Der kursächsische Prediger Doktor Hülsmann verabschiedete sich vom Kurfürsten und der Kurfürstin, bevor er sich nach Thorn zu dem Religionsfriedensgespräch begab, das der König von Polen zum Zweck einer friedlichen Verständigung der drei christlichen Konfessionen einberufen hatte, und trug das lutherische Glaubensbekenntnis vor, das er einzureichen gedachte. Der Kurfürst nickte befriedigt und sagte, dass er die Schrift gut und recht und in allen Stücken mit dem lutherischen Katechismus übereinstimmend finde. Hülsmann könne aber noch betonen, dass die Protestanten den wahren, gereinigten katholischen Glauben hätten, während die Papisten heidnischer Abgötterei verfallen wären und sich allerhöchstens römisch-katholisch nennen dürften.
Der Kurfürst ging nämlich damit um, einen Neutralitätsvertrag mit Schweden abzuschließen, und sprach sich seitdem feindselig gegen den Kaiser und die Katholiken aus.
Hülsmann sei hoffentlich gut gewappnet, setzte er hinzu; denn der Doktor Bergius werde seine vorlaute, flinke Zunge wieder tüchtig geschmiert haben.
Der kurfürstlich brandenburgische Hofprediger Bergius war wegen seiner Beredsamkeit bei Disputationen sehr gefürchtet und hatte im Jahre 1631, als Johann Georg bei Gelegenheit des Leipziger Konvents ein theologisches Gespräch veranstaltete, den Doktor Hoë heftig angegriffen, auch hernach mehrere Streitschriften mit ihm gewechselt.
Wenn der Hoë nicht darüber hingestorben wäre, sagte der Kurfürst, hätte er den Bergius sicherlich aus dem Felde geschlagen; denn wenn es darauf angekommen wäre, habe der Hoë ein Maul wie eine Metzgerfaust gehabt, womit man Ochsen niederschlagen könnte.
Der Bergius habe dem Hoë zu Leipzig aber scharf zugesetzt, bemerkte die Kurfürstin; der Hoë habe sich zwar nach seiner Art in die Brust geworfen, mit Gründen aber nicht mehr verantworten können.
Ja, darum sollte man sich eigentlich mit den kalvinistischen Windhunden gar nicht einlassen, sagte der Kurfürst. Er habe es damals auch nur getan, um sie vor aller Welt bloßzustellen und den Schaden Josephs aufzudecken. Vom König von Polen sei es aber ein alberner Vorwitz, der könne nicht einmal seinen unbotmäßigen Adel im Zaume halten, und was Glaubenssachen anbelange, so könne er wohl seinen Rosenkranz herunterbeten, aber von Auslegung der Heiligen Schrift verstehe er nichts.
Es verlaute, sagte Doktor Hülsmann mit nachsichtigem Lächeln, der König habe sich seit einigen Wochen ernstlich in die Materie vertieft. Dass gerade der König von Polen sich der Glaubenssachen annehme, sei allerdings lächerlich genug, wo ja Polen ein Schlupfwinkel für allerhand Ketzer sei, so zum Beispiel der gräulichen, gottlosen Sozinianer, und gründlich ausgeräuchert werden müsse.
Der Kurfürst erkundigte sich, was für eine Bewandtnis es mit den Sozinianern habe, worauf Hülsmann erklärte, es hapere bedenklich mit der Dreifaltigkeit, und wenn man nicht an die drei Personen glaube, so solle man mit seinem ruchlosen Atheismus lieber gleich offen herausfahren.
Der König von Polen sei wohl toll und voll, solchen Giftsamen über sein eigenes Land auszustreuen? sagte der Kurfürst. Das sei eine hässliche Nachbarschaft für den Kurfürsten von Brandenburg.
Es lasse sich bereits spüren, sagte Hülsmann. Mit dem Kalvinismus hebe es gemeiniglich an, und dem Symptom pflege die ganze Pest ungesäumt nachzufolgen.
Die Kurfürstin wünschte dem Doktor ein glückliches Überstehen der mühseligen Reise und des gefährlichen Aufenthaltes. Sie habe schon mehrere Nächte von Heuschrecken geträumt und sei deshalb in großen Sorgen. Es könne ja leicht ein allgemeiner Aufruhr bei dem Religionsfriedensgespräch entstehen, und etwa würden die frommen Lutheraner ein Opfer der abscheulichen Jesuiten werden.
