72.

Kur­fürst Jo­hann Ge­org war über Banérs Tod sehr er­freut und mach­te sich den Spaß, sei­ne Frau und sei­nen äl­tes­ten Sohn, die ent­ge­gen­ge­setz­ter Stim­mung wa­ren, aus­führ­lich da­von zu un­ter­hal­ten. Gott sei ge­recht, sag­te er, und gebe zu­letzt ei­nem je­den nach Ver­dienst. Mit Banér habe er lan­ge zu­ge­war­tet, um ihn end­lich de­sto ab­scheu­li­cher hin­fah­ren zu las­sen.

Ein­mal müss­ten frei­lich alle Men­schen ster­ben, sag­te die Kur­fürs­tin ab­leh­nend. Ein­mal, ja, sag­te der Kur­fürst scharf, aber es fra­ge sich, wann. Gu­stav Adolf habe es auch er­fah­ren müs­sen, als er vor­wit­zig nach Deutsch­land ge­kom­men sei und das Kriegs­feu­er an­ge­zün­det habe.

Ge­löscht habe er es! rief die Kur­fürs­tin un­wil­lig er­rö­tend.

Der Kur­fürst lach­te. Ge­löscht! Eine hüb­sche Be­zeich­nung, das müs­se man sa­gen, nach­dem das gan­ze Reich und nicht zum we­nigs­ten Sach­sen seit mehr als zwan­zig Jah­ren in Flam­men stün­de.

Um die Strei­ten­den ab­zu­len­ken, frag­te der Kam­mer­herr Tau­be, ob der Kur­fürst sich des Bau­ern War­ner ent­sin­ne, der frü­her ein­mal am Hofe ge­weis­sagt habe? Der­sel­be habe, ei­nem glaub­haf­ten Gerücht zu­fol­ge, im kai­ser­li­chen La­ger den Tod Banérs rich­tig vor­aus­ge­sagt.

Ja, das sei ja der Gal­gen­vo­gel, rief der Kur­fürst, der sich falscher Pro­phe­zei­un­gen über die Stadt Mag­de­burg un­ter­stan­den habe! Wenn er ihn be­käme, den lie­ße er aus­peit­schen. Und den Tod Banérs habe er pro­phe­zeit? Wie denn das zu­ge­gan­gen sei?

Der Kam­mer­herr er­zähl­te, was er da­von wuss­te, und dass kürz­lich meh­re­re War­ner­sche Pro­phe­zei­un­gen im Druck aus­ge­gan­gen wä­ren, die er dem Kur­fürs­ten vor­le­sen wol­le, wenn die­ser es er­laub­te.

Wäh­rend der Kur­fürst sich be­hag­lich in sei­nem Ses­sel zu­recht­setz­te, zog der Kam­mer­herr ein be­druck­tes Blatt aus der Ta­sche und las: wie die Men­schen böse und sünd­haft wä­ren, wes­we­gen Gott zu­wei­len War­nun­gen aus­lie­ße, um sie zu bes­sern, dass die Men­schen die­se aber nicht ver­stän­den, und weil sie es nicht ver­dien­ten, ge­warnt zu wer­den, wür­de er, War­ner, sich das, was Gott ihm hin und wie­der of­fen­bar­te, auch nicht mit Zan­gen ent­rei­ßen las­sen.

Der Kur­fürst fuhr ent­rüs­tet von sei­nem Ses­sel in die Höhe. Ja, warum der Kerl denn Bü­cher dru­cken lie­ße? Das hei­ße doch die Leu­te zum Nar­ren hal­ten! Wenn er den War­ner nur hät­te, er woll­te ihm sei­ne War­nun­gen schon her­aus­kar­bat­schen! Ei­nem erst das Maul wäs­sern zu ma­chen und dann lee­re Schüs­seln vor­zu­set­zen!

Nein, nein, sag­te der Kam­mer­herr be­gü­ti­gend, so sei es nicht ge­meint, es kom­me schon noch et­was; und fuhr dann fort zu le­sen: War­ner habe sich doch end­lich er­wei­chen las­sen und tei­le nun von sei­ner ge­hei­men Wis­sen­schaft ei­ni­ges mit, näm­lich ers­tens, den Re­gens­bur­ger Reichs­tag be­tref­fend, so sei das ein Baum mit vie­len Blät­tern, aber ohne Früch­te, in dem zwar viel ge­schwatzt und ge­rat­schlagt wer­de, aber kein Nut­zen dar­aus kom­men wür­de.

