Kapitel 8

 

»Was ist passiert?«, fragte Jake überrascht.

»Jemand war vor uns hier«, sagte Ashley grimmig. »Die gesamte Elektronik scheint aus dem Schiff entfernt worden zu sein. Einschließlich des Subraumsenders. Und des Werkzeugkastens!«

Nog und T'Ara gesellten sich im nackten Gerippe des Schiffs zu ihnen. »Das ist unfair!«, rief der Ferengi. »Der Bergelohn steht uns zu!«

»Es ist schlimmer als nur unfair«, sagte Ashley zu ihm. »Ohne das Funkgerät können wir keine Hilfe rufen. Jetzt stecken wir endgültig hier fest.«

»Bis jemand sich so große Sorgen macht, dass er nach uns sucht«, warf T'Ara ein.

»Wahrscheinlich eher, bis die Cardassianer uns finden«, erwiderte Jake verbittert. »Wir können uns nicht ewig vor ihnen verstecken.«

T'Ara erbleichte angesichts dieser Vorstellung ein wenig. Spätestens seitdem die Cardassianer im Weltraum das Feuer auf den Flitzer eröffnet hatten, war klar, dass sie durchaus bereit waren, sie zu töten. Es bestand kein Grund zu der Annahme, dass sie hier auf diesem Planeten freundlicher sein würden.

»Glaubst du, die Cardassianer haben das getan?«, fragte Jake.

»Unmöglich«, antwortete Ashley. »Den Tricordern zufolge sind sie noch mehrere Kilometer von uns entfernt.«

»Den Tricordern zufolge«, erwiderte Jake, »ist außer uns niemand hier. Aber irgend jemand hat diese Sachen mitgenommen, und ich glaube nicht, dass es ein paar langfingrige Pflanzen waren.«

T'Ara hob ihren Tricorder. »Er zeigt noch immer nichts an«, sagte sie. »Und er ist nicht dafür geschaffen, komplizierte Scans vorzunehmen. Aber wer konnte denn schon ahnen, dass wir etwas brauchen würden, mit dem man wesentlich gründlicher vorgehen kann als damit?«

Jake schüttelte ungläubig den Kopf und ging zu den Vorratsschränken hinüber. Er hob eine der wenigen Taschen auf, die sich noch darin befanden, und öffnete sie. Darin waren mehrere Pakete mit Lebensmitteln. »Na ja, wenigstens haben die Täter nicht auch noch die Nahrungsmittel gestohlen.«

Ashley trat zu ihm. »Ja«, sagte sie nachdenklich. »Merkwürdig ist, dass sämtliche Lebensmittelpakete noch hier sind. Ist es nicht seltsam, dass sie alle Geräte mitgenommen, die Vorräte aber zurückgelassen haben?«

T'Ara runzelte die Stirn. »Wären Cardassianer die Diebe«, sagte sie, »hätten sie zumindest ein paar Lebensmittel mitgenommen. Sie können sie verzehren. Daraus folgt … wer auch immer das elektronische Material mitgenommen hat, kann unsere Nahrung nicht essen.«

»Pflanzen zum Beispiel, meinst du?«, fragte Jake. »Aber warum sollten Pflanzen einen Sender stehlen?« Er schnippte mit den Fingern. »He, was ist mit diesem Wesen, das ich im Dschungel gesehen habe?«

Ashley verzog unwillig das Gesicht. »Niemand sonst hat etwas gesehen, Jake. Und die Tricorder haben niemanden registriert.«

»Sie haben auch hier niemanden registriert«, sagte Jake und zeigte in dem entkleideten Schiff um sich. »Aber offensichtlich war jemand hier. Vielleicht derselbe Jemand, den der Tricorder zuvor auch nicht gesehen hat?«

»Falls du jemanden gesehen hast«, hielt Ashley dagegen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Dieser Planet ist unheimlich und wird jeden Augenblick unheimlicher.«

»Es ist sinnlos, noch länger hierzubleiben«, warf Nog knurrend ein. »Schnappen wir uns die Lebensmittel und kehren wir zur Höhle zurück, bevor auch noch die Vorräte verschwinden. Ich habe Hunger!«

Jake nickte. »Ja, wieso nicht«, stimmte er zu. Aber was sollten sie Mrs. O'Brien sagen? Ihre letzte Chance, Hilfe zu rufen, war vertan. Jetzt hatten sie zwar jede Menge Nahrungsmittel, aber die Cardassianer kamen immer näher – und die unsichtbare Macht, die den Flitzer ausgeräumt hatte, war hinter ihnen her …

 

Mrs. O'Brien konnte auch nicht erklären, was geschehen war. Sie war zwar dankbar, dass sie jetzt genug zu essen hatten, doch der Verlust des Funkgeräts hatte sie offenbar sehr schwer getroffen. Jake wusste, dass sie denken musste, dieser ganze Albtraum sei ihre Schuld. Die Exkursion hierher war ihre Idee gewesen, und sie hatte Jakes Vater überzeugt, dass dieser Planet völlig ungefährlich war. Aber sie hatte die Probleme, auf die sie stoßen würden, einfach nicht vorhersehen können – und auf keinen Fall einen cardassianischen Angriff. Auch wenn die Cardassianer nicht die nettesten Leute im Universum waren, reagierten sie normalerweise nicht so überzogen.

