Nach dem blutigen Treffen um die Festung Wolfenbüttel waren die Kaiserlichen, die trotz der großen Verluste nichts erreicht hatten, in verdrießlicher Stimmung, besonders Piccolomini wurmte die Niederlage; aber er trug die ihm eigene unbekümmerte Laune nachdrücklich zur Schau.
Etwa zwei Tage nach der Schlacht bahnte sich der bayrische General Geleen den Weg zu ihm, den Diener beiseite schiebend, der ihn verhindern wollte. »Was gibt es?« fragte Piccolomini, mit gespieltem Erschrecken von einem Ruhebett aufstehend. »Ist der Feind in Sicht?«
Geleen zuckte geringschätzig die Achseln und sagte, er habe Dringendes mit Piccolomini zu sprechen.
Es wäre wohl nicht so dringend, sagte Piccolomini, dass deswegen sein Mittagsschlaf hätte unterbrochen werden müssen.
Er sei bereits vor einer Stunde dagewesen, sagte Geleen. Inzwischen hätte Piccolomini nach seiner Meinung ausschlafen können.
Er pflege zu schlafen, bis er aufwachte, sagte Piccolomini. Er habe das Recht, glaube er, seine Gewohnheiten zu halten.
Was ihn betreffe, sagte Geleen, so habe er die Gewohnheit, das Warten nicht ertragen zu können. Er wolle sich erkundigen, ob es wahr sei, dass Piccolomini in seinem Schlachtbericht den Verlauf so dargestellt hätte, als habe das bayrische Fußvolk auf dem linken Flügel das Zeichen zur Flucht gegeben? Das wolle er nur wissen!
Wer ihm das gesagt habe? fragte Piccolomini.
Das tue nichts zur Sache, antwortete Geleen. Er wolle nur die Tatsache feststellen.
Das lasse sich an wie ein Verhör! brauste Piccolomini auf.
Immerhin! sagte Geleen. In einer Sache, die seine Ehre betreffe, lasse er nicht mit sich spielen.
Nun denn, sagte Piccolomini, aus dessen braunen Augen Wut und Rachsucht blitzten, die Schlachtberichte pflege sein Sekretär auszufertigen; aber wenn Geleen seine Meinung wissen wolle, so sei der große Angriff Guébriants auf den linken Flügel allerdings das punctum saliens der Schlacht gewesen, und wenn das bayrische Fußvolk diesen Angriff besser refüsiert hätte, so würde der Ausgang anders gewesen sein.
Geleen fuhr sich, vor Entrüstung zitternd, in die Haare. Das sei ja zum Auseinanderbersten! rief er. Über solchen Verdrehungen müsste ja der Himmel einfallen! Ihm ins Angesicht wage Piccolomini das zu sagen? Wo Piccolomini trotz seiner Warnung die offene Feldschlacht gegen den überlegenen Feind in günstiger Stellung gewollt und dadurch das Unglück herausgefordert hätte! Man brauchte ja nur die Toten auseinanderzulesen, um zu sehen, wo am tapfersten gekämpft worden wäre; er habe ja fast kein Fußvolk mehr.
Wenn er recht gehört hätte, sagte Piccolomini mit der Hand am Degen, so wolle Geleen ihn der Lüge zeihen?
Ja, ja, rief Geleen, einer von ihnen müsse hin werden!
Er stehe zu Diensten, sagte Piccolomini; Geleen solle seine Ungeduld nur bezähmen, bis sie draußen wären, hier sei es etwas eng. Er wisse einen angenehmen Platz unter hohen Bäumen an einem Teich, wo es schattig sei.
Sie waren im Begriff aufzubrechen, als Erzherzog Leopold Wilhelm eintrat und, die Lage überblickend, freundlich sagte: Da gebe es wohl ein kleines Missverständnis? Nun, dann sei er ja im rechten Augenblick gekommen; Missverständnisse zwischen so vortrefflichen, unentbehrlichen Generalen müssten geschlichtet werden können. Sie wüssten, dass er sie beide gleich hochschätze, und würden ihn deshalb gern als Schiedsrichter annehmen. Sein kaiserlicher Bruder würde ihm einen Vorwurf machen, wenn er geschehen ließe, dass so unersetzlichen Kriegshäuptern etwas zustieße.
