Am Abend des letzten August wurde der Himmel gelb, die Sonne erblich zu einer fahlen Scheibe und verschwand, und die auf den Zelten des kaiserlichen Lagers aufgerichteten Wimpel und Fahnen flatterten plötzlich auf, als wollten sie hastig Zeichen drohender Gefahr geben. Dann erhob sich Sturm; er lauerte geduckt und kam mit einem Sprunge wie ein Raubtier, das sich auf weichen Tatzen nahegeschlichen hat, um sich laut aufbrüllend auf das überraschte Opfer zu werfen. In Staubwirbeln flogen Mützen und Bänder durch die Luft, man hörte die Wälder von den Hügeln her rauschen und das Wiehern der geschreckten Pferde. Nach einer halben Stunde legte sich der jähe Wind, und im Lager begann man über die sonderbare Erscheinung zu reden.
Wenn es nur nichts Hässliches zu bedeuten hätte, sagte Generalfeldwachtmeister von Beck. Sie säßen ohnehin fast wie Daniel in der Löwengrube.
So schlimm sei es nicht, sagte Piccolomini. Der Feind sei doch nicht besser daran als sie, eher schlechter, es verlaute ja, dass sie sich selbst bei den Köpfen hätten. Übrigens sei doch ein Wind kein portentum; er sähe ihn schlechtweg für ein verschlagenes Gewitter an.
Beck pfiff durch die Zähne und blickte nach dem Himmel; denn sie standen vor dem Zelte. Gewitter? wiederholte er. Da müsste man doch Blitz und Donner vernommen haben. Es habe auch keine absonderliche Hitze vorher geherrscht. Er wisse nur so viel, dass vor der unglücklichen Leipziger Schlacht Anno 1631 auch ein heftiger Wind eingefallen sei, der jedermann in Erstaunen gesetzt hätte und den man hernach, als das Unglück geschehen sei, auch leicht hätte deuten können.
Piccolomini war im Begriff, sich über die Ursachen des Verlustes dieser Schlacht auszusprechen, als ein Leutnant kam und berichtete, bei seinem Bataillon habe sich ein Wunder begeben. Die Spitzen mehrerer Hellebarden, die die Soldaten nach ihrer Art über Kreuz in die Erde gesteckt hätten, wären unter dem Sturm gleichsam lebendig und feurig geworden und hätten dermaßen hin und her gezüngelt, dass sie hüpfenden Irrlichtern geglichen hätten. Es herrsche infolgedessen große Niedergeschlagenheit bei den Leuten, obgleich einige meinten, es deute auf ein blutiges Treffen und reiche Beute. Er erlaube sich vorzuschlagen, man könne den Warner darüber befragen, den sie bei Chemnitz gefangen hätten, der ein berühmter Prophet und Wahrsager sein solle und dem König von Schweden alle seine Siege und auch andere Geheimnisse vorausgesagt hätte.
Ja, sagte Piccolomini, er wolle sich den Menschen gern einmal ansehen, man solle ihn vorführen.
Während Warner erwartet wurde, sagte Piccolominis Beichtvater, er halte es nicht für richtig, dass man einen Ketzer, der vermutlich ein gefährlicher Betrüger oder gar Hexenmeister sei, sich zeigen ließe, als ob man ihn für einen Wundertäter hielte. Wenn er seine untertänige Gesinnung äußern dürfe, so sei der Tau der Piccolominischen Großmut in diesem Falle auf ein schädliches Giftkraut gefallen, das man lieber ausrotten sollte.
Nein, er sei kein Herodes, lachte Piccolomini, und könne den gemeinen Bauernkerl auch nicht für schädlich halten. Der verstorbene König von Schweden habe ihn ja mitgeführt und gut gehalten, also müsse doch etwas daran sein. Etwa könne er, Piccolomini, auch von ihm profitieren.
Nach einer Weile wurde Warner vorgeführt, der, als er gesehen hatte, dass es kein Entrinnen gab, gutwillig, aber in großer Angst mitgekommen war und Gebete vor sich hinmurmelte. Mit einem verstohlenen Blick den Feldherrn herauskennend, warf er sich Piccolomini zu Füßen, hob die Hände auf und flehte um Gnade.
