85.

Als der Kur­fürst den Ver­rat Jo­hann von Wert­hs er­fuhr, wur­de er gelb im Ge­sicht, schloss die Au­gen und schnapp­te nach Luft, so­dass sein Rat Kütt­ner von Ku­nitz, der bei ihm war, voll Schre­cken einen Ses­sel her­bei­roll­te, die Arme aus­streck­te, um sei­nen Herrn auf­zu­fan­gen, und nach der Glo­cke schiel­te, als wol­le er mit den Au­gen läu­ten. Nach ei­ner kur­z­en Pau­se je­doch ver­moch­te der Kur­fürst einen stren­gen Blick auf Kütt­ner zu wer­fen, sich ohne Hil­fe zu set­zen und den Mund zu öff­nen; es sol­le au­gen­blick­lich, sag­te er, eine Kom­mis­si­on ein­ge­setzt wer­den, um den Werth zu pro­zes­sie­ren, und es sei sein aus­drück­li­cher Wil­le, dass die Fol­ter an­ge­wen­det wer­de, da­mit kei­ne Ein­zel­heit die­ser un­er­hör­ten Fe­lo­nie ver­bor­gen blie­be.

Kütt­ner rang die Hän­de und be­merk­te, des Kur­fürs­ten Be­fehl wer­de au­gen­blick­lich exe­quiert wer­den; es ste­he zu hof­fen, dass kei­ner der Schul­di­gen ent­käme und auch der Werth ver­dien­ter­ma­ßen ge­fan­gen wür­de.

Der hunds­föt­ti­sche Ver­rä­ter, sag­te der Kur­fürst, wäre ihm mit der hal­b­en Ar­mee nicht zu teu­er be­zahlt.

Da müss­te ja kein ge­rech­ter Gott im Him­mel sein, sag­te Kütt­ner, wenn der stin­ken­de Bö­se­wicht ent­schlüpf­te.

Es wä­ren ver­hof­fent­lich die nö­ti­gen Ordres ge­ge­ben? sag­te der Kur­fürst.

Die Be­feh­le wä­ren be­reits aus­ge­fer­tigt, er­wi­der­te Kütt­ner, der Kur­fürst müs­se nur noch un­ter­schrei­ben. Die all­ge­mei­ne Mei­nung wäre, dass, wenn nicht Ge­walt oder List an­ge­wandt wür­de, der bay­ri­sche Sol­dat sich nicht von sei­ner Pf­licht wür­de ab­trün­nig ma­chen las­sen. Von den Obers­ten Wal­bot, Druck­mül­ler und Her­zog von Würt­tem­berg wä­ren schon treu­her­zi­ge Ver­si­che­run­gen ein­ge­lau­fen, dass sie mit dem Höl­len­werth nichts ge­mein hät­ten und ge­büh­ren­den Ab­scheu vor dem ba­si­lis­ki­schen Ver­rä­ter heg­ten. Sie woll­ten Leib und Le­ben wa­gen, um dem Kur­fürs­ten die Ar­mee zu er­hal­ten, und der Her­zog von Würt­tem­berg habe noch hin­zu­ge­fügt, er hof­fe, der Kur­fürst wer­de sich sei­nes Bru­ders, des re­gie­ren­den Her­zogs, in Gna­den an­neh­men.

Es sol­le in der Ant­wort an die treu ge­blie­be­nen Obers­ten, be­fahl der Kur­fürst, mit Ver­trös­tun­gen nicht ge­spart wer­den. Die Be­loh­nung der Gu­ten sol­le eben­so enorm sein wie die Stra­fe der Übel­tä­ter.

In­zwi­schen hat­te sich Kütt­ner wie­der ge­sam­melt und sag­te, es sei nur gut, dass der Teu­fel an sei­nem schwe­fe­lich­ten Ge­stank zu er­ken­nen wäre und der Böse sich dem Gu­ten ver­däch­tig und auf­fäl­lig mach­te. Er, Kütt­ner, habe noch letzthin, als der Werth in Mün­chen ge­we­sen wäre, ge­sagt, der Werth habe dem Kur­fürs­ten am bes­ten ge­dient, als er zu Vin­cen­nes ge­fan­gen ge­ses­sen habe. Und der Kur­fürst wer­de sich er­in­nern, wie oft er über­haupt ge­sagt hät­te, man sol­le den Werth in Vin­cen­nes las­sen, so brau­che man ihn nicht selbst zu be­wa­chen.

Es hät­te Kütt­ner ja frei­ge­stan­den, sag­te der Kur­fürst mür­risch, den Bö­se­wicht da­mals zu ent­lar­ven, als er in Mün­chen ge­we­sen sei. Eine so weit­ver­zweig­te Ver­schwö­rung müs­se da­mals schon im Schwan­ge ge­we­sen sein.

Ach Gott, jam­mer­te Kütt­ner, der Schalk habe ihn mit Nach­äf­fung alt­bay­ri­scher Red­lich­keit und Un­schuld zu ver­blen­den ge­wusst! Die Stra­fe hät­te ihn bald er­reicht, denn wenn es nach Wert­hs Wil­len ge­gan­gen wäre, so hät­te er den Kur­fürs­ten mit­samt sei­nen Rä­ten ge­fan­gen­ge­nom­men, und Schimpf und Er­nied­ri­gung, viel­leicht so­gar ein elen­der Tod wäre ih­nen al­len zu­teil ge­wor­den.

Es sol­le wohl um­ge­kehrt kom­men, sag­te der Kur­fürst ent­schlos­sen. So­fort sol­le die Äch­tung auf­ge­setzt und in Bay­ern, Ös­ter­reich und al­lent­hal­ben im Reich ver­kün­det wer­den. Der­je­ni­ge, der ihn le­bend oder tot ein­lie­fe­re, sol­le 10.000 Ta­ler er­hal­ten; auf den Sporck sol­le auch et­was aus­ge­setzt wer­den, aber we­ni­ger. Sei­ne Gü­ter im Bay­ri­schen soll­ten ein­ge­zo­gen, die Be­am­ten ab­ge­setzt und alle Schrif­ten und Hab­se­lig­kei­ten aus­ge­lie­fert wer­den.

Es wä­ren ih­rer vie­le, sag­te Kütt­ner; die Gna­de des Kur­fürs­ten habe sich reich­lich über den Un­wür­di­gen er­gos­sen.

Die vie­len Sch­lös­ser und Gü­ter, die er am Rhei­ne hät­te, fuhr der Kur­fürst fort, soll­ten alle ein­ge­äschert wer­den, da­für müss­ten ihm die Fran­zo­sen sor­gen. Der Sporck habe Häu­ser im Hes­si­schen, de­ren kön­ne man auch durch fran­zö­si­sche Ver­mit­te­lung mäch­tig wer­den.

Dem­nächst muss­te Kütt­ner nach Eger zum schwe­di­schen Feld­mar­schall Wran­gel ei­len, da­mit der nicht etwa mei­ne, der Über­tritt Wert­hs ge­schä­he im heim­li­chen Ein­ver­ständ­nis mit dem Kur­fürs­ten. Kütt­ner sol­le die schö­nen Wor­te nicht spa­ren, schärf­te der Kur­fürst ihm ein, um Wran­gel je­den Arg­wohn zu neh­men, und eben­so trug er Sor­ge, die Fran­zo­sen sei­ner un­er­schüt­ter­lich auf­rich­ti­gen Bun­de­streue zu ver­si­chern.