Nicht nur auf Cabal, sondern überall im Status gab es Büros der Tor-Autorität. Sie war nicht nur der Kitt, der das ansonsten anarchische Durcheinander des Status zusammenhielt, sie stellte auch das dar, was man am ehesten als gemeinsame Regierung bezeichnen konnte. Das hatte im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen hatte die Tor-Autorität mit ihrem militärischen Arm für den Status den Krieg gegen die Athir gewonnen und damit, nach allgemeiner Einschätzung, alle vor der Auslöschung bewahrt. Möglicherweise war das übertrieben, aber wenn, dann nur ein wenig. Jedenfalls war die kollektive Dankbarkeit, vor allem so kurze Zeit nach Kriegsende, auch politisch spürbar. Zum anderen war ihr dies gelungen, weil Grund Nummer zwei den Sieg erst möglich gemacht hatte: Sie kontrollierte die Sternentore und damit den interstellaren Handel oder zumindest seine sichersten und schnellsten Transportwege. Die Reise mit einem Hypersprungschiff, selbst wenn es den neuesten Heimkraft-Antrieb installiert hatte – was auf die wenigsten zutraf –, war deutlich langsamer als ein Tortransfer und kostete sehr viel Energie, die vom Schiff selbst erzeugt werden musste. Wenn man aber eine Hülle mit Heimkraft und Kraftwerken vollgestopft hatte, wurde der Lagerraum sehr begrenzt und damit sehr teuer. Durch die Tore konnte man Flugcontainer schubsen, die aus nichts anderem als Lagerraum und ein paar Steuerdüsen bestanden. Und selbst Schiffe, die noch richtig manövrieren wollten, konnten dadurch, dass sie auf ein Überlichttriebwerk verzichteten, sehr viel mehr zu weitaus geringeren Preisen sehr viel schneller transportieren. Die Vorteile waren offensichtlich. Und die Autorität sorgte dafür, dass sie allen, die zahlten, gleichermaßen zur Verfügung standen. Sie diskriminierte nicht. Das war in diesen Zeiten zweifellos erwähnenswert.
Die Autorität zeigte ihren dadurch erworbenen Reichtum auch nicht. Die Verwaltungsgebäude waren unaufdringlich, das Personal wurde nach McKinnons Auffassung bewusst danach ausgewählt, möglichst farblos, uncharismatisch und auf höchst professionelle Weise langweilig zu sein. Büroalbinos, die über eine lange Karriere mit ihren Sesseln und Tischen verschmolzen und irgendwann zu der Institution wurden, für die sie arbeiteten. Es gab einige Ausnahmen: führende Persönlichkeiten, den einen oder anderen Medienprofi, dann die wenigen, die sich nicht anpassten – und an die man sich nur deswegen erinnerte, weil sie seltsamerweise nie richtig Karriere machten.
Maurice Hankan Dakker gehörte zu jenen, die Karriere gemacht hatten. Er war ein mächtiger Mann, dem man seine Macht nicht ansah. Und er war niemand, der Audienzen gab. Als Subdirektor der »Abteilung für Achtsamkeit«, wie der Geheimdienst der Autorität offiziell hieß, war er einer von zwölf für klandestine Aktivitäten Verantwortlichen und damit jemand, auf dessen Wort gehört wurde. Wenn er eines äußerte. Maurice Dakker war ein stiller Mann, der genau wusste, dass die wahre Macht den Schweigsamen galt, die ihre Äußerungen mit Bedacht wählten, oder besser erst mal gar nichts sagten.
Als McKinnon und Minarel das Foyer des Gebäudes betraten, in dem sich das Amt aktuell befand, wies wenig darauf hin, wo sie sich gerade aufhielten. Das Symbol der Autorität hing über der schmucklosen Rezeption, die beiden ineinander verschlungenen Torsymbole, umfasst von einem höchst traditionellen Kranz, der von McKinnon stets respektlos das »Gemüse der Einheit« genannt wurde.
Hinter der Rezeption saß eine Tukari, schmal, blass, alle drei Augen starr nach vorne gerichtet, die extrem dünnen Spinnenfinger vor sich auf dem Tisch zu einem Nest geformt. Sie bewegte sich nicht, es wurde nicht einmal klar, ob sie die Besucher überhaupt bewusst wahrnahm oder mental irgendwo anders war.
