Die Veranstaltung war ein Erfolg. Es traten ein Gesangstrio auf sowie zwei Solisten und ein Zauberer. Außerdem wurden drei Sketche aufgeführt, von denen einer ausgebuht wurde, da die Soldaten im Publikum meinten, hier würde zu sehr die Seite der Unteroffiziere vertreten. Ferner wurden zwei Klaviersoli zu Gehör gebracht, beide gespielt von Miß Elizabeth Gillespie.
Das Klavier stand unterhalb der Schulbühne, und Lizzie hatte zum Abschluß alle Sänger und das Publikum beim Absingen einer Anzahl volkstümlicher Lieder begleitet. Die Zuhörer zerstreuten sich allmählich, mit Ausnahme einer Gruppe Soldaten und einiger Zivilisten, die das Klavier umstanden und Lizzie drängten, weiterzuspielen, wozu sie sich auch bereit erklärte.
John schob sich durch die Umstehenden zu ihr durch. »Wir gehen jetzt. Kommst du allein zurecht?«
Einer der Soldaten rief: »Das geht schon in Ordnung, Dad! Wir werden uns darum kümmern, daß sie nach Hause gebracht wird, und zwar unter vollem Geleitschutz!« Unter dem Gelächter seiner Kameraden salutierte er mit zitternder Hand. John warf ihm einen kühlen Blick zu und sagte zu Lizzie: »Ich werde dich vom letzten Bus abholen. In Ordnung?«
»Prima.« Sie nickte ihm zu und fuhr fort zu spielen.
Etwa eine halbe Stunde später tauchte der Hausmeister auf und überschrie den Lärm: »Es ist zehn Uhr! Macht Schluß jetzt! Ich muß den Saal für morgen vorbereiten!« Er ging durch die Halle und schaltete ein Licht nach dem anderen aus, nur die Lampe neben der Bühne ließ er brennen. Die Soldaten protestierten lautstark, doch Lizzie war insgeheim erleichtert. »Er hat recht. Er muß schließlich noch aufräumen. Außerdem muß ich den Bus erwischen.«
»Wir haben Ihrem Dad versprochen, daß wir Sie heimbringen, und das tun wir auch. Ich jedenfalls tue es.« Der Soldat schnappte sich ihr Notenheft und ergriff ihren Arm. Lizzie versuchte, ihn wegzuschieben. »Vielen Dank, aber ich nehme lieber den Bus.«
»Nun, ich kann Sie doch zur Haltestelle bringen!«
»Das können wir alle«, warf ein anderer ein; doch der erste Mann ließ sich nicht abbringen. »In diesem Fall reicht einer; zwei sind schon zuviel.«
Lizzie lachte gezwungen und wollte sich mit ihrem hartnäckigen Begleiter auf den Weg machen, als sich aus dem Schatten eine Gestalt löste und eine Stimme sagte: »Da bist du ja. Tut mir leid, daß ich zu spät komme. Ich habe es nicht schneller geschafft.«
Der Soldat lockerte den Griff um Lizzies Arm, und die anderen Soldaten machten eine Gasse frei und nahmen Haltung an, nachdem sie das Abzeichen auf dem Ärmel des Neuankömmlings bemerkt hatten. »Hattet ihr einen netten Abend, Jungs?« fragte er, und einer nach dem anderen antwortete: »Ja, Sir, ja Sir. Sehr nett.«
»Schön.« Der Offizier nickte zu Lizzie hin. »Sie spielt gut, nicht wahr?«
Die Männer lachten, und einer antwortete: »Ja, Sir. Sie hat den richtigen Schwung. Sie könnte die ganze Nacht durchspielen.«
»Das wäre aber nicht fair. Sie muß arbeiten; nicht wie ihr faule Bande, die den ganzen Tag nichts zu tun hat als marschieren.«
Lautes Gelächter ertönte, vermischt mit Buhrufen und spöttischen Bemerkungen. Die Situation hatte sich entspannt. Die Meinung über den Neuankömmling war einstimmig: Der war in Ordnung, obwohl er von der Marine war.
»Nun, gute Nacht zusammen«, sagte er und nahm Lizzies Arm.