Dergleichen sei allerdings zu befürchten, sagte Doktor Hülsmann, er habe aber Briefe aus Danzig und Elbing erhalten, dass diese Städte etliche Hundert Bewaffneter bereitzuhalten vorhätten, damit man sich bei einem etwa ausbrechenden Krawall ihrer bedienen könnte. Infolgedessen sei er ganz ruhig, besonders auch im Vertrauen auf seine Unschuld und Gottes Gerechtigkeit, der seine Kirche nicht werde untergehen lassen. Er habe ja auch kurfürstlich sächsische, königlich polnische und kurfürstlich brandenburgische Geleitsbriefe und sei zum Überfluss mit Waffen versehen, von denen die beste das liebe Gebet wäre.
Die erste Sitzung wurde von dem Vorsitzenden, Reichskanzler Ossolinsky, mit einer Rede eröffnet, in der er den König von Polen als Urheber der Versammlung pries und seine Absichten im einzelnen auseinandersetzte. In der Meinung, dass beim Disputieren nichts anderes herauskomme, als dass man sich gegenseitig die Haare ausraufe, wolle der König durchaus kein Disputieren leiden. Es solle vielmehr ein jeglicher die Glaubenssätze seines Bekenntnisses klar und deutlich auseinandersetzen, damit alle begriffen, worin sie eigentlich miteinander übereinstimmten oder voneinander abwichen. Käme man darüber einmal zur Einsicht, so würde eine gegenseitige Verständigung gewiss leicht herbeigeführt werden können.
Nachdem noch einige Tage über den Modus beratschlagt worden war, legten die Katholiken den Lutheranern gewisse Fragepunkte vor, hauptsächlich, ob sie alle Schriften des Doktor Martin Luther für maßgebend hielten. Da die Evangelischen ohne Besinnen antworteten, das täten sie, fragten die Katholiken weiter, ob sie denn den Papst auch für den Antichrist hielten, worauf die Evangelischen antworteten, das täten sie freilich, und das sei er auch. Gegen diese Erklärung protestierten die Katholiken, wogegen die Evangelischen reprotestierten, was nicht ohne Getümmel vor sich ging.
Inzwischen hatten die Reformierten, die bis dahin wenig berücksichtigt waren, auch eine Konfession verfertigt und eingereicht, in welcher sie unter anderem sagten, dass ihre Richtschnur die volle, sonnenklare Wahrheit wäre und dass diejenigen, welche sie nicht dulden wollten, sondern sie mit Feuer und Schwert verfolgten, nicht für Christen, vielmehr für Antichristen zu halten wären.
Diesen Angriff betrachteten die Katholiken als auf sie gemünzt und protestierten dagegen, während die Evangelischen, obwohl sie manches an dem Bekenntnis der Reformierten auszusetzen hatten, sie doch wegen dieses furchtlosen Aufpochens lobten.
Der Vorsitzende der Katholiken, ein Jesuit, hielt nun eine Rede, die nach Ansicht der Evangelischen nach außen verzuckert, aber innerlich voll Galle war, in welcher er ausführte, es sei der Wille des Königs, dass man sich aller Sticheleien enthalte und nur die christliche Liebe und den ersehnten Frieden im Auge habe; dass er und seine Glaubensgenossen infolgedessen dem widrigen Gegenteil bis jetzt eitel Liebe entgegengebracht hätten und wie Lämmer gewesen wären, die mit einfältigem, gutherzigem Blöken ihre Blümlein geweidet hätten; dass aber auch Lämmer, wenn sie von bissigen Hunden angebellt würden, aus ihrer üblichen Sanftmut aufgereizt werden müssten.
Die Evangelischen verwahrten sich dagegen, dass sie mit bellenden Hunden verglichen würden.
Von Hunden wolle er nichts sagen, erwiderte der Jesuit; aber gebellt hätten sie, das könne jedermann bezeugen.
Die Reformierten protestierten gegen den Ausdruck und sagten, das sei nur Empfindlichkeit, indem die Katholiken die pure Wahrheit, die in ihrem Bekenntnis enthalten wäre, nicht zu widerlegen wüssten.
Abgesehen davon, sagte der Jesuit, dass der König alles und jedes Disputieren durchaus untersagt hätte, so brauchten sie sich nicht mit Widerlegen vermeintlicher Wahrheit zu befassen, da sie im Besitz der Offenbarung Gottes wären, und also jeder, der von ihnen abwiche, sich wider Gott setzte.