Warum hatten sie den Flitzer also angegriffen?

Ihre Lehrerin betrachtete hilflos den in die Decke gehüllten Lieutenant Danvers. »Es geht ihm schlecht«, gestand sie ein. »Ich hatte gehofft, wir könnten Hilfe anfordern. Er hat viel Blut verloren, und ohne richtige medizinische Hilfe wird er höchstens noch einen Tag lang leben. Wir müssen doch irgend etwas tun können!«

»Wenn wir herausfinden könnten, wer die Geräte gestohlen hat«, schlug Ashley vor, »könnten wir sie uns vielleicht zurückholen.«

»Na klar!«, sagte Nog schnaubend und zeigte auf T'Ara. »Sie kann ja noch nicht mal die Täter finden, geschweige denn die verschwundenen Gegenstände.«

»Es ist nicht T'Aras Schuld!«, fauchte Ashley. »Sie tut ihr Bestes!«

»Augenblick mal«, sagte Jake. »Diese Geräte … ist es möglich, mit dem Tricorder nach einigen Elementen darin zu suchen? Zum Beispiel nach Dilithiumkristallen oder einigen der selteneren Metalle?«

T'Ara schüttelte den Kopf. »Auf dieser Welt gibt es zu viele Metallvorkommen«, erwiderte sie. »Und einige Pflanzen haben hohe Metallkonzentrationen in ihren Stängeln und Blättern. Damit ist es sehr schwierig, nach einem bestimmten Gegenstand zu scannen, außer, es befindet sich eine in Betrieb befindliche Energiequelle darin. Nur auf diese Weise kann ich das cardassianische Schiff anmessen, und so haben wir den Flitzer überwacht, bis die Energiequelle verschwand. Der Sender muss ausgebaut, seine Energiequelle entfernt worden sein. Ich kann sie jedenfalls nicht mehr anmessen.«

»Dann können wir also nichts tun«, sagte Jake seufzend. Er betrachtete die abgepackten Lebensmittel und die Handvoll essbarer Früchte und Gemüsesorten, die Larens Gruppe gesammelt hatte. »Tja, dann können wir wohl genauso gut essen und uns dann schlafen legen.« Dann fiel ihm das Vidspiel ein, das sein Vater ihm geschenkt hatte, bevor sie die Station verlassen hatten. »Außer, jemand möchte noch eine Runde spielen?« Er zog es aus seinem Rucksack. »Es ist ein Baseball-Simulator.«

»Ein Spiel?« Nog schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich dafür jetzt Nerven hätte. Wir stecken in viel zu großen Schwierigkeiten. Ich will einfach völlig depressiv werden.«

»Ja.« Jake zuckte mit den Achseln. »Es würde keinen Spaß machen, jetzt zu spielen, was?« Er legte das Spiel wieder in seinen Rucksack und zog an der Schleife der abgepackten Ration. Damit erhitzte er den Inhalt, und ein paar Sekunden später hielt er eine dampfende Schüssel mit bajoranischem Fledermausvogel-Eintopf in der Hand. Er benutzte den kleinen Stiel einer örtlichen Pflanze als Löffel und fing zu essen an. Normalerweise war das eines seiner Lieblingsgerichte, aber die Besorgnis hatte ihm den Appetit verschlagen. Seine drei Freunde saßen neben ihm, jeder in seine eigenen Gedanken verloren. Dem Ausdruck auf ihren Gesichtern nach zu urteilen, war ihnen genauso elend zumute wie ihm.

Die jungen Bajoraner drängten sich um Laren zusammen. Bakis hatte endlich aufgehört zu heulen. Mrs. O'Brien nahm ihre Mahlzeit gemeinsam mit Molly zu sich. Sie blieb neben dem bewusstlosen Piloten sitzen und beobachtete ihn genau, während sie aß.

Jake kam sich völlig verloren und hilflos vor. Sie hingen hier fest, und es schien keinen Ausweg zu geben. Sie konnten lediglich versuchen, sich so lange wie möglich vor den Cardassianern zu verstecken. Zumindest konnten sie mit Hilfe der Tricorder feststellen, wo ihre Feinde sich befanden. Das war im Augenblick der einzige Trost.

Nachdem sie gegessen hatten, schaute Jake aus der Höhle und in den Urwald. Die Sonne war untergegangen, und die letzten bleichen Strahlen erstarben langsam in dem kleinen Teil des Himmels, den er sehen konnte. Manchmal schimmerten schwach einige Sterne, aber hauptsächlich befand sich da draußen eine Masse dunkler, verschlungener Pflanzen und Bäume. Niemand sagte sehr viel; alle waren viel zu niedergeschlagen, als dass ihnen etwas Vernünftiges eingefallen wäre. Schließlich legte Jake sich hin, benutzte den Rucksack als Kopfkissen und schlief irgendwann auch ein.

Es war noch Nacht, als jemand ihn wachschüttelte. Er setzte sich auf und sah in dem schwachen Licht Ashleys Gesicht, das besorgt zu ihm hinabschaute. »Jake!«, flüsterte sie mit zitternder Stimme. »Die Tricorder – sie sind alle weg!«