In der Herberge des Grafen Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, kaiserlichen Gesandten am Friedenskongress zu Münster, saßen der herzoglich braunschweigische Gesandte, Doktor Lampadius, und mehrere andere Herren, um zu beraten, ob und in welcher Weise sie sich an der Einholung des französischen Hauptgesandten, des Herzogs von Longueville, beteiligen wollten. Dieser lag seit einiger Zeit vor Münster, weigerte sich aber einzuziehen, wenn ihm nicht der Titel Altesse zugestanden würde, auf den er, aus königlichem Blut entsprossen, Anspruch habe.
Der Graf von Nassau sagte, die Augen tiefsinnig in einen Winkel bohrend, es sei seine Meinung, diese Titulatur könne dem Herzog ohne schädliche Konsequenzen nicht zugebilligt werden. Altesse entspreche nämlich dem italienischen Altezza und gebühre nur regierenden fürstlichen Häuptern, unter die der Herzog von Longueville nun einmal durchaus nicht zu rechnen sei.
Ja, die französische Vanigloriosität, sagte Doktor Lampadius lächelnd, treibe wunderliche Blüten hervor; allein man setze billigerweise zuweilen das utile und die Opportunität dem Buchstaben voran, wie man ja auch beim Honigmachen wohl die Körbe mit einem guten Geruch bestriche, damit die Bienen sich nur niederließen und ihr fleißiges Werk begönnen.
Ja, sagte der Graf von Nassau, wenn es ohne Präjudiz geschehen könnte, so wolle er auch nicht absolut dawider sein.
Das sei doch auch eine bedenkliche Sache, sagte der Frankfurter Gesandte, dass der König von Frankreich an die Kurfürsten und andere Stände, zum Beispiel an seine regierenden Herren, Einladungen zur Friedensversammlung habe ausgehen lassen. Man wisse seinerorts nicht, was man dazu sagen und wie man sich dazu verhalten solle.
Wie? rief der Graf von Nassau. Davon sei ihm noch nichts bekannt. Das habe ja das Aussehen, als ob es der kaiserlichen Majestät zum Despekt gereichen sollte!
Es sei eine abscheuliche Extravaganz, sagte Doktor Lampadius. Man wisse bald nicht mehr, wo Kopf und wo Schwanz sei und wo man seine Reverenz anzubringen hätte.
Ob denn die Stände, fragte der Graf von Nassau, auf dergleichen Ungebührlichkeit geantwortet oder wenigstens bei der Antwort die Impertinenz deutlich angezogen hätten?
Was seine Regierung anbelange, erwiderte der Frankfurter Gesandte, so wisse er nicht, ob sie sich von ihrer Perplexität schon erholt hätten.
Wenn nur, seufzte der Graf von Nassau, Seine Exzellenz der Graf von Trauttmansdorff einmal anrücken möchte! Die Last erdrücke ihn fast, und er wisse nicht mehr, wie er sich durch die vielfältigen Ansprüche, Übergriffe und Verstöße durchwinden solle, ohne dass dem kaiserlichen Ansehen irgendwie und irgendwo Abbruch geschähe. Das Säkulum sei ja leider, er müsse es sagen, so stolz und verwegen, dass keiner sich mehr dem schuldigen Respekt unterziehen wollte, der ihm obläge.
Allerdings, sagte Doktor Lampadius; so wollten die kurfürstlichen Gesandten um jeden Preis als Exzellenzen angesehen und traktiert werden. Das habe scharfe Gedanken in fürstlichen Kreisen gemacht. Man habe sich da mit der Ansicht getragen, es sollten vielmehr die kurfürstlichen Buckel abgehobelt werden, dass es eine ordentliche platte Ebene gäbe.
Das gehe doch aber gegen die Güldene Bulle, wandte der Graf von Nassau die Stirne faltend ein, und die Güldene Bulle könne man so wenig aus der Welt schaffen, wie man die Sonne vom Himmel reißen könne.
Er gehöre auch nicht zu den ungestümen, titanischen Köpfen, sagte Doktor Lampadius, sondern sei für die Stabilität; denn es sei nun einmal so, dass das Dach einstürzte, wenn man die Mauern wegrisse. Darum sei seine Ansicht, die Kurfürsten sollten sich mit der altbewährten, vielfach beglaubigten Titulatur begnügen, weil, wer zu hoch steigen wolle, öfters zu Falle käme.
Der fürstlich fuldasche Gesandte erlaubte sich zu bemerken, der hochselige Kaiser Ferdinand II. habe vielleicht ein wenig zu hoch gegriffen, indem er dem Kurfürsten von Sachsen die Durchlauchtigkeit bewilligt habe; damit sei der unersättlichen Ambition Tür und Tor geöffnet.