Lizzie lächelte die Soldaten an. »Gute Nacht, Jungs. Es war mir ein Vergnügen.«
»Das war es auch für uns, Miß. Gute Nacht.«
Draußen leuchtete Andrew mit der abgeblendeten Taschenlampe in Lizzies Gesicht. »Willst du mir nicht für deine Rettung danken?«
»Ich glaube nicht, daß ich in großer Gefahr war«, erwiderte sie. »Jedenfalls nicht in größerer als jetzt.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.«
Er faßte sie fest am Arm und führte sie aus der Schule, wobei er den Weg mit der Taschenlampe beleuchtete. Vor dem Tor hielt er an. Sie standen einander gegenüber, konnten von ihren Gesichtern aber nur einen schwachen Umriß erkennen. Leise sagte Andrew: »Willst du den Bus nehmen? Er kommt in zehn Minuten. Wir könnten auch zu Fuß gehen und die Abkürzung benutzen. Bevor du dich entscheidest, solltest du wissen, daß ich nur achtundvierzig Stunden Urlaub habe. Übermorgen werden wir mit unbekanntem Ziel verlegt. Es kann jedenfalls einige Zeit dauern, bevor ich wieder zu Hause bin. Und was wichtiger ist: Ich möchte mit dir sprechen. Ich habe mir das seit langem vorgenommen, aber du hast es immer geschafft, mir zu entschlüpfen.«
»Wir gehen zu Fuß«, antwortete Lizzie ruhig.
Schweigend gingen sie nebeneinander her, bis sie die Stadt hinter sich gelassen hatten und sich auf der Landstraße befanden.
Der Nachthimmel war klar und von Sternen übersät. Es wirkte hier draußen heller als in der Stadt, wo die Häuser die Dunkelheit zu betonen und zu verstärken schienen. Plötzlich begann Andrew zu sprechen, in schnellen, abgehackten Sätzen. »Lizzie«, sagte er, »ich bin fünfundzwanzig. Dieser Krieg wird nicht nur in fernen Ländern ausgefochten, sondern direkt vor unseren Haustüren. Jeder von uns könnte morgen tot sein. Doch wird es mich wohl eher treffen als dich, daher möchte ich dir vorher noch etwas sagen. Ich liebe dich, Lizzie. Ich glaube, ich liebe dich, seit ich dich zum ersten Mal sah. Du warst fünfzehn, dünn und mager, und nichts deutete darauf hin, wie schön du werden würdest. Aber du hattest etwas Besonderes an dir. Nein ‒ halt!« rief er in Kommandostimme. »Geh jetzt nicht weg!« Er faßte ihren Arm fester und drückte ihn liebevoll. »Ich weiß, was du sagen willst: mein Vater. Nun, Vater oder nicht, er wird nicht über mein Leben bestimmen. Ich muß dir etwas sagen, Lizzie, was ich mir bisher nicht einmal selbst eingestehen wollte: Ich verachte meinen Vater. Wenn ich andere ältere Männer sehe, die ich mag und verehre, dann hasse ich den Gedanken, daß ich sein Sohn bin. Er ist gemein, im wahrsten Sinne des Wortes … Versteh mich nicht falsch. Ich sagte, er ist gemein im wahrsten Sinne des Wortes. Er denkt nur an Geld und versucht sich in eine Gesellschaftsschicht hineinzudrängen, die ihn von Anfang an abgelehnt hat. Ich sollte ihm dankbar sein, daß er mir eine gute Ausbildung gewährt hat, doch er hat sich damit selbst einen schlechten Dienst erwiesen, denn ich habe dabei gelernt, selbständig zu denken und den wahren Wert der Dinge zu erkennen. Nun, soviel über meinen Vater, doch was ist mit mir?« Andrew hielt an und brachte auch Lizzie zum Stehen. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und wiederholte: »Was ist mit mir, Lizzie? Bedeute ich dir etwas?«
Lizzie antwortete mit brüchiger Stimme: »Ja, Andrew, du bedeutest mir viel… sehr viel.«
»O Lizzie, Lizzie! Heißt das, daß du mich liebst?«
»Ja, das heißt es. Aber ich wünschte, es wäre nicht so.«
»Lizzie!« Er drückte sie leidenschaftlich an sich. Es war das erstemal, daß sie sich küßten und umarmten. Als er sie endlich losließ, warf er den Kopf zurück und rief in die Nacht: »Der Krieg ist vorbei!«
»Andrew, sei still. Du weißt nicht, wer zuhört.«