War sie natürlich nicht. Diese Frau war Agentin der AfA, wahrscheinlich am Beginn ihrer Karriere, aber Produkt einer sehr anspruchsvollen, vier Standardjahre dauernden Ausbildung. Sie war keine Dekoration, sie war die erste von vielen Verteidigungslinien und saß nicht zum Spaß hier. Sie machte auch absolut nicht den Eindruck, als würde sie sich amüsieren, als die beiden Besucher sich ihr näherten.
»Minarel Tarkin und Sahir McKinnon«, sagte der Dispatcher, als sie gemeinsam vor dem Tisch standen.
»Identifikation bitte.«
Beide legten sie ihre ID -Karten in das in die Luft erhobene Fingernest. Die Karten wurden schnell gescannt und würden sie zusammen mit dem Ergebnis all der Personenscanner, die auf sie gerichtet waren, wahrheitsgemäß ausweisen.
»Wir haben einen Termin mit Subdirektor Dakker.«
Die Frau sah sie etwas erschüttert an. Niemand machte Termine mit Subdirektor Dakker. Dakker lud vor. Er verhaftete. Manchmal ließ er beseitigen. Aber man machte keine Termine mit ihm. Das funktionierte in diesem Falle nur, weil Dakker »Allgemeine Dienstleistungen« etwas schuldete. Die Schande allein, einen Termin einräumen zu müssen, musste schwer an ihm nagen. Es würde sich unweigerlich rumsprechen. Es würde kein leichtes Gespräch werden.
Aber das hatten weder McKinnon noch Minarel erwartet.
»Bitte warten sie beide dort drüben.« Die Dame an der Rezeption zeigte auf eine Gruppe billig aussehender Kunststoffsessel in einer Ecke, fleckig und ungepflegt. Das typische Understatement der AfA. Man musste niemandem zeigen, wer man war. Man war einfach. Wahrscheinlich hatte jemand die Flecken auf das Plastik gemalt, damit es möglichst ranzig aussah.
Natürlich hätte Dakker sie sofort vorlassen können. Aber er hatte die Form zu wahren. Man wartete auf ihn, ehe man zur Audienz geführt wurde. Und so setzten sie sich in die knarzenden Sessel, aus deren aufgesprungenen Rissen die Luft entwich. Es roch unangenehm, abgestanden, etwas faulig. Wann hatte hier das letzte Mal jemand Platz genommen?
»Wie lange wird er uns warten lassen?«, fragte Minarel.
»Bis wir gemerkt haben, dass wir nicht willkommen sind.«
»Ich weiß das bereits. Wir sind nicht hier, weil Maurice uns mag. Wir brauchen ihn. Er steht in meiner Schuld.«
Minarel sagte es laut und deutlich. Sie wussten beide, dass natürlich jedes Wort, das sie in diesem Gebäude sprachen, abgehört wurde – nicht notwendigerweise aber aufgezeichnet. Auch die Autorität wollte nicht, dass alles, was sie tat, nachvollziehbar war.
Auf einem Beistelltisch lagen alte Zeitschriften. Das Amt kokettierte damit, langsam und rückständig zu sein, also waren es auf Papier gedruckte, eigentlich eine Domäne für sehr Rückwärtsgewandte. McKinnon ergriff eines der Hefte und schaute sich das in verblassenden Farben gedruckte Cover an. Es handelte sich um ein Propagandablatt der Autorität, das Reportagen über exotische Welten mit unterschwelliger Lobhudelei verband. Wie alle Produkte von PR -Abteilungen war es aufdringlich, albern und operierte an der Grenze zur Fremdscham. Wie gut, dass Minarel aufgrund der sehr zurückgezogenen Arbeitsweise ihrer Firma niemals auf die Idee gekommen war, sich so einen PR -Berater zuzulegen.