Er solle aufstehen, sagte Piccolomini, es geschehe ihm nichts zuleide. Wenn er der Prophet sei, für den er sich ausgebe, so solle er erklären, was das eben vorgefallene Unwetter zu bedeuten habe.
Er sei ja gar kein Prophet, jammerte Warner, und es sei ganz gewiss nicht seine Schuld, dass man es von ihm sage. Er wisse wohl, dass Prophezeien eine verbotene Sünde sei, und habe viel zu viel Ehrfurcht vor hohen Herrschaften, als dass er sich mit seiner Wenigkeit so hoher Dinge unterfangen würde.
Der verstorbene König von Schweden, sagte Piccolomini, habe ihn doch aber deswegen mitgeführt, und es sei allbekannt, dass er seinen letzten Sieg und Tod richtig vorhergesagt habe.
Er wisse nichts davon, meinte der Bauer, bei Gott und seiner Seligkeit, er wisse es nicht. Wenn er es getan hätte, so habe er es nicht mit Willen und Absicht getan. Allerdings möchte es sein, dass Gott ihn ausersehen habe, um ihm in Träumen seinen Willen zu offenbaren, denn der unerforschliche Ratschluss Gottes bediene sich zuweilen unscheinbarer und niederträchtiger Gefäße; aber es geschehe ohne sein Zutun, und er getröste sich, dass ein so herrlicher Fürst wie Piccolomini es ihn nicht werde entgelten lassen.
Es solle ihm nichts zuleide geschehen, sagte Piccolomini; wenn er ihn hätte wollen hängen lassen, so hätte er es längst getan. Es solle ihm im Gegenteil ein gutes Handgeld gereicht werden, wenn er die Wahrheit über das Unwetter bekenne.
Der Bauer verdrehte sich nach allen Seiten und sagte, Gott habe ihm, dem unwürdigen Gefäß, zwar mancherlei offenbart, aber insgeheim; denn die Menschen wären viel zu böse, um die Warnungen zu verstehen. Wenn er denn aber durchaus reden solle, so habe der Sturm ganz sicherlich ein Zeichen der Warnung sein sollen, damit die Menschen, namentlich die Soldaten und die Bauern, vom Huren und Saufen abließen; was es aber insbesondere zu bedeuten hätte, das wäre nichts anderes, als dass Gott im Sinne hätte, einem hohen Haupte das Lebenslicht auszublasen. Er wolle sich aber lieber die Zunge ausreißen und die Ohren abschneiden lassen, als dass er verriete, wer das sei; denn er habe überhaupt nicht freiwillig prophezeit, und es könne sich auch leicht alles ganz anders verhalten.
Jetzt nahm Beck das Wort und drang ernstlich in Warner, wenigstens zu sagen, ob das hohe Haupt auf kaiserlicher, französischer oder schwedischer Seite oder wo sonst fallen würde; worauf Warner nach vielem Seufzen und Augenverdrehen sagte, kaiserlicherseits habe Gott nichts verlauten lassen, es werde also wohl die Schweden angehen.
Nachdem Warner abgeführt war, unterhielten sich die Herren über ihn, indem Beck begeistert erklärte, er habe allerdings die Allüren und Qualitäten eines wahren Propheten, wohingegen Piccolomini fand, er sehe nicht anders als ein guter, dummer Bauernkerl aus, und der Beichtvater dabei blieb, er sei ein Teufelskind, und das Unwetter sei vielleicht deshalb gekommen, weil sie einen solchen abgefeimten Erzketzer mit sich herumschleppten. Piccolomini entschied, er wolle ihn bei nächster Gelegenheit laufen lassen, bis dahin solle er so gut wie die anderen Gefangenen gehalten werden. Man könne nicht wissen, ob er nicht etwa doch zaubern könnte, und wenn er ein Narr sei, was er für wahrscheinlicher hielte, so pflege er sich an dergleichen Kreaturen auch nicht zu vergreifen.