61.

An den ers­ten Ok­to­ber­ta­gen ka­men die Gäs­te zur Hoch­zeit des Jo­hann An­ton Eg­gen­berg mit der bran­den­bur­gi­schen Prin­zes­sin Anna Ma­ria, wel­che in Re­gens­burg ge­fei­ert wur­de. An der Stadt­gren­ze fand die ers­te Be­geg­nung der Braut­leu­te statt, wo­bei die Zuschau­er eine Über­ra­schung er­leb­ten; wäh­rend man er­war­te­te, dass zu glei­cher Zeit die Braut aus ih­rer Kut­sche und der Bräu­ti­gam vom Pfer­de stie­ge, um nach gleich viel zu­rück­ge­leg­ten Schrit­ten in der Mit­te ei­nes Tep­pichs auf­ein­an­der­zu­sto­ßen, blieb die Braut steif in ih­rem Wa­gen sit­zen, so­dass der Bräu­ti­gam sich ent­schlie­ßen muss­te, wie­wohl er es er­sicht­lich un­gern tat, bis an die Kut­sche her­an­zu­ge­hen. Man woll­te be­merkt ha­ben, dass die Prin­zes­sin eine sau­re Mie­ne mach­te und die Be­grü­ßung des Bräu­ti­gams nur mit ei­nem schar­fen Kopf­ni­cken er­wi­der­te. Noch mehr fiel es auf, dass der vor­neh­me säch­si­sche Ka­va­lier, wel­cher die Braut zu be­glei­ten und dem Bräu­ti­gam zu über­ge­ben hat­te, die­sen nach voll­zo­ge­ner Trau­ung in ei­ner vor­treff­li­chen, sehr an­züg­li­chen Rede an sei­ne Pf­licht mahn­te, die Prin­zes­sin in Aus­übung ih­res Glau­bens un­per­tur­biert zu las­sen; vollends aber, dass die Braut noch wäh­rend des Ban­ketts, vor Be­ginn des Tan­zes, un­ter dem Vor­wan­de schwäch­li­cher Lei­bes­be­schaf­fen­heit von der Ta­fel auf­stand und sich zu Bet­te leg­te.

Eg­gen­berg zog den Oheim der Braut, den ehe­ma­li­gen Ad­mi­nis­tra­tor von Mag­de­burg, Chris­ti­an Wil­helm, in eine Ecke und sag­te vor­wurfs­voll, hät­te er den ab­son­der­li­chen Cha­rak­ter sei­ner Nich­te ge­kannt, wür­de er sich nicht zur Hei­rat ent­schlos­sen ha­ben. Sie las­se sich trot­zig und mür­risch an, wol­le ihm auch gar nicht schön vor­kom­men, Chris­ti­an Wil­helm habe sie ihm an­ders ge­schil­dert. Die­ser fuhr sich ver­zwei­felt durch die Haa­re und bat, Eg­gen­berg möge doch um Got­tes wil­len Ge­duld ha­ben, sei­ne Nich­te habe die lei­di­gen ket­ze­ri­schen Ge­wohn­hei­ten an sich; wä­ren die erst ein­mal ab­ge­streift, so wür­den die An­nehm­lich­kei­ten de­sto glän­zen­der her­vor­schau­en. Dass sie nicht ge­schwät­zig sei wie so man­che Wei­ber, sol­le Eg­gen­berg nur für gut hal­ten; eine Frau, die im­mer wi­der­bel­le, hät­ten schon die Phi­lo­so­phen der al­ten Zeit mit Dra­chen und Fu­ri­en ver­gli­chen.

Sie las­se aber den Mund so gräm­lich hän­gen, klag­te Eg­gen­berg wei­ter, das ver­der­be die gute Lau­ne, ma­che auch dem Bräu­ti­gam we­nig Ehre.

Ja, die Tö­rin hät­te wohl Ur­sa­che, einen sol­chen Bräu­ti­gam an­zu­la­chen, sag­te Chris­ti­an Wil­helm und lob­te Eg­gen­bergs präch­ti­gen Auf­zug, der ganz in wei­ße Sei­de mit Sil­ber­be­satz ge­klei­det war und in den Weich­sel­zopf, der ihm am Ohr her­ab­hing, ein Klein­od aus Ru­bi­nen und Dia­man­ten ver­floch­ten trug, das auf meh­re­re tau­send Reichs­ta­ler ge­schätzt wur­de. Üb­ri­gens ste­he Bräu­ten ein we­nig Sprö­dig­keit und Scham­haf­tig­keit wohl an; aber es sei auch an dem, dass sei­ne Nich­te stets von zar­ter Ge­sund­heit ge­we­sen und wie ein jun­ges Vö­ge­lein ge­hegt und be­hü­tet wor­den sei. Eg­gen­berg wäre ja gott­lob reich ge­nug, dass sie Die­ner­schaft und Ärz­te zur Pfle­ge ge­nug ha­ben kön­ne.

Wenn es sich wirk­lich so ver­hal­te, sag­te Eg­gen­berg, des­sen gut­mu­ti­ges Ge­sicht sich wie­der ge­glät­tet hat­te, so wol­le er sich zu­frie­den­ge­ben. Wenn sie nur kei­nen sau­er­töp­fi­schen Cha­rak­ter hät­te, denn da­ge­gen habe er eine be­son­de­re Ab­nei­gung, und auch die schul­di­ge ehe­li­che Lie­be zu ihm trü­ge.