»Der Subdirektor erwartet Sie!« Die Rezeptionsdame war plötzlich neben ihnen aufgetaucht, ein falsches Lächeln auf den schmalen Lippen. »Nehmen Sie diese Badges, und tragen Sie diese immer bei sich. Fahrstuhl zwei ist für Sie autorisiert.«
Zwei Plastikscheiben wechselten die Besitzer. McKinnon heftete die seine an das Revers. Sie erhoben sich und gingen sofort zur Batterie der Fahrstühle, die Nummer zwei öffnete sich, als sie sich der Kabine näherten. Es gab kein Bedienfeld. Dieser Lift war für Besucher, deren Bewegungen man auf jeden Fall unter Kontrolle behalten wollte. Die Reise dauerte nur Sekunden, es reichte nicht einmal für die ersten Noten der von den PR -Beratern ausgesuchten Fahrstuhlmusik. Und als sich die Türen wieder öffneten, wurden sie erwartet.
Maurice Dakker war schmal, gekleidet in einen Allerweltsanzug. Wässrige Augen, dünner Oberlippenbart, suboptimal rasiertes Kinn. Er hatte die olivbraune Hautfarbe der allermeisten Menschen, etwas blasser vielleicht, sodass er fast kränklich wirkte. Seine Stimme war ebenfalls dünn, ohne Timbre, als ob die Töne irgendwo weit vorne im Mund erzeugt würden und noch nicht richtig erwachsen wären, wenn sie diesen verließen. McKinnon war ihm vor drei Jahren das letzte Mal begegnet, er hatte sich nicht einen Deut verändert. Vermutlich stand er jeden Morgen eine halbe Stunde vor dem Spiegel, um sich exakt so zurechtzumachen. Wundern würde es McKinnon nicht.
Dakkers dünner Mund lächelte. Es war eine sorgfältig abgezirkelte Aufwärtsbewegung der Mundränder, die im Grunde absolut bedeutungslos war.
»Minarel. Sahir. Wie schön, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen!«
Dafür, dass Dakker soeben eine der größten Lügen seit Entstehung des Universums geäußert hatte, kam sie recht überzeugend über seine Lippen.
»Ich freue mich auch, Maurice. Gut sehen Sie aus«, flötete Minarel. McKinnon neigte sein Haupt respektvoll. Die war auch nicht schlecht gewesen.
Dakker winkte den Gang hinunter.
»Ich habe einen Raum vorbereitet. Mein Büro ist sehr unaufgeräumt. Hier entlang. Ich hoffe, Sie mussten nicht zu lange warten.«
»Nein, ganz im Gegenteil. Wir wissen, dass Sie sehr beschäftigt sind und sind sehr dankbar.«
»Für Sie immer gerne, Minarel. Für Sie immer gerne.«
McKinnon rang etwas um seine Selbstbeherrschung. Hier wurden schichtweise Lügen aufeinandergelegt, die auf einem alten, viele Jahre alten Fundament früherer Lügen fußten. Irgendwann würde diese Masse an Lügen sedimentieren, und man würde Rohstoffe daraus gewinnen können.
Der vorbereitete Raum war farblos und langweilig wie das Äußere ihres Gastgebers. Eine Karaffe mit Wasser und einige Gläser auf einem grauen Tisch, umgeben von grauen Stühlen, platziert vor grauen Wänden. Das Neonlicht der einzigen Lichtquelle war strahlend weiß. Die Stühle waren auf subtile Weise unbequem. Egal, wie man sich setzte, kroch das Gefühl die Wirbelsäule hoch, dass irgendwas nicht ganz richtig sei. Kein Ort, an dem man sich lange und gerne aufhielt. So wollte Maurice das.
Der Subdirektor schlug die Beine übereinander. Er bot ihnen Wasser an, es wurde höflich abgelehnt. Natürlich gab es nichts anderes, nicht einmal graue Konferenzkekse. Das sagte mehr als tausend Worte.
»Ich muss zugeben, dass ich nicht völlig überrascht bin, von Ihnen zu hören«, eröffnete Dakker den Tanz.
»Wir sind davon ausgegangen, dass Sie gut informiert sind«, sagte McKinnon.