Hier schlug der Kur­fürst vor Ver­gnü­gen mit bei­den Hän­den auf die Arm­leh­nen sei­nes Ses­sels. Das sei ein­mal wahr und gut pro­phe­zeit, sag­te er tri­um­phie­rend; das­sel­be habe er auch dem Lob­ko­witz geant­wor­tet, als der ihn tri­bu­liert hät­te, in Per­son auf den Reichs­tag zu kom­men. Die Spei­sen, die auf dem Reichs­tag ge­kocht wür­den, habe er zu Lob­ko­witz ge­sagt, habe er schon oft ge­kos­tet, aber ge­mun­det hät­ten sie ihm noch nie­mals, und da­bei sei er ge­blie­ben und habe ja auch recht ge­habt. Ein hüb­sches Mäu­schen habe der Berg bis jetzt aus sei­nem Bauch ge­las­sen: den Lob­ko­witz und den Eg­gen­berg hät­ten sie zu Fürs­ten kre­i­ert. Än­dern kön­ne er es nicht; aber er, Jo­hann Ge­org, wer­de sich nie­mals auf die­sel­be Bank mit den neu­mo­di­schen Fürs­ten set­zen.

Der Kam­mer­herr sag­te, ihm kom­me die Pro­phe­zei­ung über den Reichs­tag auch sehr ar­tig vor, und las wei­ter. Das Haus Ös­ter­reich wer­de vom Herrn nicht gänz­lich ver­wor­fen, son­dern wie­der zu Gna­den an­ge­nom­men wer­den, in der Mei­nung, dass es sich be­kehr­te. Wenn es sich aber nicht be­kehr­te, so wer­de Gott es zwar ver­wer­fen, aber nicht gänz­lich ver­las­sen, son­dern ihm zur Stra­fe für sein Po­chen und Trot­zen den Thron et­was tiefer her­un­ter­set­zen.

Die Kur­fürs­tin seufz­te, und der Kur­fürst brumm­te, ihm sei es gleich, der Kai­ser sol­le jetzt selbst zu­se­hen; so lan­ge habe er ihm ge­hol­fen und doch kei­nen Dank da­von ge­habt, nun dür­fe ihm kei­ner mehr von den Kriegs­hän­deln re­den, oder er re­de­te gern um­sonst; denn er habe sich die Ohren ver­stopft.

Was den Frie­den be­tref­fe, las Tau­be wei­ter, so habe es da­mit noch gute Wei­le, ein­mal weil Deutsch­land noch nicht ge­nug ge­straft wäre; wenn aber auch die Deut­schen Frie­den ma­chen woll­ten, so wür­de Schwe­den et­was da­wi­der ha­ben oder viel­leicht auch Frank­reich, oder es kön­ne auch der tür­ki­sche Sul­tan sein.

In Ame­ri­ka wer­de im nächs­ten Jahr ein großes Erd­be­ben statt­fin­den und in Chi­na und Ja­pan viel Blut ver­gos­sen wer­den. Was aber das an­be­lan­ge, dass in Per­si­en ein schwan­ge­res Weib ein Kind ohne Va­ter er­zeugt habe, wel­ches schon in der ers­ten Stun­de ge­spro­chen und al­ler­lei Selt­sa­mes pro­phe­zeit habe, so wol­le er, War­ner, das da­hin­ge­stellt sein las­sen, ob­wohl es ihm er­stun­ken und er­lo­gen zu sein schei­ne. Soll­te es aber wahr sein, so habe es große Ka­ta­stro­phen und Ver­än­de­run­gen zu be­deu­ten, mit de­nen Gott, aus Zorn über die un­leid­li­che Bos­heit der Men­schen, die Welt zu über­zie­hen ge­den­ke.

Ein Kind ohne Va­ter! schrie der Kur­fürst. Das wä­ren schel­mi­sche Lü­gen! Es kön­ne ja nicht ein­mal ein Huhn ohne Hahn ein rech­tes Ei le­gen!

Die Kur­fürs­tin wies auf den Hei­land hin, wel­cher auch nur durch ein Weib mit Hil­fe des Hei­li­gen Geis­tes er­zeugt sei, wor­über der Kur­fürst sich är­ger­te, so­dass er sag­te, die Jung­frau Ma­ria sol­le sie lie­ber nicht an­zie­hen, son­dern den leicht­gläu­bi­gen Ka­tho­li­ken über­las­sen.