Im Schlosse von Dachstein hatte Guébriant eine lange Unterredung mit seinem Koch; denn das Fest, das er zu Ehren des Herzogs von Enghien zu geben vorhatte, sollte seine, des Vertreters von Frankreich, ruhmvolle Stellung in Deutschland versinnbildlichen und einen außergewöhnlichen Eindruck von Ansehen und Überfluss machen. Damit es etwas Neues für den hohen französischen Gast wäre, sagte Guébriant, müsse das Mahl auf deutsche Art hergerichtet sein, mit prächtigen Schaugerichten als zum Beispiel einem Pfau oder einem Wildschweinskopf und irgendeinem fabelhaften Gebirge aus Süßigkeiten. Der Koch schlug eine Auerhahnpastete vor, über welcher der Auerhahn im vollen Federschmuck aufgestellt wäre, ferner was es in der Umgegend an besonderen Erzeugnissen gäbe; auf die Kosten, sagte Guébriant, dürfe es diesmal durchaus nicht ankommen, da es die Ehre Frankreichs gelte.
Die gedeckte Tafel machte allerdings einen pompösen Eindruck; aber als Guébriant dies mit Genugtuung festgestellt hatte, empfand er, dass etwas fehlte, was das allerwichtigste war, nämlich die festliche Stimmung in seinem Gemüte. Er stellte sich an das Fenster und sah gedankenvoll auf die herbstlich bunten Wälder, die, wie das verschlungene Labyrinth einer Zauberin, eines abenteuernden Ritters zu harren schienen, um ihn für immer zu verstricken. Guébriant machte eine Bewegung, als ob er etwas Schweres von der Brust abwerfen müsse, das ihm den Atem hemmte; was war es denn, was ihn so niederdrückte? War es, dass er sich von der stolzen Landgräfin Amalie Elisabeth als zudringlicher Bettler behandeln lassen musste, weil er sich ohne eine Verstärkung von tausend Hessen zu schwach im Felde fühlte? Dass er schweigen musste, wenn Deutsche die Untüchtigkeit der französischen Soldaten verhöhnten? War es Empfindlichkeit, dass Mazarin ihn wegen seiner beständigen Forderungen und Klagen tadelte und ihm Herzog Bernhard als Vorbild aufstellte, der die Kosten der Kriegführung im Feindeslande aufzutreiben gewusst hätte? War es das Heimweh? Aber er konnte sich ja nicht einmal fortwünschen, bevor er diesen Deutschen Krieg, in den er nun verstrickt war, rühmlich zu Ende geführt hatte. Man hatte ihn zum Marschall ernannt und ihn mit Drusus verglichen; man schrieb ihm, dass von ihm allein die Ehre des französischen Namens in Deutschland abhänge; musste er nicht dem in ihn gesetzten Vertrauen um jeden Preis gerecht zu werden suchen?
Sein Blick fiel auf den Rappen, den Herzog Bernhard ihm auf dem Sterbebette vermacht hatte und der eben zur Schwemme geführt wurde. Der wird auch mich, dachte er, zum ehrenvollen Tode tragen und meinem Sarge in die Heimat folgen. Seine Züge hellten sich dabei auf, und seine Brust wurde leichter: dann würde alles, was dunkel und schwer vor ihm lag, überwunden sein, sein Herz und sein Schwert würden ruhen.
Vielleicht, dachte er jetzt, verstimmte ihn auch die Aussicht, den Grafen Rantzau, Enghiens Generalleutnant und Stellvertreter, empfangen und sich im nächsten Jahre mit ihm vertragen, etwa sogar ihm unterordnen zu müssen. Er konnte die Abneigung gegen diesen prahlerischen Holsteiner nicht unterdrücken und sollte ihm doch einer von Paris aus empfangenen Weisung gemäß besondere Ehre erweisen und die vorauszusehenden Misshelligkeiten mit den deutschen Obersten, die ihn hassten, ausgleichen.
Die Tätigkeit, die die Vorbereitungen zum Empfange erforderten, zerstreute schließlich den Grafen; wichtiger und schwieriger als das Gastmahl war es, eine befriedigende Heeresschau zuwege zu bringen, die er sich doch nicht nehmen lassen wollte. Von den französischen Hilfstruppen, die ihm nach langem Bitten und Drängen endlich zugeschickt worden waren und die mehr einer Bande von Galeerensträflingen als Soldaten geglichen hatten, die er dann auf eigene Kosten leidlich equipiert1 hatte, war etwa noch der dritte Teil, jetzt einigermaßen eingeübt, vorhanden. Indem er die aufgestellten Bataillone umschritt, war er unsicher, ob sie jetzt wirklich einen soldatischen Anblick gewährten oder ob er voreingenommen sei, und er versuchte sie mit den Augen der Deutschen zu betrachten. Die grauen Uniformen, die er hatte machen lassen, ließen die Leute allerdings etwas schneidermäßig erscheinen; etwas Heroisches umgab diese Legionen nicht. Nie konnte er ohne Erröten daran denken, wie der erste Anblick dieser französischen Truppen, von denen er so viel Aufhebens gemacht hatte, auf die Deutschen gewirkt hatte. Ob das Regiment, das Enghien mitbrachte, besser sein würde? Er machte sich Mut und hielt, wie er schon oft getan hatte, eine Ansprache an den französischen Teil des Heeres, indem er sie ermahnte, sich dem großen Augenblick, der herannahte, gewachsen zu zeigen. Als er die Begeisterung wahrnahm, die er entzündete, lächelte er. Im ganzen war der Anblick seiner Armee stattlich genug, besonders wenn man bedachte, was er damit ausgerichtet hatte.