Der Mann machte eine vage Handbewegung. »Das Amt hat ein valides Interesse an Ihren Aktivitäten. Wir sind nicht immer erfreut darüber, was Sie so tun, aber meist ist es nützlich oder zumindest nicht schädlich. Sie tanzen da immer auf einer sehr dünnen Linie, und das tun Sie gut. Darüber hinaus haben Sie uns aus einer bösen Situation geholfen und dafür nicht einmal eine Rechnung gestellt. Ich bin Ihnen daher verpflichtet. Wem ich verpflichtet bin, den behalte ich im Auge.«
Immerhin, dachte McKinnon, er hatte nicht »leider« gesagt, obgleich das ganz gewiss seine innere Haltung zu dem Thema war. Minarel schenkte Maurice ein Lächeln. Er versuchte, zivilisiert aufzutreten, und das galt es zu respektieren.
»Sie wissen, was mit Orbal passiert ist«, sagte sie. »Und ich vermute, Sie haben auch von dem Vorfall im Club gehört.«
»Der unrühmliche Tod des Prinzipals ist uns nicht entgangen. Sein Hinscheiden ist bedauerlich, aber kein schwerer Schlag«, sagte er dann. »Die Autorität sieht schon länger einem dortigen Regierungswechsel … in konstruktiver Offenheit entgegen.«
Das hatte er nett gesagt, meinte McKinnon. Er zog keine falschen Schlüsse daraus. Trotz ihrer Einstellung überschritt die Autorität niemals die dünne Linie, die ein Interesse von einem Attentat trennte. So weit durfte sie nicht gehen und war seines Wissens nach auch noch nie so weit gegangen.
»Sie vermissen ein Mitglied Ihres Teams, so sagt man«, fuhr Dakker fort.
»Dem ist leider so.«
»Und es wurde ein zweiter Versuch, eines Simipathen habhaft zu werden, gerade noch vereitelt.«
»Der Anschlag im Club, in der Tat.«
Maurice neigte den Kopf. »Ich hoffe, der Dame Ariovista geht es gut? Meine Gattin ist ein großer Fan und wäre untröstlich, wenn ihr etwas Ernsthaftes zugestoßen wäre.«
»Ganz ausgezeichnet. Sie hat vor, das … traumatische Erlebnis in einem neuen Liederzyklus zu verarbeiten«, sagte McKinnon.
»Das wird meine Gattin sehr gerne hören«, erwiderte der Subdirektor mit einer Tonlage, die eindeutig zeigte, dass es ihm im Grunde völlig egal war. McKinnon stellte sich vor, dass es keine Freude sein musste, die Lebenspartnerin dieses Mannes zu sein. Er verfügte hoffentlich über einige verborgene Qualitäten, die ihm entgingen.
»Hat das Amt etwas darüber erfahren, wer hinter den beiden Anschlägen, vor allem hinter der geglückten Entführung, stecken könnte?«, ließ McKinnon die Katze aus dem Sack. Bei anderen Gesprächspartnern hätte man noch eine Schleife mit Small Talk gedreht, um sich schrittweise kommunikativ an den Elefanten im Raum anzunähern. Maurice Dakker gehörte nicht zu so zögerlichen Gesprächspartnern, sondern kam lieber schneller zur Sache. Das war eine seiner wenigen Eigenschaften, mit denen der Dispatcher ganz gut zurechtkam.
»Das Amt ist groß«, sagte Maurice lächelnd. »Es existiert auf allen Welten des Status und hört naturgemäß recht viel. Ich bin nur ein kleiner Subdirektor, wie Sie wissen. Darf ich Ihrer Frage entnehmen, dass Ihre bisherigen Nachforschungen trotz aller erheblichen Investitionen noch nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt haben?«
Natürlich hatte Dakker genau hingeschaut. Es musste ihn sehr freuen, wenn »Allgemeine Dienstleistungen« so viel Geld verpulverte. Als man ihm vor drei Jahren aus der Patsche geholfen hatte, stand er albern da, quasi mit heruntergelassenen Hosen vor seinen Direktionskollegen. Dass er am Ende die ausgesprochen problematische Affäre um die »Antiautoritäre Revolutionsfront« doch noch gelöst hatte, bewahrte ihm damals seine Stellung. Dass die Simipathen die Kampfzelle auf Cabal infiltriert und ausgehoben hatten, nachdem Dakker Minarel in seiner Verzweiflung um Hilfe angefleht hatte, war ihm Schuld, Scham und Last zugleich.