Hieran knüpften die Katholiken die Erklärung, dass die Evangelischen und Ketzer überhaupt sich sehr irrten, wenn sie etwa glaubten, sie, die Katholiken, würden auch nur das geringste von ihrem allein wahren, allein seligmachenden Glauben ablassen. Nein, nichts, nichts, nichts würden sie ablassen, möchte die Welt darüber in Stücke gehen.
So hätten er und seine Glaubensgenossen, sagte Doktor Hülsmann, sich die Unkosten der Reise freilich ersparen können; denn dass sie, die Evangelischen, die das einzige Wort Gottes zur Quelle ihres Glaubens hätten, diesen nicht antasten ließen, das brauche er wohl nicht zu sagen, wolle es aber doch sagen, damit es gesagt sei und kein Missverständnis entstehen könne. »Verbum dei manet in aeternum«, schloss er, indem er herausfordernd um sich sah, seine Blicke wie einen Fehdehandschuh im Kreise umherschleudernd.
Unter den Katholiken saß ein winziger, zusammengekrümmter Mann mit einem großen Kopf, der aussah, als sei er irgendwo ausgegraben und ihm lose zwischen die Schultern geklemmt worden, sodass er bei einer unvorsichtigen Bewegung herunter- und auf den Tisch kollern könnte. Dieser, der mit blinzelnden Augen dagesessen hatte, während Doktor Hülsmann seine tapfere Rede hielt, fiel mit hoher Stimme ein: ›Verbum dei manet in aeternum!‹, das sei eine kecke Rede, von der man füglich hätte wünschen mögen, dass sie an diesem Orte nicht laut würde. In was für einer Meinung die Protestanten sie im Munde führten, sei bekannt genug, er wolle nur daran erinnern, dass zu Kaiser Karls V. Zeit die rebellischen Stände sie als Devise in ihren Fahnen geführt hatten.
So, so! rief Doktor Hülsmann, er wolle es seinem Herrn, dem Kurfürsten von Sachsen, melden, dass seine hochseligen Vorfahren hier als Rebellen schimpfiert würden; der Kurfürst werde dergleichen kalumniöse Insinuationen sicherlich nicht auf sich sitzen lassen.
Die Verstimmung ließ sich so gefährlich an, dass der weltliche Vorsitzende zum König eilte, der in der Nähe von Thorn der Jagd oblag, um sich nötigenfalls ins Mittel legen zu können. Er kam nach einigen Tagen mit der Meldung zurück, der König, dem das Friedensgespräch sehr am Herzen liege, habe mehrere hochweise Verordnungen getroffen, um dem anwachsenden Übel zu steuern: erstens sollten die Sitzungen künftig in einem kleinen Gemach stattfinden, damit nur wenige daran teilnehmen könnten; zweitens solle nichts zu Protokoll genommen werden, was dem einen oder anderen Teile zu Schimpf und Schaden gereichen könnte; drittens solle der Vorsitzende nochmals zur christlichen Liebe ermahnen und was dergleichen mehr war.
Förderlicher für die Verhinderung ernstlicher Ausschreitungen war es, dass die der Versammlung gesetzte Zeit allmählich ablief. Bereits waren mehrere Teilnehmer abgereist, als eine Druckschrift eines Danziger Pfarrers namens Nikolai einlief mit Vorschlägen über die zu erhoffende Vereinigung der papistischen, lutherischen, kalvinistischen und sozinianischen Sekten und Rückkehr zur alten Fischereinfalt. Dem Vorsitzenden, der den Titel der Schrift vorlas, fiel das Papier aus der Hand, und er sagte, das könne nur ein Narr geschrieben haben, den man hoffentlich bald einfinge und ins Narrenhaus sperrte. Die Lutheraner, als des Verfassers Glaubensgenossen, erbleichten und sprachen ihre Absicht aus, die Stadt Danzig zu mahnen, dass sie einen solchen Bösewicht und Schandfleck nicht im Amte ließe, sondern gebührend bestrafte, der die gereinigte, apostolische Kirche eine Sekte zu nennen sich unterfinge. Auch die Reformierten verwahrten sich gegen das Lästermaul, das sie mit den Sozinianern in einen Topf würfe, und setzten sofort eine Liste der Punkte auf, in denen sie von den Sozinianern abwichen, und welche überhaupt irrig und verwerflich wären.
Bei den lutherischen Pfarrern Danzigs erregte das Irenicum, so war die Friedensschrift betitelt, nicht geringeren Abscheu, und die Stadt, die nicht sogleich zu scharfen Mitteln greifen wollte, hatte jahrelang mit dem widerspenstigen Nikolai zu schaffen, bis er sich endlich zu einem Widerruf bequemte.