Ja, das wis­se er be­stimmt, die habe sie, sag­te Chris­ti­an Wil­helm eif­rig. Es sei ganz ge­wiss nur jung­fräu­li­che Scham und fürst­li­cher An­stand, dass sie sich so tro­cken an­stell­te. Sie habe ihm, Chris­ti­an Wil­helm, bei der Be­grü­ßung auf­rich­tig ge­dankt, dass er ihr einen so an­sehn­li­chen Bräu­ti­gam ver­schafft hät­te, habe auch über Tisch öf­ters ver­lieb­te Bli­cke nach Eg­gen­berg ge­wor­fen. Eg­gen­berg habe noch nicht viel Er­fah­rung, aber er, Chris­ti­an Wil­helm, ken­ne sich aus, die Kal­ten und Sprö­den wä­ren die Al­ler­hit­zigs­ten, dass es ei­nem oft zu viel wür­de.

Da­vor sei ihm nicht ban­ge, sag­te Eg­gen­berg ver­gnügt, er kön­ne viel aus­hal­ten.

Nach­dem sie hier­über eine Wei­le ge­lacht hat­ten und Eg­gen­berg ganz be­sänf­tigt schi­en, such­te Chris­ti­an Wil­helm das Schlaf­zim­mer sei­ner Nich­te auf und ließ mit Po­chen und Bit­ten nicht nach, bis ihm auf­ge­macht wur­de. Er setz­te sich ein we­nig zag­haft an ihr Bett, frag­te nach ih­rem Be­fin­den und drück­te sei­ne Hoff­nung aus, dass sie am fol­gen­den Tage wie­der­her­ge­stellt wäre, da­mit die Hoch­zeits­fei­er­lich­kei­ten ih­ren Fort­gang neh­men könn­ten.

Da die Prin­zes­sin nicht ant­wor­te­te, fuhr er fort, es be­trü­be ihn, dass sie sich der Hei­rat, die er wie ein Va­ter für sie zu­recht­prak­ti­ziert hät­te, so we­nig zu er­freu­en schei­ne, und sprach von der Pf­licht der Frau, ih­ren Ehe­herrn durch lie­be­vol­les, de­mü­ti­ges Be­tra­gen an sich zu fes­seln, an­statt durch Trotz und bit­ter­bö­ses Mau­len sei­nen Ab­scheu zu er­re­gen.

Ihr sei an der ab­göt­ti­schen Hei­rat nichts ge­le­gen, sag­te die Prin­zes­sin, von de­ren Kopf die in dün­ne Zöp­fe ge­floch­te­nen Haa­re wie lan­ge har­te Rat­ten­schwän­ze ab­stan­den; wenn er sie nicht wol­le, gehe sie gern wie­der heim.

Ach, sag­te Chris­ti­an Wil­helm, da rede das sta­che­li­ge, re­bel­li­sche Ge­müt der Evan­ge­li­schen aus ihr, un­ter de­nen sie auf­ge­wach­sen sei. Ihm sei es ja be­kannt, er habe selbst mit bei­den Fü­ßen dar­in­ge­steckt und müs­se sich nur wun­dern, wie Got­tes Barm­her­zig­keit die übeln Ör­ter in lau­ter Li­li­en­hü­gel hät­te ver­wan­deln kön­nen. Sie kön­ne nichts da­für, ihre El­tern wä­ren schuld, die sich ge­gen die gött­li­chen Zei­chen ver­stockt hät­ten. Sie sol­le doch dank­bar sein für das Glück, das er, Chris­ti­an Wil­helm, ihr be­rei­tet habe. Ob sie wirk­lich wie­der nach Hau­se zu­rück möch­te, wo sie sich oft kaum am Brot habe satt es­sen kön­nen? Wo man­che Krä­mer­frau bes­se­re Klei­der als sie ge­tra­gen habe! Wie viel Hem­den sie ge­habt habe, da­nach wol­le er gar nicht fra­gen. Und jetzt kön­ne sie mit Edel­stei­nen wür­feln, wenn sie wol­le! Ein Fin­ger­zeig Got­tes sei die­se Hei­rat, der nach dem Him­mel wie­se, sie sol­le nur die Au­gen auf­tun und se­hen. Für sei­ne vä­ter­li­che Treue ern­te er nur schwar­zen Un­dank, in­dem sie ihm vor al­len Leu­ten Schan­de be­rei­te­te. Sie sol­le doch um Got­tes und al­ler Hei­li­gen wil­len ihr ket­ze­ri­sches Ge­nick nicht ver­stei­fen, son­dern durch La­chen, Tan­zen und ver­lieb­tes We­sen sich des Glückes und der Gna­de wür­dig zei­gen, wo­mit sie über­häuft wäre.

Als Chris­ti­an Wil­helm end­lich in­ne­hielt und sich eine Trä­ne ab­wisch­te, warf die Prin­zes­sin einen fros­ti­gen Blick auf ihn und sag­te: »Hal­t’s Maul!«, wor­auf sie sich um­dreh­te, die Bett­de­cke über sich zog und die Au­gen schloss.

Je­doch er­schi­en sie am fol­gen­den Tage beim Ban­kett und trug auch eine leid­li­che Mie­ne zur Schau, so­dass die Hoch­zeit in der üb­li­chen Wei­se zu Ende ge­bracht wer­den konn­te.