»Aber es stimmt: Mein Krieg ist vorbei. Ich habe gewonnen. O Lizzie!« Er küßte sie wieder, dann fragte er leise: »Willst du mich heiraten?«
»Ach Andrew, ich weiß es nicht. Was immer du auch sagst, dein Vater ist dagegen. Er kann Dad das Leben unerträglich machen.«
»Mach dir doch darüber keine Sorgen. Er weiß, daß er niemanden findet, der das Gut so vorzüglich verwalten würde wie John. Es würde auseinanderfallen, wenn er es nicht zusammenhielte.«
»Und was ist mit deiner Schwester, Mrs. Boneford?«
»Nun, Janis ‒ ich glaube nicht, daß sie uns Steine in den Weg legen wird. Sie hat ihr Schäfchen im trockenen. Wenn sie es nur zu schätzen wüßte, aber das tut sie nicht. Armer Dickie. Es ist eine Tragödie, wie sie im Buche steht. Lizzie«, ‒ er zog sie wieder in seine Arme ‒ »wenn wir verheiratet wären und mir würde das gleiche wie ihm zustoßen ‒ würdest du mich im Stich lassen?«
»Nein, niemals! Du wärst doch immer noch derselbe Mensch.«
»Weißt du, daß sie ihn nicht einmal anschaut? Sie meidet seinen Anblick. Bei Tisch sitzt er mit seiner guten Gesichtshälfte zu ihr, aber sie sieht ihn trotzdem nicht an. Gott weiß, wie es ist, wenn sie allein sind. Andererseits ‒ sie haben sowieso getrennte Zimmer. Er tut mir von Herzen leid. Was meine Schwester angeht, so möchte ich sie manchmal am liebsten zusammenschlagen. Sie ist Vater sehr ähnlich, weißt du das? Der Gedanke würde ihr nicht gefallen, aber es stimmt. Aber kommen wir zur Hauptsache zurück. Wann wirst du mich heiraten? Doch bevor Sie antworten, Miß Gillespie, sollten Sie in Betracht ziehen, daß ich ohne einen Penny aus der Armee ausscheiden werde. Wenn ich den Krieg überlebe, werde ich mir eine Arbeit suchen müssen. Ich habe mich mit Richard unterhalten. Er meint, wir könnten Partner werden. Er hat so Ideen von einer Rinderzucht nach dem Krieg. Ich war ausersehen, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten, obwohl ich dazu noch nie Lust gehabt habe. Richard meint jedoch, meine Buchhaltungskenntnisse könnten uns nützlich sein. Aber sogar dafür müßte ich den Kurs noch einmal machen. Wenn also aus Richards Plänen nichts wird, mußt du für mich sorgen, bis ich auf eigenen Füßen stehe. Wie gefällt dir diese Aussicht?«
»Nicht im geringsten, Mr. Bradford-Brown, nicht im geringsten. Ich habe immer von der Heirat mit einem Mann geträumt, der Geld und Güter und einen Titel besitzt. Ja, ein Titel sollte schon sein.«
Sie fielen sich in die Arme und schwankten, bevor sie engumschlungen weitergingen. »Du hast nichts über deine Mutter gesagt«, meinte Lizzie. »Wie wird sie es aufnehmen?«
»Sehr zurückhaltend. Sie zeigt nie, was sie wirklich denkt.«
»Du kannst sicher sein, daß sie es dir zeigen wird, wenn du ihr die Nachricht überbringst. Das wird einschlagen wie eine Bombe. Es wäre schon schlimm genug, wenn ich wirklich Johns und Berthas Tochter wäre, aber wenn sie daran denkt, wo ich auf gewachsen bin …«
»Sei nicht albern. Wir werden dieses Problem lösen, wenn es soweit ist. Doch was immer meine Mutter auch denkt oder sagt, für mich macht das keinen Unterschied.«
»Ich wünschte, ich wäre ebenso zuversichtlich.«
Sie hielten an, als sie plötzlich von einer Stimme aus dem Dunkel angesprochen wurden. »Bist du das, Lizzie?«
»Ja, ich bin’s, Dad.«
Sie löste sich von Andrews Arm. Er griff jedoch hastig nach ihrer Hand, und gemeinsam gingen sie schnell auf John zu, der mit der Taschenlampe in Andrews Gesicht leuchtete und feststellte: »Oh, Sie sind’s, Sir. Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich kam nicht rechtzeitig zur Bushaltestelle und fragte mich, ob Lizzie immer noch mit der Soldatenhorde kämpft.«
»Ich habe sie erlöst, John, und ich habe unseren Heimweg gut genutzt. Sie wird Ihnen alles darüber erzählen. Aber morgen komme ich herüber, um mit Ihnen zu sprechen. In Ordnung?«