McKinnon empfand kein Mitleid mit ihm. Dakker war ein Arsch. Er musste einer sein. Niemand wurde Subdirektor des Amts für Achtsamkeit, wenn er keiner war und noch Freude daran hatte. Aber er war ein Arsch mit guten Quellen.
»Wir sind nicht sehr weit gekommen«, gab McKinnon offen zu. »Wer auch immer dahintersteckt, hat umfassende Ressourcen, eine ausgezeichnete Ausrüstung und exzellentes Personal.«
Dakker hob abwehrend die Hände. »Wir stecken nicht dahinter.«
»So gut sind Ihre Leute nicht, damit haben wir unsere Erfahrungen gemacht«, gab McKinnon zurück, und für einen Moment huschte so was wie Verärgerung über Dakkers Gesicht, ehe es sich wieder in eine höfliche Maske verwandelte. Dakker wusste, dass der Dispatcher recht hatte. Das Amt war groß und durchaus mächtig, aber auch sehr schwerfällig, ein administratives Monster, bei dem auch ein Subdirektor nie sicher sein konnte, ob er es oder es ihn verwaltete.
Außerdem gab es kein Motiv. Simpath Inc. war für den Status als freier Agent viel nützlicher als in jeder anderen Position. Wenn etwas schiefging, war man unschuldig. Wenn es klappte, gab es ein starkes gemeinsames Interesse an Diskretion. Es war stets die berühmte Win-win-Situation.
»Sie hören mehr, als Sie zugeben wollen«, sagte Minarel nun. Ihr Tonfall war bittend. Sie konnte jetzt keinen Streit brauchen. McKinnon verstand und hielt den Mund. »Wir haben Ihnen in der Vergangenheit gute Dienste geleistet und sind bereit, es in Zukunft wieder zu tun. Ich bitte Sie herzlich, Subdirektor, uns dafür etwas zur Seite zu stehen. Jemand hat sich in den Besitz eines Simipathen gebracht. Ich bin mir sicher, dass er nicht kooperieren wird, egal, was man mit ihm vorhat, aber vielleicht soll er auch nur ein Forschungsobjekt sein. Wir müssen wissen, was dahintersteckt – und ich denke, das dürfte auch im Interesse des Amtes sein. Ein Simipath als geheimer Akteur außerhalb des Sichtfeldes Ihrer Behörde – ich kann mir da einige sehr unangenehme Situationen vorstellen, sollte es den Entführern irgendwie gelingen, unseren Freund doch zur Kooperation zu bewegen.«
Dakker hörte ihr aufmerksam zu. Dann, als sie geendet hatte, nickte er langsam. »Sie haben nicht unrecht. Ich bin in der Tat etwas besorgt. Simipathen sind ein besonderes Machtmittel und richtig eingesetzt und angeleitet zu beunruhigenden Dingen in der Lage. Ich erkenne ein gemeinsames Interesse … und natürlich weiß ich, dass ich in Ihrer Schuld stehe. Das ist unerfreulich, aber ich habe es stets anerkannt, wie sehr es mich auch ärgert.«
McKinnon wusste, dass der Subdirektor damit die Wahrheit sprach. Das war die Art von Moral, auf die man sich bei ihm verlassen konnte. Sonst wären sie gar nicht erst hier vorstellig geworden.
»Sie werden also Erkundigungen einziehen?«
»Mit gebotener Vorsicht.«
»Und wann dürfen wir Sie wieder kontaktieren?«
Dakker verzog das Gesicht. Er mochte es in seiner Position natürlich gar nicht, wenn ihn jemand zu etwas drängen wollte. »Ich melde mich bei Ihnen.«
»Das ist nicht gut genug.« Minarels Tonfall änderte sich. Aus dem Flehen war eine Forderung geworden. Dakker sah sie aufmerksam an, als würde er jetzt eine ganz andere Nuance an ihr erkennen, die ihm vorher entgangen war. McKinnon hielt das jedoch für unwahrscheinlich.
Anstatt ihr zu antworten, wandte sich der Subdirektor an den Mann. »War es nicht exakt heute vor drei Jahren, dass wir einen der wenigen schönen Momente der damaligen Affäre genossen haben?«
McKinnon zögerte kurz. Dakker war mal wieder grob unhöflich. Oder?
