenberg zog den Oheim der Braut, den ehemaligen Administrator von Magdeburg, Christian Wilhelm, in eine Ecke und sagte vorwurfsvoll, hätte er den absonderlichen Charakter seiner Nichte gekannt, würde er sich nicht zur Heirat entschlossen haben. Sie lasse sich trotzig und mürrisch an, wolle ihm auch gar nicht schön vorkommen, Christian Wilhelm habe sie ihm anders geschildert. Dieser fuhr sich verzweifelt durch die Haare und bat, Eggenberg möge doch um Gottes willen Geduld haben, seine Nichte habe die leidigen ketzerischen Gewohnheiten an sich; wären die erst einmal abgestreift, so würden die Annehmlichkeiten desto glänzender hervorschauen. Dass sie nicht geschwätzig sei wie so manche Weiber, solle Eggenberg nur für gut halten; eine Frau, die immer widerbelle, hätten schon die Philosophen der alten Zeit mit Drachen und Furien verglichen.
Sie lasse aber den Mund so grämlich hängen, klagte Eggenberg weiter, das verderbe die gute Laune, mache auch dem Bräutigam wenig Ehre.
Ja, die Törin hätte wohl Ursache, einen solchen Bräutigam anzulachen, sagte Christian Wilhelm und lobte Eggenbergs prächtigen Aufzug, der ganz in weiße Seide mit Silberbesatz gekleidet war und in den Weichselzopf, der ihm am Ohr herabhing, ein Kleinod aus Rubinen und Diamanten verflochten trug, das auf mehrere tausend Reichstaler geschätzt wurde. Übrigens stehe Bräuten ein wenig Sprödigkeit und Schamhaftigkeit wohl an; aber es sei auch an dem, dass seine Nichte stets von zarter Gesundheit gewesen und wie ein junges Vögelein gehegt und behütet worden sei. Eggenberg wäre ja gottlob reich genug, dass sie Dienerschaft und Ärzte zur Pflege genug haben könne.
Wenn es sich wirklich so verhalte, sagte Eggenberg, dessen gutmutiges Gesicht sich wieder geglättet hatte, so wolle er sich zufriedengeben. Wenn sie nur keinen sauertöpfischen Charakter hätte, denn dagegen habe er eine besondere Abneigung, und auch die schuldige eheliche Liebe zu ihm trüge.
Ja, das wisse er bestimmt, die habe sie, sagte Christian Wilhelm eifrig. Es sei ganz gewiss nur jungfräuliche Scham und fürstlicher Anstand, dass sie sich so trocken anstellte. Sie habe ihm, Christian Wilhelm, bei der Begrüßung aufrichtig gedankt, dass er ihr einen so ansehnlichen Bräutigam verschafft hätte, habe auch über Tisch öfters verliebte Blicke nach Eggenberg geworfen. Eggenberg habe noch nicht viel Erfahrung, aber er, Christian Wilhelm, kenne sich aus, die Kalten und Spröden wären die Allerhitzigsten, dass es einem oft zu viel würde.
Davor sei ihm nicht bange, sagte Eggenberg vergnügt, er könne viel aushalten.
Nachdem sie hierüber eine Weile gelacht hatten und Eggenberg ganz besänftigt schien, suchte Christian Wilhelm das Schlafzimmer seiner Nichte auf und ließ mit Pochen und Bitten nicht nach, bis ihm aufgemacht wurde. Er setzte sich ein wenig zaghaft an ihr Bett, fragte nach ihrem Befinden und drückte seine Hoffnung aus, dass sie am folgenden Tage wiederhergestellt wäre, damit die Hochzeitsfeierlichkeiten ihren Fortgang nehmen könnten.
Da die Prinzessin nicht antwortete, fuhr er fort, es betrübe ihn, dass sie sich der Heirat, die er wie ein Vater für sie zurechtpraktiziert hätte, so wenig zu erfreuen scheine, und sprach von der Pflicht der Frau, ihren Eheherrn durch liebevolles, demütiges Betragen an sich zu fesseln, anstatt durch Trotz und bitterböses Maulen seinen Abscheu zu erregen.
Ihr sei an der abgöttischen Heirat nichts gelegen, sagte die Prinzessin, von deren Kopf die in dünne Zöpfe geflochtenen Haare wie lange harte Rattenschwänze abstanden; wenn er sie nicht wolle, gehe sie gern wieder heim.
Ach, sagte Christian Wilhelm, da rede das stachelige, rebellische Gemüt der Evangelischen aus ihr, unter denen sie aufgewachsen sei. Ihm sei es ja bekannt, er habe selbst mit beiden Füßen daringesteckt und müsse sich nur wundern, wie Gottes Barmherzigkeit die übeln Örter in lauter Lilienhügel hätte verwandeln können. Sie könne nichts dafür, ihre Eltern wären schuld, die sich gegen die göttlichen Zeichen verstockt hätten. Sie solle doch dankbar sein für das Glück, das er, Christian Wilhelm, ihr bereitet habe. Ob sie wirklich wieder nach Hause zurück möchte, wo sie sich oft kaum am Brot habe satt essen können? Wo manche Krämerfrau bessere Kleider als sie getragen habe! Wie viel Hemden sie gehabt habe, danach wolle er gar nicht fragen. Und jetzt könne sie mit Edelsteinen würfeln, wenn sie wolle! Ein Fingerzeig Gottes sei diese Heirat, der nach dem Himmel wiese, sie solle nur die Augen auftun und sehen. Für seine väterliche Treue ernte er nur schwarzen Undank, indem sie ihm vor allen Leuten Schande bereitete. Sie solle doch um Gottes und aller Heiligen willen ihr ketzerisches Genick nicht versteifen, sondern durch Lachen, Tanzen und verliebtes Wesen sich des Glückes und der Gnade würdig zeigen, womit sie überhäuft wäre.
Als Christian Wilhelm endlich innehielt und sich eine Träne abwischte, warf die Prinzessin einen frostigen Blick auf ihn und sagte: »Halt’s Maul!«, worauf sie sich umdrehte, die Bettdecke über sich zog und die Augen schloss.
Jedoch erschien sie am folgenden Tage beim Bankett und trug auch eine leidliche Miene zur Schau, sodass die Hochzeit in der üblichen Weise zu Ende gebracht werden konnte.