John zögerte einen Augenblick, bevor er erwiderte: »Sie sind jederzeit willkommen, Mr. Andrew.« Dann wandte er sich Lizzie zu und meinte in etwas schärferem Ton: »Komm, meine Liebe. Bertha hat sich hingelegt; es geht ihr nicht gut.«
»Gute Nacht, Andrew«, sagte Lizzie, und Andrew antwortete: »Gute Nacht, mein Liebes. Gute Nacht, John, gute Nacht.«
»Gute Nacht, Mr. Andrew.« John eilte mit Lizzie davon. Seine Hand umklammerte ihren Ellenbogen. Nachdem sie ein gutes Stück gegangen waren, fragte er sie: »Und was hat das alles zu bedeuten?«
»Ich … ich werde dir alles erzählen, wenn wir zu Hause sind. Aber … aber was ist mit Mam los? Hat sie wieder diese Schmerzen?«
»Ja, obwohl sie es nicht zugeben will. Ich werde morgen den Arzt kommen lassen. Und daß du nicht da warst, hat ihr auch nicht gerade gutgetan.«
»Es tut mir leid.«
Als sie in die Küche kamen, stand Meg am Herd und hantierte mit dem Teekessel. »Da bist du ja, Mädel. Ich dachte schon, du wärst verlorengegangen«, sagte sie und nahm den Kessel vom Herd. Sie stellte ihn auf den Tisch und fügte hinzu: »Aber das Konzert war großartig, und du hast wundervoll gespielt. Wahrhaftig, das hast du. Ich habe mitgesungen am Schluß und …«
»Wie geht es ihr?«
»Oh, sie schläft fest, John. Die Tablette hat gewirkt. Machen Sie sich keine Sorgen, sie kommt schon wieder in Ordnung. Wollen Sie Tee oder Kakao?«
»Tee.«
»Und du, Mädel?«
»Ich nehme auch Tee, danke, Meg.«
John schob seinen Stuhl zurecht und ließ sich am Tisch nieder. Lizzie nahm ihren Hut ab und strich ihr Haar zurück. »Also, raus damit!« sagte John.
Lizzie stellte sich neben seinen Stuhl und sah ihm in die Augen. »Andrew hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will.«
John wandte sich von ihr ab und klopfte mit gefalteten Händen einige Male auf den Tisch, ehe er antwortete. »Das geht nicht gut. Es kann nicht gutgehen.«
»Warum nicht?«
»O Lizzie«, er schüttelte den Kopf, »muß ich dir das sagen? Muß ich es aussprechen? Sein Vater wird das niemals zulassen, und seine Mutter auch nicht. Sie noch weniger als er; denn hinter ihrer zurückhaltenden Art steckt mehr Standesdünkel als bei den meisten; und der Krieg hat daran nichts geändert. Und dann er: All diese Jahre hat er versucht, die Barrieren niederzureißen und sich neben ihr zu behaupten, hat es aber niemals geschafft. Was ihr vorhabt, würde nie in seinen Dickschädel hineingehen. Du siehst also …«
»Nein, ich sehe nichts!« erwidert Lizzie hart. »Ich bin anderer Meinung. Die Zeiten haben sich geändert. Die Menschen haben sich geändert. Und wenn der Krieg vorbei ist, wird sich noch mehr ändern.«
John drehte sich auf dem Stuhl zu ihr herum, und mit einer Stimme, die ebenso hart klang wie Lizzies, sagte er: »Wenn dieser Krieg vorbei ist, wird Mr. Andrew hochkantig hinausgeworfen, wenn ihr euren Willen durchsetzt; denn er ist von seinem Vater abhängig ‒ er hat keinen Beruf.«
»Er hat schließlich zwei Hände!«
»Sei nicht albern, Mädchen; in seiner Gesellschaftsschicht zählen Hände nicht. Du kannst nicht von ihm erwarten, daß er als Hilfsarbeiter geht, oder? Natürlich nicht. Er muß seinen Kopf benutzen. Und wie ich sagte, hat er nichts Richtiges gelernt.«
»Er … er ist Buchhalter.«
»Er hat damit angefangen und die Ausbildung nicht beendet. Und denk daran, wenn der Krieg vorbei ist, werden Tausende wie er auf Arbeitssuche sein, genau wie nach dem letzten Krieg. Offiziere, die an Haustüren Lexika verkaufen! Ach, du hast ja keine Ahnung.«
»Eines weiß ich, Dad.« Lizzies Stimme war leise und traurig. »Ich liebe ihn. Ich habe ihn geliebt, seit ich ihn das erstemal sah, und er liebt mich auch. Wir werden unser Glück auf jeden Fall versuchen!«
John wandte sich wieder von ihr ab und senkte den Kopf.