»Sie meinen die Befreiung der Geiseln aus den Händen der Terroristen?«, hakte der Dispatcher dann nach, obgleich er ganz genau wusste, was gemeint war.
»Genau die.«
»Das war nicht exakt vor drei Jahren. Noch fünf Tage, dann jährt es sich.«
»Ich mag Sie, McKinnon. Sie haben sich die disziplinierte Exaktheit eines Veteranen bewahrt. Ich mag es, mit ehemaligen Militärs zusammenzuarbeiten, denn man kann sich bei ihnen im Regelfall auf gewisse Dinge verlassen. Ja, fast drei Jahre. Waren Sie seitdem noch einmal in der Gegend?«
McKinnon schüttelte den Kopf. »Ich habe die Berghütte niemals wiedergesehen. Ich bin aber auch kein großer Freund von Skiurlauben oder Wanderungen. Die ganze Gegend gibt mir nichts außer eher unangenehmen Erinnerungen. Es war ja nicht so, als hätten die Terroristen sich nicht gewehrt.«
Dakker nickte, als würde er in der Vergangenheit schwelgen.
»Böse Menschen, ganz, ganz böse. Waren wir damals ungeduldig oder geduldig, ehe wir losschlugen?«
»Wir waren sehr geduldig. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir diese fünf Tage im Schnee gelegen und alles beobachtet, ehe wir das Signal zur Befreiung der Geisel gaben. Es war saukalt.«
»In der Tat. Habe mir einiges abgefroren damals.« Maurice Dakker nickte und erhob sich. Er sah Minarel an. »Sie sollten sich ein Beispiel an Ihrem Mitarbeiter hier nehmen. Geduld und Disziplin. Ich mag ihn. Wirklich.« Er lächelte. »Aber jetzt muss ich mich entschuldigen. Die Pflicht ruft. Man wird Sie hinausbegleiten.« Und wie durch Zauberhand herbeigerufen, stand die Rezeptionsdame im Zimmer und wies einladend auf die Tür. Das war endgültig das Zeichen zum Aufbruch.
»Dakker, ich …«, begann Minarel.
»Ich wünsche Ihnen noch einen ganz wunderbaren Tag, Direktorin.«
Und damit verschwand der Mann ohne jedes weitere Wort.
In Minarel kochte es, das sah McKinnon ihr an. Sie verbarg diese aufgewühlte Emotion, bis sie wieder in ihrem Gleiter saßen und die Automatik das Gefährt in die Lüfte hob. Sie holte tief Luft.
McKinnon hob eine Hand, aktivierte eine Konsole. Ein sanftes Signal ertönte. Der Spürer meinte, niemand würde sie hier abhören. Minarel sah ihn leicht verwundert an, holte noch einmal tief Luft, doch ehe sie ihrem Zorn freien Lauf lassen konnte, sprach McKinnon.
»Er hat uns ein gutes Angebot gemacht«, sagte er.
»Wie bitte? Der arrogante Arsch …«
»Wir sollten etwas einpacken. Warme Jacken beispielsweise.«
Minarel mochte wütend sein, aber ihre Denkprozesse waren durch Emotionen nur schwer zu beeinträchtigen. Es dauerte nur wenige Momente, dann klärten sich die Wolken der Wut in ihrem Gesicht auf, und plötzliche Erkenntnis wurde darauf sichtbar.
»Die Hütte in den Bergen«, flüsterte sie.
»In fünf Tagen«, ergänzte McKinnon und lächelte sie an. »Er wird uns helfen, aber nicht im Hauptquartier des Amtes. Die Sache ist heiß, Minarel. Sie ist so heiß, dass er sich selbst schützen muss, und daher kann er mit uns nur an einem Ort sprechen, der weit weg ist. Er begeht einen Vertrauensbruch, wenn er uns hilft. Er muss sich absichern.«
»Ja«, murmelte Minarel. »Ja, ich war voreilig. Verdammt, ich hätte es beinahe vermasselt!«
»Nur beinahe. Wir stehen alle unter Druck. Kein Vorwurf. Wir bekommen, was wir wollen. In fünf Tagen.«