Sowohl Geleen wie Piccolomini waren unwillig über die Störung, hielten aber der unbefangenen Gemütlichkeit des Erzherzogs gegenüber an sich.
Dieser setzte sich, zog einen Brief aus der Tasche und sagte, da sei eben ein Schreiben von den braunschweigischen Herzögen eingelaufen, sie entschuldigten sich mit flehentlichen Worten, dass ihre Truppen am Kampfe teilgenommen hätten; sie hätten nach wie vor die Absicht, sich defensiv zu verhalten, die vorgefallene Betätigung ihrer Truppen sei nicht als Konjunktion, sondern als eine zufällige Verwickelung aufzufassen.
Nach seinem Dafürhalten, sagte Geleen, sollte man diese braunschweigischen Schelme als Rebellen traktieren, die sie wären.
Die rühmlich bekannte Milde des hohen Erzhauses, sagte Piccolomini, vergriffe sich hier allerdings wohl ein wenig. Hätte man Anno 1625 Wolfenbüttel dem seligen Pappenheim oder Tilly gegeben, so wäre man wegen dieser Länder jetzt besser versichert.
Ja, ja, lachte der Erzherzog, die Braunschweiger hätten damals einen mächtigen Fürsprecher gehabt, den es vielleicht jetzt selbst gereue. Nun, so viel er urteilen könne, ließen sich die ärgsten Nachteile vielleicht wieder einbringen. Die Kundschafter meldeten, dass es beim Feinde kopfüber, kopfunter zuginge. Das schwedische Heer löse sich auf, ein paar Obersten wären bestimmt auf die kaiserliche Seite gebracht. Mit Schweden wollten sie alle nichts zu tun haben. Gott habe den Banér doch auch nicht umsonst sterben lassen, jetzt müsse nur ein wenig nachgeholfen werden, dann liege der tönerne Koloß am Boden.
Geleen kraute sich verlegen in den Haaren. Wenn man nur den neuen Kurfürsten von Brandenburg gewinnen könnte, sagte er nach einer Pause; aber dessen Ratgeber legten sich alle auf die schwedische Seite.
Es sei merkwürdig, seufzte der Erzherzog, dass alle Ketzer ein unfriedfertiges Gemüt hätten. Was für Nutzen hätten sie davon? Was ihn betreffe, so sei er des Krieges schon herzlich müde.
Ja, sagte Piccolomini, wenn alle Menschen so engelgleicher Sinnesart wären wie der Erzherzog, würde die Welt leicht zu regieren sein.
Unter den Siegern herrschte nicht mindere Niedergeschlagenheit. Guébriant berichtete über den errungenen Vorteil nach Paris, rühmte die Tapferkeit verschiedener Offiziere und schrieb den glücklichen Ausgang hauptsächlich dem Fehler der Gegner zu, sie in gesicherter Stellung angegriffen zu haben. Im ganzen sei seine Lage durch den Sieg nicht gebessert. Nur durch täglich neu aufgewendete Kunst vorsichtig verteilter Überredung und Drohung könne er die Weimaraner bei dem Vertrage festhalten. Wenn das Geld nicht geliefert würde, das man vertragsgemäß schulde und worauf er immer wieder vertröstete, sehe er vor sich, dass er nicht nur sein Leben, sondern auch seine Ehre in Deutschland würde lassen müssen. Er habe drei Jahre lang unter Entbehrungen und Demütigungen ausgeharrt, von denen man in Frankreich keine Vorstellung hätte: nun bitte er um seinen Abschied. Könne er nicht bald nach Frankreich zurückkehren, so würde seine Schwermut ihn ganz dienstunfähig machen und für immer vom Schauplatz großer Taten entfernen.