»Natürlich, Mädel. Es tut mir leid, wenn ich dir wehgetan haben sollte. Aber weißt du, du bist für mich wie ein eigenes Kind. Und was Bertha angeht, so würde sie kaum zu überzeugen sein, daß du nicht ihr Fleisch und Blut bist.«
»Es tut mir so leid.« Tränen flössen über Lizzies Gesicht.
John erhob sich schnell von seinem Stuhl und sagte: »Ach, wein doch nicht. Es wird schon alles gut werden. Ich bedaure, daß ich mein Maul so weit aufgerissen habe. Jetzt will ich nachschauen, wie es Bertha geht.«
Als Lizzie ihr Gesicht in den Händen barg, führte Meg sie zu der Holzbank und sagte: »Sei nicht traurig, Mädel, es wird schon gutgehen. Tu, was dein Herz dir sagt. Was die Arbeit nach dem Krieg angeht, so machst du es einfach, wie ich es auch gemacht habe: Arbeite für ihn, bis er auf eigenen Füßen steht. Mein Jimmy hat nach dem Krieg drei Jahre lang keine Arbeit gefunden. Es wurden keine Schiffe mehr gebaut; und als er endlich einen Job fand, konnte er ihn nicht behalten wegen den Nachwirkungen vom Giftgas. Es ging ihm nicht schlecht genug, um eine Pension zu bekommen, und nicht gut genug, um zu arbeiten. Trotzdem haben wir überlebt und waren glücklich. Und ihr schafft es auch. Jedenfalls«, sie tätschelte Lizzies Schulter, »Gott weiß, was mit uns sein wird, wenn dieser Krieg vorbei ist. Darum sollst du leben und lieben, solange du kannst, Mädel. Jawohl, lebe und liebe, solange es geht, denn auf lange Sicht ist das Leben doch recht kurz, und das findest du erst heraus, wenn du alt bist und dich für die Kiste vorbereitest. Also«, sie erhob die Stimme, »trink jetzt deinen Tee und zeig was von deinem alten Feuer. Wirf die Flinte nicht ins Korn! Und was John und seine ›Klasse‹ angeht ‒ du liebe Zeit! Wie ich es sehe, wird es nach dem Krieg eine solche Gleichheit geben, daß das Wort ›Klasse‹ aus dem Wörterbuch gestrichen wird. Komm jetzt, trink deinen Tee.«
Sie reichte Lizzie die Teetasse. Lizzie sah zu ihr auf und nickte, gab aber keine Antwort. Meg war ein echter Trost. Sie war so unkompliziert. Klassen bedeuteten für sie keine Schranken: Sie war Mrs. Meg Price, wo immer sie ging und stand. Trotzdem wußte Lizzie, daß ihr Pflegevater recht hatte. Aber sie würde Andrew auf jeden Fall heiraten. Jawohl, sie würde ihn heiraten und nach dem Krieg allen Schwierigkeiten standhalten, die das Leben ihr in den Weg stellte.