Enghien zeigte sich denn auch überrascht und befriedigt und rühmte Guébriants Leistungen in kameradschaftlicherweise. Guébriant sehe nicht wie ein Atlas aus, sagte er, und habe doch den abscheulichen Deutschen Krieg jahrelang allein auf den Schultern getragen. Er, Enghien, begreife nicht, wie einer das ennuyante Leben aushalten könnte, ohne sich zwischendurch in Paris gründlich schadlos zu halten. Man lebe in Deutschland wie die Schatten im Hades, und es gehöre ein besonderer Geschmack dazu, hier den Achilles zu tragieren.
»Es ist nicht mein Geschmack, sondern meine Pflicht«, sagte Guébriant mit wehmütigem Lächeln.
»Sie sind sehr intelligent«, sagte Enghien und setzte hinzu, er könne Guébriant im Vertrauen mitteilen, dass er bei Hofe in großer Gunst stehe und dass er wahrscheinlich im nächsten Frühling nach Paris zurückgerufen werden würde. Guébriants Herz schlug schneller. »Ich hoffe«, sagte er, »dass der nächste Frühling mich noch über der Erde findet.«
Rantzau würdigte die mühsam vorbereitete Truppenparade kaum eines Blickes und redete so, als ob er gekommen wäre, um den Krieg erst einmal in Bewegung zu setzen. Er bemerkte weder die übelwollenden Blicke der deutschen Obersten noch den unter tadelloser Höflichkeit verborgenen Widerwillen Guébriants, sondern behandelte alle mit der gleichen vertraulichen Nichtachtung. Als beim Gastmahl auf die Gesundheit der Landgräfin von Hessen getrunken wurde, erkundigte sich Enghien, ob sie schön sei. Sie solle es vor zwanzig Jahren gewesen sein, sagte Guébriant; jetzt hätten Klugheit und Erfahrung den von der Venus verlassenen Thron eingenommen. »Das gefällt mir!« rief Rantzau. »Mit Schönheit fange ich nichts an. Schön bin ich selbst.« Guébriant betrachtete staunend das rohe, von Narben zerfetzte Gesicht des Mannes, der als der schönste seiner Zeit gepriesen wurde, und sein Stolz bäumte sich, als er daran dachte, dass dies der Vater seines Königs, der Geliebte der Königin sein sollte. Enghien ersparte ihm die Antwort, indem er sagte, es werde sich niemand einfallen lassen, dies zu bestreiten; man duelliere sich wohl um das schöne Gesicht einer Frau, nicht um das eines Mannes.
Rantzau war mit dieser Anspielung auf seine zahlreichen Duelle zufrieden und lachte wohlgefällig. Den einen Arm, den er noch hätte, sagte er, möchte er auch lieber sparen, um Bayern damit abzutun.
Dies Wort griff Oberst Taupadel auf, der Rantzau gegenübersaß, und sagte scharf, wenn Bayern mit einem Arme zu erwürgen wäre, möchte es längst stranguliert sein.
Rantzau lachte gemütlich, während er einen tückischen Blick auf den Sprecher warf. Es komme auf den Arm an, sagte er. Herkules habe schon als Kind eine Schlange damit erdrückt.
Frankreich habe ernstlichere Feinde als Bayern, sagte Guébriant ablenkend.
Sein Herz dürste nun einmal nach Bayernblut, beharrte Rantzau, und es sei gefährlich, ein Gelüsten dieser Bestie nicht zu befriedigen.
Guébriant, der den steigenden Unwillen der deutschen Obersten bemerkte, fiel schnell mit den Worten ein, ein Held wie Rantzau neige natürlich dazu, den Feind zu unterschätzen. Bayern werde ihnen allen noch viel zu schaffen machen. Übrigens hoffe man in Frankreich, so viel er wisse, immer noch, den Kurfürsten zum Bundesgenossen zu gewinnen, und man habe ihn auch als unermüdlichen Kämpfer für die katholische Religion hochzuachten.
Rantzau zuckte die Schultern. »Ich bin ein guter Katholik«, sagte er, »aber kein Pfaff.«
Einer von den evangelischen Obersten sagte mit Bezug darauf, dass Rantzau, ein geborener Protestant, in Frankreich den Glauben gewechselt hatte, die Fledermäuse schlüge man tot, wo man sie träfe, weil sie weder Vögel noch Vierfüßler wären, und Renegaten wären Fledermäuse.
»Über religiöse Fragen erhitze ich mich nicht«, sagte Rantzau kalt, »das geht die Theologen an.«
Damit erklärte sich Enghien einverstanden. »Ein Edelmann zieht den Hut vor der guten Dame Theologie«, sagte er, »aber für nähere Untersuchung ist sie zu schlecht gelüftet.«
Die Deutschen nahmen an solchen Reden Anstoß, wagten sich aber mit ihrer Entrüstung einstweilen nicht hervor; umso grimmiger wurmte der verhaltene Groll.
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