91.

In Müns­ter wa­ren die schwe­ben­den Haupt­fra­gen ge­ord­net bis auf die Ab­tre­tung des El­saß an Frank­reich, in wel­che der spa­ni­sche Ge­sand­te durch­aus nicht wil­li­gen woll­te. Der bay­ri­sche Ge­sand­te be­gab sich des­halb zum kai­ser­li­chen Ge­sand­ten Vol­mar und sag­te, es müs­se ein­mal ein Ende ge­macht wer­den; wenn man mit dem Verab­rei­chen der Arz­nei noch lan­ge zu­war­te, wer­de das arme, kran­ke Deutsch­land vor­her den Geist auf­ge­ben. Die Her­ren Kai­ser­li­chen sä­hen wohl ein, dass ein je­der et­was sa­kri­fi­zie­ren müs­se.

Vol­mar brach­te ge­läu­fig vor, was für Op­fer der Kai­ser be­reits aus pu­rer Gna­de ge­bracht hät­te, dass er den Frie­den gern mit sei­nem Blut er­kau­fen wür­de, dass die Her­ren ja­wohl wüss­ten und selbst ge­se­hen hät­ten, wie fu­ri­os der spa­ni­sche Ge­sand­te sich auf­füh­re, und dass er, Vol­mar, bis­her ver­geb­lich ver­sucht hät­te, ihn zu be­sänf­ti­gen.

Ei, der spa­ni­sche Ge­sand­te, sag­te der würt­tem­ber­gi­sche, möge Feu­er spu­cken, wenn es ihm Ver­gnü­gen mach­te, sie woll­ten ihm nicht im Wege sein; es wäre ihm wohl zu Kop­fe ge­stie­gen, dass der Frie­de mit den Staa­ten zu­sam­men­ge­bracht wäre. Sie brauch­ten nur die Ein­wil­li­gung des Kai­sers, und sie wüss­ten, dass der kai­ser­li­che Ku­ri­er mit dem Ant­wort­schrei­ben ges­tern an­ge­kom­men wäre.

Der sei al­ler­dings ein­ge­trof­fen, sag­te Vol­mar; aber ein ver­damm­ter, höl­li­scher Zu­fall wol­le, dass das Schrei­ben in neu­en Zif­fern ab­ge­fasst wäre, zu de­nen er den Schlüs­sel nicht hät­te, er kön­ne also trotz al­len Ei­fers den Sinn nicht her­aus­brin­gen. Er habe aber be­reits eine ei­len­de Post nach Wien ab­ge­schickt, um sich den neu­en Schlüs­sel aus­zu­bit­ten, der in ei­ni­gen Ta­gen da sein wer­de.

Nach­dem sie ihre Ent­rüs­tung nach­drück­lich von sich ge­ge­ben hat­ten, tra­ten die Her­ren den Heim­weg an. Die stei­ner­nen Gie­bel und Tür­me der präch­ti­gen Stadt starr­ten wie pur­pur­ne Klip­pen aus dem stil­len Mee­re der Luft, das un­er­sätt­lich sau­gend an dem spä­ten Licht des Som­mer­abend­him­mels hing.

Die neu­en Zif­fern kämen ihm selt­sam vor, sag­te der bay­ri­sche Ge­sand­te, als sei es nur für eine Pro­trak­ti­on und Nas­füh­rung zu hal­ten.

Das­sel­be habe er auch ge­dacht, sag­te der hes­sen-darm­städ­ti­sche; Vol­mar sei bei Wei­tem so bis­sig und vor­wit­zig nicht wie sonst, viel­mehr fast klein­laut ge­we­sen.

Zwei oder drei Tage woll­ten sie noch war­ten, sag­te der bay­ri­sche, nach­her wol­le er sich nicht län­ger von den Spa­ni­ern lu­di­fi­zie­ren las­sen, die ja doch hin­ter al­lem steck­ten. Schließ­lich be­ste­he die Mög­lich­keit, ohne den Kai­ser ab­zu­schlie­ßen.

Man kön­ne im­mer­hin da­mit dro­hen, sag­te der würt­tem­ber­gi­sche; so weit wer­de Vol­mar es nicht kom­men las­sen.

Der Herr Kur­fürst von Bay­ern, sag­te der würt­tem­ber­gi­sche Ge­sand­te, als der bay­ri­sche sich ver­ab­schie­det hat­te, sei sehr pres­siert, sein Schäf­lein ins tro­ckene zu brin­gen, sei er­staun­lich fried­lie­bend für einen so mar­tia­li­schen Herrn ge­wor­den.

Ja, er­wi­der­te der hes­si­sche la­chend, er hal­te es nicht aus in sei­ner Was­ser­bur­ger Re­si­denz, wo er sich doch schon hei­misch füh­len könn­te.

Die Schwe­den und Fran­zo­sen hät­ten ihm den Strick um den Hals ge­wor­fen, brauch­ten nur zu­zu­zie­hen, sag­te der würt­tem­ber­gi­sche; nun pfif­fe sein letz­ter Atem um Frie­den.