Bei diesem Punkte waren die Herren angelangt, als ein kurfürstlich mainzischer Gesandter erschien und nach geschehenen Komplimenten auf sein Anliegen kam, nämlich dass die schwedische Gesandtschaft zu Osnabrück ein Libell verfasst und im Druck habe erscheinen lassen, in dem sie sich injuriös über die münstersche Versammlung ausgesprochen hätten. Sie hätten darin von den Anstrengungen gesprochen, die die Herren Schweden zur Wiedererlangung des kostbaren Friedens gemacht hätten, auch allerlei Dokumente zum Beweise vorgebracht, sodann höhnisch auf die Reichsstände gestichelt, die es zumeist anginge, die aber zur Effektuierung nichts tun wollten. Über die zu Münster hätten sie noch insbesondere gesagt, dass sie sine modo et methodo vorgingen und dass trotz aller Aufforderungen noch nicht so viel Gesandte beisammen wären, um nur ein vollzähliges Kollegium auszumachen.
Das sei ja leider nur allzu wahr, sagte der Frankfurter Gesandte, dass sich so viele von den geehrten Herren Ständen noch immer nicht blicken ließen. Sie wären aber erhaltenen Briefen zufolge, sagte der Graf von Nassau, bereits in motu und einige sogar in procinctu.
»Eile mit Weile!« sagte der fuldasche Gesandte. »Gut Ding will Weile haben, und Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden.« Die Herren Schweden könnten ihren Sack nicht schnell genug füllen, wollten alles auf gustavische Weise, holterdiepolter, exequieren und sollten doch bedenken, was für einen bösen Fall der verstorbene König bei seinem Ungestüm getan hätte.
Es möchte doch aber angezeigt sein, sagte Doktor Lampadius, dass man den Lästerern in aller Gelindigkeit übers Maul führe und sie eines Besseren belehrte. Daher nehme er sich ganz unvorgreiflich die Freimütigkeit heraus, zu erinnern, ob nicht demnächst effective vorgegangen, das heißt, irgendeine Sache realiter angegriffen werden könnte.
Man könne etwa darüber eins werden, schlug der Graf von Nassau vor, wie es mit der Einholung des Herzogs von Longueville gehalten werden solle.
Der hessen-darmstädtische und der hessen-kasselsche Gesandte würden schwerlich unter einen Hut zu bringen sein, meinte der Frankfurter. Das hessische Unwesen schlage ja wieder in hellen Flammen aus, nachdem man es kaum gedämpft geglaubt hätte.
Sie wären über das corpus delicti wieder auf einen neuen Zankapfel geraten, sagte Doktor Lampadius lächelnd. Marburg werde die hessische Witwe wohl nicht wieder aus den Händen lassen; er wolle das zwar nicht billigen, aber ihm komme vor, als sei ihr von darmstädtischer Seite doch zu viel geschehen.
Der Graf von Nassau wollte das dahingestellt sein lassen, war aber der Ansicht, die Landgräfin habe das Völkerrecht gar zu sehr beiseite gesetzt und nach Art der Schnapphähne um sich gegriffen.
Nach allerlei Weiterungen kam es zu dem Beschlusse, den Herzog von Longueville feierlich einzuholen, wovon sich nur der venezianische Gesandte ausschloss, da er vor den Kurfürsten zu fahren beanspruchte, was als eine Absurdität abgelehnt wurde.
Deswegen hielt er in italienischer Sprache eine lebhafte Rede, in der er das unerreichte Alter seiner Republik herausstrich und viele Fälle aufzählte, in denen venezianische Gesandte den Vorrang vor sämtlichen anderen Gesandten gehabt hätten.
Nachdem die Anwesenden seine Rede stillschweigend angehört hatten, erinnerten sie ihn daran, dass sie nicht Italienisch verständen, worauf er seine weißen Zähne zeigte und die Oration auf lateinisch wiederholte.
Ob dergleichen in Italien für Lateinisch angesehen würde? flüsterte Doktor Lampadius seinem Nachbar zu; er halte es für Kauderwelsch.1 Der lachte bis zu Tränen und antwortete, ob es Tatarisch oder Chinesisch sei, die Prätentionen des Gesandten wären durchaus venezianisch.
Nichtsdestoweniger wurde der Herzog von Longueville von den übrigen Gesandten eingeholt, die allerdings an dem Gepränge, das er entfaltete, großen Anstoß nahmen. Es dauerte über eine Stunde, bis alle Vorreiter, Reiter, Kutschen, Leibwachen, Lakaien, Trompeter und was mehr vorbeipassiert waren, und die Augen wurden von seidenen und damastenen Decken, goldenen und silbernen Wappen, karminroten und azurblauen Farben fast geblendet.
Kauderwelsch ist die abwertende Bezeichnung für eine verworrene Sprechweise, für ein unverständliches Gemisch aus mehreren Sprachen oder eine unverständliche fremde Sprache. <<<