Als am über­nächs­ten Abend sich die Kun­de ver­brei­te­te, es sei ein kai­ser­li­cher Ku­ri­er in Vol­mars Her­ber­ge an­ge­kom­men, eil­ten die Ge­sand­ten zu die­sem, um den Er­folg zu ver­neh­men. Sie wur­den in­des­sen nicht vor­ge­las­sen, son­dern ein Se­kre­tär gab die Aus­kunft, der Vol­mar­sche Brief müs­se lei­der in Wien miss­ver­stan­den wor­den sein; denn an­statt des ver­lang­ten Schlüs­sels oder ei­nes neu­en Schrei­bens sei nur eine Ko­pie des ers­ten ein­ge­trof­fen. Der Herr Rat habe sich gleich dar­über­ge­macht, um es mit Got­tes Hil­fe doch zu ent­zif­fern, und dür­fe da­bei nicht ge­stört wer­den. Erst nach drei Ta­gen er­schi­en Vol­mar sieg­reich, wenn auch et­was er­schöpft, wie­der und ver­kün­de­te, der grund­gü­ti­ge Gott sei ihm zu Hil­fe ge­kom­men, dass er den Brief end­lich ent­zif­fert habe, und es ste­he dar­in, dass der Kai­ser in die Ab­tre­tung des El­saß wil­li­ge, so­dass dem Ab­schluss nichts mehr im Wege ste­he.

In den all­ge­mei­nen Freu­den­aus­bruch stimm­te ein­zig der spa­ni­sche Ge­sand­te nicht ein, der in vol­lem Zor­ne ge­lau­fen kam und Vol­mar mit Vor­wür­fen über­häuf­te. Das sei wi­der die Ab­re­de, sag­te er, nun und nim­mer wer­de sein Kö­nig in die Ces­sio Al­sa­tiae wil­li­gen, lie­ber wol­le er bis zum Jüngs­ten Tage wei­ter krie­gen, an Mit­teln feh­le es ihm nicht. Sein Kö­nig be­reue sehr, den Kai­ser mit so an­sehn­li­chen Gel­dern un­ter­stützt zu ha­ben, und aus der Hoch­zeit mit der kai­ser­li­chen Prin­zes­sin wer­de si­cher nichts wer­den, wenn der Kai­ser sich so un­füg­sam zei­ge.

Vol­mar ent­schul­dig­te sich mit der durch die Erobe­rung der Pra­ger Klein­sei­te so un­glück­lich ver­än­der­ten Lage. Die Kai­ser­li­che Ma­je­stät habe kei­ne Ruhe, so­lan­ge die Schwe­den auf dem Hrad­schin sä­ßen. Der Pfalz­graf Karl Gu­stav möch­te etwa noch ver­su­chen, ob sei­ne Schu­he in die Fuß­tap­fen sei­nes Oheims, des wei­land Win­ter­kö­nigs Fried­rich, pass­ten; und das wer­de dem Kö­nig von Spa­ni­en auch nicht lieb sein, wenn der nun schon drei­ßig Jah­re wäh­ren­de Krieg wie­der von vorn an­fin­ge.

Der Kö­nig von Spa­ni­en, sag­te der Ge­sand­te, zäh­le die Jah­re nicht, die ein Krieg wäh­re, son­dern nur die Sie­ge, die er ge­wän­ne.

Ja, das sei auch leich­ter, sag­te Vol­mar bis­sig. Üb­ri­gens habe er den Ab­schluss so lan­ge wie mög­lich hin­aus­ge­zö­gert, es sei auch jetzt nicht al­ler Tage Abend, mit der Un­ter­schrift wer­de er sich noch lan­ge be­sin­nen, in­zwi­schen kön­ne sich die Kriegs­for­tu­na wie­der wen­den. Der päpst­li­che Ge­sand­te wol­le oh­ne­hin nichts von dem Frie­den hö­ren, nach wel­chem die Ka­tho­li­ken so viel her­aus­ge­ben müss­ten, ver­spre­che hoch an den Kos­ten bei­zu­steu­ern, wenn nur der Krieg fort­ge­setzt wer­de. Er wol­le es nicht an Fleiß feh­len las­sen, dass das Tür­lein of­fen­blie­be.

Al­ler­dings wei­ger­ten sich Vol­mar und die üb­ri­gen kai­ser­li­chen Ge­sand­ten, den Frie­den­strak­tat zu un­ter­schrei­ben: der Kai­ser habe aus­drück­lich be­foh­len, in die­ser Sa­che cau­te, cir­cumspec­te et se­cu­re vor­zu­ge­hen, ihr Kopf sei ih­nen so lieb wie an­de­ren, sie wür­den sich hun­dert­mal be­sin­nen, be­vor sie die Fe­der ein­tauch­ten und sich etwa dem Teu­fel ver­schrie­ben.

Da sich in­des­sen auf dem Kriegs­schau­platz nichts ver­än­der­te, ga­ben sie dem all­ge­mei­nen Drän­gen nach, und am Abend des 24. Ok­to­ber, ei­nem Sams­tag, wur­de der Frie­den un­ter­schrie­ben.